Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.07.2023, RV/5100212/2023

Anteiliger Pauschbetrag nach § 5 der VO über außergewöhnliche Belastungen trotz der Möglichkeit der ganzjährigen Vollbetreuung in einem Wohnheim

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ansgar Unterberger in der Beschwerdesache Bf, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend Einkommensteuer 2012 und 2013 und vom betreffend Einkommensteuer 2014,Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Vorbemerkung

Dieses Erkenntnis ergeht im fortgesetzten Verfahren nach der Aufhebung des Ersterkenntnisses des durch das Erkenntnis des . Im fortgesetzten Verfahren ist das Erkenntnis des VwGH bezüglich der in der Arbeitnehmerveranlagung des Bf (in der Folge: Beschwerdeführer: Bf) als behinderungsbedingte außergewöhnliche Belastung geltend gemachten

1. Fahrtkosten für Ausflüge mit seinem behinderten Sohn sowie

2. anteiligen Pauschbetrag nach § 5 Abs. 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen (in der Folge: VO)

umzusetzen. Es wird nur mehr auf die hier angeführten strittigen Punkte eingegangen. Hinsichtlich der weiteren ursprünglich strittigen Punkte wird auf das Erkenntnis des verwiesen.

Zusammengefasst führte das BFG im Ersterkenntnis zu den angeführten noch strittigen Punkten aus:

Ad 1.: Selbst wenn man einen positiven therapeutischen Effekt der Ausflüge mit dem Sohn und der Fahrten zu familiären Anlässen zugestehe, könnten die Fahrtkosten dafür nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Insbesondere würden derartige Ausflüge keine Fahrten zu Heilbehandlungen und somit keine Kosten der Heilbehandlung im Sinne des § 4 der VO darstellen. Diesen würde auch das Moment der Außergewöhnlichkeit fehlen, weil Kosten für derartige Fahrten bzw. Ausflüge auch in Familien ohne beeinträchtigte Mitglieder anfallen würden.

Ad 2.: Hinsichtlich des Pauschbetrages gemäß § 5 der VO (monatlich € 262,00 vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen) vermindere sich dieser Betrag pro Tag des Aufenthaltes in einem Vollinternat um ein Dreißigstel. Da sich der Sohn in etwa an 150 Tagen des Jahres im Haushalt des Bf befinde, müssten nach Ansicht des Bf trotz der Möglichkeit der Vollverpflegung im Wohnheim an 365 Tagen im Jahr 150 Dreißigstel von 262,00 (jährlich: € 1.310,00) als Mehraufwendung berücksichtigt werden. Nach Ansicht des BFG könnten aber nur Kosten berücksichtigt werden, die außergewöhnlich und (hier aus sittlichen Gründen) zwangsläufig anfallen. Davon zu unterscheiden seien nicht außergewöhnliche und nicht zwangsläufig erwachsende Unterhaltskosten infolge des Aufenthaltes des Sohnes im Haushalt des Bf. Festzustellen sei daher, an wie vielen Tagen die Vollunterbringung im Wohnheim aus sittlichen und gesundheitlichen Gründen zwangsläufig nicht genutzt werden könne. Das BFG ging im Schätzungsweg davon aus, dass diese Voraussetzung an zwei Tagen alle zwei Wochen und an einigen Feiertagen erfüllt sei. Somit ergebe sich ein zu berücksichtigender Betrag iHv € 523,80 (26 x 2 Tage plus 8 Feiertage: 60 Tage).

Der VwGH stellte dazu zusammengefasst fest (im Detail siehe unten):

Ad 1.: Nicht sämtliche Aufwendungen oder Fahrtkosten, die einen positiven therapeutischen Effekt haben, führen nach der Judikatur des VwGH und VfGH zu außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988. Dies ist aber Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 4 der VO. Es müssten dafür Aufwendungen vorliegen, die mit ärztlich verordneten Maßnahmen oder institutionellen Betreuungsformen in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Eine ärztliche Verordnung oder ein entsprechender Therapieplan als Nachweis der medizinischen Notwendigkeit der Ausflüge und Fahrten wurde weder festgestellt noch vorgelegt. Das BFG hat das Vorliegen außergewöhnlicher Belastungen infolge der Fahrtkosten iZm Ausflügen und Familienfeiern somit zu Recht verneint.

Ad 2.: Dem § 5 der VO ist nicht zu entnehmen, dass nur eine bestimmte Anzahl an Hausbetreuungstagen zur Geltendmachung des anteiligen Pauschbetrages berechtigen würde. Auch die Möglichkeit der Vollbetreuung an 365 Tagen im Wohnheim ändert nichts daran, dass an Hausbetreuungstagen Mehraufwendungen aus der Betreuung des Sohnes erwachsen, die mit dem Pauschbetrag abgegolten werden sollen. Das BFG hat daher die Rechtslage verkannt, wenn es den Pauschbetrag anstatt für die festgestellten 150 Tage in Hausbetreuung nur für 60 Tage anerkannt hat.

Hinsichtlich des bis zur Entscheidung des VwGH verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie des festgestellten Sachverhaltes und der Beweiswürdigung wird auf das Erkenntnis des verwiesen.

I. Verfahrensgang im fortgesetzten Verfahren

Unter Vorhalt der Rz 14 und 16 des aufhebenden VwGH Erkenntnisses wurde der Bf mit einem Schreiben vom eingeladen, als Nachweis der medizinischen Notwendigkeit für die geltend gemachten Fahrtkosten eine im Vorfeld der durchgeführten Fahrten erstellte ärztliche Verordnung, einen diesbezüglichen Therapieplan oder den Zusammenhang der Fahrten mit institutionellen Betreuungsformen nachzuweisen.

Mit dem gleichen Schreiben wurde das Finanzamt um Stellungnahme zur Anerkennung der 150 Tage häuslicher Betreuung ersucht. Das Wohnheim habe im Schreiben vom bestätigt, dass der Sohn des Bf die Wochenenden, seinen Urlaub und Krankheitstage zu Hause bei seinen Eltern verbracht hätte. Die anzuerkennende ausßergewöhnliche Belastung würde sich demnach um € 786,00 (262,00 : 30 = 8,73 x 90 = 786,00; € 523,80 für 60 Tage bereits anerkannt) erhöhen.

Der Amtsvertreter teilt am per Mail mit, dass hinsichtlich der Anerkennung der 150 Tage häusliche Betreuung keine weitere Stellungnahme erfolgen werde.

Am teilte der Richter der Gattin des Bf aufgrund deren telefonischer Nachfrage mit, wie der Vorhalt vom und die zitierten Aussagen des VwGH zu verstehen seien. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass eine im Vorfeld der Fahrten ausgestellte ärztliche Verordnung oder ein entsprechender Therapieplan vorliegen müsse, weil ansonste davon auszugehen sei, dass bei derartigen Aufwendungen nicht abzugsfähige Kosten der allgemeinen Lebensführung vorliegen würden. Eine seitens des Bf vom behandelnden Arzt angeforderte ärztliche Bestätigung, dass die Fahrten eine positive Wirkung auf die Gesundheit des Sohnes hätten, würde dem vom VwGH geforderten Nachweis nicht entsprechen.

Am übermittelte der Bf per Mail seine Stellungnahme. Er führte darin aus, dass die geforderten Nachweise nach derart langer Verfahrenszeit im Nachhinein "natürlich" nicht mehr vorgelegt werden könnten. Es sei bedenklich, dass die "Glaubhaftigkeit" der Eltern angezweifelt werde, da die Fahrten zu einem beachtlichen Erfolg geführt hätten. Ein Therapieplan wäre auch nicht zielführend gewesen, da der Sohn mit "professionellen Therapeuten" nicht kommuniziere. Beigelegt war dem Schreiben eine ärztliche Verordnung einer Hippotherapie zur Verbesserung der Körperhaltung und Stabilität vom . Auf der Verordnung findet sich auch eine vom verordnenden Arzt ausgestellte Diagnose.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

In Ergänzung zum im Ersterkenntnis festgestellten Sachverhalt und der dort angeführten Beweiswürdigung wird festgehalten, dass trotz Aufforderung weder eine ärztliche Verordnung oder ein Therapieplan, in dem die durchgeführten Fahrten mit dem Sohn eingebunden sind, vorgelegt wurde. Auch ein Zusammenhang der Fahrten mit institutionellen Betreuungsformen wurde nicht nachgewiesen. Es ist somit davon auszugehen, dass allgemeine Kosten der Lebensführung vorliegen, die auch bei Familien ohne beeinträchtige Mitglieder anfallen können.

Das Gericht geht davon aus, dass infolge der Auskunft des Wohnheimes vom , den Ausführungen des Bf gefolgt werden kann und der Sohn des Bf sich jährlich 150 Tage in häuslicher Betreuung bei den Eltern befindet.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Rechtliche Grundlagen

§ 34 Abs. 6 Teilstrich 4 EStG 1988 sowie der Schlussteil dieses Absatzes lauten:

"(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

[...]

- Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

[...]

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."

§ 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 91/1998 und § 5 dieser Verordnung in der Fassung BGBl. II Nr. 416/2001 lauten:

"§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.

(2) Bei Unterbringung in einem Vollinternat vermindert sich der nach Abs. 1 zustehende Pauschbetrag pro Tag des Internatsaufenthaltes um je ein Dreißigstel.

(3) Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder - oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."

Erwägungen des VwGH im Erkenntnis vom , Ro 2021/15/0005

Zu den Fahrtkosten für Ausflüge und Familienfeiern:

11 Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Eine Belastung muss, um als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt zu werden, gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 bis 3 EStG 1988 außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

12 Zwangsläufig erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 dann, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

13 Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Die Aufwendungen müssen vielmehr zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (vgl. Ra 2021/13/0157, mwN). Die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme wird zB durch eine ärztliche Verordnung, einen ärztlichen Therapieplan oder durch Übernahme der Kosten durch den Sozialversicherungsträger nachgewiesen (vgl. Ro 2020/13/0008; , Ra 2017/13/0039; , 2001/15/0164). Das Merkmal der Zwangsläufigkeit muss zudem auch der Höhe nach gegeben sein. Fahrtkosten können demnach nur in (nachgewiesen) notwendiger Höhe berücksichtigt werden (vgl. Ra 2020/15/0029).

14 Dass ein ärztlicher Therapieplan in den Revisionsjahren vorhanden war, wurde vom Bundesfinanzgericht nicht festgestellt; ein solcher wurde im Verfahren soweit ersichtlich auch nicht vorgelegt. Der Umstand, dass der Sohn des Revisionswerbers infolge elterlicher Betreuung und familiärer Eingliederung insgesamt Fortschritte gemacht und sich positiv entwickelt hat, vermag somit noch nicht den Aufwendungen für Ausflüge und Familienfeiern den Charakter von außergewöhnlichen Belastungen zu verleihen.

15 Wenn die Revision vorbringt, dass die Fahrtkosten einem therapeutischen Zweck gedient hätten und sie deshalb jedenfalls "Kosten der Heilbehandlung" im Sinne der VO darstellen würden, woraus sich automatisch das Vorliegen außergewöhnlicher Belastungen ergäbe, ist darauf zu verweisen, dass sich die Anwendbarkeit der VO über außergewöhnliche Belastungen erst dann stellen kann, wenn überhaupt außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 34 Abs. 6 EStG 1988 vorliegen.

16 Nicht jede Aufwendung und auch nicht alle Fahrtkosten, die einem positiven therapeutischen Zweck dienen, können als Heilbehandlungskosten im Sinne der Verordnung angesehen werden. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder des Verfassungsgerichtshofes. Kosten der Heilbehandlung umfassen etwa in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung stehende Kosten für Ärzte und Therapien (vgl. 2007/15/0309), mit einer konkreten Heilbehandlung im Zusammenhang stehende ärztlich verordnete Medikamente (vgl. 2013/15/0254), ärztlich angeordnete Therapien oder Kuren (vgl. 99/13/0169), etc. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen auch die Fahrtkosten zu derartigen Heilbehandlungen unter diesen Begriff (vgl. 2009/15/0094). Weiters fallen Fahrtkosten zu Sonderschulen für behinderte Menschen unter die VO, weil das Schulgeld für derartige Schulen von § 5 Abs. 3 der VO erfasst ist (vgl. 2007/15/0309). Der Verfassungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass Fahrtkosten zu einem Wohnheim für beeinträchtigte Menschen - wenn sie nicht unter § 5 Abs. 3 der VO (Behindertenwerkstätte) subsumiert werden können - als Kosten der Heilbehandlung anzusehen sind, weil sie einem positiven therapeutischen Zweck dienen (vgl. E 2556/2015). Dabei ergibt sich der positive therapeutische Zweck aus der institutionalisierten und professionellen Betreuung im Wohnheim für Menschen mit Beeinträchtigungen.

Der Verwaltungsgerichtshof und der Verfassungsgerichtshof haben demnach nicht sämtliche Aufwendungen bzw. Fahrtkosten, die einer Verbesserung der Krankheit oder Behinderung dienen könnten bzw. einen positiven therapeutischen Zweck haben, dem § 4 der angeführten Verordnung subsumiert; es handelte sich dabei stets um Aufwendungen, die mit ärztlich verordneten Maßnahmen oder institutionellen Betreuungsformen in unmittelbarem Zusammenhang standen.

17 Das Bundesfinanzgericht hat das Vorliegen außergewöhnlicher Belastungen infolge Fahrtkosten iZm Ausflügen und Familienfeiern somit zu Recht verneint.

Zum Pauschalbetrag gemäß § 5 Abs. 1 der VO über außergewöhnliche Belastungen:

18 Im Recht ist die Revision aber mit ihrem Vorbringen zu § 5 der VO über außergewöhnliche Belastungen.

19 § 5 Abs. 1 der VO über außergewöhnliche Belastungen sieht vor, dass Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen sind. Gemäß Abs. 2 vermindert sich der nach Abs. 1 zustehende Pauschbetrag bei Unterbringung in einem Vollinternat pro Tag des Internatsaufenthaltes um je ein Dreißigstel.

20 Der Revisionswerber hat seinen Sohn - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts - an 150 Tagen im Jahr zu Hause betreut. Dass der Revisionswerber für diese Tage eine Rückerstattung des Pflegegeldes durch das Wohnheim erhalten hat oder erhalten hätte können, wurde vom Bundesfinanzgericht nicht festgestellt. Aus einem im Akt einliegenden Schreiben des Landes Oberösterreich ergibt sich vielmehr, dass keine Rückerstattung der einbehaltenen Pflegegeldleistungen für Hausbetreuungstage erfolgen kann.

21 Das Bundesfinanzgericht stützt seine rechtliche Beurteilung darauf, dass für 90 der 150 Tage die Voraussetzungen des § 34 Abs. 6 EStG 1988 nicht erfüllt wären, weil dem Sohn des Revisionswerbers grundsätzlich das ganze Jahr hindurch eine Vollbetreuung im Wohnheim zur Verfügung stünde und die Eltern nur an 60 Tagen sittlich verpflichtet wären, den Sohn zu Hause zu betreuen. Dass dem Revisionswerber durch die Betreuung seines Sohnes zu Hause tatsächlich keine behinderungsbedingten Mehraufwendungen erwachsen sind, wurde nicht festgestellt.

22 Das Bundesfinanzgericht geht somit zu Unrecht davon aus, dass Eltern die (tatsächlich bestehende) Möglichkeit einer Unterbringung ihrer behinderten Kinder in einem Wohnheim - bis auf eine bestimmte Anzahl von zugestandenen Tagen, die als sittliche Verpflichtung anerkannt werden - in Anspruch nehmen müssten.

23 Auch die VO über außergewöhnliche Belastungen stützt die Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht. Nach dem klaren Wortlaut der Verordnung ist für jene Tage, die eine unterhaltsberechtigte Person im Wohnheim verbringt, 1/30 des Pauschalbetrages zum Abzug zu bringen. Dies offenkundig vor dem Hintergrund, dass an jenen Tagen, die eine unterhaltsberechtigte Person im Wohnheim verbringt, dem Steuerpflichtigen keine Mehraufwendungen erwachsen können. Dass nur eine bestimmte Anzahl an Hausbetreuungstagen zur Geltendmachung des anteiligen Pauschalbetrags berechtigen würde, ist mit dem Verordnungswortlaut nicht in Einklang zu bringen. Auch das Argument, dass dem Sohn des Revisionswerbers eine 365-Tage Vollbetreuung im Wohnheim zustehen würde, ändert nichts daran, dass an Hausbetreuungstagen dem Revisionswerber Mehraufwendungen aus der Betreuung seines Sohnes erwachsen, die mit dem Pauschalbetrag abgegolten werden sollen.

24 Das Bundesfinanzgericht hat somit die Rechtslage verkannt, wenn es den anteiligen Pauschalbetrag nur für 60 Tage im Jahr gewährt hat.

Rechtliche Erwägungen des BFG im fortgesetzten Verfahren

Da die vom VwGH geforderten Nachweise trotz Aufforderung nicht vorgelegt wurden, waren nach den eindeutigen Aussagen des VwGH die beantragten Fahrtkosten für Ausflüge und Familienfeiern nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Der VwGH hat schon wiederholt judiziert, dass zur Abgrenzung von nicht abzugsfähigen Aufwendungen des täglichen Lebens von zwangsläufig erwachsenen Krankheitskosten bei Maßnahmen, die fallweise auch von Gesunden ergriffen werden, eine ärztliche Verordnung oder ein ärztlicher Therapieplan im Vorfeld der Maßnahme erforderlich ist. Fahrtkosten iZm institutionellen Betreuungsformen oder Fahrtkosten zu nachgewiesenen Heilbehandlungen wurden zu diesem Streitpunkt gar nicht behauptet. In Rz 16 führt der VwGH ausdrücklich aus, dass nicht alle Fahrtkosten, die (wie auch hier unbestritten) einem positiven therapeutischen Zweck dienen, als Heilbehandlungskosten zu berücksichtigen sind. Mangels der vom VwGH geforderten Nachweise war der Beschwerde in diesem Punkt nicht zu folgen.

Hinsichtlich des Pauschbetrages gemäß § 5 der VO hat nach dem VwGH Erkenntnis der als außergewöhnliche Belastung anzuerkennende Betrag jährlich anhand der glaubhaft gemachten 150 Tage in häuslicher Betreuung zu erfolgen: 262 : 30 = 8,73 x 150 = 1.309,50 minus bereits anerkannter 523,80: Erhöhung außergewöhnlicher Belastung um € 785,70.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da dieses Erkenntnis den Vorgaben des Erkenntnisses des entspricht und somit nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt, war die Revision nicht zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100212.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at