Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.07.2023, RV/7100583/2023

FLAG: kein Grundbetrag und kein Erhöhungsbetrag, wenn weder eine Berufsausbildung vorliegt noch eine Erwerbsunfähigkeit festgestellt wird (Bindung an 3 gleichlautende Gutachten). Kein Doppelbezug von FB.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages ab Mai 2022, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (nachfolgend: Bf.) bezog für ihren Sohn S., geboren am 2004, bis einschließlich Mai 2022 Familienbeihilfe. Auf Grund des Gutachtens des Sozialministeriumservice (nachfolgend: SMS), in denen S. eine 60%ige Behinderung bzw. eine 70%ige Behinderung bescheinigt wurde, stand der Bf. bis Mai 2022 auch der Erhöhungsbetrag zu.

Mit Überprüfungsschreiben vom wurde die Bf. vom Finanzamt aufgefordert, eine Schulbesuchsbestätigung bzw Schulnachricht/Jahreszeugnis von S. vorzulegen und die voraussichtliche Ausbildungsdauer bekanntzugeben. Die Bf. legte dazu am die Schulnachricht vom (Schuljahr 2019/2020; 9. Klasse Allgemeine Sonderschule) sowie eine Semesterbeurteilung 2019/20 (ohne Ausstellungsdatum) vor.

Am wurde S. im Sozialministeriumservice/Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (BSB) begutachtet und von Dr. Dok1, Facharzt für Unfallchirurgie, Arzt für Allgemeinmedizin, folgendes Gutachten erstellt:

"Anamnese:Bezüglich Vorgeschichte siehe Vorgutachten vom , ges. GdB 70%
Zwischenanamnese: keine Spitalsaufenthalte
Derzeitige Beschwerden:
Am meisten habe ich Fußschmerzen und Knieschmerzen. Wenn ich länger gehe, habe ich Rückenschmerzen.Lt. Mutter kann er manchmal nicht deutlich sprechen, kann sich nicht erklären.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente: keine
Laufende Therapie: Physiotherapie
Hilfsmittel: Rollmobil, Rollstuhl, Beinschienen

Sozialanamnese:begonnene Lehre zum Bürokaufmann - abgebrochen

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
06/21 Orthop. Befundbericht Klinik Floridsdorf beschreibt gehen schlecht, Gehstrecke 20 Min. langsam.
09/20 neuropädiatrischer Befundbericht beschreibt HSMN.

Untersuchungsbefund:

Obere Extremitäten:Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.Die Kraft links etwas herabgesetzt, die Feinmotorik links gestört, die linke Schulter ist endlagig eingeschränkt. Übrige Gelenke sind klinisch unauffällig und frei beweglich. Grobund Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar, der Faustschluss ist komplett.

Untere Extremitäten:Freies Gehen ist nicht möglich, mit Rollmobil wankend, Steppergang beidseits, mühevoll. Beinstellung mit einem Innenknöchelabstand von 20cm. Die Beinmuskulatur links mehr als rechts verschmächtigt.

Wirbelsäule
Im Lot. Regelrechte Krümmungsverhältnisse. Symmetrische Muskelverhältnisse. Kein Klopfschmerz.
Die Beweglichkeit ist konstitutionsbedinge endlagig eingeschränkt

Gesamtmobilität-Gangbild:Kommt mit Rollmobil zur Untersuchung, das Gangbild ist wankend, mühevoll, ausgeprägter Steppergang beidseits, links mehr als rechts. Die allgemeine körperliche Wendigkeit ist erheblich herabgesetzt.

Psycho(patho)logischer Status:wach, Sprache teilweise leicht verwaschen

Herr S. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Es liegt keine Gesundheitsstörung vor, welche eine Erwerbsfähigkeit ausschließt".

Aufgrund der in der BSB-Bescheinigung vom getroffenen Feststellungen wurde die Bf. mittels Mitteilung über den Wegfall des Anspruches auf Familienbeihilfe vom über die Einstellung der Familienbeihilfe für S. mit Mai 2022 informiert.

Am brachte die Bf. einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für S. ab (tt.) Mai 2022 ein.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Bf. aufgefordert einen Tätigkeitsnachweis von S. vorzulegen.

Die Bf. legte am den Behindertenpass von S. (ausgestellt am ), einen Pflegegeldbescheid vom Jänner 2022 (monatlich 908,10 Euro) und eine Mitteilung über den Leistungsanspruch des AMS (Notstandshilfe) vom für den Zeitraum vom bis vor.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Bf. auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Mai 2022 mit der Begründung ab, dass für einen Monat Familienbeihilfe nur einmal zustehe (§ 10 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, kurz: FLAG 1967). Für ein volljähriges Kind stehe die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. - fortbildung zu. Da S. keiner Tätigkeit nachgehe und keine dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden sei, sei der Antrag auf Familienbeihilfe abzuweisen.

Am brachte die Bf. über Finanz-Online einen Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ein, da ihr Kind S. pflegebedürftig und nicht selbständig sei. Er brauche 24-Stunden Betreuung und habe eine 100%ige Behinderung, weswegen sie Einspruch erhebe.

Am erhob die Bf. gegen den Abweisungsbescheid vom Beschwerde und brachte vor, dass ihr Sohn eine 24-Stunden Pflege brauche (Bezug Pflegestufe 5). Er könne alleine nicht raus, er brauche jemanden zum Unterstützen, da er ständig runterfalle. Beim Anziehen müsse sie ihn unterstützen, da er sich nicht bücken und selber aufstehen könne. Also sei sie als Mutter und Pflegerin ständig bei ihm.

S. wurde daraufhin am im Sozialministeriumservice (nachfolgend: SMS) neuerlich untersucht und dabei von Dr.in Dok2, Fachärztin für Neurologie, folgendes Gutachten erstellt:

"Anamnese:Hereditär sensibel motorische Neuropathie
Die letzte Begutachtung erfolgte am mit Anerkennung von 70 % GdB für die Diagnose "Polyneuropathien und Polyneuritiden, HSMN CMT2Z, hereditäre Neuropathie" mit Nachuntersuchung in 3 Jahren. Die Mutter des AW ist mit dem Ergebnis nicht einverstanden und legt eine Beschwerde ein.

Derzeitige Beschwerden:Der AW kommt im Rollstuhl sitzend gehend ohne Hilfsmittel in Begleitung der Mutter. Er hätte keine Kraft in den Armen und Beinen. Heute ginge es ihm gar nicht gut, er sei erst krank gewesen. Neurologisch werde er im AKH betreut. Aktuelle neurologische Befunde werden nicht vorgelegt. Geplant sei nach 5 Jahren ein neuerlicher Termin bei Dr. G..

Laut Mutter sei Physiotherapie geplant, dzt. sei diese unterbrochen, da er Grippe gehabt hätte. Den Rollstuhl verwende er extramural seit 4 Jahren. In der Wohnung gehe er mit Anhalten.Er hätte auch eine Rollator, diesen verwende er im Sommer, da es ihm da besser gehe. Diesen verwende er auch, wenn er im Einkaufszentrum, dieses sei unterhalb der Wohnung, unterwegs sei. Der Gehstock sei seit 1 Jahr kaputt-diesen wolle er nicht mehr.Im ADL- Bereich sei er auf Fremdhilfe angewiesen. Er könne keinen Teller gerade halten. Es bestehe keine Erwachsenenvertretung, er beziehe PG Stufe 5.

Ausbildung:Er hätte die NMS mit sonderpädagogischem Förderbereich in Deutsch abgeschlossen. Danach hätte er 1 Jahr Sonderschule in der A-Straße gemacht. Seither sei er zu Hause.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Behandlungen: Physiotherapie geplant.
Medikamente: Schmerztabletten bei Bed
Hilfsmittel: Rollstuhl, Rollmobil, Beinorthesen beidseits

Sozialanamnese:Ledig, wohne mit der Mutter und dem Bruder im 5. Stock mit Lift barrierefrei. Kontakt zum Vater.
Beruf: -
Nik: 0
Alk: 0

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe): Keine rezente Befundvorlage

Untersuchungsbefund:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:Neurologischer Status gemäß COVID-19 Regelung: wach, voll orientiert, kein Meningismus
Caput: HN unauffällig.

OE: Rechtshändigkeit, Trophik unauffällig, Tonus unauffällig, grobe Kraft 5-,Vorhalteversuch der Arme: Absinken rechts ohne Pronieren linksunauffällig, Finger-Nase Versuch: keine Ataxie, MER (RPR, BSR, TSR) seitengleich mittellebhaft auslösbar, Bradydiadochokinese beidseits, Pyramidenzeichen negativ.
UE: Trophik unauffällig, Tonus seitengleich unauffällig, aufgestellt gehalten werden, einzeln kurz gehoben. Positionsversuch der Beine: nicht demonstriert, Vorfußheberschwäche KG 3, Knie-Hacke-Versuch: nicht demonstriert, MER: PSR mittellebhaft, ASR seitengleich nicht auslösbar, Pyramidenzeichen negativ.
Sensibilität: intakte Angabe. Sprache: unauffällig
Romberg, Unterberger, Fersen- und Zehengang: nicht demonstriert
Gesamtmobilität - Gangbild:
Mobilitätsstatus: Gangbild: breitbasig mit schaukelndem Oberkörper mit Vorfußheberschiene bds, Standvermögen: sicher, prompter Lagewechsel. Mutter hilft beim Aus- und Ankleiden.
Führerschein vorhanden

Psycho(patho)logischer Status:wach, junger 18-jähriger Mann, wirkt desinteressiert, in allen Qualitäten orientiert, Duktus kohärent, Denkziel wird erreicht, keine höhergradigen kognitiven Defizite, Affekt unauffällig, Stimmungslage subdepressiv, Antrieb Spur reduziert, Konzentration reduziert, keine produktive Symptomatik.

GdB liegt vor seit: 05/2017
GdB 60 liegt vor seit: 02/2012

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:Rückwirkende Anerkennung gemäß Vorgutachten.

Herr S. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:Es ist keine Erwerbsunfähigkeit gegeben, da ausreichend kognitive Fähigkeiten vorhanden sind (positiver Abschluss der NMS).

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wies das Finanzamt die Beschwerde mit der Begründung ab, dass für volljährige Kinder Familienbeihilfe nur unter bestimmten, in § 2 Abs. 1 lit. b bis e FLAG 1967 genannten Voraussetzungen, zustehe.

Als anspruchsbegründend werde Folgendes bestimmt:

• Zeiten einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung
• Zeiten zwischen dem Abschluss einer Schulausbildung und dem frühestmöglichen Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
• Zeiten zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
• das dauernde Unvermögen, sich selbst wegen einer Behinderung Unterhalt zu verschaffen.

Der Sohn der Bf. sei im Mai 2022 18 Jahre alt geworden. Die Familienbeihilfe für den Monat Mai 2022 habe die Bf. bereits erhalten. S. befinde sich seit Juni 2022 in keiner Berufsausbildung. Das SMS habe in seinem Gutachten vom zwar eine 60%ige Behinderung ab Februar 2012 und eine 70%ige Behinderung ab Mai 2017 festgestellt. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit habe aber nicht festgestellt werden können. Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe würden der Bf. ab Juni 2022 somit nur dann zustehen, wenn sich ihr Sohn in einer Berufsausbildung befinden würde. Dies sei momentan aber nicht der Fall.

Die Bf. bringt in ihrem Vorlageantrag vom vor, dass sich ihr Sohn leider in keiner Berufsausbildung befinden könne. Er könne von Geburt an die Hälfte seines Körpers nicht spüren, weder seine Hände noch die Beine. Weil die Hälfte seines Körpers taub sei, würde er immer wieder in die Hose pinkeln. Er könne ohne eine Begleitperson nicht rausgehen. Sie müsse ihn beim Duschen und im WC unterstützen. Sie hätten bereits im Jahr 2020 eine Lehre gefunden, diese habe aber nach 3 Monaten wieder abgebrochen werden müssen, da er ohne Mithilfe einer anderen Person gar nichts machen könne. Sie müsse drei Mal in der Nacht aufstehen und ihn aufs WC bringen, sonst mache er ins Bett. Er könne nicht einmal den Löffel richtig halten. Sie helfe ihm beim Essen. Bei S. sei eine 70%ige Behinderung (Sonsomotorische Neuropatie) festgestellt worden.

Die Bf. übermittelte dem Finanzamt am folgende Befunde:

"AKH EJournal, Status: in Arbeit, [Letzter Eintrag]

eJournal: [x] Auszug [ ] Vollständig
13:28 Ambulanzbesuch Allg. neuropädiatr. Ambulanz
Erstellt von Dr. X. am um 13:59
Kontrolle Neuropäd. Ambulanz

Diagnosen: Adipositas

Bis 2019 bei Prof. F., mittlerweile bei Prof. B. in Betreuung, jetzt wieder Anbindung hier Vorbefunde siehe Briefe der Neuropäd. Ambulanz und Adipositas Ambulanz.
Harnlassen wird nicht gespürt, oft komme aber auch sehr wenig Erkrankung schreitet mittlerweile voran
Er habe keine Kraft in den distalen Extremitäten, Schulterheben gehe noch, Arme heben und einsetzen sehr schwer, kann Arme kaum mehr heben, gehen nur noch gestützt
Stiegen steigen nur mit Unterstützung möglich, Scooterfahren schwierig, aktuell Rollstuhl
orthopädische Einlagen zuhause, derzeit keine Lehre, MA 40 Mindestsicherung
Physiotherapie derzeit keine
Orthopäd. Kontrollen in Favoriten/Speising
Status: HNS ob, Zungenfaszikulation, sonst Trophik oB.
Muskeltonus reduziert, KG reduziert distal 4-/5, Armheben nicht über Horizontale ZEhen und fersengang nicht möglich, wobei Fersengang angedeutet
KG Hüfte und Adduktoren 5/5 deutliche Einschränkung auch durch adipositas
MER: V-, kein Babinski, kein Klonus
Sensibilität: intakt, Vibrationsempfingen re OE und UE 7/8, links 8/8, sonst Schmerz, Berührung, temp oB.

Prozedere: Termin im Rosenhügel für Rehaplanung im April vereinbart
Transition in Erwachsenenneurologie vorgeschlagen: …
Orthopädische Kontrolle
Physio und ergo einmalig hier als Befund für Transition
Urolog. Konsil bzgl. Blasenproblematik
Dr. X."

Ärztliche Bestätigung des AKH Wien, Univ. Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Klin. Abteilung für Pädiatrische Pulmologie, Allergologie und Endokrinologie vom

"S. steht seit mehreren Tagen in neuropädiatrischer Behandlung aufgrund einer fortschreitenden Neuropathie. Die durchgeführte genetische Untersuchung (Whole Exome Sequencing) ergab eine Mutation im MORC2-Gen, das für eine CMT2Z kodiert. Die beschriebene Erkrankung ist mit einem Krankheitsbeginn innerhalb der ersten beiden Lebensdekaden und einer SMA-like Muskelschwäche mit distaler Betonung assoziiert. Die Erkrankung zeigt nur eine sehr langsame Progression, sonstige Organbeteiligungen sind bis auf Pigmentveränderungen der Retina nicht beschrieben.

Aufgrund der Erkrankung ist S. massiv in den Aktivitäten seines täglichen Lebens eingeschränkt. Er kann kaum frei Gehen ist auf Orthesen und Rollstuhl für längere Strecken angewiesen. An- und Auskleiden sowie Toilettengang sind mittlerweile nicht mehr ohne Unterstützung möglich.

Wir empfehlen somit eine barrierefreie Wohnung, Hilfsmittel für Badewanne und Stiegen. Aufgrund der Progredienz ist eine weitere Verschlechterung zu erwarten und ein erhöhter Hilfsmittelbedarf. … Dr. X."

Am legte das Finanzamt die Beschwerde mit Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht (nachfolgend BFG) mit dem Antrag auf Abweisung des Rechtsmittels vor.

Über Ersuchen des BFG wurde der Sohn der Bf. am neuerlich untersucht. Dr. Dok3, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, erstellte unter Berücksichtigung der von der Bf. neu vorgelegten Befunde, folgendes Gutachten:

"Anamnese:
Vorgutachten

Heredität sensibel motorische Neuropathie, 70%, oberer Rahmensatz bei distal und beinbetonten Paresen, mit 2 Orthesen mobil. Keine aktuelle neurologische Stellungnahme vorliegend.

GdB liegt vor seit 05/2017
GdB von 60 liegt vor seit 02/2012

Erwerbsunfähigkeit: Nein, da ausreichend kognitive Fähigkeiten vorhanden sind (positiver Abschluss der NMS).

Neuerliche Begutachtung wegen Beschwerde

Herr Ö wird im Rollstuhl von seiner Mutter in den Untersuchungsraum gebracht, er macht einen etwas abwesenden, dysthymen Eindruck, hellt jedoch im Laufe der Untersuchung auf

Derzeitige Beschwerden:
es seien vor allem die Beine, aber auch die Arme im Rahmen seiner Grunderkrankung betroffen, die Feinmotorik der Hände ist eingeschränkt, das ganze links betont, von einem angeblich rezenten Sturz hat er Krusten an beiden Kniescheiben, den Rollstuhl würde er eigentlich seit Corona verwenden, mit Anhalten könne er in der Wohnung gehen, der Sturz sei erfolgt, da er in Begleitung von 1 oder 2 Freunden, jedoch ohne Vorfußheberschienen gegangen ist

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikation: Schmerzmittel bei Bedarf
Hilfsmittel: Rollstuhl, Peronäusschiene bds.

Sozialanamnese:NMS mit 15/16 abgeschlossen, Probleme in Deutsch und Mathe, er sei von der 2. Volksschule nochmal in die 1. Volksschule zurückgestellt worden um diese zu wiederholen.

Danach Berufsvorbereitungslehrgang für 1 Jahr, danach ein paar Monate im Büro gearbeitet, das hätte jedoch nicht gepasst, da weiter Anreiseweg, er allein nicht aufs Klo gehen kann, ihm beim Essen geholfen werden muss und seine Sprache für die Kundschaft schwer verständlich sei.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
AKH Wien , Kinder- und Jugendheilkunde

hereditäre sensomotorische Neuropathie (DMT2Z, de novo Mutation MORC), Adipositas, bis 2019 bei Prof. F., mittlerweile bei Prof. B. in Betreuung, jetzt wieder Anbindung hier. Harnlassen wird nicht gespürt, oft komme aber auch sehr wenig.

Erkrankung schreitet mittlerweile voran, er habe keine Kraft in den distalen Extremitäten,Schulterheben gehe noch, Arme heben und einsetzen sehr schwer, kann Arme kaum mehrheben, gehen nur noch gestützt, Stiegen steigen nur mit Unterstützung möglich,Scooterfahren schwierig, aktuell Rollstuhl, orthopädische Einlagen zu Hause, derzeit keineLehre, MA40 Mindestsicherung

Status Auszug: Zungenfaszikulation, sonst unauffällig, Trophik o.B., Muskeltonus reduziert,KG reduziert distal 4-/5, Armheben nicht über Horizontale, Zehen und Fersengang nichtmöglich, wobei Fersengang angedeutet KG Hüfte und Adduktoren 5/5, deutlicheEinschränkung auch durch Adipositas, MER negativ, kein Babinski, kein Klonus, Sensibilität:intakt, Vibrationsempfinden rechts OE und UE 7/8, links 8/8, sonst Schmerz, Berührung,Temperatur o.B.

, neuropädiatrische Ambulanz

Die beschriebene Erkrankung ist mit einem Krankheitsbeginn innerhalb der ersten beidenLebensdekaden und einer SMA-like Muskelschwäche mit distaler Betonung assoziiert. DieErkrankung zeigt nur eine sehr langsame Progression,... ist S. massiv in den Aktivitätenseines täglichen Lebens eingeschränkt. Er kann kaum frei Gehen ist auf Orthesen undRollstuhl für längere Strecken angewiesen. An- und Auskleiden sowie Toilettengang sindmittlerweile nicht mehr ohne Unterstützung möglich.

Wir empfehlen somit eine barrierefreie Wohnung, Hilfmittel für Badewanne und Stiegen.

Aufgrund der Progredienz ist eine weitere Verschlechterung zu erwarten

, Spezialambulanz Neurologie

...anamnestisch im Alter von ca. 5 Jahren zu Schmerzen im Bereich der unterenExtremitäten bei Anstrengung, in Folge zu einer deutlichen Progredienz mit Muskelschwäche und Gangstörung. Neurophysiologisch fand sich eine sensomotorische, axonale Polyneuropathie. Klinisch ist der Patient schwer betroffen mit im Neurostatus höhergradiger, distal betonter Tetraparese, fehlenden Muskeleigenreflexe und distal betonter Atrophie. Das Aufstehen aus dem Liegen und Sitzen ist deutlich erschwert, Stehen nur sehr kurz möglich, das freie Gehen kaum bzw. weitestgehend nur mit Anhalten möglich, ansonsten ist der Patient mit dem Rollstuhl mobil. ...hoher Unterstützungsbedarf

Dr. G., FA Neurologie,

hereditäre sensomntorische Polyneurop thie, Adipositas
kein Neuro-Status, kein Psych-Status

Empfehlung: Neuro-Rehab NRZ Rosenhügel, Steigerung der Kraftgrade UE bei distal betonten Paresen, Beckenstabilisierung, Harmonisierung des Gangbildes, Verlängerung der Gehstrecke, Steigerung der Feinmotorik, Koordination, Gewichtsreduktion, neurologische Kontrollen nach Terminvereinbarung

Psycho(patho)logischer Status:AW klar, wach, orientiert, Duktus nachvollziehbar, inhaltlich rarefiziert, keine produktive Symptomatik oder wahnhafte Verarbeitung, Stimmung dysthym, Realitätssinn erhalten, Auffassung, Konzentration unauffällig, wirkt etwas verlangsamt (fraglich im Rahmen der Dysthymie)

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:GdB von 70 % vorliegend seit 05/2017 - idem zum Vorgutachten

Herr S. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:eine dauernde Erwerbsunfähigkeit ist nicht ausreichend zu begründen, da zwar motorische Defizite im Rahmen der Grundkrankheit vorliegen, jedoch keine manifest kognitive Einbußen festzustellen oder dokumentiert sind. Bezüglich der begleitenden Dysthymie besteht keine medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung. Eine Stabilisierung bzw. Verbesserung in den ADL's ist durch den geplanten Rehab-Aufenthalt zu erwarten. Eine Feinmotorikstörung oder maßgebliche distale Kraftminderung an der oberen Extremität ist durch eine nicht feststellbare Atrophie der kleinen Handmuskulatur sowie nicht ausreichend verwertbaren Neuro-Status bei eingeschränkter Compliance nicht ausreichend nachvollziehbar. Im vorliegenden Neuro-Status des AKH vom ist eine maßgebliche Schwäche bzw. Feinmotorikstörung der Hand und Fingerfunktion nicht beschrieben".

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Festgestellter Sachverhalt:

Der Sohn der Bf., S., ist am 2004 geboren und vollendete sohin am tt. Mai 2022 das 18. Lebensjahr.

S. schloss die NMS mit sonderpädagogischem Förderbereich in Deutsch ab und besuchte bis Jänner 2020 eine Sonderschule.

Danach hat S. keine Berufsausbildung absolviert und ist auch keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen.

S. leidet unter Polyneuropathien und Polyneuritiden, einer hereditär sensibel motorischen Neuropathie.

Auf Grund dieser Erkrankung bezieht er Pflegegeld (Stufe 5).

Es besteht keine Erwachsenenvertretung.

Im Zuge des Verfahrens wurden vom Sozialministeriumservice drei fachärztliche Gutachten erstellt. Die Gutachter reihten die Erkrankung des Sohnes der Bf. übereinstimmend unter die Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung und setzten den Grad der Behinderung mit 60 % ab Februar 2012 und mit 70 % ab Mai 2017 fest.

Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde nicht bescheinigt.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der Bf. vorgelegten, im Sachverhaltsteil angeführten Unterlagen/Befunden/Arztbriefen sowie den im Zuge des vorliegenden Verfahrens erstellten weiteren Gutachten des Sozialministeriumservice vom , und .

Sämtliche von der Bf. vorgelegten Unterlagen/Befunde/Arztbriefe wurden ihm Rahmen der Untersuchungen gewürdigt und berücksichtigt.

Die drei Gutachter (2022/2023) reihten die Erkrankung von S. unter die Pos.Nr. der Einschätzungsverordnung und kamen übereinstimmend zu der Feststellung, dass bei S. der Gesamtgrad der Behinderung 60vH ab Februar 2012 und 70vH ab Mai 2017 beträgt.

Übereinstimmung besteht auch darin, dass bei S. keine Erwerbsunfähigkeit vorliegt.

Dr. Dok1 begründete seine Feststellung, dass keine Erwerbsunfähigkeit vorliege, damit, dass keine Gesundheitsstörung vorliege, welche eine Erwerbsfähigkeit ausschließe.

Dr.in Dok2 bestätigte S. keine Erwerbsunfähigkeit, weil ausreichend kognitive Fähigkeiten vorhanden seien (positiver Abschluss der NMS).

Schließlich stellte Dr. Dok3 in seinem Gutachten fest, dass eine dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht ausreichend zu begründen sei, da zwar motorische Defizite im Rahmen der Grundkrankheit vorliegen würden, jedoch keine manifest kognitive Einbußen festzustellen oder dokumentiert seien. Bezüglich der begleitenden Dysthymie bestehe keine medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung. Eine Stabilisierung bzw. Verbesserung in den ADL's sei durch den geplanten Rehab-Aufenthalt zu erwarten. Eine Feinmotorikstörung oder maßgebliche distale Kraftminderung an der oberen Extremität sei durch eine nicht feststellbare Atrophie der kleinen Handmuskulatur sowie nicht ausreichend verwertbaren Neuro-Status bei eingeschränkter Compliance nicht ausreichend nachvollziehbar. Im vorliegenden Neuro-Status des AKH vom sei eine maßgebliche Schwäche bzw. Feinmotorikstörung der Hand und Fingerfunktion nicht beschrieben.

Seitens des Gerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung der übereinstimmenden Feststellungen, dass bei S. keine Erwerbsunfähigkeit festgestellt werden konnte, keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Sachverständigengutachten. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen und auch ausführlich begründet, warum eine Erwerbsunfähigkeit nicht vorliegt.

Das Gericht geht daher in freier Beweiswürdigung von der Richtigkeit der in den Gutachten getroffenen Feststellungen aus.

Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 besteht Anspruch für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind.

Als erheblich behindert gilt gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind (für Begutachtungen nach dem Stichtag ) § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 in der Fassung BGBl. I Nr. 105/2002 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

§ 10 FLAG 1967 lautet:

(1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.

(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.

Rechtliche Beurteilung:

Volljährige "Kinder" - Anspruchsvoraussetzungen:

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht (vgl. FLAG Kommentar, 2. Auflage, Csaszar/Lenneis/Wanke, Rz 5 zu § 8). Das bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen. Besteht also keine vor dem 21. (oder bei Berufsausbildung vor dem 25.) Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu (vgl ; ; vgl. auch die Erkenntnisse des ; ; ).

Gemäß den vorangeführten Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung und die Feststellung, ob bzw. ab wann eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sach-verhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. zB. ; , , ).

Das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren hat Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten (vgl. ; ) und bildet die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zusteht.

Im Fall, dass eine volljährige Person einen Eigenantrag auf erhöhte Familienbeihilfe stellt bzw. für eine volljährige Person der Antrag eingebracht wird, haben sich die Feststellungen des Sachverständigen darauf zu erstrecken, ob die Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist (vgl. etwa ).

Für die Beurteilung dürfen andere als behinderungskausale Gründe (wie z.B. mangelnde oder nicht spezifische Ausbildung, die Arbeitsplatzsituation, Arbeitsunwilligkeit, oÄ) ebenso wenig herangezogen werden wie eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (etwa auch durch Folgeschäden) nach Vollendung des 21. Lebensjahres (vgl. ; ; ).

Die sachverständigen Ärzte des Sozialministeriumservice ziehen für ihre zu treffenden Feststellung, wann die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, neben der durchgeführten Anamnese und Untersuchung die Kenntnisse der Medizin, ihr eigenes Fachwissen und ihre ärztlichen Erfahrungen heran.

Unerlässlich für die zu treffenden Feststellungen sind Befunde, Arztbriefe oder sonstige Unterlagen (zB Bestätigungen über Krankenhausaufenthalte, Therapien), aus denen Rückschlüsse gezogen werden können, wie hoch der Grad der Behinderung ist bzw. ob eine Erwerbsfähigkeit vorliegt bzw. wann eine solche mit größter Wahrscheinlichkeit eingetreten ist (vgl. , , ).

Die Beihilfenbehörden (Finanzamt) und auch das Gericht, haben bei ihrer Entscheidung von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und sind an die Gutachten des Sozialministeriumservice gebunden, sofern diese vollständig, nachvollziehbar und schlüssig sind und nicht einander widersprechen (vgl. ; ; , 2009/16/0310). Erforderlichenfalls ist für deren Ergänzung zu sorgen (; ; ).

Ein Abweichen ist daher nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung möglich (; ).

Zusammenfassend bedeutet dies für den vorliegenden Fall, dass auf Grund der in den drei Gutachten getroffenen Feststellungen, wonach der Sohn der Bf. nicht erwerbsunfähig ist und auch keine Berufsausbildung vorliegt, weder der Grundbetrag noch der Erhöhungsbetrag ab Juni 2022 zusteht.

Abschließend ist noch anzuführen, dass die Bf. für den Monat Mai 2022 die Familienbeihilfe inklusive Erhöhungsbetrag für S. bereits ausbezahlt erhalten hat. Indem sie in ihrem Antrag die Gewährung des Erhöhungsbetrages ab Mai 2022 begehrte, würde eine antragsgemäße Auszahlung zu einem Doppelbezug führen. Dies ist aber nach § 10 Abs. 4 FLAG 1967 ausgeschlossen. Der Antrag für den Monat Mai 2022, in dem die Voraussetzungen für die Gewährung des Erhöhungsbetrages (noch) vorgelegen sind, ist daher aus diesem Grund abzuweisen (siehe ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Frage, ob eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, handelt es sich um eine Tatfrage und ist das Bundesfinanzgericht an das/die vom Sozialministeriumservice erstellte(n) ärztliche(n) Gutachten gebunden. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Da das gegenständliche Erkenntnis der geltenden Gesetzeslage sowie der angeführten ständigen Judikatur des VwGH folgt, ist die Revision nicht zulässig.

Wien, am

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