Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.06.2023, RV/7103238/2022

Kein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe bei überwiegender Kostentragung durch die öffentliche Hand, auch wenn die Unterbringung teilweise spendenfinanziert ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, vertreten durch ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom über die Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe vom für den Zeitraum ab 03.2020 SVNr ***1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der Spruch des angefochtenen Bescheids bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der beschwerdegegenständliche im Spruch näher bezeichnete Bescheid wurde begründet wie folgt:

"§ 6 Abs. 5 FLAG besagt, dass Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Nach Ansicht des BKA müssen die Mittel, die nicht aus öffentlicher Hand stammen, direkt dem Kind zukommen und daher diesem unmittelbar zurechenbar sein, wie aus dem in den Erläuterungen zum Initiativantrag (386/A 26. GP) angeführten Beispiel erkennbar. Das ist bei Spenden an die Wohngemeinschaft "***4***" jedoch nicht der Fall, da diese allgemein der Einrichtung zukommen und nicht direkt dem Kind zurechenbar sind."

In der im Spruch näher bezeichneten Beschwerde vom führte die Beschwerdeführerin (kurz: Bf.) folgendermaßen aus:
"Die Wiener Kinder-und Jugendhilfe- Rechtsvertretung 2,20 stellte am den Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gem. § 6 Abs 5 FLAG (BGBl.INr.77/2018) ab für die minderjährige (kurz: mj.) Bf. und weitere Kinder (zwei Geschwister der Bf.).

Die Kinder befinden sich seit in voller Erziehung der Stadt Wien in der Wohngemeinschaft ***4***, welche sich teilweise durch Spenden finanziert, was auch auf der HP www.projuventute.at ersichtlich ist.

Es ist offenkundig, dass Spenden keine Mittel der öffentlichen Hand darstellen und somit keine volle Kostentragung aus öffentlichen Mitteln erfolgt. Die Spenden stellen einen regelmäßigen Beitrag zur Deckung der Unterhaltskosten dar und dienen darüber hinaus auch zur Förderung der Talente und Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen, ohne deren die kontinuierliche Betreuung und individuelle Förderung der untergebrachten Kinder nicht gewährleistet werden könnte.

Wie aus dem Email der Teamleitung der WG ***4*** vom hervorgeht, sind die Spenden sehr wohl den einzelnen Kindern zurechenbar, so wurden davon bei der mj. Bf. der Englandaufenthalt und die Nachhilfestunden finanziert. Diese Umstände begründen den Eigenanspruch auf Familienbeihilfe.

Weiters wird im Sinne der Rechtssicherheit und Gleichbehandlung zu prüfen sein, aus welchen Gründen für den mj. Bruder der ebenfalls mj. Bf. (Bruder geb. TT.MM.***5***) mit Mitteilung vom und für die mj. Schwester (geb. ***6***) der Bf. mit Mitteilung vom vom ***FA*** (bzw. Finanzamt ***7***) dem Antrag auf Familienbeihilfe stattgegeben wurde, und für die Bf., wo die gleichen Voraussetzungen vorliegen, der Antrag auf Familienbeihilfe abgewiesen wurde.

Aus Sicht der mj. Bf. stellt dies eine Ungleichbehandlung und Diskriminierung gegenüber ihren Geschwistern dar. Die Kinder - und Jugendhilfe - Rechtsvertretung, als Vertreter der mj. Bf., stellt daher den Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und in der Angelegenheit neuerlich zu entscheiden."

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom wurde begründet wie folgt:

"Sachverhalt: Das gegenständliche minderjährige Kind/die Bf., geboren ***3***, befindet sich seit in voller Erziehung der Stadt Wien, untergebracht in der Wohngemeinschaft ***4*** (Adresse aktenkundig).

Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe stellte am den Antrag auf Familienbeihilfe welcher mit Bescheid vom abgewiesen wurde. Am wurde in offener Frist Beschwerde erhoben.

Gesetzliche Grundlagen: § 6 Abs. 5 FLAG besagt, dass Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Würdigung: Wird der Unterhalt eines Kindes in voller Erziehung in einer sozialpädagogischen Einrichtung zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe getragen, die der Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes dienen, besteht kein Anspruch auf die Familienbeihilfe, da nach dem Willen des Gesetzgebers in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist.
Im gegenständlichen Fall ist unbestritten, dass weder Unterhaltsleistungen der Eltern vorliegen noch das Kind anderweitig selbst zum Unterhalt beiträgt. Strittig ist, ob eine teilweise Finanzierung spezieller Kosten der Kinder aus einem spendenfinanzierten Topf ausreicht, um einen Anspruch auf Familienbeihilfe geltend zu machen.

Aus dem in den Erläuterungen zum Initiativantrag (386/A 26. GP) angeführten Beispiel ist erkennbar, dass Mittel, die nicht aus öffentlicher Hand stammen, direkt dem Kind zukommen und daher diesem unmittelbar zurechenbar sein müssen. Dies ist bei Spenden an eine Einrichtung jedoch nicht der Fall, da diese allgemein der Einrichtung zukommen und nicht direkt dem Kind zurechenbar sind.

Die in der Beschwerde-Begründung genannte Aufteilung des gesamten Spendentopfes auf bestimmte Kinder für spezielle Ausgaben ist keiner unmittelbaren Zurechnung gleichzusetzen."

Die Bf. stellte einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) vom und führte darin aus wie folgt:
"Die mj. Bf. befindet sich seit in "Voller Erziehung der Stadt Wien" in der Wohngemeinschaft ***4*** (aktenkundige Adresse), welche sich teilweise durch Spenden finanziert, was auch auf der HP www.proiuventute.at ersichtlich ist. Es ist offenkundig, dass Spenden keine Mittel der öffentlichen Hand darstellen und somit keine volle Kostentragung aus öffentlichen Mitteln erfolgt. Die Spenden stellen einen regelmäßigen Beitrag zur Deckung der Unterhaltskosten dar und dienen darüber hinaus auch zur Förderung der Talente und Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen ohne diesen die kontinuierliche Betreuung und individuelle Förderung der untergebrachten Kinder nicht gewährleistet werden könnte.

Diese Umstände begründen den Eigenanspruch auf Familienbeihilfe der Minderjährigen. Entgegen der Ansicht der entscheidenden Behörde sind die Spenden sehr wohl den einzelnen Kindern zurechenbar, so wurden für die mj. Bf., zum Beispiel , der Englandaufenthalt und die Nachhilfestunden finanziert, wobei es laut Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom ,GZ RV/7103076/2020 nicht darauf ankommt ob die Spenden dem Kind persönlich gewidmet sind oder der Einrichtung als Ganzes zukommen.
Weiters wird im Sinne der Rechtssicherheit und Gleichbehandlung zu prüfen sein, aus welchen Gründen für den mj. Bruder der Bf., geb. ***5***, mit Mitteilung vom und für die mj. Schwester der Bf., geb. ***6***, mit Mitteilung vom vom ***FA*** (bzw. Finanzamt ***7***) dem Antrag auf Familienbeihilfe stattgegeben wurde und für die mj. Bf., unter den gleichen Voraussetzungen, der Antrag auf Familienbeihilfe abgewiesen wurde."

Im Bericht zur Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlagebericht) vom führte das Finanzamt (FA) aus wie folgt:
"Sachverhalt: Die Bf. stellte, vertreten durch die MA11, einen Eigenantrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab März 2020. Die Bf. ist serbische Staatsangehörige und seit in der Wohngemeinschaft ***4*** - eine teilweise durch Spenden finanzierte Einrichtung - untergebracht.
Die Bf ist nicht erwerbsfähig und hat kein Einkommen.

Die im Antrag angeführten Beilagen sind bei der ho. Dienstelle nicht eingetroffen, sind allerdings auch nicht notwendig, da die Vertretungsbefugnis nicht strittig ist. Allfällige Unterhaltszahlungen der leiblichen Eltern wurden nicht vorgebracht und liegen laut Aktenlage auch nicht vor.
Stellungnahme: § 6 Abs 5 FLAG besagt, dass Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 bis 3).

Nach den Erläuterungen zum Initiativantrag (386/A 26. GP) sollte durch die Novellierung des Abs 5 sichergestellt werden, dass ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe auch dann gegeben ist, wenn das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches (zB Pflegegeld) oder aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit regelmäßig zur Deckung der Unterhaltskosten beiträgt. Gleiches gilt, sofern die Eltern zwar nicht überwiegend, jedoch zumindest teilweise regelmäßig zum Unterhalt ihres Kindes beitragen (vgl Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2. A. 2020 § 6 Rz 20).

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht hingegen dann, wenn der Unterhalt des Kindes zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe (bei Aufenthalt in einer sozialpädagogischen Einrichtung) oder zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand getragen wird, da in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist.

Die Wohngemeinschaft ***4*** ist teils durch Spenden finanziert. Nach Ansicht der belangten Behörde müssen die Mittel, die nicht aus öffentlicher Hand stammen, direkt dem Kind zukommen und daher diesem unmittelbar zurechenbar sein, wie zum Beispiel das in den Erläuterungen zum Initiativantrag (386/A 26. GP) angeführte Beispiel, wenn das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches (zB Pflegegeld) oder aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit regelmäßig zur Deckung der Unterhaltskosten beiträgt.

Das ist bei Spenden an eine Einrichtung jedoch nicht der Fall, da diese allgemein der Einrichtung zukommen und nicht direkt dem Kind zurechenbar sind. Daran ändert auch der in der Beschwerde und im Vorlageantrag vorgebrachte Umstand, dass die Spenden in Folge direkt einem Kind zugutekommen, nichts.
Der Gesetzeszweck des § 6 Abs 5 FLAG stellt nach Ansicht der belangten Behörde darauf ab, die Lasten der Unterhaltstragung, die beispielsweise durch ein erhaltenes Pflegegeld teilweise abgegolten werden, auszugleichen, indem dem Kind ein Anspruch auf Familienbeihilfe eingeräumt wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall kommt jedoch die Kinder- und Jugendhilfe für den Unterhalt des Kindes auf, womit in weiterer Folge keine finanzielle Last des Kindes ausgeglichen werden muss, weswegen die Voraussetzungen des § 6 Abs 5 FLAG nicht erfüllt sind und somit die Beschwerde abzuweisen ist.

Informationshalber wird mitgeteilt, dass in der gleichen Rechtsfrage eine ordentliche (Amts-)Revision zu GZ. RR/7100125/2020 gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes GZ. RV/7103076/2020 erhoben wurde, die bis dato vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden wurde (Anmerkung des Bundesfinanzgerichts: mittlerweile entschieden, VwGH Ro , 2020/16/0048). Eine allfällige Aussetzung der Entscheidung wird daher angeregt und steht den Interessen der belangten Behörde nicht entgegen."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Gericht bezieht sich mangels widerstreitender Sachverhaltselemente auf das wiedergegebene verwaltungsbehördliche Geschehen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Die Bestimmung des § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 id damals im Jahr 1981 geltenden Fassung, die den Eigenanspruch auf Familienbeihilfe von Kindern, die nicht Vollwaisen sind, regelt, wurde mit BGBl. Nr. 296/1981 eingefügt und lautete damals:

"(5) Kinder, deren Eltern ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3)."

Nach den Gesetzesmaterialien (ErlRV 694 BlgNR 15. GP 4) sollte diese "Gleichstellung von Kindern, deren Eltern ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen und für die auch sonst niemand Anspruch auf Familienbeihilfe hat, mit den Vollwaisen in bezug auf einen eigenen Anspruch auf Familienbeihilfe, [...] eine Härte in den Fällen beseitigen, in denen für Kinder, die sich weitgehend selbst erhalten müssen, keine Familienbeihilfe gewährt wird. Eine solche Härte wird dann nicht angenommen, wenn das Kind aus öffentlichen Mitteln (Sozialhilfe bzw. Jugendwohlfahrt) in einem Heim erzogen wird. In diesen Fällen würde nämlich die Familienbeihilfe nicht die Situation des Kindes verbessern, sondern lediglich die öffentlichen Haushalte, aus denen die Mittel stammen, entlasten."

Mit BGBl. Nr. 311/1992 wurde § 6 Abs. 5 FLAG - vor dem Hintergrund der Neuregelung der Studienförderung (vgl. ErlRV 465 BlgNR 18. GP 8) - dahingehend geändert, dass er lautete:

"(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3)."

Schließlich wurde mit BGBl. I Nr. 77/2018 die geltende - und im gegenständlichen Beschwerdefall zur Anwendung kommende - Fassung des § 6 Abs. 5 FLAG eingefügt, die lautet:

"(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§ 6 Abs. 1 und 3 FLAG 1967 id im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung [kurz: idgF])."

Den Gesetzesmaterialien zufolge wurde diese Änderung vorgenommen, um die Anwendungsvoraussetzungen der Bestimmung - vor dem Hintergrund der bis dahin ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - zu präzisieren (vgl. Begründung des Initiativantrages 386/A 26. GP 2):

Für den Fall, dass keinem Elternteil ein Anspruch auf Familienbeihilfe zusteht, besteht durch eine Sonderregelung die subsidiäre Möglichkeit, dass das Kind für sich selbst die Familienbeihilfe beanspruchen kann (Eigenanspruch auf Familienbeihilfe). Ein solcher Eigenanspruch ist nach der derzeitigen Rechtslage ausgeschlossen, wenn sich die Kinder auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Judikatur zum Ausdruck gebracht, dass in Konstellationen, bei denen typischer Unterhalt der Kinder (überwiegend) durch die öffentliche Hand gedeckt ist, ein Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen ist, wobei es nicht auf die Form der Unterbringung ankommt. Die in diesem Zusammenhang stehende Thematik, inwieweit ein Beitrag zu den Unterhaltskosten trotzdem einen Anspruch vermitteln kann, ist durch eine gesetzliche Präzisierung zu lösen.

Es soll nun sichergestellt werden, dass ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe auch dann gegeben ist, wenn das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches (z.B. Pflegegeld) oder aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit regelmäßig zur Deckung der Unterhaltskosten beiträgt. Gleiches soll gelten, sofern die Eltern zwar nicht überwiegend jedoch zumindest teilweise regelmäßig zum Unterhalt ihres Kindes beitragen.

Sofern der Unterhalt des Kindes zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe (bei Aufenthalt in einer sozialpädagogischen Einrichtung) oder zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand (zB durch eine Bedarfsorientierte Mindestsicherung oder die Grundversorgung) getragen wird, ohne dass ein oben angesprochener Beitrag geleistet wird, soll kein Anspruch auf die Familienbeihilfe bestehen, da in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist.

Nach der - in den zuletzt erwähnten wiedergegebenen Gesetzesmaterialien - ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sollte nach der Absicht des Gesetzgebers in Fällen, in denen der Unterhalt einer Person durch die Unterbringung in Anstaltspflege oder einem Heim durch die öffentliche Hand sichergestellt war, kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehen, wobei es nicht auf die Art der Unterbringung ankam (Bezeichnung als Anstalt oder Heim), sondern ausschließlich auf die gänzliche Kostentragung durch die öffentliche Hand (vgl. ; , 2002/15/0181; , 2003/13/0162; , 2001/15/0075).

Diese Sichtweise wurde vom Verwaltungsgerichtshof - im Hinblick auf den mit dem Familienbeihilfenrecht verfolgten Zweck (Entlastung des Unterhaltsbelasteten) und den typisierenden Charakter der Regelungen des FLAG (vgl. , mwN) - für sämtliche Fallkonstellationen, in denen der typische Lebensunterhalt (ua Unterkunft, Bekleidung, Verpflegung) durch die öffentliche Hand gedeckt wird, vertreten (vgl. ; , Ra 2017/16/0053; sowie , Ra 2014/16/0014, zum Ausschluss der Familienbeihilfe subsidiär Schutzberechtigter, die Leistungen aus der Grundversorgung erhalten; , 2011/16/0173, bei Strafgefangenen; , 2007/13/0120, bei Ableistung des Präsenzdienstes).

Zur Frage, inwieweit ein Beitrag zu den Unterhaltskosten Auswirkungen auf den Eigenanspruch der Kinder haben kann, hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass eine gänzliche Unterhaltstragung durch die öffentliche Hand nicht mehr gegeben ist, wenn das Kind selbst zum eigenen Unterhalt beiträgt (vgl. etwa , mwN, zu einem Kind, das Pflegegeld und eine Waisenpension bezogen hatte).

Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass mit der Änderung des § 6 Abs. 5 FLAG (mit BGBl. I Nr. 77/2018) eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beabsichtigt worden wäre. Nicht nur, dass nach den Gesetzesmaterialien lediglich eine "gesetzliche Präzisierung" - und nicht etwa eine Neuregelung - vorgenommen werden sollte, bewegen sich die darin getätigten weiteren Ausführungen auf dem Boden der dargelegten bisherigen Rechtsprechung (vgl. nochmals zur Voraussetzung der gänzlichen Kostentragung durch die öffentliche Hand ).

Darüber hinaus ist der Bf. zu entgegnen, dass aus dem Hinweis auf das stattgebende Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zahl RV/7103076/2020 allein aus dem Grund nichts gewonnen werden kann, da der VwGH mittlerweile dieses BFG-Erkenntis wegen ihnhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben habt ().. Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat im fortgesetzten Verfahren unter der Zahl RV/7100906/2023 mit Hinweis auf dieses aufhebende VwGH-Erkenntnis die damalige Beschwerde nunmehr abgewiesen ().

Nach dem Gesagten ist daher auch nicht erkennbar, dass aufgrund der Änderung des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 (§ 6 FLAG 1967 idgF) in einer Konstellation wie im vorliegenden Fall der mj Bf. - vor dem Hintergrund einer (zumindest vorläufigen) gänzlichen Kostentragungsverpflichtung der öffentlichen Hand aufgrund der übertragenen Obsorge (vgl. vorliegend §§ 30, 32, 35 und 36 Wiener Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013, LGBl. Nr. 51/2013) - der Unterhalt der gegenständlichen mj. Bf. nicht mehr als "zur Gänze" durch die öffentliche Hand getragen anzusehen sein soll, (auch) wenn Dritte - somit weder das Kind selbst, noch dessen Eltern - Kostenbeiträge zum Unterhalt des Kindes leisten (gegegnständlich allenfalls durch Spenden grundsätzlich an die gesamte Einrichtung; vgl. ). Daran kann auch dadurch nichts geändert werden, wenn allenfalls bspw ein Sprachaufenthalt im Ausland und Nachhilfestunden für ein einzelnes Kind, wie bspw. gegenständlich eben auch für die Bf. selbst, aus diesem Spendentopf finanziert werden.
Das Gericht ist auf Grund des Legalitätsprinzips wie auch die Abgabenbehörde an die geltenden Rechtsnormen gebunden. Daher kann auch aus dem Hinweis auf andere Auslegungen in anderen Fällen nichts gewonnen werden, zumal auch die geltenden Rechtsnormen durch aktuellste VwGH-Rechtsprechung untermauert sind (vgl. o.a. ).

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, wenn der Unterhalt des Kindes zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe (bei Aufenthalt in einer sozialpädagogischen Einrichtung) oder zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand getragen wird, da in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist.

Die Wohngemeinschaft ***4*** ist teils durch Spenden finanziert. Die Mittel, die nicht aus öffentlicher Hand stammen (gegenständlich die Spenden), kommen nicht direkt dem einzelnen Kind zu und sind daher diesem nicht unmittelbar zurechenbar.
Daran ändert auch der im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Umstand, dass die Spenden allenfalls in Folge direkt einem Kind zugutekommen, nichts.

Nach der - durch die Gesetzesmaterialen zit in VwGH Ro , 2020/16/0048 untermauert - ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sollte nach der Absicht des Gesetzgebers in Fällen, in denen der Unterhalt einer Person durch die Unterbringung in Anstaltspflege oder einem Heim durch die öffentliche Hand sichergestellt war, kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehen, wobei es nicht auf die Art der Unterbringung ankam (Bezeichnung als Anstalt oder Heim), sondern ausschließlich auf die gänzliche Kostentragung durch die öffentliche Hand (vgl. ; , 2002/15/0181; , 2003/13/0162; , 2001/15/0075).

Nach dem Gesagten ist daher auch nicht erkennbar, dass aufgrund der Änderung des § 6 Abs. 5 FLAG in einer Konstellation wie im vorliegenden Beschwerdefall vor dem Hintergrund einer (zumindest vorläufigen) gänzlichen Kostentragungsverpflichtung der öffentlichen Hand aufgrund der übertragenen Obsorge an ***4*** (vgl. vorliegend §§ 30, 32, 35 und 36 Wiener Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013, LGBl. Nr. 51/2013) der Unterhalt der mj. Bf. nicht mehr als "zur Gänze" durch die öffentliche Hand getragen anzusehen sein soll, wenn Dritte - somit weder die Bf., noch dessen Eltern - Kostenbeiträge in Form von Spenden an die Organisation ***4*** selbst (und nicht an ein bestimmtes Kind) zum Unterhalt der dort wohnhaften Kinder / und somit auch der mj. Bf. leisten.

Darüber hinaus wird auf die ausführliche Begründung des Finanzamtes in der o.a. Beschwerdevorentscheidung sowie auf die Ausführungen im Vorlagebericht im Zuge der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) betreffend Nichterfüllen der Anspruchsvoraussetzungen auf Familienbeihilfe im gegenständlichen Fall hingewiesen, und diese Begründung/Ausführungen sind auch ausdrücklich Teil der Begründung des beschwerdegegenständlichen Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts.

Insgesamt ist aus angeführten Gründen spruchgemäß zu entscheiden (vgl. VwGH Ro , 2020/16/0048; angemerkt wird, dass auf dieses VwGH-Verfahren auch im o.a. Vorlagebericht des Finanzamtes Bezug genommen wurde).

.

Zu Spruchpunkt II. (Nichtzulassen der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da das gegenständliche Erkenntnis der Gesetzeslage sowie der hL und hRspr folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage liegt nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103238.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at