Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.08.2023, RV/5100442/2021

Besteuerung einer österreichischen Grenzgängerin mit Arbeitsort in Deutschland

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100442/2021-RS1
Nach der Rechtsprechung des EuGH (siehe Urteil , C‑403/03 Schempp, RN 45) garantiert der EG-Vertrag einem Unionsbürger nicht, dass die Verlagerung seiner Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat als denjenigen, in dem er bis dahin gewohnt hat, hinsichtlich der Besteuerung neutral ist. Wird beispielsweise eine ausländische Pension nur 12-mal jährlich ausbezahlt, kann eine fiktive Aufspaltung der Jahrespension in 14 Teile, um in den Genuss der begünstigten Besteuerung des § 67 EStG 1988 zu kommen, nicht erfolgen, da diese Möglichkeit auch bei einem inländischen Bezug nicht besteht ().
RV/5100442/2021-RS2
Da § 67 EStG 1988 neutral jede Form sonstiger Bezüge begünstigt besteuert, behandelt das inländische Steuerrecht die aus Deutschland bezogenen Einkünfte nicht anders als die aus Österreich bezogenen. Beziehern von Einkünften aus Deutschland wird die Steuerbegünstigung einzig dann verwehrt, wenn neben den laufenden monatlichen Bezügen keine sonstigen Bezüge ausbezahlt werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Am langte beim Finanzamt die Erklärung L1 zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 vom ein. Darin beantragte sie das Pendlerpauschale i.H.v. € 1.476,00 und den Pendlereuro i.H.v. € 72,00. Der Erklärung legte sie noch das Formular L1i für grenzüberschreitende Sachverhalte bei; darin gab sie an, im Jahr 2019 einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich zu haben und Grenzgängerin iSd § 16 Abs. 1 Z 4 lit. g EStG 1988 zu sein.

2. Am erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2019. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. € 24.600,00 berücksichtigte es neben dem Pendlerpauschale i.H.v € 1.476,00, den sonstigen Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschalbetrag i.H.v. € 4.963,08 und dem Pauschbetrag für Werbungskosten i.H.v. € 132,00 noch den Verkehrsabsetzbetrag i.H.v. € 400,00 und den Pendlereuro i.H.v. € 72,00.

Dem Bescheid wurde noch der Lohnzettel L17 angehängt, in dem Bruttobezüge (KZ 350) der Beschwerdeführer für den Zeitraum bis i.H.v. € 24.600,00 sowie einbehaltene Sozial(verischerungs)beiträge für laufend ausbezahlten Arbeitslohn (KZ 357) i.H.v. 4.963,00 angeführt sind.

3. In der Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sie Grenzgängerin und habe im Jahr 2019 € 24.600,00 brutto verdient, davon seien Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. € 4.962,08 abgezogen worden, somit würden € 19.639,92 verbleiben. Angenommen, sie würde in Österreich arbeiten und hätte ein Brutto-Jahreseinkommen von € 24.600,00, abzüglich SV und LSt ergebe dies laut dem Brutto-Netto-Rechner des Bundesministeriums für Finanzen € 19.745,18. Sie sehe nicht ein, dieser Benachteiligung zu unterliegen, nur weil sie in Deutschland arbeite und in Österreich wohne. Laut der Berechnung des Finanzamtes würden ihr € 1.378,26 weniger zustehen als einem in Österreich tätigen Arbeitnehmer; dies entspreche einer unmittelbaren Benachteiligung. Das Finanzamt möge diesen Fehler korrigieren.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung gab es an, der Einkommensteuertarif sei für alle, die in Österreich der Einkommensteuer unterlägen, gleich. Die Unterschiede in der Höhe der Einkünfte liege darin, dass die Sozialversicherungsbeiträge, die vor Berechnung der Steuer vom Bruttoeinkommen abgezogen würden, in Deutschland höher seien als in Österreich. In Österreich komme hinzu, dass Sonderzahlungen (Urlaubsgels, Weihnachtsgeld) einem Fixsteuersatz unterlägen. Die Berechnung mit dem Brutto-Netto-Rechner könne das Finanzamt nicht nachvollziehen. Das Nettoeinkommen der Beschwerdeführerin sei deshalb niedriger als wenn sie in Österreich arbeiten würde, weil schon alleine die Sozialversicherungsbeiträge in Österreich um mehr als € 1.000,00 weniger seien. Die restliche Differenz bei der Steuer ergebe sich aus der unterschiedlichen Bemessungsgrundlage der laufenden Einkünfte und der gesonderten Besteuerung von Sonderzahlungen in Österreich.

5. Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Darin wiederholte sie im Wesentlichen die Vorbringen in der Beschwerde. Dem Vorlageantrag legte sie die Berechnung des Brutto-Netto-Rechners für die Einkommensteuer 2019 bei.

6. Im Vorlagebericht vom beantragte das Finanzamt die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Die Beschwerdeführerin wohnte im Streitzeitraum in der ***1***, Österreich.

Sie arbeitete zudem das ganze Jahr über bei der ***2*** GmbH in ***3***, Deutschland (siehe L17 vom ).

2. Ihr Brutto-Einkommen betrug € 24.600,00, davon wurden € 4.963,08 an Sozial(versicherung)beiträgen einbehalten (siehe L17 vom ).

Sonstige Bezüge, die neben dem laufenden Arbeitslohn nicht monatlich gewährt werden (KZ 351), erhielt die Beschwerdeführerin nicht (siehe L17 vom ).

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten Unterlagen und ist nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Zu den Werbungskosten zählen ua. Beiträge zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung, Beträge von Grenzgängern zu einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung und Beiträge zu ausländischen Pensionskassen (§ 16 Abs. 1 Z 4 lit f bis h EStG 1988).

Grenzgängern iSd § 16 Abs. 1 Z 4 lit. g EStG 1988 stehen die Pauschalbeträge des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 für die gesamte Wegstrecke Wohnung - Arbeitsstätte zu.

2. Gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt die Einkommensteuer jährlich für die ersten 11 000 Euro 0 %, für Einkommensteile über 11 000 Euro bis 18 000 Euro 25 % und für Einkommensteile über 18 000 Euro bis 31 000 Euro 35 %.

3. § 67 Abs. 1 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung normiert:

"Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), beträgt die Lohnsteuer für sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels gemäß Abs. 2 nach Abzug der in Abs. 12 genannten Beträge
1. für die ersten 620 Euro …………….………..0%,
2. für die nächsten 24.380 Euro ……………..6%,
3. für die nächsten 25.000 Euro …………….27%.
4. für die nächsten 33.333 Euro ………..35,75%
Die Besteuerung der sonstigen Bezüge mit diesen festen Steuersätzen unterbleibt, wenn das Jahressechstel gemäß Abs. 2 höchstens 2.100 Euro beträgt. Der Freibetrag von 620 Euro und die Freigrenze von 2.100 Euro sind bei Bezügen gemäß Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5 erster Teilstrich, Abs. 6 bis 8 und Abs. 10 nicht zu berücksichtigen."

§ 67 EStG 1988 legt für "sonstige Bezüge" eine begünstigte Besteuerung fest, indem diese Bezüge aus der allgemeinen Besteuerungsgrundlage ausgeschieden und einer selbständigen Besteuerung unterworfen werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zur Vorschrift des § 67 Abs. 1 EStG 1988 und ihren Vorgängerbestimmungen erkennt, liegen sonstige Bezüge nur vor, wenn die Bezüge neben dem laufenden Arbeitslohn (idR für einen Zeitraum von einem Monat) und von demselben Arbeitgeber ausbezahlt werden. Eine weitere Definition enthält die Bestimmung nicht. Bei einem "sonstigen Bezug" handelt es sich um einen Lohnteil, den der Arbeitgeber neben, also zusätzlich zum laufenden Arbeitslohn, auszahlt, was aus äußeren Merkmalen ersichtlich sein muss. Die sonstigen Bezüge müssen sich sowohl durch den Rechtstitel, aus dem der Arbeitnehmer den Anspruch ableiten kann, als auch durch die tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen unterscheiden. Sonstige Bezüge sind demnach solche, die nicht für den üblichen Lohnzahlungszeitraum geleistet werden (vgl. , und die dort angeführte Vorjudikatur; vgl. auch: Fellner in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 67 Abs. 1 und 2 Tz 5-9; Kirchmayr/Schaunig in Doralt et.al, EStG19 § 67 Tz 9; Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG, 20. EL, § 67 Anm. 3-6; ebenso Jakom/Kanduth-Kristen, EStG, 2020, § 67 Rz 2).

§ 67 EStG 1988 unterscheidet nicht zwischen inländischen und ausländischen Einkünften (vgl. ). Die Bestimmung des § 67 EStG 1988 ist daher auf Einkünfte gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 unabhängig davon anwendbar, ob es sich um inländische oder ausländische Einkünfte handelt, sofern diese die Voraussetzungen des § 67 EStG 1988 erfüllen (vgl. ).

4. Zum besseren Verständnis dieser steuerlichen Begünstigung sei erwähnt, dass die in Österreich für Dienstnehmer üblichen 14 Monatsbezüge eine Folge der begünstigen Sechstelbesteuerung ist und nicht umgekehrt. Die ursprünglich aus dem reichsdeutschen Einkommensteuergesetz (dRGBl 1934 I, S 1005 v. ) stammende Bestimmung in § 40 dEStG über die begünstigte Besteuerung von sonstigen, insbesondere einmaligen Bezügen (wie zB. Tantiemen und Gratifikationen) ist nach der Austrifizierung des Einkommensteuergesetzes im Jahr 1946, mit der Einkommensteuernovelle 1947 (BGBl Nr. 127/1947) abgeändert und ab dem Jahre 1954 mit dem damals neuen Einkommensteuergesetz 1954 (BGBl Nr. 1/1954) in eine Sechstelbegünstigung umgewandelt worden. Diese Begünstigung wirkt sich allerdings nur dann voll aus, wenn die Bezüge aus den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in idealer Weise auf 14 gleich hohe Monatsbezüge aufgeteilt sind.

Die lohnpolitische Reaktion auf diese steuerliche Begünstigung hat dazu geführt, dass in Österreich im Laufe der folgenden Jahre die Kollektivvertragspartner in der Privatwirtschaft und die Vertragspartner in den individuell gestalteten Arbeitsverträgen, aber auch der Gesetzgeber für die öffentlich Bediensteten, die Monatsbezüge der Dienstnehmer so umgestaltet haben, dass die Summe der Jahresbezüge auf volle 14 Monatsbezüge oder auf 12 Monatsbezüge und zusätzlich vier halbe Monatsbezüge aufgeteilt wurden, um die Sechstelbegünstigung zur Gänze ausschöpfen zu können (vgl. ; Hollik, Die Vor- und Nachteile der Sechstelbegünstigung, FJ 10/2006, 380 ff und FJ 7-8/2007, 255 ff). Selbst für Pensionisten wurde die Auszahlung der Pension in der gleichen Form umgestaltet, um in den vollen Genuss dieser Reglung zu kommen.

5. Nach der Rspr des EuGH (siehe Urteil , C-403/03 Schempp, RN 45) garantiert der EG-Vertrag einem Unionsbürger nicht, dass die Verlagerung seiner Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat als denjenigen, in dem er bis dahin gewohnt hat, hinsichtlich der Besteuerung neutral ist. Wird beispielsweise eine ausländische Pension nur 12-mal jährlich ausbezahlt, kann eine fiktive Aufspaltung der Jahrespension in 14 Teile, um in den Genuss der begünstigten Besteuerung des § 67 EStG 1988 zu kommen, nicht erfolgen, da diese Möglichkeit auch bei einem inländischen Bezug nicht besteht ().

Da § 67 EStG 1988 neutral jede Form sonstiger Bezüge begünstigt besteuert, behandelt das inländische Steuerrecht die aus Deutschland bezogenen Einkünfte nicht anders als die aus Österreich bezogenen. Beziehern von Einkünften aus Deutschland wird die Steuerbegünstigung einzig dann verwehrt, wenn neben den laufenden monatlichen Bezügen keine sonstigen Bezüge ausbezahlt werden und nicht etwa wegen der Herkunft der Bezüge aus Deutschland. Insoweit liegt daher ein objektiver Unterschied zu Beziehern sonstiger Bezüge vor. Es können daher auch Grenzgänger gleichermaßen in den Genuss der begünstigten Besteuerung nach § 67 EStG 1988 kommen, soweit ihnen Sonderzahlungen gewährt werden.

6. Dass die Beschwerdeführerin im Streitjahr sonstige Bezüge erhalten hätte, wird nicht behauptet und geht auch aus den aktenkundigen Unterlagen nicht hervor.

Wenn die Beschwerdeführerin einwendet, sie unterliege im Gegensatz zu in Österreich arbeitenden Menschen einer Benachteiligung, so ist das nicht richtig. Die Beschwerdeführerin übersieht in ihren Vorbringen, dass die von ihr vorgelegte Berechnung des Brutto-Netto-Rechners eindeutig auch das Urlaubsgeld (13. Bezug) und die Weihnachtsrenumeration (14. Bezug) berücksichtigt. Beides wurde aber von der Beschwerdeführerin von ihrem deutschen Arbeitgeber nicht bezogen. Insofern kann das Ergebnis des Brutto-Netto-Rechners nicht herangezogen werden, da dieser - wie in Österreich üblich - von 14 Monatsgehältern ausgeht und nicht, wie im Falle der Beschwerdeführerin richtigerweise, von 12. Das Ergebnis des Brutto-Netto-Rechners kann daher als Vergleich nicht herangezogen werden.

7. Im vorliegenden Fall wurden vom Bruttobezug i.H.v. € 24.600,00 sowohl das Pendlerpauschale i.H.v. € 1.476,00 als auch die vom Arbeitgeber einbehaltenen Sozial(versicherungs)beiträge i.H.v. € 4.963,08 sowie der Pauschbetrag für Werbungskosten i.H.v. € 132,00 berücksichtigt und kann die Berechnung des Finanzamtes somit nicht als unrichtig erkannt werden.

Die gegenständliche Beschwerde war somit abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
, Schempp


Zitiert/besprochen in
Zangerl-Reiter in BFGjournal 2023, 286
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100442.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at