Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.06.2023, RV/7101368/2023

FLAG: Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid; 3. Antrag über denselben Zeitraum: res iudicata. Überdies kein rechtmäßiger Aufenthaltstitel iSd § 8 NAG.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , mit dem der Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum September 2019 bis Mai 2022 zurückgewiesen wurde, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist ukrainische Staatsbürgerin und wohnt seit in Österreich. Sie hat einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" (§ 8 Abs. 1 Z 2 NAG).

Der am ***Datum***2007 geborene Sohn S. ist im September 2019 in Österreich eingereist. Am wurde der Antrag auf den NAG-Titel für S. bei der Magistratsabteilung 35, Wien (MA35), gestellt.

Erster Antrag der Bf.:

Die Bf. stellte am einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für S. ab September 2019 (= Einreise in Österreich).

Mit Vorhalt vom wurde die Bf. aufgefordert, einen Nachweis über den rechtmäßigen Aufenthalt (NAG-Karte bzw. falls vorhanden EU/EWR-Anmeldebescheinigung), einen Einkommensnachweis sowie eine Bestätigung von S. für das Schuljahr 2019/2020 bis vorzulegen.

Am langte ein Fristverlängerungsansuchen für den Vorhalt bis ein. Dem Schreiben war die Einreichbestätigung bei der MA35 vom beigefügt.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Bf. ab September 2019 ab, da die abverlangten Unterlagen binnen der gesetzten Frist nicht nachgereicht wurden.

Zweiter Antrag der Bf.:

Am stellte die Bf. über Finanz Online einen weiteren Antrag für S., diesmal ohne Antragsdatum. Der NAG-Titel der Bf. (RWR-Karte Plus gültig vom bis ) wurde beigelegt.

Mit Schreiben vom wurde die Bf. um Vorlage eines Nachweises über den rechtmäßigen Aufenthalt (z. B. NAG-Karte) von S. bis aufgefordert.

Nachdem binnen der gesetzten Frist kein Nachweis vorgelegt wurde, erging an die Bf. am ein Erinnerungsschreiben.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab September 2019 ab, da die Bf. die abverlangten Unterlagen nicht vorlegte und somit ihrer Mitwirkungspflicht (§ 119 Bundesabgabenordnung) nicht nachkam.

Dritter Antrag der Bf.:

Am brachte die Bf. erneut einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für S. ab September 2019 über FinanzOnline ein und fügte den Bescheid für S. - RWR-Karte plus, gültig vom bis , bei.

Das Finanzamt gewährte der Bf. in der Folge die Familienbeihilfe für S. von Juni 2022 bis Juni 2023.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Bf. auf Gewährung der Familienbeihilfe ab September 2019 für den Zeitraum September 2019 bis Mai 2022 mit der Begründung zurückgewiesen, dass über den Zeitraum bereits rechtskräftig abgesprochen worden sei.

Gegen den Zurückweisungsbescheid wurde von der Bf. am Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass sich S. seit September 2019 in Österreich befinde. Am sei ein Antrag für einen Aufenthaltstitel bei der MA 35 gestellt worden. Der Antrag sei mit der Geschäftszahl GZ am positiv entschieden worden. S. besuche auch seit September 2019 die Schule. Alle Unterlagen seien bereits beim Finanzamt eingebracht worden. Demnach werde der Antrag auf die rückwirkende Gewährung der Familienbeihilfe für S. gestellt.

Die Beschwerde wurde vom Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom mit folgender Begründung abgewiesen:

"Ihr Kind hält sich nicht rechtmäßig in Österreich auf. Es besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe (§ 3 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes).

Gemäß § 3 Abs. 2 FLAG 1967 (Familienlastenausgleichsgesetz 1967):

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes) oder nach § 54 AsylG (Asylgesetz 2005) rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Ihr Sohn S. ist im September 2019 in Österreich eingereist.

Sie haben für S. am beim Magistrat der Stadt Wien MA35 einen Antrag auf die Ausstellung eines Aufenthaltstitels, Aufenthaltszweck: Rot-Weiß-Rot-Karte plus gestellt.

Der Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot-Karte plus wurde von der Behörde am ausgestellt. Gültigkeitsdatum von - .

Somit liegt für S. ab dem ein gültiger Aufenthaltstitel vor. Der Anspruch auf die Familienbeihilfe ist daher ab dem gegeben und diese wurde auch ab 06/2022 gewährt und ausbezahlt.

Für den Zeitraum von 09/2019 bis 05/2022 liegt jedoch kein gültiger Aufenthaltstitel für S. vor.

Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe sind somit nicht erfüllt."

Am langte beim Finanzamt der nachstehend angeführte Vorlageantrag ein:

"1. Die von der die Berufungsvorentscheidung erlassenden Behörde für ihre Abweisung herangezogenen Gesetzesbestimmungen sind richtig zitiert.

2. Allerdings ist die getroffene "Feststellung" (rechtliche Beurteilung?) der Behörde erster Rechtsstufe, "Ihr Kind hält sich nicht rechtmäßig in Österreich auf jedenfalls unrichtig:

Schon die Verwendung der Präsensform ("...hält sich...") ist unverständlich, räumt doch die Behörde sodann selbst ein, dass für S. ab dem "ein gültiger Aufenthaltstitel vorliegt", er sich also jedenfalls gegenwärtig rechtmäßig in Österreich, aufhält. Diese Klarstellung ist zwar für die angestrebte Entscheidung nicht maßgeblich, beleuchtet aber die grundsätzliche Unrichtigkeit der Berufungsvorentscheidung.

3. S. hält sich also seit September 2019 in Österreich bei seiner (mit gültigem Aufenthaltstitel ausgestatteter) Mutter ***Bf1*** auf (er geht seit Jahren zur Schule, verfügt über eine Sozialversicherung), die Ausstellung eines Aufenthaltstitels (Rot Weiß Rot Karte plus) wurde am beantragt.

4. Anspruch auf die Gewährung der Familienbeihilfe gem. § 3 Abs 2 FLAG haben Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG (oder § 54 AsylG 2005) rechtmäßig in Österreich aufhalten.

a. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin ist bei der Beurteilung, ob der Aufenthalt ihres Sohnes S. "rechtmäßig" war, nicht darauf abzustellen, wann die dafür zuständige Behörde über einen darauf gerichteten Antrag (positiv) abgesprochen hat.

Es ist vielmehr zu fragen, ob dieser Aufenthalt - ex post beurteilt- rechtmäßig war, also die Voraussetzungen für die Bewilligung von Beginn des Aufenthaltes gegeben waren.

Wenn -wie hier- dem Sohn der Beschwerdeführerin der beantragte Titel zugesprochen wurde, war sein Aufenthalt von Beginn an rechtmäßig.

b. Es wäre vollkommen unsachgemäß, die - Rechtsfolgen und Ansprüche wie z.B. hier - Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes erst mit einem Behördenakt zu verknüpfen. Es würde doch nachgerade Willkür sein, wenn z.B. die Säumnis einer Behörde bei der Entscheidung über einen Aufenthaltstitel die Vernichtung eines davon abhängenden Anspruches für die Zeit der Säumnis herbeiführen könnte.

c. Dabei ist ein Unterschied zu dem von § 3 Abs 3 FLAG genannten Fall der Asylgewährung zu machen, zu dem der VwGH in seiner Rechtsprechung (z.B. E , 2006/15/0098) meint, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes der Beihilfeanspruch erst dann entstehe, wenn tatsächlich schon Asyl gewährt wurde.

Das Argument des VwGH dort, dass es der klare Wortlaut des Gesetzes sei, der darauf abstellt, dass Asyl schon gewährt sein muss, spricht im hier vorliegenden Fall für den Standpunkt der Beschwerdeführerin: hätte der Gesetzgeber nämlich auch bei dem Kriterium der "Rechtmäßigkeit" des Aufenthaltes auf einen bereits erteilten Titel abstellen wollen, so hätte er dies so formuliert (und nicht nur auf die Voraussetzungen nach dem NAG verwiesen).

Es ergeht daher der ANTRAG der Beschwerde Folge zu geben und dem die Gewährung der Familienbeihilfe im beantragten Umfang zu bewilligen."

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor und beantragte im Vorlagebericht die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf. stellte für ihren Sohn S. am einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab September 2019.

Der Antrag wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom abgewiesen, da die abverlangten Unterlagen binnen der gesetzten Frist nicht vorgelegt wurden.

Am erfolgte ein weiterer Antrag über Finanz-Online, diesmal ohne Antragsdatum.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag ab September 2019 ab, da die Bf. ihrer Mitwirkungspflicht zur Vorlage der abverlangten Unterlagen nicht nachgekommen war.

Gegen den Bescheid vom wurde kein Rechtsmittel erhoben.

Am brachte die Bf. erneut einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihren Sohn über Finanz-Online ein und fügte den nunmehr vorliegenden Bescheid über den Aufenthaltstitel ihres Sohnes (RWR-Karte Plus, gültig vom bis ) bei.

Die Familienbeihilfe wurde für S. von Juni 2022 bis Juni 2023 gewährt.

Der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab September 2019 wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom für den Zeitraum September 2019 bis Mai 2022 zurückgewiesen, da über den Zeitraum bereits rechtskräftig abgesprochen wurde.

Gegen den Zurückweisungsbescheid wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Familienbeihilfenakt und ist unstrittig.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 2 lit. a BAO ist die Bundesabgabenordnung sinngemäß in Angelegenheiten der Familienbeihilfe anzuwenden.

§ 97 Abs 1 BAO lautet: Erledigungen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;

b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung.

§ 10 Abs 2 FLAG 1967 lautet:

Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des FLAG ist grundsätzlich die Klärung der Frage, ob Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, jeweils für den einzelnen Monat zu treffen, wobei eine diesbezügliche Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen immer ein zeitraumbezogener Anspruch ist. Ein derartiger Ausspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des betreffenden Bescheides ().

Nach der Aktenlage ergibt sich für den Beschwerdezeitraum (September 2019 bis Mai 2022), dass mit Abweisungsbescheid vom , das Nichtbestehen eines Anspruchs der Bf. auf Familienbeihilfe für S. durch das Finanzamt festgestellt wurde.

Da die Bf. keine Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom erhoben hat, ist dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen.

In dem neuerlichen Antrag vom ist keine (verspätete) Beschwerde (oder ein anderer Rechtsbehelf) gegen den Abweisungsbescheid vom zu sehen. Es fehlt jeder Hinweis darauf, dass damit der Abweisungsbescheid vom bekämpft werden soll. Für eine Deutung des Zweitantrags als Rechtsbehelf gegen den Abweisungsbescheid ist demnach in den Verwaltungsakten kein Anhaltspunkt vorhanden (vgl. ).

Zu den Bescheidwirkungen zählt u.a. auch die materielle Rechtskraft. Unter materieller Rechtskraft wird die Unwiderrufbarkeit und die Unwiederholbarkeit des Bescheides verstanden (vgl. Ritz, BAO7, § 92 Tz 5). Über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen darf (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden; die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens. So ist über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden. Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen und folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (vgl. ; , m. w. N). Ergeht in derselben Sache, die unanfechtbar und unwiderrufbar entschieden ist, eine neue Entscheidung, so ist diese inhaltlich rechtswidrig (vgl. ).

Solange der Abweisungsbescheid vom dem Rechtsbestand angehört, darf kein neuerlicher Bescheid für den Zeitraum erlassen werden, über den mit diesem Bescheid gemäß § 13 FLAG 1967 abgesprochen wurde. Diesbezüglich liegt entschiedene Sache vor (vgl. ; ; ; ).

Eine neuerliche Entscheidung ist dann zulässig, wenn eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder eine Änderung der Rechtsvorschriften, die für die frühere Entscheidung tragend waren, eingetreten ist (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Tz 463; sowie Hebenstreit in Czaszar/Lenneis/ Wanke, FLAG, § 13 Rz 24 ff., mit ausführlichen Hinweisen). Liegt bei entschiedener Sache eine Änderung der Sachlage vor, ist das verfahrensrechtliche Instrument zur Berücksichtigung dieser Änderung im Geltungsbereich der Bundesabgabenordnung die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO. Dies gilt, § 2 lit. a Z 1 BAO, auch in Angelegenheiten der Familienbeihilfe (vgl. ; ; ).

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Rechtssatz zum Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0003, ferner Folgendes festgehalten:

"Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. ausdrücklich , und ). Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird."

Eine Änderung der Sach- und Rechtslage ist im Beschwerdezeitraum fallgegenständlich nicht eingetreten. Die Rot-Weiß-Rot-Karte Plus für den Sohn S. wurde mit beantragt. Dieser Umstand war der Behörde hinlänglich bekannt. Bis zum Ergehen der Niederlassungsberechtigung im Juni 2022 trat insofern keine Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten ein (zu denrechtlichen Ausführungen, s. unten).

Wurde daher über den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe rechtskräftig für einen bestimmten Zeitraum (hier: September 2019 bis Mai 2022) abgesprochen und hat sich keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder eine Änderung der Rechtsvorschriften, die für die frühere Entscheidung tragend waren - was vorliegend der Fall war - kann über diesen Zeitraum nicht neuerlich entschieden werden (vgl. zB , ).

Daher erfolgte der für den Zeitraum September 2019 bis Mai 2022 spruchmäßig auf Zurückweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe lautende Bescheid völlig rechtens und war spruchgemäß zu entscheiden.

Nur informativ wird Folgendes ausgeführt:

Die Voraussetzungen für den Familienbeihilfebezug durch und für andere als österreichische Staatsbürger sind in § 3 FLAG 1967 geregelt.

Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Nach § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Fremde haben seit grundsätzlich nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 oder § 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten. Nach der geltenden Rechtslage kommt es nach Abs. 1 und Abs. 2 darauf an, ob für den Anspruchsberechtigten (Abs. 1, und das anspruchsvermittelnde Kind, Abs. 2) ein aufrechter Aufenthaltstitel nach § 8 (oder nach § 9) NAG besteht. Es besteht somit nach geltender Rechtslage kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn kein gültiger Aufenthaltstitel vorliegt, soweit nicht Abs. 3, 4, oder 5 zum Tragen kommen (vgl. , , Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Rz 145 ff).

Für den Sohn S. wurde erstmalig ein NAG-Titel, die RWR-Karte Plus, mit der Gültigkeit ab (bis ) erteilt und auf Grund dessen die Familienbeihilfe ab Juni 2022 auch gewährt.

Für den Zeitraum September 2019 bis Mai 2022 hat das Finanzamt die Familienbeihilfe zu Recht nicht gewährt, da kein gültiger Aufenthaltstitel vorgelegen ist (vgl. zB , ).

Die bloße Antragstellung oder Antragsbestätigung ist noch kein Aufenthaltstitel iSd § 8 NAG, ein Aufenthaltstitel iSd § 8 NAG liegt erst ab Beginn dessen Gültigkeit vor. Erst ab diesem Zeitpunkt ist ein nach § 8 NAG rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich gegeben (; ; ; ; ).

Gemäß § 20 Abs. 2 NAG beginnt die Wirksamkeit des Aufenthaltstitels bei Erstausstellung mit dem Ausstellungsdatum. Eine rückwirkende Erteilung eines Aufenthaltstitels ist nicht vorgesehen.

Es mag sein, dass sich S. im Beschwerdezeitraum auf Grund des § 31 FPG rechtmäßig im Inland aufgehalten hat. Darauf kommt es aber nicht an (vgl. ). Er hat im Beschwerdezeitraum aber nicht, und das ist allein nach § 3 FLAG 1967 ausschlaggebend, über einen Aufenthaltstitel nach § 8 NAG (§ 9 NAG betrifft EU-/EWR-/Schweizer Bürger; internationaler Schutz i.S. § 54 AsylG 2005 oder § 3 Abs. 3 und 4 FLAG 1967 wurde nicht gewährt) verfügt. Das Vorliegen eines aufrechten Aufenthaltstitels nach § 8 NAG ist konstitutiv für den Bezug der Familienbeihilfe (vgl. ).

Ein rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich aus anderen Gründen, ohne dass ein rechtmäßiger Aufenthalt nach §§ 8, 9 NAG oder nach § 54 Asylgesetz 2005 vorliegt, reicht nicht aus, um Anspruch auf Familienbeihilfe i.S. § 3 Abs. 1 und 2 FLAG 1967 zu begründen ().

Das BFG ist - wie sämtlich staatliche Institutionen - an das Legalitätsprinzip, somit an die geltenden Gesetze, gebunden. Aus diesem Grund besteht für das BFG kein Raum von den eindeutigen Gesetzeswortlauten der §§ 3 FLAG und 8 NAG abzugehen. Demnach hatte die Bf. für ihren Sohn von September 2019 bis Mai 2022 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

Unzulässigkeit der Revision

Eine Revision ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn ein Erkenntnis von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG kommt einer Rechtsfrage unter anderem dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Fallgegenständlich handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur folgt.

Wien, am

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