Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.07.2023, RV/7101531/2023

Familienbeihilfe - kein Anspruch während der Absolvierung des Präsenzdienstes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Monate Mai 2022 bis September 2022, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführerin (Bf) wurde für ihren Sohn S., geb. 2003, bis September 2022 die Familienbeihilfe durchgehend gewährt und ausbezahlt, da diese angab, dass S. nach der Matura () für das Medizinstudium an der Universität Wien inskribiert war.

Mit Überprüfungsschreiben vom wurde die Bf vom Finanzamt (FA) aufgefordert, folgende Unterlagen vorzulegen:

Einkommensnachweis falls erforderlich
Fortsetzungsbestätigung
Studienerfolgsnachweis

Die Bf gab dem FA bekannt, dass S. seinen Präsenzdienst beim Bundesheer vom bis absolviert habe und danach für das Medizinstudium in Bukarest aufgenommen worden sei.

Die entsprechenden Nachweise wurden mittels Vorhaltbeantwortung vom nachgereicht.

Mit Bescheid vom forderte das FA von der Bf die für den Zeitraum Mai 2022 bis September 2022 bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge gem. § 26 Abs 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in Verbindung mit § 33 Abs 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) mit der Begründung zurück, dass die Bf während des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes keine Familienbeihilfe erhalte. Im Rückforderungsbetrag ist auch die auf Grund der zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe anteilige Geschwisterstaffel für sämtliche Kinder enthalten, für die die Bf im Rückforderungszeitraum Familienbeihilfe erhalten hatte (§ 8 Abs 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Dagegen erhob die Bf fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass sie sich auf die Angaben der offiziellen Regierungs-Webseite https://www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/wehrdienst/3/Seite.l401084.htm verlassen und die Familienbeihilfe im guten Glauben bezogen habe. Sie habe das Geld schon längst für ihren Sohn ausgegeben. Aus den Entscheidungen, denen zufolge Präsenzdiener keinen Anspruch auf Familienbeihilfe haben sollen, leuchte der Gedanke hervor, dass die Deckung der typischen Unterhaltsansprüche durch die öffentliche Hand den Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließe. Diese Entscheidungen würden auf der Annahme basieren, dass die "typischen" Unterhaltsansprüche der Präsenzdiener durch die öffentliche Hand abgedeckt würden. Dies treffe aber nicht zu. Ihr Sohn habe den Präsenzdienst in Eisenstadt angetreten und sei auf das auf sie zugelassene Fahrzeug angewiesen gewesen. Sie habe die Kosten für das Fahrzeug getragen. Weiters habe sie Aufwendungen für zusätzliche Verpflegung getragen, da es in der Kaserne am späteren Nachmittag kein ständiges Essen mehr gegeben habe.
Da der Bezug der im Bescheid angeführten Leistungen ihrerseits im guten Glauben erfolgt sei und andererseits deren Rückforderung unbillig wäre, ersuche sie die Oberbehörde, von dieser gemäß § 26 Abs 4 FLAG abzusehen.

Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 2 Abs 1 lit. b und e sowie § 26 Abs 1 FLAG 1967 und unter näheren Ausführungen zur objektiven Erstattungspflicht ab.
S. habe im Zeitraum bis seinen Präsenzdienst abgeleistet. Dies sei einerseits belegt durch die gemeldeten Daten laut Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung, andererseits durch die von der Bf vorgelegte Präsenzdienst-Kompetenzbilanz bzw. Verleihungsurkunde vom . Da für die Zeit während der Ableistung des Präsenzdienstes kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, sei die Familienbeihilfe für den Zeitraum Mai bis September 2022 zu Recht rückgefordert worden.

Die Bf stellte mit Schreiben vom einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht und verwies erneut auf ihr Ersuchen gem. § 26 Abs. 4 FLAG 1967. Ob es zweckmäßiger wäre, zuerst über dieses und erst danach über die Beschwerde zu entscheiden, liege natürlich im Ermessen der Finanzbehörden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Feststellungen

Der Sohn der Bf, S., geb. 2003, war nach der Matura () im WS 2021/2022 an der Universität Wien für das Medizinstudium inskribiert.

Vom bis absolvierte er den Präsenzdienst.

Seit dem WS 2022/23 studiert er an der Med. Uni Bukarest Humanmedizin.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Familienbeihilfenakt und ist unbestritten.

Rechtliche Beurteilung

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die Rückforderung der für den Zeitraum Mai bis September 2022 zunächst an die Bf ausbezahlten Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für ihren volljährigen Sohn S. zu Recht erfolgt ist oder nicht.

Gesetzliche Grundlagen:

§ 2 Abs 1 FLAG 1967

Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist…

e) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird.

Nach § 8 Abs 3 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind um einen gewissen Betrag nach der Anzahl der Kinder, wenn Familienbeihilfe für mehr als 1 Kind gewährt wird.

Nach § 10 Abs 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen (§ 26 Abs 1 FLAG 1967).

Nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des FLAG 1967 anzuwenden.

Rechtliche Begründung:

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder während der Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes:

Aus dem Regelungswerk des § 2 Abs 1 FLAG 1967 ergibt sich einerseits der Grundsatz, dass während der Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes kein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder besteht und andererseits die Ableistung dieses Dienstes eine Unterbrechung der Ausbildung des Kindes darstellt (, ). Es besteht daher während der Leistung dieses Dienstes kein Anspruch auf Familienbeihilfe (zB , , ).

Im Erkenntnis vom , Ra 2021/16/0052, erkannte der Verwaltungsgerichtshof auszugsweise:

"Mit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG hat der Gesetzgeber somit - wenn auch in typisierender Weise - darauf Bedacht genommen, dass die Zeit der Ableistung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes einem Kind für Zwecke der Berufsausbildung fehlt. Die insgesamt zur Verfügung stehende Zeitspanne, in der ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehen kann (nach der geltenden Rechtslage bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres), ist somit in diesen Fällen kürzer, zumal nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes die Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes eine allfällige Ausbildung des Kindes unterbricht, nicht als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen ist und daher während der Leistung dieses Dienstes - auch wenn in dieser Zeit gleichzeitig die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG erfüllt sein sollten - kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht (vgl. 2007/13/0120; , 2004/15/0103). Diese fehlende Ausbildungszeit wird durch die Verlängerung der Anspruchs-dauer bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres kompensiert."

Familienpolitische Ziele der Familienbeihilfe:

In Verfolgung des familienpolitischen Zieles der Familienbeihilfe, den Unterhaltsbelasteten zu entlasten und den Mindestunterhalt des Kindes zu sichern, ist der Gesetzgeber frei und innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraumes nur insofern durch das Gleichheitsgebot beschränkt, als es ihm verwehrt ist, Regelungen zu treffen, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht besteht (, unter Verweis auf G 6/11, VfSlg 19.411).

Die Familienbeihilfe will den Unterhaltsbelasteten entlasten und den Mindestunterhalt des Kindes sichern (, ). Während der Dauer des Dienstes wird der Unterhalt jedoch von der öffentlichen Hand erbracht.

In einem vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fall, wo das Kind ein Straftäter war und sich in Strafhaft befand und der typischerweise anfallende Unterhalt in Form von Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung von der öffentlichen Hand getragen wurde, stellte das Gericht fest, dass die Deckung der typischen Unterhaltsansprüche durch die öffentliche Hand den Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließe, auch wenn die für einen Gefangenen in einer Strafhaft verbleibenden Restbedürfnisse, wenn sie vom Beschwerdeführer in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gedeckt worden sein mögen, nichts daran ändere. In diesen rechtlichen Rahmen falle auch die hg. Rechtsprechung zum Ausschluss der Familienbeihilfe für Kinder, die den Präsenzdienst, Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten (vgl. ; ).

Das Vorbringen der Bf, dass sie für ihren Sohn während der Ableistung des Präsenzdienstes die Fahrtkosten in die Kaserne in Eisenstadt übernommen und Aufwendungen für den Lebensunterhalt getätigt habe, kann daher der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Objektive Erstattungspflicht:

Die Rückzahlungspflicht gem § 26 Abs 1 FLAG 1967 trifft ausschließlich den Bezieher der Familienbeihilfe. Diese Bestimmung normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. zB ; ; ).

Nach der ständigen Rechtsprechung steht es der Rückforderung auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch das Finanzamt verursacht worden ist (vgl. ).

Das diesbezügliche Vorbringen der Bf, wonach sie im guten Glauben die Familienbeihilfe bezogen und für ihren Sohn verbraucht habe, kann der Beschwerde daher nicht zum Erfolg verhelfen.

Billigkeitsüberlegungen sind im Rückforderungsverfahren vom Bundesfinanzgericht nicht anzustellen (; vgl. weiters ; ).

Ob ein Rückforderungsbescheid erlassen wird, liegt nicht im Ermessen des FA, sondern ist ausschließlich die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen entscheidend.

§ 26 Abs 4 FLAG 1967:

Die Bf führt in der Beschwerde u.a. aus, der Bezug der im Bescheid angeführten Leistungen sei einerseits im guten Glauben erfolgt und andererseits wäre deren Rückforderung unbillig und daher ersuche sie die die Oberbehörde, von dieser gemäß § 26 Abs 4 FLAG abzusehen.

Dazu ist anzumerken, dass es sich beim Verfahren nach § 26 Abs 4 FLAG 1967 um ein behördeninternes Verfahren handelt, welches eine Weisung der Oberbehörde voraussetzt, wonach das FA angewiesen werden kann, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre; diese Maßnahme würde nicht bescheidmäßig erfolgen, sondern dadurch, dass es die Behörde über Weisung unterlässt, einen Rückzahlungsbescheid zu erlassen.

Dazu vertritt das BKA den generellen Standpunkt, diese Bestimmung könne nach dem klaren Gesetzeswortlaut nur auf Sachverhalte Anwendung finden, in denen eine Rückforderung noch nicht erfolgt sei. Wenn ein Rückforderungsbescheid bereits ergangen sei, sei die Möglichkeit einer Abstandnahme von der Rückforderung im Sinne der Bestimmung des § 26 Abs 4 leg. cit. rechtlich ausgeschlossen.

Somit werden von der Oberbehörde faktisch keine Weisungen im Sinne des § 26 Abs 4 FLAG 1967 erteilt, sobald ein Rückforderungsbescheid ergangen ist.

Ob diese Rechtsansicht zutreffend ist und ob im konkreten Fall die Voraussetzungen dafür vorliegen, kann dahingestellt bleiben, da eine derartige Maßnahme bzw. das Unterlassen einer derartigen Maßnahme nicht Gegenstand vorliegenden Verfahrens ist.

Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen sind im Beschwerdefall nicht erfüllt, weil im Rahmen der Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs 4 B-VG thematisiert und nicht von der zitierten Rechtsprechung des VwGH abgewichen wurde.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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