Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.08.2023, RV/7104602/2019

Eine uno actu erfolgende Vertragsübernahme ist gebührenrechtlich wie die Neubegründung des übertragenen Rechtsverhältnisses zu behandeln

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel Philip Pfau in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Huber Swoboda Oswald Aixberger Rechtsanwälte GmbH, Tuchlauben 11 Tür 18, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Gebühren für das Rechtsgeschäft vom , zu Recht:

I. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Bisheriger Verfahrensgang

Mit Eingabe vom übermittelt die beschwerdeführende Partei an die Abgabenbehörde den Kauf- und Abtretungsvertrag vom zwischen der ***1*** GmbH (im Folgenden "Verkäufer") und der beschwerdeführenden Partei, der ***Bf1*** (im Folgenden "Käufer") unter Beitritt der ***2*** GmbH (im Folgenden "Komplementärin") und der ***3*** GmbH & Co KG (im Folgenden "Gesellschaft") zum Zweck der Gebührenbemessung gemäß § 33 TP 21 GebG.

Mit Gebührenbescheid vom setzte die belangte Behörde gegenüber der beschwerdeführenden Partei die Gebühr für das oben genannte Rechtsgeschäft (Kauf- und Abtretungsvertrag vom ) ausgehend von einer Bemessungsgrundlage iHv 2,499.741,74 Euro gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 GebG mit 0,8 % sohin 19.997,93 Euro fest.

In ihrer Beschwerde vom , führte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen aus, dass es sich hinsichtlich der unter Vertragspunkt 1. übertragenen Kommanditanteile um ein gemäß § 33 TP 21 Abs. 2 Z 6 GebG gebührenfreies Rechtsgeschäft handle und bei der gemäß Vertragspunkt 2. geregelten Übernahme des Darlehensvertrages um keine gebührenpflichtige Zession iSd § 33 TP 21 Abs. 1 GebG sondern um eine gebührenfreie Vertragsübernahme. Im Beschwerdefall liege eine "Dreiparteieneinigung" zwischen der beschwerdeführenden Gesellschaft, dem "Verkäufer" und der "Gesellschaft" vor und sei ausdrücklich ein seit gebührenfreier Darlehensvertrag (abgeschlossen am zwischen dem "Verkäufer" und der "Gesellschaft" zur Gewährung eines Gesellschafterdarlehens) übernommen worden, sodass auch die Übernahme des Darlehensvertrages gebührenfrei sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte, gestützt auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH vom 11. Septmeber 2017, 2012/16/0023 und , Ro 2014/16/0072) in einer gesonderten Bescheidbegründung aus, dass die einzelnen Tarifposten des § 33 GebG zu TP 21 im Verhältnis der lex specialis zur lex generalis stünden. Daraus folge, dass zwar dort, wo eine Tarifpost der zitierten Gesetzesstelle einen Fall besonders regle, eine Vergebührung nach TP 21 nicht in Frage komme, dass hingegen dort, wo sich hinsichtlich eines rechtsgeschäftlichen Vorganges in einer anderen Tarifpost kein Sondertatbestand finde, sehr wohl eine Anwendung der lex generalis des § 33 TP 21 GebG Platz zu greifen habe. Im gegenständlichen Fall unterliege der Abschluss eines Darlehensvertrages seit nicht mehr der Gebühr nach § 33 TP 8 GebG. Der Umstand, dass die Vertragsübernahme gebührenrechtlich wie ein Neuabschluss eines Darlehensvertrages zu qualifizieren sei, habe daher keine Auswirkungen auf die Gebührenpflicht nach § 33 TP 21 Abs. 1 GebG, weil ein Darlehensvertrag keiner - als lex specialis zu § 33 TP 21 GebG anzusehenden - Gebühr unterliege.

Dagegen richtete sich der Vorlageantrag der beschwerdeführenden Partei.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde mit dem Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

In Beantwortung des hg Beschlusses vom hat die beschwerdeführende Partei mit Eingabe vom sowohl den abgeforderten Darlehensvertrag als auch den Gesellschaftsvertrag vorgelegt und festgehalten, dass "vor dem Abschluss des Kauf- und Abtretungsvertrages […] noch keine Willenseinigung über die Konditionen für den Kauf bzw die Abtretung der Kommanditanteile an der Gesellschaft von ["Verkäufer"] an die Beschwerdeführerin erfolgt [ist]". Der Beschwerdeführerin sei nicht bekannt, dass die Gesellschaft einer Abtretung der vertragsgegenständlichen Kommanditanteile bereits vor dem zugestimmt hätte. Auch sei der Darlehensvertrag inhaltlich nicht verändert worden.

Die Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei sowie die vorgelegten Verträge (Darlehensvertrag und Gesellschaftsvertrag) wurden der belangten Behörde im Rahmen der Gewährung des Parteiengehörs mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt.

In Ihrer Stellungnahme vom hielt die belangte Behörde ihren Antrag auf Abweisung der Beschwerde aufrecht.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Der zwischen der beschwerdeführenden Partei als Käuferin und der oben genannten Verkäuferin abgeschlossene Kauf- und Abtretungsvertrag vom lautet auszugsweise wie folgt:

"1. Kaufgegenstand / Willenseinigung

1.1. Der Verkäufer verkauft und überträgt den kaufgegenständlichen Kommanditanteil hiermit zur Gänze gegen Zahlung des in Punkt 3.1. definierten Kaufpreises zum Stichtag […] an den Käufer und dieser kauft und übernimmt hiermit den kaufgegenständlichen Kommanditanteil zum Stichtag.

1.2. Die Komplementärin stimmt dem Verkauf und der Übertragung des kaufgegenständlichen Kommanditanteiles an den Käufer hiermit ausdrücklich und unwiderruflich zu.

2. Vertragsübernahme / Eintritt in den Darlehensvertrag

2.1. Der Käufer übernimmt hiermit gegen Zahlung des in Punkt 3.2 festgelegten Zahlungsbetrages an Stelle des Verkäufers (im Sinne einer vollinhaltlichen Vertragsübernahme und insbesondere auch im Sinne von Punkt 20.1 des Gesellschaftsvertrages), alle Rechte und Pflichten des Verkäufers aus dem Darlehensvertrag und den diesbezüglich im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Vertragsbestimmungen und tritt hiermit an Stelle des Verkäufers in den Darlehensvertrag und den Gesellschaftsvertrag ein. Der Darlehensvertrag und die diesbezüglich im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Vertragsbestimmungen bleiben durch diese Vertragsübernahme inhaltlich unberührt.

2.2. Die Vertragsparteien, die Gesellschaft und die Komplementärin stimmen der Übernahme sämtlicher Rechte und Pflichten des Verkäufers aus dem Darlehensvertrag und den diesbezüglich im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Vertragsbestimmungen durch den Käufer hiermit ausdrücklich und unwiderruflich zu.

2.3.

3. Zahlungsbeträge / Zahlungsbedingungen

3.1. Kaufpreis für den Erwerb des kaufgegenständlichen Kommanditanteiles

  • Der Käufer verpflichtet sich für die Übertragung des kaufgegenständlichen Kommanditanteiles einen Zahlungsbetrag iHv € 870.000,00 […] an den Verkäufer zu leisten (der "Zahlungsbetrag 1"). …

3.2. Gegenleistung für den Eintritt in den Darlehensvertrag

  • Der Käufer verpflichtet sich für die Übernahme der Rechte und Pflichten aus dem

  • Darlehensvertrag einen Zahlungsbetrag iHv € 2.499.741,74 […] an den Verkäufer zu leisten (der "Zahlungsbetrag 2"). …

3.3. "

Der beschwerdegegenständliche Kauf- und Abtretungsvertrag wurde am von sämtlichen Vertragsparteien (beschwerdeführende Partei als Käuferin, Verkäufer, Gesellschaft und Komplementärin) unterfertigt.

  • Punkt 20.1 des in Pkt 2.1. des oben auszugsweise zitierten Kauf- und Abtretungsvertrages lautet:

  • "Bei einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen an eine oder mehrere dritte Person(en), sind die Parteien berechtigt und verpflichtet, ihre Rechte und Pflichten unter diesem Vertrag an alle ihre Rechtsnachfolger im Eigentum ihrer Gesellschaftsanteile vollinhaltlich zu überbinden. Dieser Vertrag wird mit dem neuen Gesellschafter fortgesetzt. Sofern hierin nicht anders geregelt, bedarf jegliche sonstige Abtretung von Rechten und Pflichten aus oder im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung der Zustimmung sämtlicher Parteien."

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die "Gesellschaft" bereits im Voraus der Abtretung zugestimmt hat. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass der Darlehensvertrag anlässlich des Wechsels seiner Vertragspartner eine inhaltliche Änderung erfahren hat.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, sowie dem im verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahren von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Darlehensvertrag und Gesellschaftsvertrag.

Auch für das Bundesfinanzgericht haben sich - in Wahrnehmung seiner amtswegigen Ermittlungspflicht - keine Anhaltspunkte ergeben, an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zu zweifeln. Vor diesem Hintergrund durfte das Bundefinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)

Gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 GebG unterliegen Zessionen oder Abtretungen von Schuldforderungen oder anderen Rechten nach dem Wert des Entgelts einer Gebühr von 0,8 v.H.

Ist mit der Abtretung der Rechte auch eine Schuldübernahme verbunden, so liegt der Fall einer Vertragsübernahme vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Vertragsübernahme ein eigenes Rechtsinstitut und bewirkt, dass durch einen einheitlichen Akt nicht nur die Gesamtheit aller wechselseitigen Rechte und Pflichten übertragen wird, sondern dass der Vertragsübernehmer an die Stelle einer aus dem Schuldverhältnis ausscheidenden Partei tritt und deren gesamte vertragliche Rechtsstellung übernimmt, ohne dass dadurch der Inhalt oder die rechtliche Identität des bisherigen Schuldverhältnisses geändert werden. Sie enthält nicht nur eine Kombination von Forderungsabtretung und Schuldübernahme, sondern auch eine Übertragung der darüber hinaus greifenden rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere also auch der vertragsbezogenen Gestaltungsrechte. Unter einer Vertragsübernahme wird also ein rechtsgeschäftlicher Vorgang verstanden, im Zuge dessen unter Zustimmung aller Beteiligten eine gesamte Vertragsstellung mit allen Rechten und Pflichten von einem der Vertragspartner auf einen neuen Vertragspartner übertragen wird, mit welchem das Schuldverhältnis in seiner Gesamtheit fortgesetzt wird, ohne dass sich an der Identität des Vertrages dabei etwas ändert. Die Entgeltlichkeit, daher die Vereinbarung einer Gegenleistung zwischen dem aus dem Vertragsverhältnis Ausscheidenden und dem in das Vertragsverhältnis Eintretenden ist kein Essentiale der Vertragsübernahme (vgl. , mwN).

Eine Vertragsübernahme, die derart zustande kommt, dass der ausscheidende, der neueintretende und der verbleibende Vertragspartner uno actu die Vertragsübernahme vereinbaren und darüber eine Urkunde errichten, ist gebührenrechtlich wie die Neubegründung des übertragenen Rechtsverhältnisses zu behandeln (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis des VwGH zu 2012/16/0023, mwN).

Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, wonach § 33 TP 21 GebG "dort, wo sich hinsichtlich eines rechtsgeschäftlichen Vorganges in einer anderen Tarifpost kein Sondertatbestand findet, sehr wohl eine Anwendung der lex generalis der § 33 TP 21 GebG Platz zu greifen hat", ergibt sich nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts aus der von der belangten Behörde zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gerade das Gegenteil. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis zu 2012/16/0023 mit Verweis auf seine ständige Rechtsprechung ausführte, könne § 33 TP 21 GebG zwar eine allgemeine Vorschrift gegenüber Sondertatbeständen, welche die Abtretung von Rechten im Besonderen regeln, darstellen. § 33 TP 21 GebG stelle jedoch keinen Auffangtatbestand dar, der bloß zur Anwendung gelange, wenn eine Subsumtion unter eine andere Tarifpost nicht möglich sei.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung und im Lichte der obigen Feststellungen, wonach im Zuge der Darlehensübertragung unter Zustimmung aller Beteiligten (Verkäufer, beschwerdeführende Partei, Komplementärin und Gesellschaft) die gesamte Vertragsstellung mit allen Rechten und Pflichten uno actu von einem der Vertragspartner (Verkäufer) auf einen neuen Vertragspartner (beschwerdeführende Partei) übertragen wird, mit dem das Schuldverhältnis in seiner Gesamtheit fortgesetzt wird, ohne dass sich an der Identität des Vertrages dabei etwas ändert, ist die gegenständliche Vertragsübernahme gebührenrechtlich als Neubegründung des übertragenen Rechtsverhältnisses zu behandeln.

Da Darlehensverträge seit keiner Gebühr mehr unterliegen, ist das gegenständliche Rechtsgeschäft, nämlich die mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom erfolgte Vertragsübernahme des Darlehensvertrages vom ebenfalls gebührenfrei.

Der angefochtene Gebührenbescheid wird ersatzlos aufgehoben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfrage, ob § 33 TP 21 Abs. 1 GebG immer dann zur Anwendung gelangt, wenn sich hinsichtlich eines rechtsgeschäftlichen Vorganges in einer anderen Tarifpost kein Sondertatbestand findet, ist durch die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH zu 2012/16/0023) bereits hinreichend geklärt und weicht das vorliegende Erkenntnis nicht von dieser Rechtsprechung ab. Im Übrigen, nämlich, ob eine Vertragsübernahme vorliegt oder nicht, handelt es sich um eine im Tatsachenbereich liegende Frage, die per se nicht reversibel ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 TP 21 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 33 TP 21 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 33 TP 21 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7104602.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at