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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.08.2023, RV/7102623/2023

Geschäftsführerhaftung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Stefan Benesch, Schwindgasse 6, 1040 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO, Steuernummer ***XXXXX***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) durch das Finanzamt Österreich als Haftungspflichtiger gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der ***XY*** GmbH, Firmenbuchnummer: ***1***, ***Adr-GmbH***, im Ausmaß von 57.096,41 Euro in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Die Abgabenschuldigkeiten gliedern sich wie folgt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag [Euro]
Umsatzsteuer
05/2019
14.909,61
Meldung vom
Säumniszuschlag1
2019
73,17
Bescheid vom
Umsatzsteuer
06/2019
12.711,81
Meldung vom
Umsatzsteuer
08/2019
8.465,45
Meldung vom
Kammerumlage
07- 09/2019
104,82
Meldung vom
Umsatzsteuer
09/2019
20.754,41
Meldung vom
Säumniszuschlag1
2019
77,14
Bescheid vom
Summe:
57.096,41

Die Bescheide wurden dem Haftungsbescheid beigelegt.

Zur Begründung wurde ausgeführt:

1., Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet würden.

2., Gemäß § 9 Abs. 1 leg.cit. hafteten die in § 80 Abs 1 leg.cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten.

3., Gemäß § 1298 ABGB obliege dem, der vorgebe, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei, der Beweis.

4., Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergebe sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet hätten werden können.

5., Der Bf. sei ab ***Datum1*** unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***XY*** GmbH also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GesmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er wäre somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

6., Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer sei Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 21 Abs 1 UStG 94 habe der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg. cit., selbst zu berechnen habe. Der Unternehmer habe eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für folgende Zeiträume - siehe Haftungsbescheid - sei die Umsatzsteuer gemeldet, festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet worden.

7., In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers sei, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegenden abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe (,0038). Demnach hafte der Geschäftsführer für die nichtentrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

8., Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral seien, sei es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge habe tragen können, dass die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet habe, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. In der Regel werde nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche. Außerdem treffe den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO), die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgabenpflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen habe. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer habe daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem habe er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe (vgl. Erk. des ZI. 84/13/0198; vom , ZI. 85/17/0035 und vom , ZI. 87/14/0148). Da der Bf. seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der o. a. Gesellschaft uneinbringlich seien, wäre wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

9., Letztlich werde auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche erstrecken. Ebenso seien Zwangs- u. Ordnungsstrafen im Wege der Geschäftsführerhaftung geltend zu machen.

10., Die Schuldhaftigkeit sei damit zu begründen, dass durch sein pflichtwidriges Verhalten als Vertreter der Gesellschaft, die Uneinbringlichkeit eingetreten sei. Weiters sei der Bf. seiner Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu seiner Entlastung darzutun nicht nachgekommen. Er habe keine Darstellung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse übermittelt, daher sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

11., Durch das abgeschlossene Konkursverfahren sei der Abgabenrückstand bei der Firma uneinbringlich geworden.

In der dagegen mit Schriftsatz vom eingebachten Beschwerde wurde vorgebracht:

Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Zur Rechtzeitigkeit dieser Beschwerde werde aufgeführt wie folgt: Der Bf. sei gegenwärtig unselbständig als Bauleiter bei ***R-*** GmbH erwerbstätig und halte sich momentan aus beruflichen Gründen praktisch ausschließlich auf Baustellen in Wien und Niederösterreich auf. Er sei zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Haftungsbescheides ortsabwesend gewesen und habe an seinem Nebenwohnsitz in ***N.*** genächtigt. Er sei erstmals nach seiner Ortsabwesenheit am an die Abgabenstelle zurückgekehrt. Bei dieser Gelegenheit habe er die Verständigung über die Hinterlegung vorgefunden, den Haftungsbescheid vom Postamt an seinem Hauptwohnsitz am abgeholt und den einschreitenden Rechtsanwalt kontaktiert. Aufgrund der Ortsabwesenheit von der Abgabenstelle bis zum , sei die Zustellung gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz am wirksam geworden. Die am zur Post gegebene Beschwerde sei daher rechtzeitig. Der Umstand der Abwesenheit von der Abgabestelle könne durch eine Vielzahl von Zeugen und die Einvernahme des Bf. nachgewiesen werden.

Unter Einem werde eine eidesstattliche Erklärung des Bf. zum Beweis für die Abwesenheit von der Abgabenstelle vorgelegt. Weiters würden die nachfolgenden Zeugen dafür namhaft gemacht:

[...]

Der Einschreiter ist derzeit zB auf nachfolgenden Baustellen tätig:

[...]

Es werde der Antrag gestellt, die namhaft gemacht Zeugen und den Bf. zum Beweis für die Ortsabwesenheit des Bf. von der Abgabenstelle ha einzuvernehmen.

2. Begründung und Anfechtungserklärung:

Der Haftungsbescheid werde dem gesamten Inhalt nach angefochten. Es lägen formelle und materielle Mängel vor. Dazu nachfolgend:

Wie aus beiliegendem Konkursedikt ersichtlich, sei über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren mit Wirkung zum ***Datum2*** eröffnet worden.

Sämtliche Buchhaltungsunterlagen befänden sich, wie in jedem Konkursverfahren, beim Masseverwalter bzw. bei der GmbH und der Bf. habe daher keinen Zugriff.

Fremdgeschäftsführer hätten regelmäßig nach Konkurseröffnung keinen Zugang zu den Buchhaltungsunterlagen und könnten die verlangten Informationen denkunmöglich erteilen.

Dies vorausgeschickt sei Folgendes vorgetragen:

Bereits im November 2019 seien sämtliche Zahlungen eingestellt und keine Zahlungen mehr geleistet worden, soweit dies dem Bf. bekannt sei. Keinesfalls seien Löhne und Gehälter ausbezahlt worden.

Aufgrund der Anfechtungsfrist von 6 Wochen wäre es dem Masseverwalter möglich gewesen, Zahlungen, die nach dem geleistet worden wären, zurückzufordern und anzufechten. Dies treffe auf die Umsatzsteuer 08/2019 (Fälligkeit ), Kammerumlage 07-09/2019 (Fälligkeit ), Umsatzsteuer 09/2019 (Fälligkeit ) und den Säumniszuschlag 1 2019 (Fälligkeit ) zu.

Mangels Verschuldens und Kausalität bestehe daher keine Haftung für diese Beträge.

Dazu bedürfe es auch keiner schriftlichen Nachweise, weil die Rechtsordnung die Rückforderung durch den Masseverwalter vorsehe und bekanntlich angefochten werden könne.

Es verbleibe daher lediglich die Haftung für die Umsatzsteuer 05/2019 und 06/2019 (Fälligkeit und ). Diese seien nicht bezahlt worden, weil ein Liquiditätsengpass bestanden habe.

****

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt Österreich die Beschwerde als unbegründet ab und führte dazu aus, dass auf Grund der nachgewiesenen Ortsabwesenheit des Bf. die Zustellung des Haftungsbescheides am erfolgt sei, die Beschwerde vom gelte somit als fristgerecht eingebracht. Gem. § 183 (3) BAO könne von der Aufnahme beantragter Beweise - Einvernahme der namhaft gemachten Zeugen - abgesehen werden, wenn die unter Beweis zu stellende Tatsache (Ortsabwesenheit) als richtig anerkannt werde.

Bezüglich des Zugriffs auf Buchhaltungsunterlagen obliege es dem Vertreter laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten könne, sei schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht ermöglichten (). Die Sicherung der Unterlagen sollte bereits bei Fälligkeit und Nichtentrichtung, spätestens jedoch bei Eröffnung des Konkurses erfolgen.

Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer sei Folgendes festzuhalten:

Der Bf. sei im Zeitraum vom ***Datum1*** bis zur Konkurseröffnung mit Wirkung ***Datum2*** unumstritten Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 94 habe der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 UStG selbst zu berechnen habe. Der Unternehmer habe eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für die Zeiträume Mai, Juni, August und September 2019 sei die Umsatzsteuer gemeldet, jedoch nicht entrichtet worden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es nicht bedeutsam, ob oder inwieweit vom Abgabenpflichtigen geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung rechtsunwirksam oder anfechtbar gewesen wären (). Die Nichtentrichtung sei daher eine Pflichtverletzung gewesen, hinsichtlich derer kein Beweis des fehlenden Verschuldens geführt worden sei. Bei schuldhafter Pflichtverletzung spreche die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben (, ). Selbiges gelte für die Nichtentrichtung der am gemeldeten und nicht entrichteten Kammerumlage 07-09/2019, sowie für den mit Bescheid vom festgesetzten und nicht entrichteten Säumniszuschlag 1 2019.

*****

Eingabe des rechtsfreundlichen Vertreters vom :

"Nach mehreren telefonischen Urgenzen haben wir am erfahren, dass der Antrag auf Vorlage der Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom nicht auffindbar sei.

Wir haben den beiliegenden Antrag auf Vorlage gegen die Beschwerdevorentscheidung am sowohl per E-mail an Ihre E-mail Adresse als auch per Einschreiben versandt.

Die Sendung haben wir in weiterer Folge verfolgt. Wir übermitteln in der Beilage die Nachverfolgungsdetails der Post - AG. Demnach sollte sie am zugestellt worden sein.

Wir übermitteln somit die Beschwerde und den Antrag auf Vorlage neuerlich in der Beilage und gehen grundsätzlich davon aus, dass diese vorliegen müsste.

Für den Fall, dass diese nicht vorliegt, wird binnen offener Frist gestellt der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zu Erhebung des Antrags auf Vorlage der Beschwerde vom an die Oberbehörde.

Meine Kanzlei hat am nachgefragt und hat man mitgeteilt, dass der Antrag in Bearbeitung sei. Am hat meine Mitarbeiterin, Frau ***G.***, neuerlich nachgefragt und hat man mitgeteilt, dass der Antrag nicht vorliege. Demnach sei der Antrag nicht eingelangt. Dementsprechend liegt ein Wiedereinsetzungsgrund vor, nämlich ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis, zumal der Vorlageantrag sowohl per E-Mail als auch Einschreiben versandt wurde, der die rechtzeitige Erhebung des Vorlageantrages gehindert haben könnte, trotz dem alle notwendigen Mittel ergriffen wurden, um rechtzeitig einen Antrag einzubringen."

Beigelegt war ein mit datierter Vorlageantrag zu der hier gegenständlichen Beschwerde, der keine weitere Begründung enthielt.

Mit Bescheid vom gab das Finanzamt Österreich dem Wiedereinsetzungsantrag statt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Geltendmachung einer Haftung nach § 9 BAO sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (), die Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ().

I.) Vorliegen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen:

Bei den haftungsgegenständlichen Abgaben handelt es sich - abgesehen von den Säumniszuschlägen - ausschließlich um Selbstbemessungsabgaben, die von der Primärschuldnerin, somit durch den Bf. selbst gemeldet wurden.

Die Säumniszuschlagsbescheide wurden dem Haftungsbescheid beigelegt.

Das Bestehen der Abgabenforderungen ist unbestritten.

Die Abgabenschuldigkeiten haften in unveränderter Höhe am Abgabenkonto aus.

II.) Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin

Mit Beschluss des Landesgerichtes Wien vom ***Datum3*** wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet, der mit Beschluss des Gerichtes vom ***Datum4*** nach erfolgter Schlussverteilung aufgehoben wurde.

Die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten sind daher bei der Firma uneinbringlich.

III.) Stellung des Bf. als Vertreter

Laut Firmenbuchauszug vertrat der Bf. die Gesellschaft ab ***Datum1*** als handelsrechtlicher Geschäftsführer. Der Bf. zählt somit zum Kreis der im § 80 Abs. 1 BAO genannten gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, welche - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - gemäß § 9 BAO zur Haftung herangezogen werden können.

IV.) Schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. als Geschäftsführer

Für die Haftung gemäß § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden.

Im vorliegenden Fall hat der Bf. zwar die haftungsgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben (Umsatzsteuer 5/2019, 6/2019, 8/2019, 9/2019, Kammerumlage 7-9/2019) gemeldet, jedoch nicht entrichtet. Auch die bescheidmäßig festgesetztenhaftungsgegenständlchen Säumniszuschläge wurden nicht entrichtet.

Die Nichtentrichtung der genannten Abgabenschuldigkeiten bei deren Fälligkeit stellt eine schuldhafte Pflichtverletzung dar.

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Daraus ist abzuleiten, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Außerdem trifft den Haftenden die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht wie den Abgabepflichtigen, sodass er für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat.

Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. etwa , , mwN).

Die Einwendung, dass sich die Geschäftsunterlagen beim Masseverwalter befänden, ändert somit nichts daran, dass es dem Bf. obliegt, den Nachweis seines pflichtgemäßen Nachweises zu erbringen.

Im Übrigen wurde nicht einmal dargetan, dass der Bf. mit dem Masseverwalter zur Einsichtnahme in die Bücher Kontakt aufgenommen hat.

Der Vertreter haftet für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (vgl. ).

Wird der Nachweis, dass keine liquiden Mittel vorhanden waren oder welcher Betrag aus vorhandenen Mitteln bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, vom Vertreter nicht erbracht, kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (z.B. ).

Ein Gleichbehandlungsnachweis wurde nicht erbracht.

Da der Bf. nicht einmal behauptet hat, die Forderungen anteilsmäßig befriedigt zu haben und er auch über keine Geschäftsunterlagen verfügt, war an den Bf. auch keine Aufforderung zur Vorlage eines Gleichbehandlungsnachweises zu richten.

Das Vorbringen, die Umsatzsteuern 05/2019 und 06/2019 seien nicht bezahlt worden, weil ein Liquiditätsengpass bestanden habe, stellt daher weder einen Schuldausschließungsgrund dar, noch ist es geeignet, den Haftungsbetrag einzuschränken.

Auch das Vorbringen, der Bf. habe die Zahlungen im November 2019 eingestellt, stellt keinen Schuldausschließungsgrund dar, da den Geschäftsführer die Verpflichtung trifft, die liquiden Mittel anteilig zur Befriedigung der andrängenden Gläubiger zu verwenden. Für die Frage, ob andere andrängende Gläubiger gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt worden sind, ist nicht bedeutsam, ob oder inwieweit vom Abgabepflichtigen geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung rechtsunwirksam oder anfechtbar gewesen wären ().

V.) Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Einbringlichkeit

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

VI.) Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme wird vor allem dann gesprochen, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeit rasch eingebracht werden kann. Ein solcher Fall liegt hier im Hinblick auf die bereits erfolgte Löschung der GmbH im Firmenbuch nicht vor.

Weiters hat der Bf. in der gegenständlichen Beschwerde ohnehin keine Einwendungen zum Ermessen vorgebracht.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise







ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102623.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at