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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 06.07.2023, RV/7101929/2022

§ 236 BAO Abweisung eines Nachsichtsantrages ua aufgrund fehlender Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Daniela Regina Denk sowie die fachkundigen Laienrichter Erwin Agneter und Mag. Belinda Maria Eder über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch CENTURION Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Hegelgasse 8 Tür 14, 1010 Wien, vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Nachsicht § 236 BAO 2022 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Antrag

Mit Antrag vom wurde von der beschwerdeführenden Partei ein Antrag auf Nachsicht für den Gesamtbetrag an Umsatzsteuer in Höhe von EUR 117.368,45 gestellt. Der Gesamtbetrag von EUR 117.368,45 setzt sich wie nachfolgend dargestellt zusammen. Die Beschwerde über den Nachsichtsantrag vom für die festgesetzte Umsatzsteuer der Jahre 2010 bis 2012 wird unter der GZ. RV/7102957/2020 geführt (EUR 21.651,59).

Die festgesetzte Umsatzsteuer für August 2021 in Höhe von EUR 48.675,74 wurde am als Guthaben am Steuerkonto verbucht. Die beschwerdeführende Partei führt aus, dass sich der Nachsichtsantrag verringere, wenn dieses Guthaben durch das Finanzamt anerkannt werde und es verbleibe somit ein fälliger Betrag in Höhe von EUR 68.692,71. Der beantragte Nachsichtsbetrag verringere sich um das Umsatzsteuerguthaben.

Von der beschwerdeführenden Partei wurde sowohl eine sachliche, als auch eine persönliche Unbilligkeit geltend gemacht.

Im Rahmen der sachlichen Unbilligkeit bringt die beschwerdeführende Parteit vor, dass der Verein ***Bf1*** seit mehr als 50 Jahren bestehe und seit seiner Gründung gemeinnützige Tätigkeiten zur Förderung und Unterhaltung des Reitsports verrichte. In diesem Zeitraum seien sämtliche Lohnabgaben an die Finanzverwaltung ordnungsgemäß abgeführt, es waren jedoch keine Hinweise zu erkennen, welche auf eine Einkunftsquelle hindeuteten, sodass eine Umsatzsteuerpflicht gegeben wäre. Bisher seien vom Verein stets Verluste erwirtschaftet worden, sodass davon ausgegangen worden sei, dass keine Einkunftsquelle vorliege und somit keine Umsatzsteuerpflicht bestehe.

Die Konfrontation einer möglichen Umsatzsteuerpflicht ab dem April 2013 begründe jedoch noch keine Umsatzsteuerpflicht. Die Rechtsansicht wurde vor dem (Höchst-)Gericht bekämpft, da weiterhin eine abweichende Rechtsmeinung bzw. -auslegung durch die beschwerdeführende Partei bestanden habe. Es könne daher nicht verlangt werden, während eines laufenden Verfahrens Abgaben in Rechnung zu stellen und einzuheben, während die Grundlage zur Verpflichtung zeitgleich gerichtlich angefochten sei. Erstinstanzlich wurde zu Gunsten der beschwerdeführenden Partei entschieden. Erst nach einer Amtsrevision habe das Bundesfinanzgericht (RV/7101896/2017 v. ) nach Behebung der ersten Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes (RV/7103976/2015, ) durch den Verwaltungsgerichtshof (Ra 2016/13/0047-5, ), die Tätigkeit des Vereins als umsatzsteuerpflichtig qualifiziert, sodass anschließend die im Betreff erwähnten Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer erlassen worden seien. Die beschwerdeführende Partei sei mit Recht bis Ende 2019 davon ausgegangen, dass keine Umsatzsteuerpflicht vorgelegen habe. Erst mit BFG-Erkenntnis vom habe man von einer Umsatzsteuerpflicht ausgehen können. Im Anschluss daran seien die Mitglieder informiert worden, dass künftig höhere Beiträge zu entrichten seien und die Mehrbelastung der Umsatzsteuer weitergegeben werden musste. Es lag nie eine Gewinnerzielungsabsicht vor, man ging von einer gemeinnützigen Tätigkeit aus. Die Buchhaltung sei umgestellt worden und in weiterer Folge seien die Umsatzsteuervoranmeldungen sowie auch die Lohnabgaben fristgerecht abgegeben und bezahlt worden.

Im Rahmen der persönlichen Unbilligkeit bringt die beschwerdeführende Partei vor, dass der Verein seit seinem Bestehen keine finanziellen Reserven aufbauen habe können, welche für die Begleichung der Umsatzsteuer herangezogen hätte werden können. Der Verein sei und war lediglich gegenüber seinen Mitgliedern tätig gewesen, die nachträgliche Belastung der Umsatzsteuer könne nicht finanziert werden. Die Einhebung der festgesetzten Umsatzsteuer würde eine erhebliche Härte für den Verein darstellen und könne zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen. Die Mitgliedsbeiträge und Einstellgebühren seien immer kostendeckend kalkuliert worden. Durch diese unbillige Härte würden zwei Arbeitsplätze vernichtet werden und ein im laufenden Betrieb stabiler Verein, der alle laufenden Abgaben fristgerecht begleiche, zur Insolvenz gezwungen.

Bescheid

Mit Bescheid vom hat die belangte Behörde den Antrag auf Nachsicht von Abgabenschulden in Höhe von EUR 95.716,86 als unbegründet abgewiesen, da das Vorliegen einer Unbilligkeit verneint wurde. Der beschwerdeführenden Partei sei zu den Ausführungen der persönlichen Unbilligkeit zu entgegnen, dass die steuerliche Vertretung bereits mit Telefonat vom mit der Umsatzsteuerpflicht konfrontiert wurde. Auch dem Schreiben vom , mit dem mitgeteilt wurde, dass die Prüfung der Statuten ergab, dass keine Gemeinnützigkeit des Reitstalles gegeben sei, sei deutlich zu entnehmen gewesen, dass von einer Liebhaberei iSd § 1 Abs. 1 LVO auszugehen sei und Umsatzsteuerpflicht bestehen würde.

Dies würde bedeuten, dass die Antragstellerin zumindest ab April 2013 von einer möglichen Umsatzsteuerpflicht durch das Finanzamt konfrontiert wurde, und schon aus diesem Grund - etwa durch eine Erhöhung von Mitgliedsbeiträgen (Weiterverrechnung von Umsatzsteuern) - Rücklagen hätten gebildet werden können. Dies sei aber laut Vorbringen (Anm. "keine finanziellen Reserven aufbauen") unterlassen worden. Im Rahmen der Ermessensentscheidung wäre diesem Kriterium erhebliches Gewicht beizumessen.

Auch habe es der antragstellende Verein bereits im Erstantrag unterlassen, konkretes Zahlenmaterial über die Höhe der Gesamtschulden, die Höhe des monatlichen Einkommens und die Ausgaben, die mit diesem Einkommen zu bestreiten wären, sowie über welche Vermögenswerte sie verfüge, bekannt zu geben. Würde dies durch die Antragstellerin nicht dargelegt werden, aus denen sich die Unbilligkeit der Einhebung ergäbe, so sei schon allein aus diesem Grund eine Abgabennachsicht nicht zu gewähren (zB ).

Der beschwerdeführenden Partei sei zu den Ausführungen der sachlichen Unbilligkeit wie folgt zu entgegnen: Die Abgabenschuldigkeiten würden sich aus den Umsatzsteuern mehrerer Jahre samt Nebenansprüchen, Pfändungsgebühren samt Auslagenersätzen sowie Aussetzungszinsen zusammensetzen, sie seien durch die Einstufung der Tätigkeit als Liebhabereitätigkeit nach § 1 Abs. 1 LVO und der damit verbundenen Umsatzsteuerpflicht nach § 6 LVO entstanden. Die Beurteilung des Finanzamtes, die Tätigkeit stelle eine Liebhabereitätigkeit nach § 1 Abs. 1 LVO dar, sei auf der Grundlage der Liebhabereiverordnung getroffen worden. Die Qualifizierung sei kein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis, womit auch keine Abgabennachsicht gerechtfertigt sei (vgl. Ritz, BAO § 236, Tz 11). Die Einhebung der entstandenen Abgabenschulden stelle somit eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage dar, die alle davon betroffenen Abgabenpflichtigen in gleicher Weise treffe. Eine den Fall der beschwerdeführenden Partei besondere harte Auswirkung der Liebhabereiverordnung, die der Verordnungsgeber bei Vorhersehbarkeit vermieden hätte, liege offensichtlich nicht vor.

Dem Vorbringen, es könne von der beschwerdeführenden Partei nicht verlangt werden, während eines laufenden Verfahrens Abgaben in Rechnung zu stellen und einzuheben, während die Grundlage zu dieser Verpflichtung zeitgleich bei Gericht angefochten werde, sei nicht zu folgen. Vielmehr hätte es die steuerliche Vorsicht geboten, für eine mögliche Umsatzsteuernachforderung vorzusorgen, zumal die Antragstellerin nicht davon ausgehen könne, dass sie dieses Verfahren gewinne.

Beschwerde

Mit Schreiben vom langte rechtzeitig die Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid vom ein. Mit der Beschwerde wurde eine zumindest teilweise Stattgabe beantragt, sowie ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt.

Die Abgabenbehörde gelange zum Schluss, dass die bescherdeführende Partei aufgrund eines Telefonats zwischen dem Finanzamt und dem damals zuständigen steuerlichen Vertreter, sowie dem Telefonat folgendem Schreiben der Abgabenbehörde vom mit der Umsatzsteuerpflicht konfrontiert worden sei. Die Abgabenbehörde schließe daraus, dass die bescherdeführende Partei aufgrund der Rechtsansicht der Abgabenbehörde verpflichtet gewesen sei z.B. Mitgliedsbeiträge zu erhöhen und dadurch Rücklagen zu bilden. Wie bereits im Nachsichtsantrag ausgeführt worden sei, habe die beschwerdeführende Partei eine abweichende Rechtsmeinung vertreten, welche auch durch die Entscheidung erster Instanz geteilt worden sei. Es sei somit davon auszugehen, dass nicht willkürlich auf eine Erhöhung verzichtet wurde und dadurch keine Rücklagen geschaffen werden konnten, sondern die Rechtsmeinung durchwegs vertretbar gewesen wäre.

Im Erstantrag sei kein konkretes Zahlenmaterial zu den Gesamtschulden vorgelegt worden, da aus dem Schreiben hervorgehe, dass die Schulden ausschließlich gegenüber der Abgabenbehörde bestünden. Der Rückstand am Abgabenkonto sei der Behörde bekannt. Ebenso habe die Behörde Kenntnis über das Nichtvorliegen eines positiven Einkommens, da aufgrund dieser Tatsache - trotz Einordnung als Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 1 LVO - von Liebhaberei auszugehen sei, da ein Gesamtgewinn nicht erzielt werden könne. Die Vermögenswerte bestünden ausschließlich aus für den Erhalt und Fortbestand für den Betrieb notwendigen Wirtschaftsgütern, weshalb diese nicht zur Tilgung - außerhalb einer Insolvenz, wie ebenfalls im Nachsichtsantrag ausgeführt - des Rückstandes am Abgabenkonto verwendet werden könnten.

Zur sachlichen Unbilligkeit wird vorgebracht, dass die Einstufung der Tätigkeit als Liebhabereitätigkeit gemäß § 1 Abs. 1 LVO sei ab der Veranlagung im Jahr 2010 erfolgt. Seit der Gründung im Jahr 1967, damit knapp 45 Jahre lang, sei von einer Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 LVO und einer umsatzsteuerlichen Liebhaberei im Sinne des § 6 LVO ausgegangen. Offensichtlich sei auch die Abgabenbehörde zum damaligen Zeitpunkt dieser Auffassung gewesen, da andernfalls wohl bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Umsatzsteuerpflicht festgestellt worden wäre.

Die sachliche Unbilligkeit sei anzunehmen, wenn ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff komme. Vom Gesetzgeber sei nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei nicht beabsichtigt gewesen, die Neuauslegung der Einordnung von § 1 Abs. 2 LVO in § 1 Abs. 1 LVO, nachdem jahrzehntelang die gleiche Rechtsauffassung bzw. -auslegung bestanden habe. Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass die Rechtsauffassung der beschwerdeführenden Partei in erster Instanz geteilt wurde und somit ein nicht eindeutiger Einzelfall vorgelegen habe, welche in weiterer Folge zur Umsatzsteuerpflicht geführt hatte. Die im § 236 Abs. 1 BAO geforderte Unbilligkeit könne entweder persönlich oder sachlich bedingt sein, es sei kein kumulatives Vorliegen notwendig. Die persönliche Unbilligkeit liege nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dann vor, wenn die wirtschaftliche Existenz durch die Einbringung der verfahrensgegenständlichen Abgaben gefährdet wäre.

Die Begleichung der Abgabenschuld sei existenzgefährdend und hätte die Insolvenzeröffnung zufolge. Bei Stattgabe könnten die laufenden Abgaben sowohl aus der Umsatzsteuer als auch den Lohnnebenkosten fristgerecht beglichen werden und die Arbeitsplätze der Mitarbeiter seien weiterhin gesichert.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde führt ergänzend aus, dass die vermeintliche Unbilligkeit für die Betroffene aus dem Gesetz bzw. der Verordnung selbst folge und für deren Hintanhaltung der Gesetzgeber selbst hätte vorsorgen müssen. So enthält § 6 LVO die ausdrückliche Klarstellung, Liebhaberei könne im Umsatzsteuerrecht nur bei Betätigung im Sinne des § 1 Abs. 2 LVO, nicht hingegen bei anderen Betätigungen, vorgenommen werden.

Dass es sich nicht wie von der beschwerdeführenden Partei behauptet um einen "Einzelfall" handle, bei denen der Betrieb eines Reitstalles als Liebhabereitätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 LVO eingestuft werde, kann z.B. auf das Erkenntnis des verwiesen werden.

Insgesamt gesehen stelle die Qualifizierung einer Tätigkeit als Liebhaberei im Sinne des § 1 Abs. 1 LVO eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage dar, die alle davon betroffenen Abgabenpflichtigen in gleicher Weise treffe. Eine besondere harte Auswirkung der Liebhabereiverordnung, die der Verordnungsgeber bei Vorhersehbarkeit vermieden hätte, liege offensichtlich nicht vor.

Auch konnte die beschwerdeführende Partei nicht davon ausgehen, dass sie das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht bzw. dem Verwaltungsgerichtshof gewinne, wenn sie ausführe, dass "die Rechtsauffassung des Mandanten in erster Instanz geteilt wurde und somit ein nicht eindeutiger Einzelfall vorläge".

Es läge vielmehr in der von der beschwerdeführenden Partei beeinflussbaren Weise, dass diese - ab dem Zeitpunkt der gegenteiligen Rechtsauskunft des Finanzamtes - Maßnahmen ergreife, und der künftig drohenden Umsatzsteuerpflicht zu entgehen. Erkenne ein Abgabepflichtiger, dass seine Tätigkeit niemals Erfolg bringend sein werde, und komme eine Verbesserung der Ertragslage durch strukturverbessernde Maßnahmen nicht in Betracht, könne auch die Einstellung der Tätigkeit eine Maßnahme sein, die für die Gewinnerzielungsabsicht des Abgabepflichtigen spreche (vgl. zB ). Eine sachliche Unbilligkeit könne daher nicht erblickt werden.

Im Rahmen der persönlichen Unbilligkeit bringt das Finanzamt vor, dass es die beschwerdeführende Partei dem Finanzamt abermals schuldig bleibe bekanntzugeben, welches monatliche Einkommen zum Zeitpunkt der Antragstellung vorliege, welche Ausgaben damit zu befriedigen seien und über welche Vermögenswerte verfügt würden. Mit dem Vorbringen, dass die Schulden ausschließlich gegenüber der Abgabenbehörde bestünden, die Behörde Kenntnis über das Nichtvorliegen eines positiven Einkommens der beschwerdeführenden Partei habe, würden von der beschwerdeführenden Partei jene Umstände nicht dargetan, aus denen sich die Unbilligkeit der Einhebung ergebe.

Aber selbst wenn - bei Vorliegen entsprechender Unterlagen - Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit zu bejahen wäre, spreche der Umstand, dass die beschwerdeführende Partei trotz aufrechten Beschwerdeverfahren für die Umsatzsteuer 2010 bis 2012 für die Errichtung der dem gegenständlichen Nachsichtsantrag unterliegenden Umsatzsteuer 2013 bis 2019 keine Vorsorge getroffen habe, im Rahmen der Ermessensübung gegen die Gewährung einer Nachsicht. Aufgrund der gegenteiligen Rechtsansicht der Abgabenbehörde, die der beschwerdeführenden Partei bereits im Jahr 2013 mitgeteilt wurde, hätte die beschwerdeführende Partei nicht darauf vertrauen können, dass sie im Beschwerdeverfahren obsiegen werde, zumal ihrer Ansicht und ihrem Vorbringen nach ein "nicht eindeutiger Einzelfall vorläge".

Vorlageantrag

Mit Eingabe vom beantragt die steuerliche Vertretung der beschwerdeführenden Partei die Vorlage der Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt am , betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Abweisung der Nachsicht von Abgabenschuldnerin vom dem Bundesfinanzgericht vorzulegen, zudem wird der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, der Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat sowie der Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt.

Ladung und

Mit der Ladung vom zur mündlichen Verhandlung gemäß § 274 BAO wird der Beschwerdeführer zudem durch das Bundesfinanzgericht aufgefordert, das Formular über die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse bis spätestens ausgefüllt zu retournieren. Die mündliche Verhandlung wird mit anberaumt. Durch Erkrankung eines Senatsmitgliedes wird die mündliche Verhandlung auf den , 14:00 Uhr verschoben.

In der Beantwortung vom werden die wirtschaftlichen Verhältnisse wie folgt dargelegt:

Vermögen/Forderungen (Bankguthaben in Höhe von EUR 2.616,55 sowie EUR 1,29 (2 Konten)), Vermögen/bewegliche Sachen (Bargeld: in Form des Kassastandes in Höhe von EUR 180,00, Elektrische Geräte: Schrittmaschine (2005), Solarium für Pferde (1990), Bauten auf fremden Grund: Holzboxen (ca. 1980), Sonstiges: altes Werkzeug), Vermögen/andere Vermögenswerte (Mietrechte: Pacht des Geländes und dazugehörige Gebäude (Vertrag bis 03/2025), Pachtrechte: verneint (Anschrift des Pächters und Höhe der Pacht fehlt)), Vermögen/Sonstiges (Sand auf den Plätzen, Zäune).

Schulden/Lieferantenverbindlichkeiten (Lieferantenverbindlichkeiten: Fa. R GmbH EUR 1.048,00; Fa. R I GmbH EUR 149,00, Fa. E EUR 973,00, G F Landw. EUR 2.266,11), Sonst. Verbindl. (Steuerberatungskosten: EUR 2.000,00).

Sonstiges (Monatliche Einnahmen: Beiträge der Mitglieder ca. EUR 14.000,00).

In der mündlichen Verhandlung vom bringt die steuerliche Vertretung vor, dass der Nachsichtsantrag über einen Betrag von ca. EUR 68.000,00 lautet. Dies sei auch der aktuelle Rückstand auf dem Abgabenkonto.

Die Unbilligkeit ergäbe sich schon aufgrund des Zeitablaufes sowie der Divergenzen zwischen Vereinsrichtlinien und Liebhabereirichtlinien. Die Vermögenslage sei offengelegt worden. Über nochmaliges Befragen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen wird ausgeführt, dass es hier keine Veränderungen gäbe. Der Status der Aktiva betrage zwischen EUR 4.000,00 und EUR 6.000,00.

Über Befragung des Vorsitzenden wird angegeben, dass der Stall im Eigentum des Vereines stünde. Über nochmaliges Nachfragen, warum der Stall nicht in das Vermögensverzeichnis aufgenommen wurde, wird ausgeführt, dass keine Aufnahme in das Vermögensverzeichnis erfolgte, weil der Stall nach Auslaufen des Pachtvertrages in das Eigentum des Verpächters übergehen würde, dies sei 2025 der Fall.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die beschwerdeführende Partei, ein nicht gemeinnütziger Verein, betreibt seit ca. 45 Jahren einen Reitstall. Die rückständigen Abgaben stellen sich wie folgt dar:

Im Verfahren vor der Abgabenbehörde wurde kein Einkommens- und Vermögensverzeichnis vorgelegt. Laut Abgabenkonto langten bis dato keine Zahlungen zur Tilgung der offenen Abgabenschuldigkeiten ein.

Im Zeitpunkt der Einbringung des 2. Nachsichtansuchens vom bestand auf dem Abgabenkonto ein Rückstand von EUR 117.385,11. Im Ansuchen wurde eine Nachsicht von EUR 117.368,45 begehrt. Dieser Betrag beinhaltet den Betrag von EUR 21.651,59 für den Nachsichtsantrag vom (GZ RV/7102957/2020), sowie für EUR 95.716,86 für den Nachsichtsantrag vom . Die betreffenden Abgabenschuldigkeiten wurden alle auf dem Abgabenkonto der beschwerdeführenden Partei verbucht.

Für die festgesetzte Umsatzsteuer 2013 bis 2015 ist ein Verfahren vor dem BFG anhängig (GZ RV/7102957/2020). Die beschwerdeführende Partei stellte am einen Antrag auf Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO betreffend Umsatzsteuer 2013 und 2014, diese wurde mit BFG-Erkenntnis vom , RV/7101809/2020 als unbegründet abgewiesen.

Für August 2021 besteht ein Umsatzsteuerguthaben in Höhe von EUR 48.675,74, dass mit am Steuerkonto verbucht wurde und den ausstehenden Saldo reduziert. Der Nachsichtsbetrag reduziert sich auf EUR 68.692,71 wie laut Nachsichtsantrag vom beantragt, und von der steuerlichen Vertretung in der mündlichen Verhandlung am wiederholend vorgebracht.

Laut Rückstandsausweis vom ist ein Betrag in Höhe von EUR 68.712,31 vollstreckbar.

Monatlich stehen Einnahmen in Höhe von ca. EUR 14.000,00 laut Angabe der beschwerdeführenden Partei zur Verfügung. Ein vollständiges Vermögensverzeichnis wurde auch vor dem Bundesfinanzgericht nicht vorgelegt.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unbestritten aus dem vorgelegten Akt, insbesondere aus den wiedergegebenen Eingaben der beschwerdeführenden Partei und den genannten Bescheiden der belangten Behörde.

Die Feststellungen über die noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten sowie der Verbuchung eines Vorsteuerguthabens für das Jahr 2021 ergeben sich aus dem Abgabenkonto, in das Einsicht genommen wurde.

Die Angaben über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ergeben sich aus dem Formular über die Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse (ausgefüllt durch die beschwerdeführende Partei, eingelangt bei Gericht am per E-Mail durch die steuerliche Vertretung), sowie durch Befragung in der mündlichen Verhandlung am . Der beschwerdeführenden Partei wurden ihre Eingaben vorgehalten, Ergänzungen hierzu wären laut dieser nicht vorzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach dem Wortlaut des § 236 BAO ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung tatbestandsmäßige Voraussetzung für eine Nachsichtsgewährung. Nachsichtsmaßnahmen können daher - abgesehen vom Formalerfordernis einer entsprechenden Antragstellung sowie der eingetretenen Fälligkeit der nachsichtsbezogenen Abgaben - nur bei Erfüllung des Tatbestandsmerkmales der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung in Erwägung gezogen werden.

Lässt ein konkret vorliegender Sachverhalt schon die Annahme einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nicht zu, dann ist das Nachsichtsgesuch wegen Fehlens der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen bereits aus Rechtsgründen abzuweisen, für eine Ermessensentscheidung bleibt diesfalls kein Raum (; , 91/15/0017).

Über eine Abgabennachsicht ist auf Grund der bei der Bescheiderlassung gegebenen Sachlage und Rechtslage abzusprechen (; , 98/13/0035; , 89/14/0196).

Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe nach Lage des Falles kann eine persönliche oder sachliche sein (; , 2007/13/0135). Die Prüfung der Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe ist von der Billigkeit gem. § 20 BAO als Element der Ermessensübung selbst zu unterscheiden. Liegt keine Unbilligkeit vor, kommt es zu keiner Ermessensübung. Der Verwaltungsgerichtshof stellt auf die Unbilligkeit "im Einzelfall" ab ().

Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers (bzw. aller Gesamtschuldner). Sie besteht bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich der Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen (; , 2003/14/0098).

Eine solche Unbilligkeit wird stets gegeben sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet (; , 99/16/0086; , 95/15/0090). Es bedarf keiner Existenzgefährdung; es genügt, wenn die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, zB wenn die Abgabenschuld nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten entrichtet werden könnte (; , 2003/13/0156; , 2005/17/0245, AW 2005/17/0061; , 2006/17/0289).

Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur jedoch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte (; , 2006/15/0278; , 2013/15/0173; , 2013/16/0114).

Überschuldung oder Liquiditätskrisen (vgl. bereits ), "finanzielle Engpässe" bzw wirtschaftliche Bedrängnisse () allein werden den strengen (Unbilligkeits-) Anforderungen der Rechtsprechung nicht gerecht (). Eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann aber diesfalls gegeben sein, wenn die wirtschaftliche Situation von der Art ist und die gehäuften wirtschaftlichen Schwierigkeiten von der Intensität und Dauer sind, dass die Einhebung der Abgaben zur Gefährdung der Existenz des Unternehmens (damit des Abgabepflichtigen) führen kann ( mwN).

Für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend (; , 2008/15/0221; , 2007/13/0135; , 2010/16/0219).

Den Antragsteller trifft eine erhöhte Mitwirkungspflicht (zB , 97/14/0091; , Ra 2018/15/0014). Er hat somit "einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann" (; , 2010/16/0219; , 2013/16/0114; , Ra 2018/15/0014). Das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt beim Nachsichtswerber (; , 95/15/0090; , 2002/15/0155; , 2009/15/0008).

Der Nachsichtswerber ist daher verpflichtet, im Nachsichtsansuchen die gemäß § 236 Abs. 1 BAO bedeutsamen Umstände offenzulegen. Zu diesen Umständen zählt auch die konkrete, ziffernmäßige Darstellung der aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers einschließlich einer Auflistung sämtlicher Verbindlichkeiten.

Im gegenständlichen Verfahren bringt die beschwerdeführende Partei vor, dass die letzten Jahrzehnte keine Reserven aufgebaut werden konnten, und die Bezahlung der Abgabennachforderung eine Insolvenz nach sich ziehen würde, zudem wären 2 Arbeitsplätze in Gefahr. Eine nähere Ausführung dieser Behauptung sowie eine Vorlage von Zahlenmaterial unterblieb. Im Abgabenverfahren wurden keine Nachweise über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse, die nachweislich mehrmals von der belangten Behörde abverlangt wurden, erbracht, da nur die Verbindlichkeit ausschließlich gegenüber der Abgabenbehörde bestanden hätte, die der Abgabenbehörde bekannt gewesen wären. Mit dem Vorbringen, dass die Schulden ausschließlich gegenüber der Abgabenbehörde bestünden, die Behörde Kenntnis über das Nichtvorliegen eines positiven Einkommens der beschwerdeführenden Partei habe, enthebt die beschwerdeführende Partei nicht der Notwendigkeit, die für eine beantragte Abgabennachsicht maßgebenden wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrer Gesamtheit offenzulegen (; , 92/14/0083). Zudem werden jene Umstände nicht dargetan, aus denen sich die Unbilligkeit der Einhebung ergibt.

Durch Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes wurde ein Formular, über die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse retourniert. Aus diesen Angaben lässt sich jedoch nicht erkennen, welche monatlichen Betriebsausgaben/Werbungskosten den monatlichen Einnahmen in Höhe von ca. EUR 14.000,00 gegenüberstehen. Der steuerliche Vertreter führt in der mündlichen Verhandlung aus, dass die Vermögenslage offengelegt wurde und den bereits getätigten Angaben nichts hinzuzufügen wäre. Auf Vorhalt des Senatsvorsitzenden, ob es Ergänzungen zu den von der beschwerdeführenden Partei bekannt gegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse gäbe, wird erwidert, dass es hier keine Veränderungen gäbe. Auch hier ist nochmals darauf hinzuweisen, dass im Nachsichtsverfahren das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Nachsichtswerber liegt (; , 95/15/0090; , 2002/15/0155; , 2009/15/0008). Es wurde nicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände dargetan, auf die die Nachsicht gestützt werden kann. Aus den Angaben der beschwerdeführenden Partei ist ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich der Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen nicht erkennbar, da eine ziffernmäßige Darstellung der aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht vorgelegt wurde. In der mündlichen Verhandlung ergab sich zudem, dass auch Vermögenswerte nicht in das Vermögensverzeichnis aufgenommen. Der Stall, der unstrittig im Eigentum des Vereines steht, wurde nach Vorhalt in der mündlichen Verhandlung nicht in das Vermögensverzeichnis aufgenommen, da das Eigentum nach Ende des Pachtverhältnisses im Jahr 2025 an den Verpächter fällt.

In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, dass die Umsatzsteuernachforderungen durch die Geltendmachung von Vorsteuerbeträge für den Stallbau kompensiert würden. Einereseits ist die Geltendmachung von Vorsteuern ohnehin im Abgabenfestsetzungsverfahren zu beurteilen, denn die Nachsicht dient nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen (vor allem Bescheidbeschwerden) nachzuholen (; , 97/14/0013; , 2004/16/0151; , 2002/14/0138). Andererseits widerspricht ein aufgewendetes Vermögen für einen Stallbau dem eigentlichen Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, dass in der Vergangenheit keine Möglichkeit bestand Reserven zu bilden.

Eine persönliche Unbilligkeit konnte von der beschwerdeführenden Partei nicht nachgewiesen werden, da sie es unterlassen hat, die für eine beantragte Abgabennachsicht maßgebenden wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrer Gesamtheit offenzulegen (; , 92/14/0083).

Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (; , 98/15/0176; , 98/13/0091; , 2001/14/0022; , 2005/17/0245, AW 2005/17/0061; , Ra 2018/15/0014; , Ra 2018/13/0098), "sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist" ().

Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist (; , 96/15/0154; , 99/16/0099; , 2003/17/0253; , 2004/16/0151; , 2013/17/0498). Materiell­rechtlich legislatorisch bedingte Unzulänglichkeiten ("Ungerechtigkeiten") sind keine Unbilligkeiten iSd § 236 BAO (Stoll, BAO, 2421).

Dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, dass sie von einer Umsatzsteuerpflicht nicht ausgehen konnte, weil jahrelang Verluste anfielen und keinerlei Hinweise vorlagen, dass eine Einkunftsquelle vorliege, ist zu entgegnen, dass in der Regel eine verlässliche Beurteilung, ob eine Tätigkeit als Liebhaberei einzustufen ist, erst nach einem mehrjährigen Anlauf- bzw. Beobachtungszeitraum möglich ist, sodass ein geradezu typischer Ausfluss der aktuellen Gesetzeslage ist, dass Verluste bzw. Werbungskostenüberschüsse ab einem bestimmten Zeitpunkt für mehrere zurückliegende Jahre versagt werden und es in der Folge zu gebündelten Steuernachforderungen kommt, die von den betroffenen Abgabepflichtigen oftmals als gravierende Vermögenseinbuße empfunden werden. Dies ist aber keinesfalls auf den Einzelfall beschränkt, sondern betrifft eine Vielzahl von Fällen ().

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits im Jahr 2014 mit Erkenntnis Ra 2011/15/0164 vom (Betrieb eines Reitstalles mit 5 bis 12 eigenen Pferden und bis zu 4 fremden Pferden), sowie im Jahr 2016 mit Ra 2015/13/0002 vom (Betrieb eines Reitstalles mit 23 fremden Pferden und 2 eigenen Pferden) mit der Liebhaberei-Tätigkeit von Reitställen beschäftigt.

Der Verwaltungsgerichtshof führte aus, Reitställe würden Wirtschaftsgüter darstellen, die vielfach der Sport- und Freizeitausübung dienen (vgl. Doralt/Renner, a.a.O., § 2 Tz 463, mit weiteren Nachweisen). Ob die im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Reitstalles stehende Betätigung unter § 1 Abs. 2 LVO falle, sei nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen, worunter insbesondere Anzahl und Umfang der Wirtschaftsgüter und die Qualität der Betätigung zu verstehen seien (vgl. Doralt/Renner, a.a.O., § 2 Tz 464). Gemessen an diesen Kriterien werde der Betrieb eines Reitstalls mit fünf bis zwölf eigenen und bis zu vier weiteren Beritt- und Einstellpferden regelmäßig nicht als Betätigung iSd § 1 Abs. 2 LVO anzusehen sein. Dies gelte umso mehr, wenn in einem solchen Betrieb auch Reitunterricht angeboten werde und Praktikanten ausgebildet würden (VwGH Ra 2011/15/0164, ).

Im Beschwerdefall ging es um die Beurteilung eines Reitstalles mit ca. 30 fremden Pferden, der auch 2 Angestellte beschäftigte. Der Verwaltungsgerichtshof ging auch in diesem Fall, bei Ergehen seines Erkenntnisses im Jahr 2019, nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Die Ausführungen, dass bis dahin angenommen werden konnte, in diesem Verfahren zu obsiegen, gehen ins Leere.

Im Beschwerdefall kommt es zu keiner anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu keinem atypischen Vermögenseingriff. Eine sachliche Unbilligkeit lässt sich aus dem Vorbringen nicht erschließen.

Das Nachsichtsansuchen war daher bereits aus Rechtsgründen spruchgemäß abzuweisen, eine Ermessensentscheidung stand nicht an.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ein Grund für eine Revisionszulassung liegt nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 1 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993
§ 6 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993
Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993
§ 1 Abs. 2 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101929.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at