Veruntreute Gelder als Einkünfte aus Gewerbebetrieb
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/13/0176. Zurückweisung mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, die Richterin***SenR*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die gemäß § 200 Abs 1 BAO vorläufigen Bescheide des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Einkommensteuer 2007 und 2008, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird abgewiesen. Die Bescheide werden gemäß § 200 Abs 2 BAO endgültig erklärt.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind Pkt. (F) dieser Entscheidung zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.
II. Die Fälligkeit des mit dieser Entscheidung festgesetzten Mehrbetrages der Abgaben ist aus der Buchungsmitteilung zu ersehen.
III. Gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die ordentliche Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin (Bf.) erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die laut Außenprüfungsbericht für die Jahre 2005 bis 2010 aus ihren Tätigkeiten Werbewesen, Messewesen und sonstige Wirtschaftsdienste stammten.
2. Die in diesem Beschwerdeverfahren angefochtenen Bescheide sind die erklärungskonform erlassenen, gemäß § 200 Abs 1 BAO vorläufigen, Bescheide vom betreffend Einkommensteuer 2007 und 2008. Warum sie vorläufig erlassen wurden, ist nicht bekannt.
Die Bescheide wurden am zugestellt, waren innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Beschwerde anfechtbar und wurden mit der Beschwerde vom angefochten.
Die Beschwerde vom lautete: "Die Beschwerde richtet sich gegen die Bescheide der Höhe nach. Wir begründen unsere Beschwerde wie folgt: Wir verweisen auf unseren Wiederaufnahmeantrag betreffend Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheid 2005 vom ".
Der Wiederaufnahmeantrag betreffend Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheid 2005 vom wurde dem Bundesfinanzgericht in diesem Beschwerdeverfahren nicht vorgelegt.
3. Nachdem die Beschwerde vom eingebracht war, fand ein Strafverfahren statt.
In der Anklageschrift vom ***1*** wurde der Bf. zur Last gelegt, das Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 StGB dadurch begangen zu haben, dass sie in der Zeit von bis eine durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht hat, indem sie in ihrer Eigenschaft als auf Werkvertragsbasis für die Zahlungsabwicklung Verantwortliche Zahlungstransaktionen in 45 Fällen von den Firmenkonten Nummer … zu ihren Gunsten durchführte, und somit der ***GmbH*** einen Schaden in der Höhe von EUR 1.158.466,56 zufügte.
Laut Anklageschrift stellte die Staatsanwaltschaft folgende Sach- und Beweislage fest:
[...]
Das Strafgericht sprach die Bf. laut Protokoll der Hauptverhandlung vom ***2*** im Sinne der Anklage schuldig, der ***GmbH*** EUR 1.158.466,56 zu bezahlen.
Laut rechtskräftigem und vollstreckbarem Urteil vom ***2*** wurde die Bf. verurteilt, der ***GmbH*** EUR 1.158.466,56 zu bezahlen.
4. Das Finanzamt führte eine Außenprüfung durch, deren Gegenstand die Umsatz- und Einkommensteuer 2005 - 2010 war und traf im (nicht datierten) Außenprüfungsbericht folgende, die Einkommensteuerverfahren 2007 und 2008 betreffende, Feststellungen:
• Tz. 3 - Veruntreute Geldmittel: Zitiert wurden das auf alle Einkunftsarten anwendbare VwGH-Erkenntnis vom , 96/15/0114, sowie das in diesem Erkenntnis zitierte Vorjudikat , und dazu festgestellt, dass eine einkommensteuerrechtlich relevante Tätigkeit und ein Zusammenhang mit einem Vorteil oder mehreren Vorteilen vorliegen müsse, damit dieser Vorteil einkommensteuerpflichtig ist oder diese Vorteile einkommensteuerpflichtig sind. Die Bf. sei für die ***GmbH*** tätig gewesen, diese Tätigkeit sei einkommensteuerrechtlich relevant und die Bf. habe unrechtmäßige Vermögensvorteile in Höhe von EUR 45.189,72 (2007) und EUR 217.019,73 (2008) durch diese Tätigkeit erzielt, die einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien.
• Tz. 4 - Abschreibung Firmenwert: Verwiesen wird auf die Niederschrift über die das Kalenderjahr 2005 betreffende Nachschau und die Entscheidung . Damals sei entschieden worden, dass die Abschreibung des als "Firmenwert" aktivierten Übernahmebetrages des Kundenstockes der in Konkurs gegangenen ***GmbH2*** auch in den Folgejahren nicht als steuerlich relevant angesehen werden könne. Die Kürzungsbeträge seien in einer Selbstanzeige offengelegt worden und betrugen EUR 22.443,41 (2007) und EUR 24.283,41 (2008). Die auch als Firmenwert aktivierten Prozesskosten (***X***, ***Y***, ***Z***) in Höhe von EUR 2.800,00 (2007) und EUR 4.640,00 (2008) seien grundsätzlich Aufwand. Da diese als Abschreibung zulässigen Teilbeträge in der Selbstanzeige irrtümlich als Kürzungsbeträge aufgenommen worden seien, seien sie gewinnmindernd zu berücksichtigen.
• Tz. 5 - Zinsen für übernommene Kredite: Der mit der Übernahme des Kundenstockes aufgenommene Kredit teile das Schicksal des Firmenwertes der ***GmbH2*** (Tz. 4) und sei der Privatsphäre zuzuordnen, was bereits für das Kalenderjahr 2005 festgestellt worden sei. Verwiesen wird auf die Niederschrift über die das Kalenderjahr 2005 betreffende Nachschau und die Entscheidung .
• Tz. 8 - private Anschaffung: Die Anschaffung einer Kamera im Jahr 2007 (EUR 1.499,17) wurde mangels betrieblicher Nutzung als private, nicht als Betriebsausgabe abziehbare, Investition angesehen.
• Tz. 10 Einkünfte aus Gewerbebetrieb: Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2007 und 2008 wurden wie folgt berechnet und betrugen:
Warum die Ausgaben für die privat verwendete Kamera (Tz. 8) nicht in Höhe von EUR 1.499,17 gewinnerhöhend festgesetzt wurde, ist nicht bekannt.
5. Mit den Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die gemäß § 200 Abs 1 BAO vorläufigen Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 dahingehend abgeändert, dass sie endgültig erlassen und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb außenprüfungskonform in Höhe von EUR 118.087,59 (2007) und EUR 276.622,57 (2008) veranlagt wurden. Begründend wurde auf Tz. 3 - 7 der Niederschrift vom und darauf verwiesen, dass die Bf. durch die VwGH-Aufhebung der (UFS-)Entscheidung für die Jahre 1997 bis 2004 in allen in der Beschwerde vom aufgezählten Punkten nicht mehr beschwert ist.
Die Beschwerdevorentscheidungen waren innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Vorlageantrag anfechtbar. Mit Schreiben vom beantragte die Bf., die Vorlageantragsfristen der Beschwerdevorentscheidungen vom bis zu verlängern. Am brachte die Bf. ihren Vorlageantrag ein.
6. Im Vorlageantrag vom wurde die mündliche Senatsverhandlung beantragt und zu den Beschwerdepunkten 1.) Veruntreuung von Geldern, 2.) Abschreibung Firmenwert und Zinsen für die übernommenen Kredite betreffend Firmenwert und 3.) Vergleich ***Landesgericht*** mit Herrn ***X*** vorgebracht:
• Ad 1.) Veruntreuung von Geldern: Die Bf. verweist auf Einkommensteuerkommentare und Einkommensteuerrichtlinien, das OGH-Urteil 15 Os 64/04, , . Dass die Bf. Gelder veruntreut habe, sei nach außen hin erkennbar gewesen. Auch sei davon auszugehen, dass niemand einer Veruntreuung bedürfe. Deshalb seien die veruntreuten Gelder nicht einkommensteuerpflichtig.
• Ad 2.) Abschreibung Firmenwert und Zinsen für übernommene Kredite betreffend Firmenwert: Die Bf. verweist auf die im Erkenntnis , Seite 5 Absatz 2, getroffenen Feststellung, dass die Übernahme des Kundenstocks der ***GmbH2*** gegebenenfalls im Februar oder März 2010 hätte erfolgen müssen und legt übernommene Kreditkonten, die darauf gebuchten Zinsen und getätigten Rückzahlungen vor. Die Bf. habe in jedem Jahr Rückzahlungen geleistet, weshalb eine Abschreibung des Kundenstockes und der Zinsen möglich wäre. Auch habe die ***GmbH2*** die Lizenzgebühren für das gesamte Jahr 2005 im Jänner 2005 verrechnet, weshalb die Bf. die gesamten Wartungsarbeiten ab dem 2. Halbjahr 2005 = nach dem Konkurs der ***GmbH2*** selbst habe übernehmen müssen, was mit dem Masseverwalter abgesprochen worden sei. Hätte die Bf. die Wartungsarbeiten nicht übernommen, hätten die übernommenen Kunden jedenfalls Lizenzgebühren als Forderungen für das 2. Halbjahr 2005 angemeldet. In der Buchhaltung sei dokumentiert, dass die Bf. ab die Lizenzgebühren der übernommenen Kunden aus der ***GmbH2*** ab 2006 jedes Jahr verrechnet hat.
• Ad 3.) Vergleich ***Landesgericht*** mit Herrn ***X***: Die Betriebsprüfung habe den Vergleichsbetrag EUR 42.000,00 auf 15 Jahre verteilt, er sei jedoch im Jahr 2007 zur Gänze ein Betriebsaufwand.
• Die Bf. beantragt, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Jahres 2007 wie folgt festzusetzen: Einkünfte aus Gewerbebetrieb EUR 118.087,59 minus veruntreute Geldmittel EUR -45.189,72 minus Abschreibung Firmenwert EUR -22.443,41 minus Kreditzinsen EUR -21.292,15 minus Vergleichszahlung ***X*** EUR -42.000,00 ergibt negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR -12.837,69.
• Ein die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Jahres 2008 betreffender Antrag wurde nicht gestellt.
7. BFG-Mängelbehebungsverfahren:
7.1. Im Mängelbehebungsbeschluss vom stellte das Bundesfinanzgericht über die Beschwerde vom fest: "Ihre Beschwerde lautet: "Die Beschwerde richtet sich gegen die Bescheide der Höhe nach. Wir begründen unsere Beschwerde wie folgt: Wir verweisen auf unseren Wiederaufnahmeantrag betreffend Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheid 2005 vom ", weshalb die gemäß § 250 Abs 1 BAO idgF gesetzlich geforderten inhaltlichen Angaben über die Beschwerdepunkte, die beantragten Änderungen und die Begründung fehlen. Deshalb wurde der Bf. aufgetragen, innerhalb einer Frist von 2 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses die Beschwerdepunkte anzugeben (§ 250 Abs 1 lit b BAO idgF), die beantragten Änderungen anzugeben (§ 250 Abs 1 lit c BAO idgF) und eine auf die angefochtenen Bescheide sich beziehende Begründung vorzulegen (§ 250 Abs 1 lit d BAO idgF).
7.2. Die Bf. beantragte mit dem innerhalb offener Mängelbehebungsfrist eingebrachten Schreiben vom , die Mängelbehebungsfrist bis Sonntag den zu verlängern.
7.3. Im innerhalb offener Mängelbehebungsfrist eingebrachten Schreiben vom gab die Bf. an, dass die Beschwerdepunkte 1. Veruntreuung von Geldmitteln, 2. Abschreibung Firmenwert und Zinsen für übernommene Kredite und 3. Vergleich ***Landesgericht*** mit Herrn ***X*** waren und führte dazu das Vorbringen im Vorlageantrag teilweise wiederholend und teilweise ergänzend aus:
7.3.1. Veruntreuung von Geldmitteln: Die Bf. habe die Unterschlagung von Geldmitteln nicht jedermann angeboten, weshalb eine Steuerpflicht laut , , und /02486, mangels Bedarf an unterschlagenen Geldern ausscheide. Die Abgaben seien nicht hinterzogen, weshalb die Verjährungsfrist nicht 10 Jahre sondern 5 Jahre betrage und die Abgabenfestsetzung 2005 bis 2011 verjährt sei. Der strafbestimmende Wertbetrag übersteige EUR 100.000,00, weshalb der OGH zuständig sei, der im Urteil 15 Os 64/04 ausführe, dass keine Einkommensteuerpflicht bestehe, wenn ein Rechtsanwalt Klientengelder veruntreue. Auch werde die Einkommensteuerpflicht laut Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, bei mit Dienstverhältnissen zusammenhängenden Veruntreuungen nur deshalb bejaht, weil in § 25 EStG 1988 idgF auf Vorteile aus Dienstverhältnissen verwiesen werde. Ein vorsätzlich begangenes Finanzstrafvergehen sei auszuschließen. Die Bf. beteilige sich nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, da ein Güter- und Leistungsaustausch bei veruntreuten Geldern nicht stattfinde.
7.3.2. Abschreibung Firmenwert und Zinsen für übernommene Kredite: Die Bf. wiederholte ihr Vorbringen aus dem Vorlageantrag.
7.3.3. Vergleich ***Landesgericht*** mit Herrn ***X***: Die Außenprüfung habe 1.) den Vergleichsbetrag EUR 42.000,00 auf 15 Jahre verteilt, obwohl er 2007 zur Gänze ein Betriebsaufwand sei und habe 2.) den Vergleichsbetrag EUR 23.000,00 auf 15 Jahre verteilt, obwohl er 2008 zur Gänze ein Betriebsaufwand sei.
Die Bf. beantragte, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2007 und 2008 wie folgt festzusetzen:
Abschließend brachte die Bf. vor, das Finanzamt habe den Vorlageantrag vom dem Bundesfinanzgericht laut Vorlagebericht vorgelegt, weshalb unverständlich sei, dass das Bundesfinanzgericht einen Mängelbehebungsbeschluss erlassen habe.
8.BFG - Ermittlungen über die ***GmbH2***: Das Firmenbuchgericht eröffnete am ***5*** den Konkurs über das Vermögen der GmbH und löste die Gesellschaft auf. Am ***6*** wurde der Konkurs aufgehoben und am ***7*** wurde die Firma wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.
9. BFG - Ermittlungen über die ***GmbH3***: Eine Einzelfirma mit diesem Namen und mit Firmensitz an der im Spruch dieser Entscheidung angegebenen Adresse bietet im Internet ihre Dienste an; sie ist jedoch steuerlich nicht erfasst.
10. Aus dem Erkenntnis :
Beschwerdegegenstand in , war der UFS-Bescheid vom , RV/1223-W/04. Damals wurde unter anderem festgestellt und wie folgt entschieden:
"Für das Jahr 2005 führte das Finanzamt eine Nachschau durch. Dabei wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin für dieses Jahr den Ankauf eines "Kundenstocks" (Anschaffungskosten 294.651,11 EUR) verbucht hatte. Zur Begründung brachte sie hiezu vor, die ***GmbH2*** sei im Jahr 2005 in Konkurs gegangen. Die Beschwerdeführerin habe im zweiten Halbjahr 2005 deren Kundenstock gegen Übernahme von Bankverbindlichkeiten erworben. Der Prüfer gelangte zur Auffassung, dass der Erwerb eines Kundenstocks (der in der Folge zu einer Abschreibung führen würde) nicht anzuerkennen sei. Es könnten auch keine mit dem angeblichen Ankauf des Kundenstocks in Zusammenhang stehenden Fremdmittelzinsen anerkannt werden. Diesbezüglich stehe der Beschwerdeführerin auch kein Vorsteuerabzug zu.
In der Berufung gegen die Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2005 wurde vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe den Kundenstock der ***GmbH2*** übernommen. Die Gegenleistung habe in offenen Krediten der ***GmbH2*** bestanden. Es werde beantragt, die Abschreibung für den Kundenstock und den Abzug der Zinsaufwendungen anzuerkennen …
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen. Strittig sei, ob das Einzelunternehmen den Kundenstock der insolventen ***GmbH2*** übernommen und im Gegenzug offene Kredite der GmbH getilgt habe, was auf der Ebene der Beweiswürdigung zu beantworten sei.
Der Kundenstock einer insolventen Gesellschaft gehöre zum Massevermögen. Der Masseverwalter der ***GmbH2*** habe aber verneint, dass es während seines Tätigkeitszeitraumes zu einer Übernahme des Kundenstocks gekommen sei.
Die Beschwerdeführerin habe in der Berufungsverhandlung vorgebracht, der erste der offenen Kredite der ***GmbH2*** sei im Februar bzw. März 2010 getilgt worden. Da die Beschwerdeführerin in dem der Berufungsverhandlung vorausgehenden Verwaltungsverfahren vorgebracht habe, dass die Übernahme des Kundenstockes der B-GmbH durch Tilgung von offenen Krediten der ***GmbH2*** erfolgt sei, könne die Übernahme des Kundenstocks keinesfalls, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, im zweiten Halbjahr 2005 stattgefunden haben, sondern hätte gegebenenfalls im Februar oder März 2010 erfolgt sein müssen.
Somit komme die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die für das im 2. Halbjahr 2005 behauptete Übernahme des Kundenstockes der insolventen ***GmbH2*** und eine im Gegenzug erfolgte Tilgung offener Kredite dieser GmbH nicht festzustellen sei. Die Abschreibung des Kundenstockes und der "dazu gehörenden Zinsen" sei daher nicht vorzunehmen …
… In Bezug auf das Jahr 2005 wird in der Beschwerde vorgebracht, der Masseverwalter im Konkurs der ***GmbH2*** sei mit der Übertragung des Kundenstocks gegen Übernahme der Bankverbindlichkeiten einverstanden gewesen … Zudem hätte die belangte Behörde für das Jahr 2005 von Amts wegen eine Forderungsabschreibung und eine Umsatzsteuerberichtigung vornehmen müssen, weil die ***GmbH2*** im Jahr 2005 in Konkurs gegangen sei.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die Feststellung, der Masseverwalter im Konkurs der ***GmbH2*** habe verneint, dass es in seinem Tätigkeitszeitraum zur Übertragung eines Kundenstocks gekommen sei. Dass die belangte Behörde diese Feststellung unter Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen hätte, wird mit der bloßen, nicht näher konkretisierten Behauptung, der Masseverwalter bestätige die Übertragung, nicht dargetan ... Dass schließlich im Sachverhaltsbereich die Voraussetzungen für die Teilwertabschreibung einer Forderung und daraus resultierend auch die Berichtigung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage vorgelegen wären, hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht und stellt daher eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar …"
Die Beschwerde wurde damals in diesem Punkt abgewiesen.
11. Aus der Niederschrift über die mündliche Senatsverhandlung vom :
"Steuerberater: Nicht richtig ist, dass Abgaben hinterzogen wurden, da veruntreute Gelder nur bei Dienstnehmern steuerpflichtig sind. Die Bf. ist keine Dienstnehmerin gewesen, deshalb haben die veruntreuten Gelder keine Wurzel im Dienstverhältnis. Da Abgaben nicht hinterzogen wurden, ist zu prüfen, ob die Einkommensteuerfestsetzung verjährt ist. Es gibt keinen Wiederaufnahmegrund. Die Bf. hat keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, da sie keinen Handel betrieben hat.
Der Steuerberater zitiert folgende Literatur: "Bundesfinanzhof -VIIIR19/12, Fremdgelder eines Rechtsanwaltes. Der Bundesfinanzhof sagt, diese Gelder (auch die vom Rechtsanwalt veruntreute Klienten- und Kundengelder) stellen auch dann keine steuerbaren Einnahmen für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen selbstständiger Arbeit oder der Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar, wenn der Rechtsanwalt diese kontinuierlich und planmäßig über mehrere Jahre hinweg einsetzt, um Betriebsausgaben oder Ausgaben der privaten Lebensführung zu bestreiten. Veruntreute Fremdgelder stellen auch dann keine steuerbaren Einnahmen des Rechtsanwaltes aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb dar, wenn der Rechtsanwalt diese kontinuierlich und planmäßig über mehrere Jahre hinweg einsetzt, um Betriebsausgaben oder Privatausgaben zu bestreiten. OGH-Entscheidung 15 Os 64/04, Vortrag von … (betrifft veruntreute Gelder von Bankangestellten [sind einkommensteuerpflichtig] und Rechtsanwalt [sind nicht einkommensteuerpflichtig]): Laut ... ist diese Frage vom Verfassungsgerichtshof zu klären" (nach Diktat Steuerberater).
Das Finanzamt führt aus, dass wir nicht an die abgabenrechtliche Beurteilung des OGH gebunden sind. Es könne "keinem Zweifel unterliegen, dass die unter Nutzung der Stellung als Filialleiter erfolgten Veruntreuungen von Kundengeldern den Tatbestand des § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG erfüllen []" (nach Diktat des Finanzamtes).
Steuerberater: OGH und VwGH vertreten zur Frage der veruntreuten Gelder divergierende Standpunkte. Die Bf. wäre vom OGH freigesprochen worden, wegen des Schadens von mehr als EUR 100.000,00 (Entscheidung fällt in die Zuständigkeit des OGH)".
12. BFG-Vorhalteverfahren - Vergleichszahlungen an Herrn ***X***:
Die Bf. wurde mit Vorhalt vom ersucht, den Vergleich mit Herrn ***X*** spätestens in der mündlichen Senatsverhandlung vom vorzulegen und nachzuweisen, dass und wann sie EUR 42.000,00 und EUR 23.000,00 an Herrn ***X*** gezahlt hat.
13. Aus der Niederschrift über die mündliche Senatsverhandlung vom :
"Steuerliche Vertretung: Im Vorlagebericht des Finanzamtes wird der Vergleich angeführt, er müsste daher in den Verwaltungsakten vorhanden sein. Nicht nachvollziehbar ist, dass der Mängelbehebungsbeschluss erlassen wurde, da das Finanzamt über die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat. In der Beschwerdevorentscheidung vom steht, dass die BF durch die VwGH Aufhebung der UFS Entscheidung für die Jahre 1997-2004 nicht mehr beschwert ist. Das ist nicht richtig, weil diese Entscheidung mittlerweile vom VwGH aufgehoben wurde. Die GZ der Aufhebung lautet Ra2022/13/0120-11 vom . Vorgelegt werden weiters eine Ablichtung des Artikels von Werner Doralt lautend "Veruntreuung und Diebstahl: Arbeitslohn und Steuerhinterziehung?" und eine Ablichtung des Mails vom lautend "mit dieser E-Mail möchte ich Ihnen mitteilen, dass die oben genannte Angelegenheit durch die letzte Zahlung von Frau … somit erledigt ist. Mit freundlichen Grüßen ***X***".
Die Einkommensteuerfestsetzung 2007-2008 ist ebenso verjährt wie die in diesem Verfahren nicht strittigen Umsatzsteuerfestsetzung, da die Verjährungsfrist 5 Jahre beträgt, weil die Abgaben nicht vorsätzlich hinterzogen wurden. Dies steht auch so im Bescheid.
Finanzamt: Ich bringe vor, dass im Einkommensteuerbescheid 2007 und 2008 vom in der Bescheidbegründung auf die Teilziffer 3-7 der Niederschrift vom verwiesen wird. Weiters wird darauf hingewiesen, dass durch die Aufhebung der Jahre 1997-2004 durch den VwGH die Pflichtige nicht mehr mit dem Begehren der Beschwerdeschrift beschwert ist. Die Begründung gilt für 2007 und 2008. In Bezug auf den Vorsatz beziehe ich mich auf das Erkenntnis vom , 96/15/0114 weiters beziehe ich mich auf das Erkenntnis , 95/14/0112 und auf das Erkenntnis des .
Steuerliche Vertretung: Der Gutachter … hat den Firmenwert der ***4*** berechnet und die Bf. hat diesen Firmenwert an die ***GmbH4*** = ihre Schweizer Firma weiterverkauft. Der Weiterverkauf beweist, dass die Bf. den Firmenwert übernommen hat. Vorgelegt wird ein Kurzbrief des Rechtsanwaltes ... Alle vorgelegten Unterlagen werden zum Akt genommen.
Frage der 1. Beisitzerin: "Warum wurde die privat angeschaffte Kamera nicht gewinnerhöhend angesetzt?" Das Finanzamt kann den Grund dafür nicht nennen.
Das Finanzamt beantragt die Ausgaben für die Kamera gewinnerhöhend anzusetzen. Die steuerliche Vertretung beantragt, diesen Antrag des Finanzamtes abzuweisen."
14. Aus den in der Senatsverhandlung vom vorgelegten Unterlagen:
Die mit Kurzbrief des Rechtsanwaltes vom in seiner Funktion als Masseverwalter der ***4*** an die Bf. gefaxten Unterlagen sind ein Fax der ***GmbH3*** vom , ein Mail vom an den Steuerberater der Bf. und ein an die ***4***.
• Das Fax der ***GmbH3*** vom ist an den Masseverwalter in Konkurs der ***4*** adressiert und lautet: "Sie erhalten das Mail nun via Fax inkl. der Attachments und die Briefe an die Leasingfirmen. Es gibt noch einen Leasingvertrag für meinen Range Rover, dieses Fahrzeug wird voraussichtlich von der Firma … aus dem Leasing ausgekauft, sobald ich die Finanzierungszusage für das neue Auto habe. Zusätzlich erhalten Sie noch den Brief an die Kunden, der mit Herrn … und Herrn … anlässlich des Meetings bei mir im Haus besprochen wurde".
• Die Mail vom an den Steuerberater der Bf. lautet: "Ich habe wie versprochen gekramt... Als erstes ein Fax an den Masseverwalter vom , in dem ich auf ein Gespräch hier im Haus und auf den Kundenbrief verweise. Damit ist bewiesen, dass ich im Beisein von meinem Anwalt das Thema mit dem Masseverwalter erörtert habe. Dann bekommen Sie einen Brief der ***GmbH4*** an den Masseverwalter vom , den mir der Masseverwalter am weitergeleitet hat, in dem die Verträge gekündigt werden und die ***GmbH4*** darauf verweist, dass Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden könnten...". Diese Mail hat die Bf. namens der ***GmbH3*** an den Steuerberater gesandt.
• Der an die ***4*** adressierte eingeschriebene Brief lautet:
"Zug,
***GmbH4***
Kündigung Lizenzvertrag
[...]
Freundliche Grüße
***GmbH4*** ***GmbH4***
***3***, Rechtsanwalt".
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Der Vorlageantrag vom ist frist- und formgerecht eingebracht. Deshalb scheiden die beiden Beschwerdevorentscheidungen vom aus dem Rechtsbestand aus und die Beschwerde vom gilt als unerledigt.
Die Beschwerde vom lautet: "Die Beschwerde richtet sich gegen die Bescheide der Höhe nach. Wir begründen unsere Beschwerde wie folgt: Wir verweisen auf unseren Wiederaufnahmeantrag betreffend Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheid 2005 vom ".
Gemäß § 85 Abs 2 Bundesabgabenordnung - BAO idgF sind Beschwerden nicht formgerecht, wenn die gemäß § 250 Abs 1 BAO idgF gesetzlich geforderten inhaltlichen Angaben fehlen. Gemäß § 250 Abs 1 BAO idgF hat eine Beschwerde u.a. die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird (lit b leg.cit.), die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden (lit c leg.cit.) und eine Begründung (lit d leg.cit.) zu enthalten.
Da die Bf. in der Beschwerde vom nur auf den die Umsatz- und Einkommensteuer 2005 betreffenden Wiederaufnahmeantrag vom verwiesen hat, ist die Beschwerde inhaltlich mangelhaft.
Deshalb hat das Bundesfinanzgericht den Mängelbehebungsbeschluss vom erlassen und hat die Bf. aufgefordert, ihre Beschwerde innerhalb einer ihr gesetzten und später verlängerten Frist zu verbessern, was die Bf. auch fristgerecht getan hat. Da die fristgerecht eingebrachte Beschwerde nach der rechtzeitigen und vollständigen Mängelbehebung auch formgerecht eingebracht ist, ist über die Beschwerde "in der Sache" zu entscheiden.
Aus der Beschwerde vom in der verbesserten Fassung wird festgestellt, dass der Wiederaufnahmeantrag vom nicht (mehr) Bestandteil dieser Beschwerde ist. Alle Beschwerdepunkte sind daher der Beschwerde vom in der verbesserten Fassung und dem Vorlageantrag vom zu entnehmen.
In der verbesserten Fassung der Beschwerde vom behauptet die Bf., dass die Einkommensteuerfestsetzung 2007 und 2008 verjährt ist: Gemäß § 207 Abs 1 und 2 BAO idgF beträgt das Recht, die Einkommensteuer festzusetzen, fünf Jahre. Die Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 208 Abs 1 lit a BAO). Der Abgabenanspruch für die Einkommensteuerfestsetzung 2007 beginnt, nachdem das Jahr 2007 geendet hat, weshalb die Einkommensteuerfestsetzung 2007 ab verjährt ist. Der Abgabenanspruch für die Einkommensteuerfestsetzung 2008 beginnt, nachdem das Jahr 2008 geendet hat, weshalb die Einkommensteuerfestsetzung 2007 ab verjährt ist. Das Finanzamt hat die Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 am erlassen. Sie sind daher erlassen worden, bevor die Einkommensteuerfestsetzung verjährt ist.
Das Beschwerdebegehren, die angefochtenen Bescheide wegen verjährter Abgabenfestsetzung aufzuheben, wird daher abgewiesen.
Da das Recht, die Einkommensteuer 2007und 2008 festzusetzen, nicht verjährt ist, ist über folgende Beschwerdepunkte der Bf. zu entscheiden: (A) Sind von der Bf. veruntreuten Gelder einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 45.189,72 (im Jahr 2007) und EUR 217.019,73 (im Jahr 2008)? (B) Ist der Firmenwert der ***GmbH2*** in Höhe von EUR 22.443,41 (im Jahr 2007) und EUR 24.283,41 (im Jahr 2008) abschreibbar? Sind mit dem Firmenwert zusammenhängende Zinsen aus übernommenen Krediten in Höhe von EUR 21.292,15 (im Jahr 2007) und EUR 20.879,23 (im Jahr 2008) als Betriebsausgaben abziehbar? und (C) Sind die als Prozesskosten "Firmenwert" aktivierten Vergleichszahlungen in Höhe von EUR 42.000,00 (im Jahr 2007) und in Höhe von EUR 23.000,00 (im Jahr 2008) oder verteilt auf 15 Jahre in Höhe von EUR 2.800,00 (im Jahr 2007) und EUR 4.640,00 (im Jahr 2008) als Betriebsausgaben abziehbar?
Das Bundesfinanzgericht stellt fest, dass die Ausgaben für die privat verwendete Kamera (EUR 1.499,00) nicht einkünfteerhöhend festgesetzt sind und bestreitet die Richtigkeit der Bemessungsgrundlagen in diesem Punkt (siehe Pkt. (D) der Entscheidung).
Da die angefochtenen Bescheide vorläufig erlassen sind, hat das Bundesfinanzgericht auch darüber zu entscheiden, ob sie endgültig zu erklären sind (siehe Pkt. (E) der Entscheidung).
Über alle strittigen Punkte ist festzustellen und wie folgt zu entscheiden:
(A) Sind von der Bf. veruntreuten Gelder einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 45.189,72 (2007) und EUR 217.019,73 (2008)?
Sach- und Beweislage:
Der Entscheidung über diesen Beschwerdepunkt wird erstens die aus den Verwaltungsakten sich ergebende Sach- und Beweislage zugrunde gelegt, dass die Bf. vor, während und nach den Streitjahren 2007 bis 2008 Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowohl erzielt als auch erklärt hat und dass sie zweitens am ***1*** wegen Veruntreuung angeklagt und seit ***2*** wegen Veruntreuung rechtskräftig verurteilt ist.
Wird jemand wegen einer gerichtlich strafbaren Tat verurteilt, ermittelt die dem Strafurteil zugrundeliegende Sach- und Beweislage eine Staatsanwältin oder ein Staatsanwalt. Da aus § 183 Abs 2 Bundesabgabenordnung (BAO) ableitbar ist, dass Beweise grundsätzlich nicht unmittelbar aufgenommen werden müssen, darf auch folgende laut Anklageschrift vom ***1*** von der Staatsanwaltschaft ermittelte Sach- und Beweislage der Entscheidung über den Beschwerdepunkt zugrunde gelegt werden: Die ***GmbH*** hat mit der namens ihrer Einzelhandelsfirma ***GmbH3*** auftretenden Bf. einen (entgeltlichen) Werkvertrag geschlossen und hat die Bf. seit Juni 2005 unter anderem beauftragt, Zahlungsvorschlagslisten für offene Rechnungen zu erstellen. Die Bf. hat diesen Auftrag missbraucht, um im Kalenderjahr 2007 EUR 45.189,72 und im Kalenderjahr 2008 EUR 217.019,73, die nicht das Entgelt für die auf Werkvertragsbasis erbrachten Leistungen sind, von den Konten der ***GmbH*** auf ihre eigenen Konten zu überweisen oder überweisen zu lassen.
Zur entscheidungsrelevanten Sachlage gehört auch, dass EUR 45.189,72 im Kalenderjahr 2007 und EUR 217.019,73 im Kalenderjahr 2008 als gewerbliche Einnahmen veranlagt worden sind.
Rechtslage, rechtliche Würdigung und Entscheidung:
Gemäß § 23 Abs 1 Einkommensteuergesetz - EStG 1988 idgF sind die Einkünfte aus einer selbständigen, nachhaltigen Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft noch als selbständige Arbeit anzusehen ist.
Welche Einnahmen gewerbliche Betriebseinnahmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988 sind, wird im Einkommensteuergesetz 1988 nicht ausdrücklich definiert. Jedoch hat der Verwaltungsgerichthof beispielsweise in den Erkenntnissen , , und den in beiden Erkenntnissen zitierten Vorjudikaten mit "Für andere Einkunftsarten gilt Entsprechendes" ausgesprochen, dass die zu den nichtselbständigen Einkünften ergangenen Entscheidungen auch auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb anwendbar sind.
In , hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden: "Wenn ein Dienstnehmer eine ihm durch das Dienstverhältnis gebotene Gelegenheiten nutzt, um sich zu bereichern, und solcherart Vorteile erzielt, liegen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zählen nämlich nicht nur die im Dienstvertrag vereinbarten Entgelte, sondern auch alle anderen Vorteile, zu denen auch solche gehören, auf die kein Rechtsanspruch besteht und die sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers - etwa durch Veruntreuung oder Untreue - verschafft. In , hat der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsprechung bestätigt.
Wird diese VwGH-Rechtsprechung auf gewerbliche Betriebseinnahmen angewendet, sind alle betrieblich veranlassten Wertzugänge in Geld oder geldwerten Vorteilen ohne bestehendem Rechtsanspruch gewerbliche Betriebseinnahmen, wenn sie mittelbar mit gewerbebetrieblichen Vorgängen zusammenhängen.
Von dieser VwGH-Rechtsprechung ausgehend wird über die von der Bf. veruntreuten Gelder festgestellt:
Die Bf. hat einen entgeltlichen Werkvertrag mit der ***GmbH*** geschlossen und hat für die ***GmbH*** die im Werkvertrag vereinbarten Leistungen erbracht. Da alle von der Bf. erzielten und erklärten Einkünfte unstrittig (einkommensteuerpflichtige) Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 23 Abs 1 EStG 1988 idgF sind, sind auch die im Werkvertrag mit der ***GmbH*** vereinbarten Entgelte gewerbliche einkommensteuerpflichtige Betriebseinnahmen.
Sind die im Werkvertrag mit der ***GmbH*** vereinbarten Entgelte gewerbliche einkommensteuerpflichtige Betriebseinnahmen, sind von der Bf. veruntreuten Gelder einkommensteuerpflichtige Einnahmen aus Gewerbebetrieb, wenn ein Kausalzusammenhang zwischen dem Werkvertrag mit der ***GmbH*** und den veruntreuten Geldern besteht.
Eine laut Werkvertrag von der Bf. zu erbringende Leistung hat darin bestanden, Zahlungsvorschlagslisten für offene Rechnungen der ***GmbH*** zu erstellen, was der Bf. ermöglicht hat, Gelder der ***GmbH*** zu überweisen oder überweisen zu lassen. Hätte die Bf. keinen Werkvertrag mit der ***GmbH*** geschlossen, hätte sie keine Zahlungsvorschlagslisten erstellen müssen und hätte keine Gelder der ***GmbH*** von deren Konten auf ihre eigenen Konten überweisen können oder überweisen lassen können. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den von der Bf. veruntreuten EUR 45.189,72 und EUR 217.019,73 und dem gewerbebetrieblichen Vorgang "Werkvertrag mit der ***GmbH***" ist daher zu bejahen und festzustellen, dass die von der Bf. veruntreuten EUR 45.189,72 und EUR 217.019,73 auch einkommensteuerpflichtige Einnahmen aus Gewerbebetrieb sind.
Die Bf. hat in ihren Schriftsätzen die Einkommensteuerrichtlinien EStR 2000, Rz 5416, und verschiedene Erkenntnisse zitiert um darzulegen, dass veruntreute Gelder keine gewerblichen Betriebseinnahmen sind. Diesem Beschwerdevorbringen wird entgegengehalten:
• Wenn die Bf. vorbringt, dass wer veruntreut nicht am Güter- und Leistungsaustausch und am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, betrachtet sie die veruntreuten Gelder für sich alleine, was laut EStR 2000, Rz 5416, nicht zulässig ist und ignoriert, dass die veruntreuten Gelder kausal mit dem Werkvertrag mit der ***GmbH*** und deshalb mit einkommensteuerpflichtigen gewerblichen Betriebseinnahmen der Bf. zusammenhängen.
• Wenn die Bf. zu den Erkenntnissen (Beratung als gewerbliche Tätigkeit), und (wann liegt eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vor) ausgeführt, dass sie Gelder veruntreut habe, sei nach außen hin erkennbar gewesen und außerdem sei davon auszugehen, dass niemand einer Veruntreuung bedürfe, betrachtet sie auch die veruntreuten Gelder für sich alleine, was nach den vorzit. Erkenntnissen nicht zulässig ist und ignoriert, dass die veruntreuten Gelder kausal mit dem Werkvertrag mit der ***GmbH*** und deshalb mit einkommensteuerpflichtigen gewerblichen Betriebseinnahmen der Bf. zusammenhängen.
• In , hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, wann eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliegt: Ob sich die Bf. am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt hat, als sie Gelder veruntreut hat, ist irrelevant, da sie sich mit ihrer (unstrittig) gewerblichen Tätigkeit am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt und die sich dabei bietende Gelegenheit genützt hat, um Gelder zu veruntreuen.
• In , hat der Verwaltungsgerichtshof über eine verdeckte Ausschüttung entschieden: Eine verdeckte Ausschüttung hat im Beschwerdefall nicht stattgefunden, weshalb das Erkenntnis , nicht anwendbar ist.
• In , ist ein Rechtsanwalt nur deshalb vom Vorwurf des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung freigesprochen worden, weil kriminelle Geldbeschaffung durch Veruntreuung und Untreue unter Ausnützung einer dem Täter durch seine Berufstätigkeit als Rechtsanwalt gebotene Gelegenheit keine Einkünfte aus der Berufstätigkeit der Rechtsanwälte nach § 22 Z 1 lit b EStG 1988 idgF begründen und der vom Erstgericht herangezogene § 15 EStG 1988 idgF nicht auf Einkünfte aus der Berufstätigkeit der Rechtsanwälte nach § 22 Z 1 lit b EStG 1988 idgF anwendbar ist: Die Bf. hat keine Einkünfte aus der Berufstätigkeit der Rechtsanwälte nach § 22 Z 1 lit b EStG 1988 idgF sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weshalb die oben zitierte Entscheidung auf den Beschwerdefall der Bf. nicht anwendbar ist.
• Im Urteil BFH vom , VIII R 19/12, hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Fremdgelder, die ein Rechtsanwalt in fremdem Namen und für fremde Rechnung vereinnahmt jedoch für eigene Zwecke verwendet hat, nicht die Eigenschaft als durchlaufende Posten verlieren und deshalb im Rahmen der Einnahmenüberschussrechnung nicht in die Gewinnermittlung einzubeziehen sind: Die Bf. hat keine Gelder in fremdem Namen und für fremde Rechnung vereinnahmt und ist auch keine Rechtsanwältin, weshalb die von ihr veruntreuten Gelder keine durchlaufenden Posten sind.
• Der "strafbestimmende Wertbetrag" ist ein Begriff aus dem Finanzstrafverfahren, der in Abgabenverfahren mangels gesetzlicher Bestimmungen nicht anwendbar ist. Übersteigt er EUR 100.000,00, wird keine OGH-Zuständigkeit in Abgabenverfahren begründet.
Die v.a. Ausführungen zusammenfassend wird festgestellt, dass die 2007 veruntreuten EUR 45.189,72 und die 2008 veruntreuten EUR 217.019,73 nach der hier anzuwendenden ständigen VwGH-Rechtsprechung (auch) einkommensteuerpflichtige Einnahmen aus Gewerbebetrieb sind.
Das Beschwerdebegehren, die veruntreuten EUR 45.189,72 (2007) und EUR 217.019,73 (2008) nicht als einkommensteuerpflichtige Einnahmen aus Gewerbebetrieb zu veranlagen, wird daher abgewiesen.
(B) Ist der Firmenwert der ***GmbH2*** in Höhe von EUR 22.443,41 (2007) und EUR 24.283,41 (2008) abschreibbar? Sind mit dem Firmenwert zusammenhängende Zinsen aus übernommenen Krediten in Höhe von EUR 21.292,15 (2007) und EUR 20.879,23 (2008) als Betriebsausgaben abziehbar?
Gemäß § 4 Abs 4 Einkommensteuergesetz - EStG 1988 idgF sind Betriebsausgaben die durch den Betrieb veranlassten Aufwendungen oder Ausgaben. Dass sie betrieblich veranlasst sind, ist nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen.
Wann immer vom Firmenwert der ***GmbH2*** und den mit dem Firmenwert zusammenhängenden Zinsen die Rede ist, verweist die Bf. auf die Entscheidung . In , wird festgestellt, dass die Bf. den Kundenstock der im Jahr 2005 in Konkurs gegangenen ***GmbH2*** nicht im zweiten Halbjahr 2005 gegen Übernahme von Bankverbindlichkeiten erworben hat. Der "Firmenwert" der ***GmbH2*** ist daher der Kundenstock der ***GmbH2***, den die Bf. nicht erworben hat. Nicht erworbene Firmenwerte sind nicht aktivierbar und sind daher auch nicht abschreibbar.
Hat die Bf. den "Firmenwert" = Kundenstock der ***GmbH2*** GmbH nicht erworben, sind alle in Verbindung mit ihm stehende Zinsen aus Bankverbindlichkeiten nicht betrieblich veranlasst und sind daher keine Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs 4 EStG 1988 idgF.
Im Vorlageantrag behauptet die Bf., in , Seite 5 Absatz 2, werde festgestellt, dass die Übernahme des Kundenstocks der ***GmbH2*** gegebenenfalls im Februar oder März 2010 hätte erfolgen müssen: Das Kalenderjahr 2010 ist nicht das Streitjahr in diesem Beschwerdeverfahren, weshalb das Bundesfinanzgericht dieses Beschwerdevorbringen ignorieren darf.
Das Beschwerdebegehren, den "Firmenwert" der ***GmbH2*** in den Streitjahren abzuschreiben und mit diesem Firmenwert zusammenhängenden Zinsen als Betriebsausgaben anzuerkennen, ist daher abzuweisen.
(C) Vergleichszahlungen als Betriebsausgaben in Höhe von EUR 42.000,00 (2007) und EUR 23.000,00 (2008) oder verteilt auf 15 Jahre in Höhe von EUR 2.800,00 (2007) und EUR 4.640,00 (2008):
Der Entscheidung über diesen Beschwerdepunkt wird folgende Sach- und Beweislage zugrunde gelegt: Die Bf. hat die Vergleichszahlungen als Prozesskosten - Firmenwert aktiviert. Den die Zahlungen betreffenden Vergleich hat sie nicht vorgelegt, obwohl sie dazu wiederholt aufgefordert worden ist. Die Bf. hat nicht mittels Zahlungsbelegen nachgewiesen, dass und wann sie Vergleichszahlungen geleistet hat.
Wie bereits in Pkt. (B) ausgeführt, hat die Bf. einen "Firmenwert" nicht übernommen. Deshalb sind alle in Verbindung mit einem "Firmenwert" stehende Ausgaben keine Betriebsausgaben. Vergleichszahlungen sind daher weder zur Gänze noch verteilt auf 15 Jahre als Betriebsausgaben absetzbar. Das Beschwerdebegehren, die Vergleichszahlungen zur Gänze als Betriebsausgaben anzuerkennen, ist daher abzuweisen.
(D) Ausgaben für die privat verwendete Kamera (EUR 1.499,00):
In Tz. 8 des Außenprüfungsberichtes wird festgestellt, dass eine Kamera um EUR 1.499,17 privat angeschafft und deshalb keine Betriebsausgabe ist. In Tz. 10 des Außenprüfungsberichtes wird bei der Position "private Anschaffung (Tz. 8)" offenbar irrtümlich keine Zahl eingetragen. Die Berechnung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb (2007) laut Tz. 10 des Außenprüfungsberichtes ist daher dahingehend zu berichtigen, dass EUR 1.499,17 einkünfteerhöhend hinzugerechnet werden.
(E) Gemäß § 200 Abs 1 BAO vorläufige Einkommensteuerbescheide (2007, 2008):
Gemäß § 200 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) kann die Abgabenbehörde eine Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Die Abgabe kann auch dann vorläufig festgesetzt werden, wenn die Abgabepflicht oder der Umfang der Abgabepflicht auf Grund einer noch ausstehenden Entscheidung einer Rechtsfrage in einem bereits anhängigen Beschwerdeverfahren, welches die gleiche Partei betrifft, noch ungewiss ist.
Die vorläufig erlassenen Bescheide hat das Finanzamt mit den Beschwerdevorentscheidungen vom zwar endgültig erklärt, jedoch scheiden diese Beschwerdevorentscheidungen mit dieser Entscheidung aus dem Rechtsbestand aus. Das Bundesfinanzgericht hat daher auch darüber zu entscheiden, ob die vorläufig erlassenen angefochtenen Bescheide endgültig zu erklären sind.
Was bisher ungewiss gewesen ist, wird mit dieser Entscheidung beseitigt. Die gemäß § 200 Abs 1 BAO vorläufigen Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 werden daher gemäß § 200 Abs 2 BAO endgültig erklärt.
(F) Bemessungsgrundlagen und Abgabenberechnung laut BFG:
Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (2007 und 2008) betragen:
(G) Revision
Gemäß Art 133 Abs 1 Z 4 B-VG ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen Erkenntnisse oder Beschlüsse des Bundesfinanzgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt.
Grundsätzlich bedeutende Rechtsfragen mussten nicht beantwortet werden: Welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit veruntreute Gelder einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind, hat der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise in , und , entschieden. Ob die Bf. einen Firmenwert durch übernommene Bankverbindlichkeiten erworben hat und ob sie Vergleichszahlungen in den Streitjahren geleistet hat, sind Sachfragen.
Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 23 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7106097.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at