Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 25.07.2023, RV/7102445/2023

Zurückweisung einer nicht fristgerecht eingebrachten Beschwerde

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für das Kind ***1*** im Zeitraum vom bis zum beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit der Begründung, dass die Tochter des Bf. nicht als in Schulausbildung befindlich zu qualifizieren sei wurde vom Bf. mit Bescheid vom Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge als für das Kind ***1*** im Zeitraum vom bis zum unrechtmäßig bezogen rückgefordert.

Nach Aktenlage bzw. als Ergebnis ergänzender Erhebungen des Verwaltungsgerichts wurde dieser Bescheid nachweislich am, um 04:13 Uhr in die Databox des Bf. zugestellt und schlussendlich am um 13:45 Uhr gelesen.

In der Folge wurde mit Eingabe vom gegen vorgenannten Bescheid Beschwerde erhoben und hierbei begründend ausführt, dass die belangte Behörde bei Berechnung des Rückforderungsbetrages übersehen habe, dass die Tochter des Bf. im Zeitraum vom bis zum die Schule besucht habe.

Mit dem Hinweis, dass die Beschwerdefrist ob am erfolgter Zustellung des Rückforderungsbescheides mit angelaufen sei, wurde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom die Beschwerde vom als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Am langte beim Finanzamt eine - als Vorlageantrag zu wertende - Eingabe des Bf. nachstehenden Inhalts ein:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich ***2*** bin 61 Jahre alt und nicht so fit im Internet, wie andere. Das Schreiben ist per Finanzonline eingelangt am . Dies habe ich erst im April geöffnet als mein Sohn ins Finanzonline reingeschaut hat. Ich schaue nicht aktiv in mein Finanzonline rein außer meine Kinder machen es, wenn ich etwas brauche und sie es für mich erledigen müssen.

Ich habe das Schreiben erneut per Post erhalten am , worauf ich regiert habe und meine Tochter gebeten habe, die Schulbesuchsbestätigungen einzuholen damit wir es Ihnen vorzeigen können.

Eingelangt bei Ihnen am somit sollte die Frist bestehen.

Hierzu gibt es zwei Briefe einmal per Post und einmal per Finanzonline. Deswegen bitte ich um nochmalige Begutachtung des Sachverhaltes.

Vielen Dank."

Nach der Bestimmung des § 245 Abs. 1 erster Satz BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss (278) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Schriftliche Erledigungen werden durch Zustellung demjenigen bekanntgegeben, für den sie nach ihrem Inhalt nach bestimmt sind (§ 97 Abs. 1 BAO).

An Stelle der Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung kann auch im Wege automationsunterstützter Datenübertragung der Inhalt von Erledigungen bekannt gegeben werden (§ 97 Abs. 3 BAO iZm FinanzOnline-Verordnung 2006).

Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind.

Der Zeitpunkt, in dem Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, ist bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 (Stand , rdb.at), § 98 Anm. 8).

Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FinanzOnline-Teilnehmer (z.B. Öffnen, Lesen, oder Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an (z.B. ; , RV/0002-F/13; , RV/2100371/2015; , RV/5100404/2016; , RV/7104423/2014; , RV/7103033/2018).

Der Rückforderungsbescheid vom wurde - wie bereits an oberer Stelle ausgeführt -, am um 04:13 Uhr in die Databox der Bf. zugestellt.

Vica versa hat sohin - ungeachtet dessen, dass der Bescheid tatsächlich erst am um 13:45 Uhr gelesen wurde -, am die Frist zur Erhebung einer Beschwerde zu laufen begonnen.

Mit anderen Worten ist daher die Frist zur Einbringung einer Beschwerde nach § 108 Abs. 3 BAO, am Freitag den abgelaufen.

Anzumerken ist, dass der Bf. zwar das erst im April 2023 erfolgte Lesen des angefochtenen Bescheides nicht in Abrede stellt, sondern in Ansehung einer am erfolgten postalischen Zustellung des Bescheides nunmehr offensichtlich vermeint, dass die Beschwerdefrist mit diesem Tag neuerlich zu laufen begonnen habe.

Nämlicher Ansicht ist jedoch die, die mehrmalige Zustellung determinierende Bestimmung des § 6 ZustG entgegenzuhalten, der gemäß im Falle der Zustellung eines Dokuments die neuerliche Zustellung des gleichen Dokuments keine Rechtswirkungen auslöst.

Hierbei wird im verfahrensrechtlichen Schrifttum (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen in Ritz/Koran, BAO7 Tz 2 und 3 zu § 6 ZustG) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu oben angeführter Norm nachstehende Auffassung vertreten:

Die erste Zustellung, somit jene, die dem Empfänger gegenüber zeitlich am frühesten wirksam geworden ist (Walter/Mayer, Zustellrecht, 40), ist für die Rechtsfolgen der Zustellung (z.B. für den Beginn der Rechtsmittelfrist) maßgebend (vgl. z.B. , ZfVB 1989/1/248; , 2010/13/0118).

Eine zweite Zustellung löst daher nicht neuerlich den Lauf der Rechtsmittelfrist aus. Dies gilt auch dann, wenn die zweite Zustellung erfolgte, weil die Behörde (zu Unrecht) angenommen hat, die erste Zustellung sei unwirksam gewesen (vgl. , ZfVB 1994/1/276; , 93/09/0398, ZfVB 1995/2/720).

§ 6 ZustG ist auch anzuwenden, wenn dasselbe Schriftstück mehrmals gültig zugestellt wurde (Ellinger, ÖStZ 1983, 52; , ZfVB 1989/1/248; Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren6, 1850; Stumvoll in Fasching/Konecny3, II/2, § 6 ZustG Rz 3).

Daher löste angesichts der ersten per Finanzonline am um 04:13 Uhr bewirkten Zustellung des Bescheides, verbunden mit der an diesem Tag erfolgten Ingangsetzung der Beschwerdefrist die postalische Zustellung vom nicht neuerlich den Lauf der Rechtsmittelfrist aus.

Es war daher wie im Spruch zu befinden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt im vorliegenden Fall nicht vor, da der Ausspruch der Zurückweisung direkt auf den gesetzlichen Bestimmungen der BAO basiert und auch nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 108 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 Abs. 1 Satz 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 6 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102445.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at