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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.08.2023, RV/7101440/2021

1. Abzug von Reisekostenersätzen bei Vertreterpauschale i.S.d. § 1 Z. 9 der VO BGBl. II Nr. 382/2001 ab einschließlich 2018; 2. Berichtigung eines Bescheides gemäß § 293b BAO, wenn diese Reisekostenersätze trotz Ausweis im Lohnzettel zunächst nicht abgezogen wurden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Berichtigung gem. § 293b BAO Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 und Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer ***BFStNr***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 machte der Beschwerdeführer u.a. das Werbungskostenpauschale für Vertreter gem. § 1 Z. 9 der Verordnung des BMF über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten, BGBl. II Nr. 382/2001, geltend und wurde dieses im Einkommensteuerbescheid 2018 vom zunächst erklärungsgemäß mit dem Höchstbetrag von € 2.190,00 berücksichtigt. In dem der belangten Behörde zuvor (am ) übermittelten Lohnzettel für das Jahr 2018 sind nicht steuerbare Bezüge gemäß § 26 Z. 4 EStG 1988 und § 3 Abs. 1 Z. 16b EStG 1988 (sohin Reisekostenersätze) i.H.v. € 4.196,80 ausgewiesen.

Mit Bescheid vom berichtigte die belangte Behörde den ESt-Bescheid 2018 vom gemäß § 293b BAO dahingehend, dass das Werbungskostenpauschale für Vertreter nicht berücksichtigt und stattdessen lediglich das (allgemeine) Werbungskostenpauschale gem. § 16 Abs. 3 EStG 1988 i.H.v. € 132,00 abgezogen wurde. Weiters wurde der im Erstbescheid noch mit € 163,66 berücksichtigte Kirchenbeitrag auf € 6,17 gekürzt, da der geltend gemachte Betrag zum Teil bereits bei einer anderen Person berücksichtigt worden sei. Aus der Berichtigung resultierte eine Nachforderung i.H.v. € 955,00. Mit Bescheid vom selben Tage setzte die belangte Behörde auch die Einkommensteuer 2019 fest. Auch hier wurde das Werbungskostenpauschale für Vertreter - entgegen der Erklärung des Beschwerdeführers - nicht berücksichtigt und lediglich der Pauschbetrag des § 16 Abs. 3 EStG 1988 abgezogen. Begründend wurde jeweils ausgeführt, dass aufgrund einer Änderung der Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001 ab dem Jahr 2018 das Berufsgruppenpauschale für Vertreter um nicht steuerbare bzw. steuerfreie Reisekostenersätze des Arbeitgebers gemäß § 26 EStG 1988 zu kürzen sei.

Gegen die beiden Bescheide vom richten sich die gegenständlichen Beschwerden vom . Darin wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer weder von seinem Dienstgeber noch vom Finanzamt auf die Änderung beim Berufsgruppenpauschale für Vertreter hingewiesen worden sei, im guten Glauben Freibetragsbescheide bei seinem Arbeitgeber abgegeben habe und nun zwei Jahre später mit einer Nachforderung konfrontiert sei. Weiters wies er darauf hin, dass er bereits seit 14 Jahren bei seinem nunmehrigen Arbeitgeber tätig sei und erst durch einen Kollegen auf die Möglichkeit, das Vertreterpauschale geltend zu machen, aufmerksam gemacht worden sei. Dies sei jedoch nur für 4 (gemeint wohl: 5; vgl. § 41 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988) Jahre rückwirkend möglich gewesen, sodass ihm das Vertreterpauschale für länger zurückliegende Zeiträume entgangen sei und er daher insoweit zu Unrecht Steuern bezahlt habe. Die Kürzung des Kirchenbeitrages für das Jahr 2018 blieb unbeanstandet.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies die belangte Behörde die Beschwerden als unbegründet ab. Dagegen brachte der Beschwerdeführer am Vorlageanträge i.S.d. § 264 BAO ein.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war in den Jahren 2018 und 2019 als Außendienstmitarbeiter ("Vertreter") bei der ***Bf-AG*** GmbH nichtselbstständig erwerbstätig. Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit erhielt er von seinem Arbeitgeber im Jahr 2018 € 4.196,80 und im Jahr 2019 € 4.441,40 an Reisekostenersätzen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers und zu den erhaltenen Reisekostenersätzen gründen sich auf die vorgelegten Lohnzettel für die Jahre 2018 und 2019. Dass er bei seinem Arbeitgeber als Vertreter tätig war, hat er in seinen Anträgen auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung glaubhaft angegeben und wird dies offenkundig auch von der belangten Behörde nicht bezweifelt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gem. § 17 Abs. 6 EStG 1988 können mit Verordnung des BMF nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis zur Ermittlung von Werbungskosten Durchschnittssätze für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen festgelegt werden. Dies ist mit der Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001 geschehen. In deren § 1 Z. 9 wird anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 für Vertreter ein Werbungskostenpauschbetrag im Ausmaß von 5 % der Bemessungsgrundlage (Bruttobezüge abzüglich steuerfreie Bezüge und sonstige Bezüge: § 2 der VO BGBl. II Nr. 382/2001), höchstens jedoch € 2.190,00 jährlich festgelegt. Gem. § 4 Abs. 1 der VO BGBl. II Nr. 382/2001 kürzen Kostenersätze gemäß § 26 EStG 1988, ausgenommen jene nach § 26 Z. 9 EStG 1988, (daher auch Reisekostenersätze nach § 26 Z. 4 EStG 1988) die in der Verordnung festgelegten Pauschbeträge.

In § 4 der VO BGBl. II Nr. 382/2001 war ursprünglich eine Ausnahmeregelung vorgesehen, wonach der Werbungskostenpauschbetrag für Vertreter nicht um Kostenersätze gem. § 26 EStG 1988 zu kürzen war. Diese Ausnahmebestimmung wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26.2.2018, V 45/2017, als gesetzwidrig aufgehoben. Mit BGBl. II Nr. 68/2018 wurde schließlich verordnet, dass diese Aufhebung erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2018 anzuwenden ist. Seit einschließlich 2018 ist daher auch das Vertreterpauschale um steuerfreie Kostenersätze i.S.d. § 26 EStG 1988, daher insbesondere um Reisekostenersätze nach Z. 4 dieser Bestimmung zu kürzen.

Die dem Beschwerdeführer von seinem Dienstgeber gewährten Reisekostenersätze übersteigen in beiden streitgegenständlichen Jahren den in § 1 Z. 9 der VO BGBl. II Nr. 382/2001 vorgesehenen Höchstbetrag von € 2.190,00. Das Vertreterpauschale wird dadurch auf € 0,00 gemindert, sodass dem Beschwerdeführer nur das allgemeine Werbungskostenpauschale des § 16 Abs. 3 EStG 1988 i.H.v. € 132,00 zusteht. Daran vermögen die in den Beschwerden ins Treffen geführten Umstände nichts zu ändern. Dass dem Beschwerdeführer aufgrund eines Freibetragsbescheides, dem u.a. das bis ins Jahr 2017 noch ohne Kürzung zustehende Vertreterpauschale zugrunde lag, geringere Lohnsteuerbeträge von seinem laufenden Gehalt abgezogen wurden und die o.a. Änderung der VO BGBl. II Nr. 382/2001 nun eine Nachzahlung zur Folge hat, macht die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig, sondern liegt es geradezu im Wesen eines Freibetragsbescheides, dass dadurch nur ein vorläufiger Zustand geschaffen wird, der einer endgültigen Beurteilung durch die nachfolgende Pflichtveranlagung (§ 41 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988) vorbehalten bleibt, sodass sich bei einer entsprechenden Änderung der Sach- und/oder Rechtslage eine Nachzahlung ergeben kann. Auch dass der Beschwerdeführer das Vertreterpauschale infolge Unkenntnis der diesbezüglichen Regelung durch einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat und die Frist des § 41 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 teilweise bereits abgelaufen war, als er auf diese Möglichkeit erstmals aufmerksam wurde, hat nicht zur Folge, dass ihm nun gleichsam "als Ausgleich" das Vertreterpauschale ohne Abzug der Reisekostenersätze zu gewähren wäre.

Die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe vermögen daher keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzuzeigen und ist auch keine sonstige Rechtswidrigkeit erkennbar. Insbesondere erfolgte die Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2018 gemäß § 293b BAO zutreffend. Nach dieser Bestimmung kann die Abgabenbehörde einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht. Offensichtlich ist eine Unrichtigkeit dann, wenn sie ohne nähere Untersuchungen im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar war. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Mitteilungen und Darlegungen des Abgabenpflichtigen in seiner Erklärung mit aktenkundigen Umständen, wozu auch übermittelte Lohnzettel zählen, unvereinbar sind (). Im vorliegenden Fall ist die Erklärung des Beschwerdeführers zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 insofern unrichtig, als darin das Vertreterpauschale geltend gemacht wird, obwohl der Beschwerdeführer von seinem Arbeitgeber Reisekostenersätze erhalten hat, die den Höchstbetrag des Vertreterpauschales übersteigen. Da diese Reisekostenersätze im Lohnzettel ausgewiesen waren und der belangten Behörde der Lohnzettel 2018 im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides 2018 am bereits vorlag, war diese Unrichtigkeit aktenkundig und damit offensichtlich i.S.d. § 293b BAO.

Die Berichtigung nach § 293b BAO liegt im Ermessen (). Die Ausübung dieses Ermessens ist von der Begründungspflicht des § 93 Abs. 3 BAO umfasst. Die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen sind daher insoweit aufzuzeigen und zu begründen, als dies die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erfordert (; , 2000/17/0099; , 2003/16/0118; , 2001/14/0083). Dieser Begründungspflicht ist die belangte Behörde im Berichtigungsbescheid vom nicht nachgekommen. Allerdings sind Begründungsmängel im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich sanierbar und kann daher ein nach den Bestimmungen der §§ 293 ff. BAO ergangener, mangelhaft begründeter Bescheid (auch) hinsichtlich der Begründung der Ermessensübung ergänzt bzw. richtig gestellt werden, solange dadurch der Aufhebungs- oder Abänderungsgrund nicht ausgetauscht wird (so zur Aufhebung nach § 299 BAO: ).

Ermessensentscheidungen sind gemäß § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Unter dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" sind hierbei die berechtigten Interessen der Partei zu verstehen, unter dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgaben (). Die Kriterien der Ermessensübung sind vorrangig dem Zweck jener Norm zu entnehmen, die das Ermessen einräumt (). Berichtigungs-, Änderungs- oder Aufhebungsbestimmungen (§§ 293ff BAO) sollen vorrangig die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherstellen. Bei der Ermessensübung ist daher grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen (ausdrücklich zu § 293b BAO z.B. ; , 94/15/0157; , 95/13/0124; , 2002/13/0071; , 2007/15/0285). Lediglich dann, wenn die Folgen der Unrichtigkeit bloß geringfügig sind, wird i.d.R. keine Berichtigung gem. § 293b BAO vorzunehmen sein (vgl. ).

Im vorliegenden Fall erfolgte die Berichtigung zu dem Zweck, die im Erstbescheid unzutreffenderweise unterbliebene Berücksichtigung der Reisekostenersätze zu gewährleisten, also um - entsprechend dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung - einen rechtsrichtigen Bescheid zu erlassen. Angesichts der daraus resultierenden Nachforderung von € 955,00 kann nicht gesagt werden, dass die Folgen der Unrichtigkeit bloß geringfügig sind. Auch sonst sind keine Umstände erkennbar, die gegen eine Ermessensübung im Sinne der vorgenommenen Berichtigung sprechen würden. Insbesondere sind die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Gründe (Nachforderung infolge Berücksichtigung eines Freibetragsbescheides; Verfristung der Arbeitnehmerveranlagung früherer Jahre) nicht geeignet, die Ermessensübung unbillig erscheinen zu lassen, sondern liegt es - wie bereits ausgeführt - in der Natur der Sache, dass die Inanspruchnahme eines Freibetragsbescheides zu einer Nachforderung führen kann und dass befristete Rechte nach Fristablauf nicht mehr geltend gemacht werden können.

Die Beschwerden waren daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass ab einschließlich 2018 auch das Vertreterpauschale um steuerfreie Kostenersätze i.S.d. § 26 EStG 1988 zu kürzen ist, ergibt sich unmittelbar und unzweifelhaft aus der Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001. Im Übrigen sind die hier maßgeblichen Rechtsfragen (Berichtigung nach § 293b BAO; Ermessen) durch die jeweils zitierte (ständige) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung waren daher nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Z 9 Durchschnittssätze für Werbungskosten, BGBl. II Nr. 382/2001
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101440.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at