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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.07.2023, RV/7101795/2023

Antrag um Nachsicht einer rechtskräftig festgesetzten Mietvertragsgebühr mit Argumenten gegen die Rechtmäßigkeit der Gebührenfestsetzung.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***1***, vertreten durch ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung einer Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten hinsichtlich der Gebührennachforderung zu ***3*** (Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG), ***4***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt und Verfahrensgang

Im Zeitraum bis fand bei der ***5*** eine Außenprüfung statt.

In der Folge wurde am für die 1. Zusatzvereinbarung ***6*** zum Mietvertrag ***7*** zwischen der Beschwerdeführerin (Bf) und der Vertragspartnerin, ***8***, die Gebühr gemäß § 33 TP 5 Absatz 1 Ziffer 1 Gebührengesetz 1957 wegen unrichtiger Selbstberechnung mit Bescheid gemäß § 201 BAO in Höhe von 78.362,60 Euro festgesetzt. Das Finanzamt stellte fest, dass nicht ein Vertrag auf unbestimmte Dauer, sondern teilweise ein Vertrag auf bestimmte Dauer bzw. unbestimmte Dauer vorliege.

Das gegenständliche Mietverhältnis werde auf die bestimmte Zeit von 10 Jahren abgeschlossen. Die Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters beschränkten sich auf solche Gründe des § 30 Abs. 2 MRG bzw. auf solche des § 1117 bzw. § 1118 ABGB.

Die Mieterin könne während des Verlängerungszeitraumes unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist mit Wirkung zu jedem Quartalsletzten innerhalb eines bestimmten Geschoßes auch Teilflächen, ausschließlich jedoch unter der Voraussetzung aufkündigen, dass die jeweils gekündigte Teilfläche eine gesondert vermietbare Einheit darstelle, in Summe jedoch maximal das komplette konkrete Geschoß. Der Mieterin stehe jedoch ausschließlich das Recht zu, maximal ein Geschoss aufzukündigen. Die Mieterin habe weiters das Recht, sämtliche oder auch einzelne Lagermietflächen jeweils zum Quartalsletzten aufzukündigen.

Die Mieterin könne den Vertrag während der Laufzeit nur hinsichtlich der in der Zusatzvereinbarung angeführten Teilflächen jederzeit aus freien Stücken einseitig beenden. Hinsichtlich dieser Teilflächen liege ein Vertrag auf "unbestimmte Dauer" vor. Für die restlichen Mietflächen liege nach dem Vertragsinhalt ein Vertrag auf "bestimmte Dauer" vor.

Von der ***5*** wurde ein Betrag von 31.235,70 Euro selbstberechnet, womit sich eine Nachforderung in Höhe von 47.126,90 Euro ergab. Der Bescheid erging an die ***9*** und erwuchs in Rechtskraft.

Am brachte die ***10*** namens und auftrags der ***Bf1*** (die nunmehrige Beschwerdeführerin) beim (damaligen) Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich, kurz FA) unter Bezugnahme auf ***11*** einen Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO hinsichtlich der Gebührennachforderung iHv € 47.126,90 ein, die sich aus der mit Bescheid gemäß § 201 BAO vom festgesetzten Bestandvertragsgebühr nach § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG ergab. Wie aus dem Vorverfahren ersichtlich ist, wurde dieser Antrag ursprünglich mit Bescheid vom , gerichtet an die ***12***, als unbegründet abgewiesen.

Dagegen wurde ein Beschwerdeverfahren geführt, welches letztendlich mit Beschluss des BFG RV/7102813/2022 vom beendet und die Beschwerde wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen wurde, da sie sich gegen einen rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid richte. Das Finanzamt hatte keinen Nachweis erbracht, dass der an die Bf. zu Handen der ***13*** adressierte und dieser mittels Post übermittelte Bescheid vom der ***14*** im Original weitergeleitet worden wäre.

Das Finanzamt erließ in der Folge am den Bescheid über die Abweisung einer Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten in der Höhe von € 47.126,90.

Der Bescheid vom sowie die gesondert ergangene Begründung zu diesem Bescheid vom wurden an die ***15*** z.H. ***16***, gerichtet (nachweislich am übernommen).

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom , welche auf Grund der Firstverlängerungsanträge vom und (bis ) rechtzeitig eingebracht wurde. Mit der Beschwerde wurde der Antrag auf Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung gem. § 262 Abs. 2 lit. a BAO gestellt und die Beschwerde vom Finanzamt direkt an das BFG vorgelegt.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Abweisung der beantragten Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 47.126,90.

Begründend verweist die Bf. auf den Antrag um Nachsicht gem. § 236 BAO vom .

Die Bf. bringt vor, aufgrund der Vereinbarung der Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG und iSd GebR 2007, Rz 705, sei ein (gebührenrechtlicher) Vertrag von unbestimmter Dauer angenommen und die Gebühr auf Basis des 3-fachen Jahreswerts berechnet worden. Das Finanzamt habe angenommen, die gegenständliche Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag sei nicht ein Vertrag von unbestimmter Dauer, sondern teilweise (dh hinsichtlich Büroflächen im Ausmaß von rund 2.200 m2 ein Vertrag von bestimmter Dauer (10 Jahre). Im Ergebnis sei die mit EUR 31.235,70 selbst berechnete Mietvertragsgebühr auf EUR 47.126,90 erhöht worden.

Die Bf. wendet sachliche Unbilligkeit der Gebührennachforderung ein. Gemäß § 3 Z 2 lit. b) der Nachsichts-VO liege eine sachliche Unbilligkeit bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen stehe, die vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht worden seien (wie zB die GebR 2007), wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt worden seien. Diese Voraussetzungen seien in gegenständlichem Fall erfüllt, da die Geltendmachung des Abgabenanspruches in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen stünde, die vom Bundesministerium für Finanzen im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht worden sei.

Die GebR 2007, die am im Internet veröffentlicht worden seien, enthielten in Rz 705 folgende Aussage:

"Im Falle einer uneingeschränkten Kündigungsmöglichkeit liegt grundsätzlich ein Vertrag auf unbestimmte Dauer vor. Ebenso liegt bei Vereinbarung aller denkmöglichen Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 MRG ein Vertrag von unbestimmter Dauer vor ()."

Das Finanzamt vertrete in der Begründung des oben angeführten Gebührenbescheides allerdings die Ansicht, dass trotz Vereinbarung der Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG ein Vertrag auf bestimmte Dauer vorliege. Im Ergebnis stehe die Geltendmachung der Gebührennachforderung im Widerspruch zu der nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegung betreffend die gebührenrechtliche Vertragsdauer bei Vereinbarung der Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG, die in den GebR 2007 in der Rz 705 festgehalten worden sei.

Im Vertrauen auf die Veröffentlichung seien bedeutsame Maßnahmen für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhalts gesetzt worden. Die ***5*** habe als Immobilienmakler gemäß § 33 TP 5 Abs. 4 Z 4 GebG die Rechtsgeschäftsgebühr für den gegenständlichen Mietvertrag selbst berechnet und im Vertrauen auf die Aussagen in den veröffentlichten GebR 2007 Rz 705 eine unbestimmte Vertragsdauer angenommen. Hätten die Steuerpflichtigen von der abweichenden Auslegung gewusst, wären uU andere für die Gebührenbemessung relevante Vereinbarungen getroffen worden.

Festzuhalten sei auch, dass gegenständliche Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag im Oktober 2015 abgeschlossen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei die oben angeführte Aussage zur unbestimmten Vertragsdauer nach wie vor in den GebR 2007 Rz 705 enthalten gewesen.

Im Ergebnis seien daher die Voraussetzungen für das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit iSd § 236 BAO iVm § 3 Z 2 lit b) Nachsichts-VO erfüllt. Die Festsetzung der (höheren) Gebühr durch das Finanzamt führe zu einer vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartenden Abgabenschuld, die unproportional zum Sachverhalt sei und hinsichtlich der Rechtsanwendung den Aussagen in den GebR 2007 Rz 705 widerspreche.

In Punkt Drittens des Nachsichtsansuchens stellt die Bf. den Antrag, die festgesetzte Mietvertragsgebühr iHv EUR 47.126,90 (vgl. auch nachstehende Tabelle) gem. § 236 BAO nachzusehen.

Ergänzend geht die Bf. auf Treu und Glauben ein, wonach man unter diesem Grundsatz verstehe, dass jeder, der am Rechtsleben teilnehme, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen habe und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen dürfe, was er früher vertreten habe und worauf andere vertraut hätten (vgl. mwN Ritz, BAO6 § 114 Rz 6). Es handle sich beim Grundsatz von Treu und Glauben um ein allgemein anerkanntes Prinzip der Rechtsordnung, das nach der Rechtsprechung des VwGH auch im Abgabenrecht zu beachten sei (; , 95/15/0208; Blazina, SWK-Spezial2 2011, 245; Ritz, BAO6 § 114 Rz 6).

Der VwGH habe in der Vergangenheit idR kein Vertrauen in die Richtigkeit von Erlässen des BMF geschützt, sondern nur von Auskünften im Einzelfall (vgl Ritz, BAO6 § 114 Rz 10 mit Verweis auf ; , 95/14/0035; , 94/13/0045; , 99/15/0119; , 2007/15/0253).

In der soeben zitierten Literaturstelle werde aber klargestellt, dass diese VwGH-Judikatur die Rechtslage vor dem Ergehen der VO BGBl II 2005/435 (Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO; "Nachsicht-VO") betreffe. Dem Grundsatz von Treu und Glauben komme daher im vorliegenden Fall bei der Beurteilung über das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit iSd § 3 Z 2 lit b der Nachsicht-VO zweifellos Bedeutung zu (vgl. auch Ritz, BAO6 § 114 Rz 12).

II. Beweiserhebung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die auf elektronischem Wege vorgelegten Aktenteile des Finanzamtes, Einsichtnahme in ***3*** sowie das Vorverfahren zu RV/7102813/2022.

III. Rechtslage und Erwägungen

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach § 236 Abs. 2 können auch bereits entrichtete Abgaben nachgesehen werden.

Nach dieser Gesetzesbestimmung hat die Abgabenbehörde im Fall eines Ansuchens um Nachsicht zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff der "Unbilligkeit der Einhebung nach Lage des Falles" entspricht. Verneint sie diese Frage, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr und der Antrag ist schon aus rechtlichen Gründen abzuweisen (vgl. VwGH30.3.2000, 99/16/0099).

Der Verwaltungsgerichtshof fordert in ständiger Rechtsprechung für den Tatbestand der "Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles" das Vorliegen eines in den subjektiven Verhältnissen des/der Steuerpflichtigen (so genannte persönliche Unbilligkeit) oder im Steuergegenstande gelegenen Sachverhaltselementes (so genannte sachliche Unbilligkeit), aus dem sich ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im subjektiven Bereich entstehenden Nachteilen ergibt.

Daher kann eine steuerliche Auswirkung, die ausschließlich die Folge eines als generelle Norm mit umfassendem personellem Geltungsbereich erlassenen Gesetzes ist, nicht durch Nachsicht behoben werden (vgl. ua. ). Auswirkungen der allgemeinen Rechtslage, die alle vom allgemeinen Anwendungsbereich erfassten Abgabepflichtigen und damit alle konkret Betroffenen in gleicher Weise berühren, können nicht Unbilligkeiten der Einhebung des Einzelfalles sein und damit nicht im Einzelfall zu Nachsichten führen (vgl. VwGH3.10.1990, 90/13/0066).

Die Bf. stützt sich hinsichtlich der sachlichen Unbilligkeit auf die Verletzung von Treu und Glauben auf Grund unrichtiger Auslegung der Gebührenrichtlinien durch die Behörde. Die Antragstellerin habe auf die Gebührenrichtlinien vertraut und deshalb die Rechtsgeschäftsgebühr auf Basis des dreifachen Jahreswertes berechnet, sehen doch die Gebührenrichtlinien in Rz 705 dazu vor:

"Im Falle einer uneingeschränkten Kündigungsmöglichkeit liegt grundsätzlich ein Vertrag auf unbestimmte Dauer vor. Ebenso liegt bei Vereinbarung aller denkmöglichen Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG ein Vertrag von unbestimmter Dauer vor ( 90/15/0034)."

Die ***5*** habe als Immobilienmakler gemäß § 33 TP 5 Abs. 4 Z 4 GebG die Rechtsgeschäftsgebühr für den gegenständlichen Mietvertrag selbst berechnet und im Vertrauen auf die Aussagen in den veröffentlichten GebR 2007 Rz 705 eine unbestimmte Vertragsdauer angenommen. Hätten die Steuerpflichtigen von der abweichenden Auslegung gewusst, wären uU andere für die Gebührenbemessung relevante Vereinbarungen getroffen worden. Dazu ist folgendes zu sagen:

Abgesehen davon, dass keine Änderung in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung eingetreten ist (die Gebührenrichtlinien beziehen sich insbesondere auf und ), gilt im Fall einer geänderten, verschärfenden, strengeren, anspruchserhöhend wirkenden Rechtsprechung sodann die Einhebung der Abgabe nicht jedenfalls als unbillig, wie auch im Fall einer neuen anspruchsmindernden Judikatur nicht allein wegen der Änderung der Rechtsprechung als unbillig zu gelten vermag. Dies, weil solche Änderungen Auswirkungen der allgemeinen Rechtslage sind und nicht Unbilligkeit des Einzelfalles. Dasselbe gilt bei einer Änderung der Verwaltungspraxis, sei es auf Grund einer geänderten Anschauung einzelner Behörden oder der Abgabenverwaltung insgesamt, sei es auf Grund entsprechender Weisungen oder Erlässe. Die - gleichgültig aus welcher Veranlassung - geänderte Verwaltungspraxis betrifft ab dem Zeitpunkt der Änderung alle in Betracht kommenden Abgabepflichtigen, bei denen das neue Gesetzesverständnis zum Tragen kommt, in gleicher Weise und stellt sich solcherart lediglich als Auswirkung der allgemeinen (wenn auch in einem geänderten Licht gesehenen) Rechtslage dar ().

Nach § 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005 liegt eine sachliche Unbilligkeit bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches

1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;

2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.

Das bedeutet, dass eine Änderung der Rechtsprechung zu Lasten der Abgabepflichtigen bzw. ein Abweichen von einer Richtlinie des BMF nur dann eine sachliche Unbilligkeit begründen kann, wenn die Abgabenpflichtige auf die Rechtsprechung bzw. die Richtlinie vertraut hat und im Vertrauen darauf Maßnahmen gesetzt hat.

Die Gebührenrichtlinie hat zur Frage der Dauer neben der von der Bf. zitierten Rz 705 noch weitere Aussagen, die sich aus der Judikatur des VwGH ergeben, enthalten. Auch die neuere Rechtsprechung des BFG und des VwGH beziehen sich insbesondere auf die bereits genannten Entscheidungen und . Der VwGH hat in den jüngst ergangenen Zurückweisungsbeschlüssen stets betont, dass das BFG, indem es nicht allein die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG heranzog, sondern sein Erkenntnis auf eine Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der vereinbarten Kündigungsgründe stützte, nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abwich (vgl. ; bis 0112, und ).

Eine Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO setzt die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung voraus. Diese kann grundsätzlich nicht damit begründet werden, dass die Abgabenfestsetzung zu Unrecht erfolgt ist. Vielmehr muss die behauptete Unbilligkeit in Umständen liegen, die die Entrichtung der Abgabe selbst betreffen. Im Nachsichtsverfahren können daher nicht Einwände nachgeholt werden, die im Festsetzungsverfahren geltend zu machen gewesen wären (vgl. ). Eine Nachsicht dient nämlich nicht dazu, Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen und unterlassene Rechtsbehelfe nachzuholen oder "Versäumnisse" im Abgabenfestsetzungsverfahren zu sanieren (vgl. ; ). Die Nachsicht ist nicht geeignet, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen (vor allem Bescheidbeschwerden) nachzuholen (; , 97/14/0013; , 2004/16/0151; , 2002/14/0138), (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 236, II. Fälligkeit bzw. Entrichtung der Abgabe, Rz 14).

Dennoch wird ergänzend ausgeführt, dass sich das Bundesfinanzgericht bereits umfassend mit Bestandverträgen beschäftigt hat, in denen Vertragsparteien zwar die Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG vereinbart haben, sich aus den übrigen Vertragsbestimmungen bzw. aus dem Gegenstand des konkreten Bestandvertrages ergibt, dass von den in § 30 Abs. 2 MRG genannten Kündigungsgründen nur einzelne Kündigungsgründe überhaupt in Betracht kommen können. Verträge, bei denen nur einzelne der in § 30 Abs. 2 MRG aufgezählten Kündigungsgründe verbleiben, wurden als Bestandverträge auf bestimmte Zeit beurteilt. Siehe dazu ua die folgenden Erkenntnisse:

; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; , .

Die gegen die Entscheidungen , , , , sowie eingebrachten außerordentlichen Revisionen wurden vom Verwaltungsgerichtshof ebenso zurückgewiesen (siehe , , , , und ) wie die gegen eingebracht ordentliche Revision (siehe ).

Auch der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen die Entscheidung eingebrachten Beschwerde abgelehnt (vgl. und E 1740/2017).

Eine sachliche Unbilligkeit liegt daher nicht vor.

Das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit wurde weder behauptet noch bewiesen.

Nur dann, wenn man das Vorliegen der Unbilligkeit der Einhebung bejaht, hat in einer zweiten Stufe eine Ermessensentscheidung zu erfolgen.

Da nach dem oben Gesagten die behauptete sachliche Unbilligkeit nicht vorliegt, sind die Tatbestandvoraussetzungen des § 236 Abs. 1 BAO nicht gegeben, weshalb keine Ermessensentscheidung zu treffen war.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

IV. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis im Einklang mit der zitierten Judikatur steht.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005
§ 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101795.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at