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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.07.2023, RV/7102149/2023

Kein Nachweis einer Studienbehinderung im Rückforderungszeitraum

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von für ***[Tochter]*** für den Zeitraum Oktober 2019 bis September 2020 bezogenen Beträgen an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, Steuernummer ***Bf1-StNr*** (SVNR ***Bf1-SVNR***)
zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am erließ das Finanzamt folgenden Rückforderungsbescheid an die Beschwerdeführerin (Bf.):
Rückforderungsbescheid Einzahlung
- Familienbeihilfe (FB)
- Kinderabsetzbetrag (KG)
für die Kinder
Name des Kindes VNR/Geb.dat. Art der Beihilfe Zeitraum von - bis
[Nachname wie Bf.] ***O*** … … 98 FB Okt. 2019 - Dez. 2019
[Nachname wie Bf.] ***E*** … 0500 FB Okt. 2019 - Sep. 2020
KG Okt. 2019 - Sep. 2020
Der Rückforderungsbetrag beträgt
Art der Beihilfe Summe in €
FB € 2.383,80
KG € 700,80
Rückforderungsbetrag gesamt: € 3.084,60
Sie sind verpflichtet, diesen Betrag nach § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 zurückzuzahlen.
Begründung
Zu [Nachname wie Bf.] ***O***:
Sie haben für mehr als ein Kind Familienbeihilfe bezogen. Im Rückforderungsbetrag ist die anteilige Geschwisterstaffel für sämtliche Kinder enthalten, für die Sie im Rückforderungszeitraum zu Unrecht Familienbeihilfe erhalten haben (§ 8 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Zu [Nachname wie Bf.] ***E***:
***E*** hat ab Oktober 2019 weder Prüfungen abgelegt noch einen Nachweis über eine Studienbehinderung für diesen Zeitraum nachweisen können.
Eine Bestätigung über drei Arztbesuche ist nicht ausreichend.
Ab Oktober 2020 hat ***E*** wieder Prüfungen abgelegt und genügend Semesterwochenstunden absolviert um den Anspruch auf Familienbeihilfe zu rechtfertigen.

Die Bf. erhob (am ) Beschwerde mit folgender Begründung:
Ich habe Ihnen geschrieben, dass ***E*** zu verschiedenen Prüfungen (auch Aufnahmsprüfungen) angetreten ist, diese aber nicht geschafft hat. Sie hat sich damals in einer extrem kritischen Situation befunden und war psychisch sehr labil. Zu all dem war sie zusätzlich noch in Liebeskummer versunken. Sie hat leider auch mit Drogen zu kämpfen gehabt. Alles aus existentieller Verzweiflung. Wir haben ihr, soweit es ging geholfen, aber damals half es nicht viel. Die Amtsarztbesuche waren Pflichtvorladungen, um sie zu untersuchen und auf Drogen zu testen! Gott sei Dank, hat sich das dann gegen Ende 2020 wieder gebessert. Aber die Tatsache bleibt, dass sie damals alles unternommen hat, um aus diesem Teufelskreis von Pflichten und psychischer Krankheit, Corona-Einsperren und Ausweglosigkeit herauszukommen - in dem Jahr allerdings leider erfolglos. Die einzige "Unterstützung", die sie vom Staat über uns erhalten hat, war die Familienbeihilfe. Ihr und uns, also der Familie das wieder wegzunehmen würde uns nicht nur tiefer in eine finanzielle Katastrophe stürzen, sondern ***E*** auch mit Sicherheit zurück in ihre Depression. Alle ihre Bemühungen, die letztendlich zu einer scheinbaren erfolgreichen Bewältigung ihrer psychischen Probleme geführt haben, würde sie als sinnlos betrachten. Bereits jetzt verheimlichen wir soweit es geht Ihre Rückforderungsaktivitäten vor ihr.
Dazu kommt, dass meinem Mann, der praktisch Alleinverdiener ist, denn ich selbst bin geringfügig beschäftigt, die Kündigung von seinem Arbeitgeber nahegelegt worden ist. Im September wird sich nicht entscheiden, ob, sondern wann! Wir können schon jetzt die Alltagskosten kaum stemmen und sind verzweifelt.
Wir bitten um dringende Nachbearbeitung Ihres Rückforderungsbescheides und um weitestgehende Kulanz!!!
Bezüglich Ihres anderen Rückforderungsbescheids vom , welches sich auf (den Sohn der Bf.) bezieht, habe ich Ihnen bereits am ein Schreiben als Antwort geschickt und festgehalten, dass
1. (der Sohn der Bf.) einen Eigenantrag stellen wird (was er am auch getan hat),
2. die Forderung deshalb ausgesetzt werden soll.
Das würde also implizieren, dass Ihre Rückforderung bezüglich (den Sohn der Bf.) nur für das Jahr, in dem er gearbeitet hat (also NUR 2020) gilt, denn ansonsten hat er sich zu 100% auf das Studium konzentriert, nicht gearbeitet und auch weit mehr als die erforderlichen ECT Punkte erreicht.
Ich glaube, Sie haben die beiden Schreiben noch nicht bearbeitet (also meines vom und (das des Sohnes der Bf.) vom ). In beiden steht auch, dass (der Sohn der Bf.) damit einverstanden ist dass die Rückforderung für das Jahr 2020 von den ihm noch zustehenden Zahlungen (Dez 2021 - Juli 2022) genommen werden kann.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, dies mit folgender Begründung:
Familienbeihilfe steht nach dem ersten Studienjahr nur dann zu, wenn einer der folgenden Leistungsnachweise erfolgreich erbracht wurde:
• Prüfungen im Ausmaß von 8 Semesterwochenstunden
• Prüfungen im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten
• 14 ECTS-Punkte der Studieneingangs-oder Orientierungsphase
• eine Teilprüfung der ersten Diplomprüfung
Keiner dieser Leistungsnachweise wurde erbracht, Familienbeihilfe steht daher nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Ihre Tochter ***E*** ist seit Oktober 2018 laufend Studentin an der Universität Wien:
Studienjahr 2018/2019 - Bachelorstudium Translationswissenschaft (10 ECTS-Punkte), Bachelorstudium English and American Studies (0 ECTS-Punkte)
Studienjahr 2019/2020 - Bachelorstudium Deutsche Philologie (0 ECTS-Punkte)
Studienjahr 2020/2021 - Bachelorstudien Philosophie, Geschichte und Musikwissenschaft (jeweils 0 ECTS-Punkte)
Studienjahr 2021/2022 - Bachelorstudium Translationswissenschaft (16 ECTS-Punkte),
Bachelorstudium Musikwissenschaft (4 ECTS-Punkte)
Wintersemester 2022/2023 - Bachelorstudium Musikwissenschaft (21 ECTS-Punkte)
Im 1. Studienjahr wurden Prüfungen im Ausmaß von 10 ECTS-Punkten erfolgreich abgelegt.
Für die Weitergewährung ab dem 2. Studienjahr, sprich ab Oktober 2019, wäre ein Studienerfolg von 16 ECTS-Punkten (15 ECTS bei Abschluss der Studieneingangs- und Orientierungsphase) bzw. 8 Semesterwochenstunden notwendig.
Im Studienjahr 2019/2020 wurden laut vorliegenden Informationen und eigenen Angaben keine Prüfungen abgelegt.
Da im 1. Studienjahr der gesetzlich verankerte Studienerfolg nicht erreicht wurde und dies auch im 2. Studienjahr nicht gelang, besteht im Zeitraum Oktober 2019 - September 2020 kein Anspruch auf Familienleistungen für ***E***.
Betreffend die gesundheitlichen Probleme von ***E*** liegen erst ab April 2020 entsprechende Nachweise vor.
Weiters ist die Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit der betriebenen Berufsausbildung infrage zu stellen, da im Zeitraum Oktober 2019 - September 2021 keine Prüfungen nachgewiesen werden konnten.

Der Vorlageantrag verweist auf die Beschwerde und wurde ergänzend vorgebracht:
Wir haben dazu mittlerweile weitere, ausführliche Stellungnahmen und Unterlagen vorgelegt.

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Aus den nachträglich eingereichten Unterlagen geht hervor, dass die Tochter der Beschwerdeführerin im Sommersemester 2019 ein Auslandssemester absolviert hatte und die an der ausländischen Bildungseinrichtung abgelegten Prüfungen auf das inländische Studium angerechnet wurden.
Der Studienerfolg des 1. Studienjahres umfasst nun genau 16 ECTS-Punkte.
Streitpunkt ist nach wie vor, ob im Beschwerdezeitraum Oktober 2019 - September 2020 ein Anspruch auf Familienleistungen für ***E*** besteht.
Es liegen keine positiven oder negativen Prüfungen und keine Mitschriften vor, die mehrfach erwähnten gesundheitlichen Probleme von ***E*** (Liebeskummer, Tod eines guten Freundes, Suchtprobleme) sind nach Ansicht der Finanzbehörde nicht ausreichend belegt.
Weder liegt eine ernsthaft betriebene Berufsausbildung vor noch gibt es Nachweise über eine krankheitsbedingte Studienbehinderung.
Beweismittel:
siehe gescannte Unterlagen
Stellungnahme:
Die Beschwerde wurde mit der Begründung abgewiesen, dass mangels Vorliegen des gesetzlich normierten Studienerfolges (16 ECTS-Punkte bzw. 8 Semesterwochenstunden) ab dem 2. Studienjahr solange kein Anspruch besteht, bis der Studienerfolg erbracht wird.
Da nunmehr Nachweise über den Studienerfolg von 16 ECTS-Punkten vorliegen, ist die Begründung der Beschwerdevorentscheidung nicht mehr richtig.
Aus der Sicht des Finanzamtes wäre durch das BFG neu zu beurteilen, ob ein Nachweis für eine ernsthaft betriebene Berufsausbildung erbracht wurde, nach Ansicht des Finanzamtes ist dies nicht der Fall.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt die Bf. um Auskunft bzw. Vorlage von Unterlagen wie folgt:
Bitte weisen Sie anhand geeigneter Unterlagen nach, dass ***E*** im Zeitraum Oktober 2019 - September 2020 ernsthaft und zielstrebig studiert hat.
Oder reichen Sie bitte Unterlagen nach, aus denen ersichtlich ist, dass ***E*** aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht oder nur eingeschränkt fähig war, ihr Studium zu betreiben.

Am richtete das Finanzamt das obige Schreiben abermals an die Bf.

Im Wintersemester 2018/19 legte die Tochter der Bf. folgende Prüfungen ab (Universität Wien, Sammelzeugnis vom ):
Prüfung ECTS Datum Beurteilung
Bachelorstudium Transkulturelle Kommunikation
Deutsch Portugiesisch (A-Sprache: Englisch) UG2002
von bis
Bachelorst. Transkulturelle Kommunikation UG2002
StEOP Transkulturalität
StEOP M1 Modulprüfung Transkulturalität (WiSe 2018) 10.00 4
StEOP Kultur und Kommunikation
StEOP M2 Modulprüfung Kultur und Kommunikation
(WiSe 2018) 8.00 5

Im Sommersemester 2019 legte die Tochter der Bf. folgende Prüfung ab (siehe Anrechnungsbescheid unten):
Portugues para Estrangeiros (A1.1) + (mit Erfolg teilgenommen)
6.00 ECTS Universidade do Porto, Portugal
Portugues para Estrangeiros (A1.1) + (mit Erfolg teilgenommen)
6.00 ECTS Universidade do Porto, Portugal

Im beschwerdegegenständlichen Wintersemester 2019/2020 legte die Tochter der Bf. keine Prüfungen ab.

"2020 war" - laut den Angaben der Bf. (im Schreiben vom ) - "das Jahr in dem Sie (ihre Tochter) mit Drogenproblemen gekämpft hat."

Im beschwerdegegenständlichen Sommersemester 2020 legte die Tochter der Bf. keine Prüfungen ab.

Am [in das Sommersemester 2020 fallend] nahm die Tochter der Bf. am Aufnahmetest für das Bachelorstudium Psychologie an der Universität Wien für das Studienjahr 2020/21 teil, erhielt aufgrund ihres Ergebnisses im Aufnahmetest, sie erzielte den Rangplatz 968 von 2.992 Teilnehmer*innen, keinen der 485 zur Verfügung stehenden Studienplätze (E-Mail vom ).

Am wurde bei der Tochter der Bf. eine ca. 4,5cm große Endometriosezyste am linken Ovar bei der Ultraschalluntersuchung diagnostiziert. Da die Endometriosezyste Beschwerden und Schmerzen verursacht, besteht daher eine klare medizinische Indikation für einen operativen Eingriff an den Adnexen (Bestätigung vom ).

Im Wintersemester 2020/21 legte die Tochter der Bf. keine Prüfungen ab.

Am entschuldigte sich die Tochter der Bf. betreffend eine Lehrveranstaltung (E-Mail vom ): Sie ist wunderbar, und ich würde gerne weitermachen, aber ich kann nicht mehr teilnehmen. Ich werde ehrlich sein - die Leute sind älter, viel erfahrener, ich passe da nicht hinein. Es tut mir leid, aber so habe das nicht so erwartet. Ich bin einfach nicht reif dafür.
Ich bin erst 20 und habe gerade erst die Schule beendet. Es war mein Fehler, aber ich bitte, dass Sie mich zu verstehen. Zu alledem kommt noch der plötzliche Selbstmord eines guten Freundes, den ich seit meiner Kindheit kenne. Das betrübt mich sehr.

Im Sommersemester 2021 legte die Tochter der Bf. keine Prüfungen ab.

Im Wintersemester 2021/22 legte die Tochter der Bf. folgende Prüfungen ab (Universität Wien, Sammelzeugnis vom ):
Prüfung ECTS Datum Beurteilung
Bachelorstudium Transkulturelle Kommunikation
Deutsch Portugiesisch (A-Sprache: Englisch) UG2002
von
Bachelorst. Transkulturelle Kommunikation UG2002
- Modulprüfung Transkulturelle Kommunikation I
StEOP PM1 Modulprüfung Transkulturelle
Kommunikation I (WiSe2021)/
anerkannt 8.00 4
- Modulprüfung Transkulturelle Kommunikation II
StEOP PM2 Modulprüfung Transkulturelle
Kommunikation II (WiSe 2021) 8.00 4
Bachelorstudium Musikwissenschaft UG2002
von
Musikwissenschaft UG2002
- Modulprüfung: Grundlagen der Musik
STEOP: Grundl. d. Musik (Modulprüfung) (WiSe 2021) 4.00 2
- Modulprüfung: Orientierung Musikwissenschaft
STEOP: Orientierung Musikwissenschaft
(Modulprüfung) (WiSe 2021) 12.00 5

Am 15. und 23. November und [also im Wintersemester 2021/22] war die Tochter der Bf. im Ambulatorium der Sucht- und Drogenkoordination Wien im Rahmen der ärztlichen Begutachtung vorstellig (Bestätigung vom ).

Im Sommersemester 2022 legte die Tochter der Bf. folgende Prüfungen ab (Universität Wien, Sammelzeugnis vom ):
Prüfung ECTS Datum Beurteilung
Bachelorstudium Transkulturelle Kommunikation
Deutsch Portugiesisch (A-Sprache: Englisch) UG2002
von
Bachelorst. Transkulturelle Kommunikation UG2002
- Translationsrelevante Sprach- und Textkompetenz A
* VO Translationsrelev. Sprach- und Textkompetenz
Englisch (LV-Nr. 340062, SoSe 2022) 4.00 4
- Text und Kultur 1 A
* VO Text und Kultur 1 Englisch (LV-Nr. 340071,
SoSe 2022) 4.00 2

Mit Bescheid vom wurde dem Antrag der Tochter der Bf. vom auf Anerkennung von Prüfungen gemäß § 78 Abs 1 UG (BGBl. I Nr. 120/2002 i.d.g.F.) i.V.m. der/den unten genannten Rechtsgrundlage/n stattgegeben:
Bachelorstudium Musikwissenschaft nach UG 2002 (UG2002), …
Folgende Prüfung/en wurde/n wie folgt anerkannt:
Leistungen Bezeichnung Datum Beurteilung Umfang Bildungseinrichtung
Ziel-Leist. 1…10 ALTERNAT. ERWEIT. (6 ECTS) mit Erfolg teilgenommen 6.00 ECTS Universität Wien
Quell-Leist. Portugues para Estrangeiros mit Erfolg teilgenommen
6.00 ECTS Universidade do Porto; Portugal
Ziel-Leist. 1…07 ALTERNAT. ERWEIT. (4 ECTS) gut
4.00 ECTS Universität Wien
Quell-Leist. Portugues para Estrangeiros (A1.1) + (mit Erfolg teilgenommen)
6.00 ECTS Universidade do Porto, Portugal
Text und Kultur 1 Englisch gut 4.00 ECTS Universität Wien

2. Beweiswürdigung

Die unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf der Aktenlage, dem Vorbringen der Bf. sowie den vorgelegten Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 bestimmt u.a.:
Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester.

Das Bundesfinanzgericht erwog im Erkenntnis vom , RV/7104756/2018:
Eine schlüssige ärztliche Bestätigung ist hierzu erforderlich (). Ebenso muss auch dargelegt werden, durch welche konkrete Krankheit und zu welchen konkreten Zeiten das Kind derart beeinträchtigt war, dass es am Studium verhindert war (, vgl. weiters Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 2, III. Einzelne Tatbestände für volljährige Kinder (Abs 1 lit b-l) [Rz 28 - 139]).

Im beschwerdegegenständlichen Zeitraum, in den zwei Semester - das Wintersemester 2019/2020 und das Sommersemester 2020 - fielen, legte die Tochter der Bf. keine Prüfungen ab.

In diesem Zeitraum sind drei Ereignisse angesiedelt:
- Erstens der lediglich auf dem Vorbringen der Bf. beruhende Umstand:
"2020 war das Jahr in dem Sie (ihre Tochter) mit Drogenproblemen gekämpft hat."
- Zweitens der nachgewiesene Umstand:
Am nahm die Tochter der Bf. am Aufnahmetest für das Bachelorstudium
Psychologie teil, erhielt aufgrund ihres Ergebnisses im Aufnahmetest keinen der zur
Verfügung stehenden Studienplätze.
- Drittens der nachgewiesene Umstand :
Zyste (Endometriosezyste):
Am wurde bei der Tochter der Bf. eine Zyste diagnostiziert.

Zum ins Treffen geführten Drogenproblem:

Ständige Rechtsprechung ist, dass der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich sind. Hierzu gehören beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen.

Ständige Rechtsprechung ist zudem, dass die Beurteilung, ob die Krankheit nach Art und Ausmaß ihres Auftretens geeignet ist, zu einer Studienbehinderung zu führen, ebenso einem Arzt vorbehalten ist wie die Diagnose der Krankheit selbst. Eine schlüssige ärztliche Bestätigung ist erforderlich. Es muss dargelegt werden, durch welche konkrete Krankheit und zu welchen konkreten Zeiten das Kind derart beeinträchtigt gewesen war, dass es an Studium verhindert gewesen wäre (vgl. bspw. ; ; ; ).

Im Erkenntnis vom , RV/5101691/2015, erwog das Bundesfinanzgericht:
Ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (z.B. Krankheit) kann somit die Studienzeit verlängern. Eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten bewirkt eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Wenn daher die Behinderung pro Semester mindestens drei Monate lang ununterbrochen angedauert hat, kann eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester (bzw. bei längerer Dauer um mehrere Semester) erfolgen. Dabei ist es unerheblich, ob die Studienbehinderung in die Vorlesungszeit oder in die Ferienzeit fällt (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Tz 86).
Die Art des Beweismittels einer krankheitsbedingten Studienbehinderung ist im Gesetz nicht festgelegt, die für eine Verlängerung der Studienzeit oder des Nachweiszeitraumes maßgeblichen Umstände sind daher durch geeignete Beweismittel glaubhaft zu machen. Ist ein zwingender Zusammenhang zwischen der Krankheit einerseits und der behaupteten Studienbehinderung andererseits für den medizinischen Laien nicht erkennbar, bleibt die Beurteilung, ob die Krankheit nach Art und Ausmaß ihres Auftretens geeignet ist, zu einer Studienbehinderung zu führen, ebenso einem Arzt vorbehalten wie die Diagnose der Krankheit selbst. Es ist aber eine schlüssige ärztliche Bestätigung erforderlich (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Tz 87 mit Hinweis auf ).

Im o.a. Erkenntnis vom erwog das Bundesfinanzgericht:
Die Rechtsprechung verlangt, dass in der ärztlichen Bestätigung bestätigt werde, dass der Betreffende eine [zu ergänzen: mindestens] dreimonatige Studienbehinderung hatte.

Eine Nachweisführung gemäß diesen Rechtsausführungen erfolgte von der Bf. nicht.

Zum Aufnahmetest für das Bachelorstudium Psychologie:

Im vorletzten Monat des beschwerdegegenständlichen Zeitraumes nahm die Tochter der Bf. am Aufnahmetest für das Bachelorstudium Psychologie teil. Ihr Ergebnis im Aufnahmetest, sie erzielte den Rangplatz 968 von 2.992 Teilnehmer*innen, sie lag somit im besten Drittel der Teilnehmer*innen, lässt nicht auf eine (längerdauernde) Studienbehinderung zumindest im Sommersemester 2020 schließen.

Zur diagnostizierten Zyste:

Am letzten Tag des beschwerdegegenständlichen Zeitraumes wurde die ca. 4,5cm große Endometriosezyste am linken Ovar bei der Ultraschalluntersuchung diagnostiziert und ausgesprochen: Da die Endometriosezyste Beschwerden und Schmerzen verursacht, besteht daher eine klare medizinische Indikation für einen operativen Eingriff an den Adnexen.

Eine Nachweisführung gemäß den obigen Rechtsausführungen erfolgte nicht. Hatte die Tochter der Bf. über einen Monat zuvor mit einem durchaus respektablen Ergebnis den o.a. Aufnahmetest zu bewerkstelligen vermocht, kann nicht auf eine Studienbehinderung im Sommersemester, dessen Vorlesungszeit immerhin rd. drei Monate vor der Diagnostizierung geendet hatte, geschlossen werden.

Zu den weiteren Vorgängen (im November 2020 und November/Dezember 2021):

Zur Entschuldigung betreffend eine Lehrveranstaltung bzw. den darin genannten Umständen:

Hierbei handelt es sich um einen Vorgang Ende November 2020, er ist somit rd. zwei Monate nach dem Ende des beschwerdegegenständlichen Zeitraumes gelegen.

Die in dieser Entschuldigung von der Tochter der Bf. genannte Widrigkeit wurde zeitlich nicht näher präzisiert (es ist nur von plötzlich die Rede), somit kann nicht (einmal) gesagt werden, ob sie bereits im beschwerdegegenständlichen Zeitraumes eingetreten war oder nicht.

Zum Vorstellig-werden im Ambulatorium der Sucht- und Drogenkoordination:

War die Tochter der Bf. am 15. und 23. November und 16. Dezember 2021 [also im Wintersemester 2021/22] im Ambulatorium der Sucht- und Drogenkoordination im Rahmen der ärztlichen Begutachtung vorstellig, kann hieraus nicht abgeleitet werden, dass sie im beschwerdegegenständlichen Zeitraum Oktober 2019 bis September 2020 derart beeinträchtigt war, dass sie gemäß den obigen Rechtsausführungen am Studium verhindert war (vgl. auch oben: Zum ins Treffen geführten Drogenproblem).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit gegenständlichem Erkenntnis wurde nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlichen Bedeutung entschieden. Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfragen und sind grundsätzlich keiner Revision zugängig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102149.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at