Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.06.2023, RV/6300011/2022

Keine Nachsicht der Stundungszinsen, da dies nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Wolfgang Pagitsch in der Finanzstrafsache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen Finanzvergehen gem. §§ 33 Abs. 1, 33 Abs. 2 lit. a und 34 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über dessen Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Abweisung einer Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Strafkontonummer ***BF1StNr3***, Amtsbeauftragter Jürgen Lugger, zu Recht erkannt:

I.) Die Beschwerde wird gem. § 161 Abs. 1 FinStrG als unbegründet abgewiesen.

II.) Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Erkenntnis des Spruchsenates II beim Finanzamt Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde wurde der Beschwerdeführer wegen mehrerer Finanzvergehen für schuldig befunden und über ihn eine Geldstrafe iHv € 18.000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Wochen) verhängt. Die Kosten des Strafverfahrens wurden mit € 500,00 bestimmt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurden für den Zeitraum vom bis Stundungszinsen iHv € 116,83 festgesetzt, da aufgrund der Bewilligung einer Zahlungserleichterung Zahlungsaufschub eintrat. Der Fälligkeitstag der Stundungszinsen war der .

Bereits am stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Nachsicht oa. Stundungszinsen und verwies dabei im Wesentlichen auf sein letztes Stundungsansuchen, in welchem er seine finanzielle Situation bereits dargelegt habe. Da ihm jeder Euro fehle, bedeute es für ihn eine besondere Härte diese Zinsen zu entrichten.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag mit der Begründung ab, dass in der Entrichtung von Stundungszinsen aufgrund eines eingebrachten Zahlungserleichterungsansuchens keine Unbilligkeit iSd BAO erblickt werden könne und keine wirtschaftlichen und persönlichen Gründe im Anbringen vorgebracht worden seien.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer am fristgerecht Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen damit, dass er sehr wohl eine Begründung in seinem Antrag dargelegt habe, indem er auf sein letztes Stundungsansuchen verwiesen habe. Die besondere Härte sei aufgrund seiner finanziellen Situation gegeben, da er ein Darlehen zur Abdeckung der Finanzschulden iHv € 183.300,00 finanzieren müsse, er nur mehr den Lohn der ***Firma 1*** habe, bei seiner Tochter eine 40 %ige Beeinträchtigung festgestellt worden sei und die ÖGK keine Reha zahle. Zudem führte er aus, dass seine laufenden Einnahmen und Ausgaben der Beilage zu entnehmen seien und ein aktueller Kontoauszug dem letzten Stundungsansuchen beigelegt worden sei.

Die belangte Behörde legte am die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und führte zusammenfassend aus, dass im Ansuchen des Beschwerdeführers keine Unbilligkeit zu erblicken sei. Zudem verwies sie darauf, dass am Abgabenkonto des Beschwerdeführers kein Rückstand aushafte.

Nach Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht legte die belangte Behörde am weitere Unterlagen hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers vor.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Festgestellter Sachverhalt

Der Beschwerdeführer verdient monatlich rund € 2.400,00 netto, welche zur Gänze für Lebenshaltungskosten, Rückzahlung von Krediten und einer Finanzstrafe verwendet werden. Er ist Eigentümer der Wohnung W 1, ***Bf1-Adr*** welche mit ca. € 185.000,00 belastet ist. Der Rückstand des Darlehens zur Begleichung seiner Abgabenschulden beträgt rund € 183.00,00. Der Rückstand am Strafkonto ***BF1StNr3*** beträgt € 7.017,67. Er ist sorgepflichtig für eine Tochter.

Die mit Bescheid vom vorgeschriebenen Stundungszinsen iHv € 116,83 wurden vom Beschwerdeführer am entrichtet.

Beweiswürdigung

Die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen des Beschwerdeführers und der belangten Behörde (zB Vermögensverzeichnis, Aufstellung über monatlichen Einnahmen und Ausgaben, Kontoauszüge, Lohnzettel, Grundbuch) und ist unstrittig. Auch wenn sich die Unterlagen teilweise auf frühere Monate beziehen und das Vermögensverzeichnis vom stammt, folgt das Gericht den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers, dass sich an seiner wirtschaftlichen Situation nichts Wesentliches geändert hat.

Rechtliche Erwägungen

Gem. § 172 Abs. 1 FinStrG obliegt die Einhebung, Sicherung und Einbringung der Geldstrafen und Wertersätze sowie der Zwangs- und Ordnungsstrafen und die Geltendmachung der Haftung den Finanzstrafbehörden, die dazu auch Amtshilfe durch Abgabenbehörden in Anspruch nehmen können. Hiebei gelten, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, die Bundesabgabenordnung und die Abgabenexekutionsordnung sinngemäß.

Gem. § 185 Abs. 5 FinStrG obliegt die Einhebung, Sicherung und Einbringung der Kosten, ausgenommen jener für den Vollzug der Freiheitsstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) den Finanzstrafbehörden. Hiebei gelten, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, die Bundesabgabenordnung und die Abgabenexekutionsordnung sinngemäß.

Da das FinStrG hinsichtlich der Nachsicht von Stundungszinsen nicht anderes bestimmt, sind gegenständlich die dahingehenden Normen der Bundesabgabenordnung anzuwenden.

Gem. § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre. Gem. § 236 Abs. 2 BAO findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgaben sinngemäß Anwendung.

Zudem hat der Nachsichtswerber einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (; ). Weiters hat die Abgabenbehörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe zu prüfen (; ).

Der Antrag des Beschwerdeführers bezieht sich ausschließlich auf die Einhebung der mit Bescheid vom vorgeschriebenen Stundungszinsen iHv € 116,83, welche von ihm mittlerweile entrichtet wurden. Die Festsetzung der Stundungszinsen beruht auf § 212 Abs. 2 BAO, wonach bei Gewährung einer Zahlungserleichterung für Geldstrafen Stundungszinsen zu entrichten sind. Diese stellen nicht eine Art Strafe für eine Säumnis dar, sondern ein wirtschaftliches Äquivalent für den Zinsenverlust, den der Fiskus dadurch erleidet, dass er die geschuldete Leistung nicht bereits am Tag der Fälligkeit erhalten hat ().

Aufgrund des § 236 Abs. 2 BAO können auch bereits entrichtete Abgaben nachgesehen werden. Weiters findet § 236 BAO auf Abgaben schlechthin (vgl. §§ 1 ff BAO) Anwendung, gleichgültig ob es sich um Hauptabgaben oder um Nebenansprüche iSd § 3 BAO (zB wie hier um Stundungszinsen) handelt (vgl. ). Zudem ist für die Nachsicht entrichteter Abgaben an den Begriff der Unbilligkeit kein anderer (kein strengerer) Maßstab anzulegen als bei der Nachsicht noch nicht entrichteter Abgabenschulden (; ).

Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe nach Lage des Falles kann eine persönliche oder sachliche sein (zB ; ).

Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (; ), "sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt." Eine sachliche Unbilligkeit des Einzelfalles liegt nicht vor, wenn die Abgabennachforderung die Auswirkung genereller Rechtsnormen ist, die alle Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage trifft (vgl. bspw. zu Aussetzungszinsen (; ) oder Anspruchszinsen ().

Eine persönliche Unbilligkeit liegt dann vor, wenn diese in der Person des Abgabepflichtigen gelegen ist. Im Besonderen dann, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen gefährden, besondere finanzielle Schwierigkeiten und eine wirtschaftliche Notlage mit sich bringen, diese erhöhen und verstärken würde, bzw. sonstige wirtschaftliche außergewöhnliche (abnormale, atypische) belastende Wirkungen zur Folge hätte (vgl. , ).

Eine persönliche Unbilligkeit besteht somit bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen (; ). Eine solche Unbilligkeit wird bspw. stets gegeben sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet (; ). Für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend (; ).

Gegenständlich wendet der Beschwerdeführer im Wesentlichen ein, dass aufgrund seiner schwierigen finanziellen Situation die Entrichtung der Stundungszinsen eine besondere Härte darstellen würde, da ihm jeder Euro fehle. Weitere Nachsichtsgründe werden vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt.

Es steht außer Streit, dass sich der Beschwerdeführer in einer prekären wirtschaftlichen Lage befindet. Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur jedoch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und sich an der Existenzgefährdung nichts ändern würde (zB ; ; ; ; ähnlich ). Genau dies ist gegenständlich der Fall. Der Beschwerdeführer begehrte die Nachsicht der Einhebung von Abgaben iHv € 116,83 und würde sich bei einer Gewährung an der angespannten wirtschaftlichen Situation des Beschwerdeführers (Stand der Verbindlichkeiten rund € 365.000,00) nichts ändern und somit auch kein Sanierungseffekt eintreten.

Da somit schon aus diesem Grund eine Unbilligkeit iSd § 236 BAO nicht vorliegt, ist die gesetzlich vorgesehene Bedingung für die Nachsicht nicht gegeben, sodass die Beschwerde abzuweisen war.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt und sich die Entscheidung auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützt, ist eine Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 172 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6300011.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at