Bescheidbeschwerde – Senat – Beschluss, BFG vom 05.07.2023, RV/7100656/2023

Fehlende Ermittlungen im Zusammenhang mit der Zurechnung von verdeckten Ausschüttungen

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Anna Radschek, die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger und die fachkundigen Laienrichter Mag Michael Heumesser und Ing. KomzlR. Hans Eisenkölbl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH, Bahngasse 25, 2700 Wiener Neustadt, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Kapitalertragsteuer 2018,
Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

Der angefochtene Bescheid vom sowie die in der Beschwerdesache ergangene Beschwerdevorentscheidung vom werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang

Im Zuge einer bei der Fa. XmbH (kurz: GmbH) durchgeführten Außenprüfung traf der Prüfer folgende Feststellung:

Die GmbH habe am das Grundstück "***1***" mit einer Fläche von 5.223 m2 um 480.000,00 € erworben und drei Tage später um 1.230.000,00 € wieder veräußert. Nach Abzug der damit verbundenen Aufwendungen (Grunderwerbssteuer, Eintragungsgebühr und Rechtsanwaltskosten) sei der GmbH aus dieser Grundstücksveräußerung ein Gewinn in Höhe von 707.202,71 € verblieben. Dieser Gewinn sei von der GmbH nicht erklärt worden, weshalb von einem Schwarzgeschäft auszugehen und der Erlös als verdeckte Ausschüttung dem Beschwerdeführer als Anteilsinhaber zuzurechnen sei.

Da die GmbH vermögenslos, mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Zuständigkeit zurückgewiesen und die GmbH wegen Vermögenslosigkeit am gemäß § 40 FBG gelöscht worden sei, sei die Kapitalertragsteuer dem Beschwerdeführer als Steuerschuldner direkt vorzuschreiben.

Das Finanzamt folgte der Feststellung des Prüfers und schrieb mit Bescheid vom dem Beschwerdeführer Kapitalertragsteuer in Höhe von 194.480,75 € vor.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führte der rechtsfreundliche Vertreter aus, der Beschwerdeführer sei bis zum Geschäftsführer der GmbH gewesen, ab dann sei KM Geschäftsführer gewesen. Obwohl im Firmenbuch ein Gesellschafterwechsel sämtlicher Geschäftsanteile des Beschwerdeführers an KM nicht eingetragen worden sei, sei ein solcher zwischen diesen beiden Personen akkordiert gewesen. Ab dem habe KM bereits wie ein Alleingesellschafter agiert. In weiterer Folge habe HP die Geschäftsführung übernommen, weil KM wortbrüchig geworden sei.

Der Beschwerdeführer habe weder von der GmbH direkt noch mittelbar über Dritte verdeckte Gewinnausschüttungen der GmbH erhalten. Dem Kaufvertrag vom , dem Nachtrag zum Kaufvertrag vom sowie dem Kaufvertrag vom / sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer an keinem dieser Verträge mitgewirkt habe. Die Errichtung, die Verhandlung und der Abschluss der Verträge seien durch KM und HP erfolgt.

Die damaligen Geschäftsführer KM und HP wären verpflichtet gewesen, für die buchhalterische Erfassung sämtlicher Vorgänge Sorge zu tragen. Es sei aufzuklären, wo der Veräußerungserlös eingegangen sei, wobei davon auszugehen sei, dass dieser Mittelzufluss auf das Geschäftskonto der GmbH erfolgt sei. Die Rückverfolgung der Mittelverwendung müsse daher auch gegeben sein.

Dem Beschwerdeführer liege eine Kontoverdichtung des Geschäftskontos nicht vor. Er gehe davon aus, dass sich eine vollständige Kontoverdichtung im Akt der belangten Behörde befinde. Sollte dies nicht der Fall sein, liege darin ein wesentlicher Verfahrensmangel.

Durch die Einvernahme der Geschäftsführer HP, SM und KM in Zusammenschau mit einer beizuschaffenden Kontoverdichtung sei der Mittelabfluss rekonstruierbar. Die Einholung dieser Beweise werde daher zum Nachweis dafür beantragt, dass dem Beschwerdeführer weder direkt noch indirekt Gesellschaftsmittel zugeflossen seien.

Die belangte Behörde gehe verfehlt von einem Schwarzgeschäft aus. Es würden sämtliche Verträge in schriftlicher Form vorliegen; sie seien im Grundbuch für jedermann abrufbar.

Festzuhalten sei, dass im Juli 2020 die Geschäftsanteile an FS übertragen worden seien. Der Beschwerdeführer habe daher seit Juli 2020 keine rechtliche Möglichkeit, auf die Gesellschaft einzuwirken. Es werde nochmals festgehalten, dass aus der Sicht des Beschwerdeführers die Geschäftsanteile bereits ab vollständig abgegeben worden seien. Obwohl ein Abtretungsvertrag nicht geschlossen worden sei, sei es einhellig abgestimmt gewesen, dass KM als Alleingesellschafter agiere.

Es werde der Antrag gestellt, das Verfahren zu unterbrechen und den Akt an die Strafverfolgungsbehörde zur Einleitung eines Strafverfahrens wegen Untreuehandlungen zu übermitteln, wobei denklogisch nur einer der Geschäftsführer als Täter in Frage komme.

Unter der Prämisse, dass der Beschwerdeführer mangels rechtsgültigem Abtretungsvertrag bis zum Zeitpunkt der Abtretung der Geschäftsanteile als Alleingesellschafter anzusehen sei, führe dies dennoch nicht zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag bei ihm. Wenn die Gesellschaft durch die Geschäftsführer bestohlen werde, könne dies nicht zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag beim Beschwerdeführer führen. Die GmbH habe im Fall einer Untreuehandlung auch keinen ausschüttungsfähigen Gewinn. Der veruntreute Vermögenswert sei aufwandswirksam im Rechenwerk darzustellen.

Es müsse entweder ein rechtswidriger Entzug der Gelder oder eine ordnungsgemäße Verwendung der Gelder vorliegen. Im ersten Fall bestehe ein Rückforderungsanspruch der GmbH, sie sei daher nicht vermögenslos. Die Vorschreibung der KESt hätte daher an die GmbH zu erfolgen. Im zweiten Fall würde keine verdeckte Ausschüttung vorliegen.

Der Beschwerdeführer habe von den Geschäftsführern keine Vermögenswerte aus dem Gesellschaftsvermögen erhalten. Diese würden auch nicht als Treuhänder oder "Strohmänner" für den Beschwerdeführer agieren.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, der Beschwerdeführer habe sowohl KM als auch HP, letzeren im August 2018, zu Geschäftsführern bestellt, obwohl er im August 2018 nach den Angaben in der Beschwerde seit 6 Monaten nicht mehr Gesellschafter der GmbH gewesen sei. Diese Ausführungen seien daher unglaubwürdig und realitätsfremd, insbesondere weil der Beschwerdeführer am bei der Abgabenbehörde angegeben habe, dass ihm ein Bankberater auf seine Frage, ob es ein Problem sei, wenn er Gesellschafter bleibe, aber einen anderen Geschäftsführer einsetze, geantwortet habe, dass dies kein Problem sei. Er habe daher KM als Geschäftsführer eingesetzt und die Anteile behalten. Auch der weitere Verlauf der Aussage bestätige, dass dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sei, dass er 100% Gesellschafter der GmbH gewesen sei. Die Darstellung, dass der Beschwerdeführer bereits ab die Geschäftsanteile vollständig abgegeben habe, sei tatsachenwidrig und als reine Schutzbehauptung zu werten.

Die Verkaufsverträge seien sehr wohl vorgelegen und als Beweismittel herangezogen worden. Dass diese von den jeweiligen, zur Vertretung befugten und vom Beschwerdeführer selbst bestellten Geschäftsführern unterschrieben worden seien, sei rechtlich gar nicht anders möglich.

Der Abgabenbehörde liege auch das Konto der GmbH für den Zeitraum Dezember 2017 bis April 2019 vor. Auf diesem Konto sei ein Eingang von der mit der Abwicklung des Verkaufs betrauten Rechtsanwaltskanzlei am in Höhe von 452.677,71 € ersichtlich. Wie der Differenzbetrag zum Verkaufserlös von über 700.000,00 € verwendet worden sei, sei aufgrund der Auskunftsverweigerung der Rechtsanwaltskanzlei nicht nachvollziehbar. Aber auch die Verwendung des Betrages von 452.677,71 € sei zum Großteil nicht verifizierbar, weil rund 340.000,00 € mittels Barabhebungen vom Konto abgeflossen seien. Größere Beträge (z.B. 92.000,00 € am ) seien an eine "***2*** GmbH" unter dem Titel "Verrechnung" transferiert worden.

Diese Vorgänge hätten sich alle zu einer Zeit ereignet, als der Beschwerdeführer der alleinige Inhaber der Gesellschaft gewesen sei, wobei in diesem Zusammenhang der Antrag auf Unterbrechung des Abgabenverfahrens samt Weiterleitung an die Strafverfolgungsbehörden wegen des Verdachts der Untreue gänzlich unverständlich sei. Warum der Beschwerdeführer diese Anzeige nicht schon längst erstattet habe, wenn der massive Verdacht bestehe, dass unbekannte Täter die GmbH bestohlen hätten, könne nicht nachvollzogen werden. Dieses Verhalten spreche vielmehr dafür, dass er sich nicht geschädigt gefühlt habe und demnach auf für die Behörde nicht ermittelbaren Wegen geldwerte Vorteile erhalten habe.

Die Behauptung, es handle sich um kein Schwarzgeschäft, weil sämtliche Verträge im Grundbuch für jedermann abrufbar seien, gehe ins Leere. Das gegenständliche Immobiliengeschäft sei nicht buchhalterisch erfasst, nicht in einer Abgabenerklärung offengelegt und somit nicht versteuert worden, weshalb es sich aus Sicht der Abgabenbehörde eindeutig um ein sogenanntes Schwarzgeschäft handle.

Durch die beantragten Beweisaufnahmen hätten die Beschwerdebehauptungen nicht bestätigt bzw. das beantragte Beweisthema nicht geklärt werden können.

Dagegen wurde innerhalb offener Frist ein Vorlageantrag ohne Auseinandersetzung mit den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung eingebracht.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und auf die detaillierten Sachverhaltsdarstellungen im Bp-Bericht und die ausführlichen Begründungen des KESt-Bescheides und der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer gründete mit Notariatsakt vom die Gesellschaft "***3*** GmbH" mit dem Sitz in Adresse ***3***GmbH. Mit Nachtrag vom wurde die Gesellschaft in Fa. X (kurz: GmbH) umbenannt und danach ins Firmenbuch eingetragen. Der Beschwerdeführer war bis zum alleiniger Geschäftsführer der GmbH und bis zum alleiniger Gesellschafter.

Mit Kaufvertrag vom erwarb die GmbH das Grundstück in der ***1***, um den Kaufpreis von 480.000,00 €, welches sie mit Kaufvertrag vom an die ***4*** GmbH um den Betrag von 1.230.000,00 € weiterveräußerte. Mit einem Nachtrag vom zum Kaufvertrag vom wurde Pkt. II des Kaufvertrages dahingehend geändert, dass ein Gesamtkaufpreis von 1.200.000,00 € vereinbart wurde, weil die Verpflichtung zur Errichtung von Bohrpfählen zwischen den Vertragsparteien einvernehmlich aufgehoben wurde.

Die GmbH erfasste weder den Erwerbs- noch den Veräußerungsvorgang in ihrer Buchhaltung. Sie reichte für das Jahr 2018 auch keine Steuererklärungen ein.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom wurde ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zurückgewiesen, die für Zustellungen maßgebliche Geschäftsanschrift war laut Firmenbuchgericht unbekannt. Die GmbH wurde gemäß § 40 Abs. 1 FBG wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.

Die Differenz zwischen dem von der GmbH bezahlten Kaufpreis und dem von ihr beim Verkauf erzielten Gesamtkaufpreis wurde nach Abzug der Vertragserrichtungskosten von 20.717,29 €, der Grunderwerbssteuer von 16.800,00 € und der Eintragungsgebühr von 5.280,00 € als verdeckte Ausschüttung, die dem Beschwerdeführer als Alleingesellschafter zugeflossen ist, behandelt. Dieser Zufluss wird vom Beschwerdeführer bestritten.

Folgende Ermittlungen wurden nach Ansicht des Senates unterlassen:

  1. Befragung der Verkäufer und Käufer der streitgegenständlichen Liegenschaft, ob die Verhandlungen betreffend den An- und Verkauf der streitgegenständlichen Liegenschaft unter Einbeziehung des Beschwerdeführers geführt wurden?

  2. Ermittlungen, wie es in drei Tagen zu einer derart hohen Wertsteigerung des streitgegenständlichen Grundstückes kommen konnte durch Erkundigungen über den Quadratmeterpreis vergleichbarer Grundstücke in G

  3. Befragung einer vertretungsbefugten Person der ***4*** GmbH um festzustellen, wie sie als Erwerberin der Immobilie den Kaufpreis von 1,200.000,00 € finanziert hat (Kredite?, Guthaben?).

  4. Befragung einer vertretungsbefugten Person der ***4*** GmbH, ob der gesamte Kaufpreis auf das Treuhandkonto der Rechtsanwaltskanzlei überwiesen worden ist und wenn nein, auf welches Konto/auf welche Konten der Kaufpreis wann genau überwiesen worden ist.

  5. Einvernahme des WT, ob die vom Geschäftskonto der GmbH an die "***2*** GmbH" (=WT) überwiesenen Beträge in Höhe von 92.000,00 € und 16.250,83 € mit Wissen des Beschwerdeführers verwendet worden seien,

  6. Einvernahme des WT, ob der laut Aussage von HP an ihn übergebene Betrag von 250.000,00 € mit Wissen des Beschwerdeführers durch den Geschäftsführer HP an WT übergeben worden ist.

Ohne diese Ermittlungen kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer der aus der streitgegenständlichen Liegenschaftstransaktion allenfalls resultierende und von der GmbH nicht erklärte Gewinn nicht bzw. nicht zur Gänze zugeflossen ist. Angesichts des Umfangs der nach Ansicht des Senates notwendigen Ermittlungen kann die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch die Abgabenbehörde rascher und kostensparender durchgeführt werden.

2. Beweiswürdigung

Der oben festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die elektronisch vorgelegten Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Für die Zurechnung einer verdeckten Ausschüttung an den Gesellschafter kommt es darauf an, ob, wann und in welcher Höhe ihm ein vermögenswerter Vorteil zugeflossen ist. An diesen nach § 19 Abs. 1 EStG 1988 zu bestimmenden Zeitpunkt des Zuflusses knüpft auch der Kapitalertragsteuerabzug an (vgl. ; ; u. v. a.).

Einer Kapitalgesellschaft bei der Gewinnermittlung zugerechnete Mehrgewinne sind in der Regel als den Gesellschaftern zugeflossen zu werten, diesbezüglich liegen der Kapitalertragsteuer zu unterziehende verdeckte Ausschüttungen vor (vgl. ; , u. v. a.).

Vor Zurechnung der angenommenen verdeckten Gewinnausschüttungen an den Gesellschafter ist ungeachtet der bereits durchgeführten Gewinnzuschätzung bei Veranlagung der Kapitalgesellschaft zu prüfen, ob und inwieweit er für die Vereinnahmung der gegenständlichen Beträge in Betracht kommt. In einem solchen Verfahren ist es aber dem betreffenden Gesellschafter nicht verwehrt, alles vorzubringen, womit er vermeint, dartun zu können, dass er eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht erhalten hat (). Die belangte Behörde hat darüber hinaus im Rahmen der sie treffenden amtswegigen Ermittlungspflicht auch jene Angaben zu überprüfen, die eine Zurechnung an den Gesellschafter auszuschließen imstande wären. Derartige Ermittlungen wurden aber im vorliegenden Fall von der belangten Behörde nicht durchgeführt.

Wegen der von der belangten Behörde nicht durchgeführten Ermittlungen steht derzeit nicht fest,

  1. ob in Anbetracht der exorbitanten Wertsteigerung innerhalb von drei Tagen tatsächlich eine verdeckte Ausschüttung in Höhe von 707.202,71 € (bzw. in Anbetracht der Reduktion des Kaufpreises auf 1,200.000,00 € lediglich eine verdeckte Ausschüttung in Höhe von 677.202,71 €) vorliegt und

  2. wenn ja, ob und in welcher Höhe diese dem Beschwerdeführer zugeflossen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hält in seinem Erkenntnis vom , Ra 2015/16/0037, hinsichtlich der Befugnis des Bundesfinanzgerichtes, kassatorische Entscheidungen im Sinne des § 278 Abs. 1 BAO zu treffen, unter Berufung auf die ErläutRV zum FVwGG 2012, 2007 BlgNR XXIV. GP 19, auszugsweise Folgendes fest:

"Über Beschwerden absprechende Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes bzw. der Landesverwaltungsgerichte sind einerseits formale Entscheidungen (z.B. Zurückweisung einer verspäteten Beschwerde), Aufhebungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde (entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 289 Abs. 1 BAO) sowie meritorische Beschwerdeerledigungen.

Entscheidungen in der Sache selbst haben nach § 279 Abs. 1 BAO zu erfolgen. Die diesbezügliche Entscheidungsbefugnis entspricht jener im bisherigen § 289 Abs. 2 BAO (für Berufungsentscheidungen).

Schon nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 289 Abs. 1 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012 hatte der unabhängige Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz grundsätzlich in der Sache zu entscheiden, die bloß kassatorische Erledigung nach § 289 Abs. 1 BAO sollte nur die Ausnahme darstellen. Die Befugnis der Abgabenbehörde zweiter Instanz, nach § 289 Abs. 1 BAO vorzugehen, war in deren Ermessen gestellt. Machte die Behörde von diesem Ermessen Gebrauch, hatte sie die Ermessensübung zu begründen.

Während § 279 Abs. 1 erster Satz BAO in der Fassung des FVwGG 2012 - um mit den Worten der zitierten ErläutRV 2007 BlgNR XXIV. GP zu sprechen - "im Wesentlichen" dem bisherigen § 289 Abs. 1 erster Satz BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012 "entspricht", nimmt § 278 Abs. 1 zweiter Satz BAO (wonach eine solche Aufhebung unzulässig ist, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist) in Übereinstimmung mit Art. 130 Abs. 4 Z 2 B-VG in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 eine Einschränkung vor, die in § 289 Abs. 1 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012 nicht enthalten war.

In seinem Erkenntnis vom , Zl. Ro 2014/03/0063, führte der Verwaltungsgerichtshof (in Auslegung des § 28 VwGVG vor dem Hintergrund des Art. 130 Abs. 4 B-VG) aus, der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte - auch zur Vermeidung von "Kassationskaskaden" - grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen sei. Mit einem restriktiven Verständnis der Ausnahmen von der den Verwaltungsgerichten grundsätzlich zukommenden Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache selbst werde insbesondere der der Einrichtung der Verwaltungsgerichte zugrunde gelegten normsetzerischen Zielsetzung entsprochen, einen Ausbau des Rechtsschutzsystems im Sinne der Verfahrensbeschleunigung vorzunehmen, bedeute doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszuges gegen die dann abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt grundsätzlich nicht nur eine Verlängerung des Verfahrens, sondern führe dies im Ergebnis - infolge der neuerlichen Beschwerdemöglichkeit beim Verwaltungsgericht - zur Befassung einer "zusätzlichen" Rechtsmittelinstanz, was aber aus gesetzgeberischer Sicht prinzipiell abgelehnt worden sei, wie die grundsätzliche Beseitigung des administrativen Instanzenzuges durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 zeige. Derart seien es gerade Rechtsschutzerwägungen, die der prinzipiellen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung in der Sache selbst zugrunde lägen.

Überträgt man diese (vor dem Hintergrund des Art. 130 Abs. 4 B-VG angestellten) Erwägungen auf die Auslegung des § 278 Abs. 1 BAO (idF FVwGG 2012), normiert § 278 Abs. 1 BAO (abgesehen von den in lit. a und b vorgesehenen Formalentscheidungen) den Grundsatz der Entscheidung in der Sache vor einer ausnahmsweisen Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde. Eine solche Aufhebung ist jedenfalls unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Die Ausnahmebestimmung (der Ermächtigung zur Aufhebung und Zurückverweisung) ist, an den Zielsetzungen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 orientiert, restriktiv (im Sinne eines engen Anwendungsbereiches) zu verstehen (vgl. das zitierte Erkenntnis vom )."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. für viele etwa , oder ).

Brauchbare Ermittlungsergebnisse, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung bloß zu vervollständigen sind (vgl. etwa oder ), liegen im gegenständlichen Fall zur Frage, ob die Höhe der von der belangten Behörde angenommenen verdeckte Ausschüttung und ihr Zufluss an den Beschwerdeführer zutreffend sind, nicht vor. Das Finanzamt hat im gegenständlichen Fall den Sachverhalt nicht in einer Weise ermittelt, dass sich hierauf eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichts stützen lässt.

Da es nicht Sache des Verwaltungsgerichts ist, anstelle der Verwaltungsbehörde im Ergebnis erstmals ein zweckentsprechendes Ermittlungsverfahren zu führen, ist der angefochtene Bescheid ebenfalls gemäß § 278 BAO aufzuheben und ist die Sache an das Finanzamt zurückzuverweisen. Dies ist sowohl im Interesse der Raschheit der Entscheidung gelegen als auch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, da nach Abschluss der Ermittlungen das Finanzamt entweder von der Erlassung eines neuen Bescheides Abstand nehmen (weil die neuerliche Prüfung den Nichtzufluss an den Beschwerdeführer ergeben hat) oder einen neuen Bescheid unter Zugrundelegung der hier dargestellten Rechtsausführungen (mit durch die neuerliche Prüfung festzustellender geänderter Besteuerungsgrundlage) erlassen kann.

Die Aufhebung nach § 278 Abs. 1 BAO stellt eine Ermessensentscheidung dar, welche nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit zu treffen ist (§ 20 BAO). Zweckmäßig ist die Zurückverweisung im gegenständlichen Fall deshalb, weil zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes noch wesentliche Ermittlungen notwendig sind, welche von der belangten Abgabenbehörde rascher und wirtschaftlicher erledigt werden können als vom Bundesfinanzgericht, da das Bundesfinanzgericht angesichts des Umfanges der notwendigen Ermittlungen ebenfalls die Abgabenbehörde mit diesen Ermittlungen beauftragen müsste.

Die Abgabenbehörde kann sich angesichts der sich aus durchzuführenden Ermittlungen eventuell ergebenden Fragen wesentlich unkomplizierter ein Bild über die Höhe des als verdeckte Ausschüttung in Betracht kommenden Betrages und dessen Zufluss machen und die daraus zu ziehenden Schlüsse direkt mit dem Beschwerdeführer erörtern, ohne diesbezüglich das Bundesfinanzgericht informieren zu müssen und etwaige Gegenäußerungen des Beschwerdeführers erst im Rahmen des Parteiengehöres zu erfahren, was zu beträchtlichen Verfahrensverzögerungen führen würde.

Da somit im gegenständlichen Fall die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch die Abgabenbehörde rascher und kostensparender durchgeführt werden kann als durch das Bundesfinanzgericht, ist die Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde auch nicht unzulässig.

Gemäß § 274 Abs. 3 Z 3 BAO kann der Senat ungeachtet eines Antrages (§ 274 Abs. 1 Z 1 BAO) von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn eine Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erfolgt (§ 278 BAO).

Da eine mündliche Verhandlung zur Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen im Hinblick auf die unterbliebene Sachverhaltsermittlung nichts hätte beitragen können, konnte trotz rechtzeitigen Antrages von einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im gegenständlichen Beschluss zu beantwortenden Rechtsfragen bestanden in der Berechtigung zur Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 278 Abs. 1 BAO des im Spruch angeführten Bescheides.

Mit dem vorliegenden Beschluss weicht das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, sondern folgt der im Erkenntnis vom , Ra 2015/16/0037 zum Ausdruck gebrachten Judikaturlinie, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 274 Abs. 3 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 274 Abs. 1 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise









ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100656.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at