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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.05.2023, RV/7100762/2023

Wiedereinsetzung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***4***, ***3***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiedereinsetzung gemäß § 308 BAO zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. KESt-Haftungsbescheid

Mit Bescheid vom wurde die Beschwerdeführerin zur Haftung für Kapitalertragsteuer 2017 im Betrag von 50.578,45 Euro herangezogen.

2. Erkenntnis BFG ***5***

Mit Erkenntnis vom ***5***, ***6***, gab das BFG der Beschwerde gegen den KESt-Haftungsbescheid 2017 vom gemäß § 279 BAO Folge und hob diesen Bescheid auf. Die Zustellung an RA Dr. ***7*** erfolgte ausweislich des postalischen Rückscheines am .

3. Bescheide Ablauf der Aussetzung der Einhebung und Anspruchszinsen

Mit Bescheid vom verfügte die belangte Behörde den Ablauf der Aussetzung der Einhebung im Betrag von 46.269,33 Euro.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde Anspruchszinsen für den Zeitraum bis im Betrag von 1.308,76 Euro fest.

4. KESt-Haftungsbescheid

Mit Datum erließ die belangte Behörde einen KESt-Haftungsbescheid gegenüber der Beschwerdeführerin. Dieser Bescheid wurde zu Handen einer steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin, nämlich der "***8*** ***9*** GmbH ***10*** ***11*** ***12***" ausweislich des postalischen Rückscheins am zugestellt.

Mit dem Haftungsbescheid wurde die Beschwerdeführerin für einen Betrag von 50.578,45 Euro zur Haftung herangezogen.

In der Begründung verwies die belangte Behörde auf darauf, dass der im Rahmen der Außenprüfung ergangene Haftungsbescheid betreffend das Jahr 2017 mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom ***5***, ***6*** aufgehoben worden wäre.

5. Säumniszuschlagsbescheid

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin einen ersten Säumniszuschlag in der Höhe von 1.011,57 Euro (2% von 50.578,45 Euro) fest. Dieser Bescheid wurde am zu Handen einer steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin, nämlich der "***8*** ***13*** ***10*** ***11*** ***12***" zugestellt.

6. Bescheid Abweisung Ablauf der Aussetzung der Einhebung

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO als unbegründet ab (Kapitalertragsteuer 1-12/2017, Betrag 45.832,33 Euro Zahlungstermin: ). Die abweisende Entscheidung ging der Beschwerdeführerin (im Wege ihrer steuerlichen Vertretung) am zu.

7. Beschwerde gegen SZ-Bescheid

Mit Schreiben vom bekämpfte die Beschwerdeführerin den Säumniszuschlagsbescheid vom und beantragte die Aussetzung der Einhebung:

"Der angefochtene Bescheid wurde am zugestellt. Die einmonatige Beschwerdefrist endet daher am . Die Beschwerde ist somit rechtzeitig.

2. Sachverhalt

Mit angefochtenem Bescheid setzt das Finanzamt Österreich von der Kapitalertragsteuer
01-12/2017 in Höhe von EUR 50.578,45 einen 2%-igen Säumniszuschlag im Betrag EUR 1.011,57 fest.

Der Festsetzungsbescheid ist lediglich damit begründet, dass die angeführte Abgabenschuldigkeit nicht bis entrichtet wurde.

Festzuhalten ist, dass die gegenständliche Abgabenschuld "Kapitalertragsteuer 01-12/2017" mit Haftungsbescheid vom geltend gemacht wurde. Dieser Bescheid ist nach erfolgreicher Beschwerde mit Erkenntnis des BFG vom ***5***, GZ: ***6*** aufgehoben.

Mit diesem Erkenntnis ist der Einhebung der Abgabenschuldigkeit "Kapitalertragsteuer
01-12/2017" in Höhe von EUR 50.578,45 die rechtliche Grundlage entzogen und kann mangels bescheidmäßiger Grundlage auch keine Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages erfolgen. Der angefochtene Bescheid ist mit Rechtswidrigkeit behaftet. …
"

8. BVE zur Beschwerde gegen SZ-Bescheid

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Säumniszuschlagsbescheid vom als unbegründet ab und führte aus:

"Die Kapitalertragsteuer 01-12/2017 in Höhe von € 50.578,45 war am fällig.

Eine Entrichtung der Kapitalertragsteuer 01-12/2017 bis zum Fälligkeitstag ist nicht erfolgt.

Es wurde daher gem. § 217 Abs. 1 iVm § 217 Abs. 2 BAO ein erster Säumniszuschlag in Höhe von € 1.011,57 vorgeschrieben.

In der Beschwerde …

Dem ist vom Finanzamt zu entgegnen, dass am ein neuer Kapitalertragsteuerbescheid für den Zeitraum 01-12/2017 in Höhe von € 50.578,45 erlassen wurde. Der alte Kapitalertragsteuerbescheid vom in Höhe von € 50.578,45 wurde vom BFG aufgehoben, und bereits am Abgabenkonto gutgeschrieben.

Der neue Kapitalertragsteuerbescheid 01-12/2017 vom in Höhe von € 50.578,45 ist bereits rechtskräftig.

Es war daher gem. § 217 BAO ein erster Säumniszuschlag vorzuschreiben und die Beschwerde war abzuweisen."

Die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung an die anwaltliche Vertretung am wurde mittels postalischem Rückschein nachgewiesen.

9. Antrag Wiedereinsetzung

Mit Schreiben vom (Eingang bei der belangten Behörde am ) stellte die Beschwerdeführerin betreffend den Haftungsbescheid 2017 vom einen Antrag auf Wiedereinsetzung sowie einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung und brachte gegen den genannten Bescheid eine Beschwerde ein.

10. Bescheid Wiedereinsetzung

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom betreffend Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand nach § 308 BAO gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom als verspätet zurück.

11. Beschwerde Wiedereinsetzung

Mit Beschwerde vom bekämpfte die Beschwerdeführerin den Bescheid des Finanzamts Österreich vom betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

12. Beschwerdevorentscheidung Wiedereinsetzung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wiese die belangte Behörde die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom betreffend die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist betreffend den Haftungsbescheid 2017 vom als unbegründet ab.

13. Vorlageantrag Wiedereinsetzung

Mit Schreiben vom bekämpfte die Beschwerdeführerin die Beschwerdevorentscheidung vom betreffend Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags.

14. Vorlagebericht

Mit Schreiben vom legte die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Bescheid vom betreffend Wiedereinsetzung gemäß § 308 BAO dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Vorgelegte Unterlagen (inklusive jener, welche die in einem anderen Verfahren zu behandelnde Aussetzung der Einhebung betreffen):

Bescheide

  1. 1 Wiedereinsetzung § 308 BAO / Sonstige (Jahr: 2017)

  2. 2 Aussetzung § 212a BAO (Jahr: 2017)

Zusatzdokumente Bescheide

  1. 3 Zustellnachweis Zurückweisung § 308 Antrag

Beschwerde

  1. 4 Beschwerde gegen Zurückweisung des Antrags gemäß § 308 BAO

  2. 5 Beschwerde gegen den Ablauf der AEH

Beschwerdevorentscheidung

  1. 6 BVE Ablauf AEH

  2. 7 BVE gegen Zurückweisung Wiedereinsetzung

  3. 8 Zustellnachweis Verf40 AEH

  4. 9 Zustellnachweis Verf40 Wiedereinsetzung

Vorlageantrag

  1. 10 Vorlageantrag AEH

  2. 11 Vorlageantrag Wiedereinsetzung

Vorgelegte Aktenteile

  1. 12 KESt-Haftungsbescheid 2017

  2. 13 Zustellnachweis KESt 2017

  3. 14 Säumniszuschlag

  4. 15 Antrag § 308

15. Nachreichung belangte Behörde

Mit E-Mail vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde um Übermittlung der Beschwerde gegen den Säumniszuschlagsbescheid vom sowie allfälliger weiterer Unterlagen iZm dem Wiedereinsetzungsantrag vom , wie zB Buchungsmitteilungen.

Via Schnittstelle teilte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht am mit:

"Die belangte Behörde übermittelt anbei folgende Unterlagen:

• Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlags vom ,

• Bescheid über die Abweisung des Antrags auf Aussetzung der Einhebung vom ,

• Die Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlags vom , eingebracht am ,

• Auszüge aus den Buchungen am Abgabenkonto der ***18*** für die gegenständlichen Zeiträume.

Die Buchungsmitteilungen ergehen automatisiert an den Pflichtigen und können von der Behörde nach Rücksprache mit dem Team Abgabensicherung nicht rekonstruiert werden. Für die Behörde sind nur die Buchungen am Abgabenkonto sichtbar.

Aus den vorgelegten Buchungen ist ersichtlich, dass am der Ablauf der Aussetzung der Einhebung betreffend den mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom ***5***, ***6*** aufgehobenen Haftungsbescheid verfügt wurde. Am wurde die mit diesem Haftungsbescheid zusammenhängende Aufhebung verbucht.

Am wurde der neu ergangene und hier gegenständliche Haftungsbescheid verbucht.

Am wurde der Säumniszuschlag verbucht.

Der Vollständigkeit halber wird mitgeteilt, dass betreffend dem Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlags vom unter der GZ RV/7100331/2023 ein Verfahren beim Bundesfinanzgericht anhängig ist (Richterin Frau Mag. ***14*** ***15***)."

[...]

16. Urkundenvorlage in der mündlichen Verhandlung am

In der mündlichen Verhandlung vom hat die belangte Behörde eine Aufstellung vorgelegt, um ersichtlich zu machen, dass das seitens der Beschwerdeführerin am übermittelte Kanzleieingangsbuch jedenfalls unvollständig wäre. Um diese Behauptung zu beweisen, waren der Aufstellung der belangten Behörde als Belege entsprechende Zustellnachweise für einzelne Schriftstücke beigefügt. Nach Ansicht der belangten Behörde würden - unabhängig davon, ob es sich um ein gemeinsames Posteingangsbuch der Kanzleien ***8*** handelte, jedenfalls Eintragungen fehlen. Sollte es sich um das Posteingangsbuch einer der beiden Kanzleien ***8*** handeln, dann würden entsprechend noch mehr Eintragungen fehlen.

Seitens des Bundesfinanzgerichtes wurde hinsichtlich der beiden letzten Positionen dieser Aufstellung, nämlich BVE zur Wiedereinsetzung und BVE zur AEH, angemerkt, dass - wiewohl in der Aufstellung selbst als Zugangsdatum der angegeben werde- aus dem Zusammenhang mit dem Bescheiddatum, und insbesondere aus dem diesbezüglich angeschlossenen Rückschein, klar ersichtlich sei, dass der gemeint wäre. Dies wurde den Streitparteien durch das Bundesfinanzgericht mit E-Mail vom mitgeteilt.

17. Urkundenvorlage am

Mit E-Mail vom hat die belangte Behörde sowohl der Beschwerdeführerin als auch dem Bundesfinanzgericht ein Abfrageergebnis (AJ-WEB Abfrage, Auskunftsverfahren beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger) übermittelt, aus dem hervorgeht, dass betreffend die ***8*** ***9*** GmbH keine Beitragskonten geführt werden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Strittig ist die Zurückweisung des Antrags der Beschwerdeführerin vom betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 308 BAO gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den KESt-Haftungsbescheid 2017 vom .

Die Beschwerdeführerin hat folgende Personen mit ihrer Vertretung beauftragt und bevollmächtigt:

  1. RA ***19***. Dr. ***20***. ***7***, ***3***.

  2. ***8*** ***13***, ***FN1***, ***10*** ***11***, ***12***,
    deren Alleingesellschafterin und Alleingeschäftsführerin ***21*** ***22*** ist.
    Die Gesellschaft wurde am im Firmenbuch eingetragen.

  3. ***8*** ***9*** GmbH, ***FN2***, ***10*** ***11***, ***12***, deren Alleingesellschafterin und Alleingeschäftsführerin ***21*** ***22*** ist. Die Gesellschaft wurde am im Firmenbuch eingetragen.

Nur die - deutlich früher gegründete - ***8*** ***13***, nicht aber die - später gegründete - ***8*** ***9*** GmbH verfügt über angestellte Mitarbeiter. Der Einsatz der Mitarbeiter der ***8*** Bilanzbuchhaltungsgesellschaft für die ***8*** ***9*** GmbH erfolgt dergestalt, dass die erstere Gesellschaft für die letztere Gesellschaft als Subunternehmer tätig wird. Beide Gesellschaften werden faktisch wie eine Gesellschaft geführt und beide Gesellschaften führen auch ein gemeinsames Posteingangsbuch in elektronischer Form. Den einzelnen Sachbearbeitern bleibt es selbst überlassen, ob sie Fristenvormerke im allgemeinen Fristenbuch (eine Excel-Liste, die auch noch als PDF abgespeichert wird) oder zB auf ihrem Tischkalender oder auf einem Hauptkalender, das ist ein großer A4 Kalender für beide Kanzleien, eintragen.

Der Beschwerdeführerin stand - über die Kanzleien ***8*** (also die ***8*** ***13*** und die ***8*** ***9*** GmbH) die Möglichkeit von Onlineabfragen im IT-System FinanzOnline der Finanzverwaltung zur Verfügung. Mittels FinanzOnline war es den Kanzleien ***8*** - neben der Einsichtnahme in die seitens der Finanzverwaltung in Papierform übermittelten Buchungsmitteilungen - zB möglich, Rückstandaufgliederung abzufragen oder zu klären, für welche Abgaben ein Rückstand besteht.

Bei der Beschwerdeführerin fand eine die Jahre 2015 bis 2017 umfassende Außenprüfung statt, die mit Bericht vom (Niederschrift über die Schlussbesprechung vom ) abgeschlossen wurde.

Als Folge dieser Außenprüfung wurde die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom zur Haftung für Kapitalertragsteuer 2017 im Betrag von 50.578,45 Euro herangezogen. In der Folge wurde die Beschwerdeführerin - denselben Sachverhaltskomplex, der dem Bescheid 2017 zu Grunde lag, betreffend - mit Bescheid vom mit einem Betrag von 12.358,84 Euro zur Haftung für die Kapitalertragsteuer 2018 herangezogen. Als Empfänger der Kapitalerträge gab die belangte Behörde in beiden Fällen ***25*** ***26***, den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin an. ***25*** ***26*** war und ist im Übrigen auch einer der Gesellschafter der Beschwerdeführerin.

Mit Beschwerde vom bekämpfte die Beschwerdeführerin den KESt-Haftungsbescheid 2017 vom und mit Beschwerde vom bekämpfte die Beschwerdeführerin den KESt-Haftungsbescheid 2018 vom .

In der Folge ergingen abweisende Beschwerdevorentscheidungen und die Beschwerdeführerin brachte diese bekämpfende Vorlageanträge ein, sodass schließlich durch die belangte Behörde die Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht erfolgte.

Mit Erkenntnis vom ***5***, ***6***, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde gegen den KESt-Haftungsbescheid 2017 vom Folge und hob ihn auf. Die Zustellung der BFG-Entscheidung an den anwaltlichen Vertreter der Beschwerdeführerin, RA ***19***. Dr. ***7***, erfolgte ausweislich des postalischen Rückscheines am .

Mit Bescheid vom verfügte die belangte Behörde den Ablauf der Aussetzung der Einhebung im Betrag von 46.269,33 Euro (Einlangen bei der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin am ).

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde Anspruchszinsen für den Zeitraum bis im Betrag von 1.308,76 Euro fest (Einlangen bei der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin am ).

Mit Datum erließ die belangte Behörde einen KESt-Haftungsbescheid 2017 gegenüber der Beschwerdeführerin. Dieser Bescheid wurde zu Handen einer steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin, nämlich der "***8*** ***9*** GmbH ***10*** ***11*** ***12***" ausweislich des postalischen Rückscheins am zugestellt. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf darauf, dass der im Rahmen der Außenprüfung ergangene Haftungsbescheid betreffend das Jahr 2017 mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom ***5***, ***6*** aufgehoben worden wäre.

Eine bei der ***8*** ***13*** angestellte Hilfskraft, ***16*** ***17***, übernahm den KESt-Haftungsbescheid 2017 vom vom Zustellorgan und quittierte den Empfang auf dem Rückschein. ***16*** ***17*** erfasste den mit RSb zugestellten Bescheid im Posteingangsbuch der Kanzleien ***8***, unterließ es aber, den Bescheid an die anwaltliche Vertretung elektronisch zu übermitteln und legte diesen in einen für die Beschwerdeführerin angelegten Stammordner (allerdings nicht in den aktuellen, sondern einen älteren Ordner) ab, ohne einen Fristenvormerk für eine allfällige Bescheidbeschwerde anzulegen oder den Bescheid ***21*** ***22*** bzw der die für die Beschwerdeführerin zuständigen Sachbearbeiterin vorzulegen. Im elektronisch geführten Posteingangsbuch der Kanzleien ***8*** war somit ab dem ersichtlich, dass am "" für die Mandantin und gegenständliche Beschwerdeführerin "***18***" bei der steuerlichen Vertretung ein "Haftungsbescheid 2017" des Finanzamtes eingegangen war, dessen Zustellung rekommandiert erfolgt war ("FA RSb").

In den Kanzleien ***8*** gab es im beschwerdegegenständlichen Zeitraum weder eine Art von Organisationshandbuch noch eine schriftliche Vorgabe, wie die Kanzleiabläufe zu erfolgen hätten. Eine generelle Vorlage eingehender Schriftstücke an ***21*** ***22*** vor deren Ablage erfolgte nicht. "Einfache Fälle" wurden nicht der Steuerberaterin vorgelegt. Eine Definition, was unter "einfachen Fällen" in den Kanzleien ***8*** zu verstehen wäre, existierte nicht. Die Handhabung stand "im Ermessen des einzelnen Mitarbeiters".

Den Kanzleien ***8*** wurden seitens der Finanzverwaltung zur Information über den Stand des Abgabenkontos der Beschwerdeführerin und die erfolgten Buchungen auf dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin im zweiten Halbjahr 2022 folgende Buchungsmitteilungen übermittelt:

  1. Buchungsmitteilung 2/2022 vom (eingegangen bei der ***8*** Bilanzbuchhaltungsgesellschaft am , mit Hinweis auf Weiterleitung an die Kanzlei ***19***. Dr. ***7*** per E-Mail)

  2. Buchungsmitteilung 3/2022 vom (eingegangen bei der ***8*** Bilanzbuchhaltungsgesellschaft am )

  3. Buchungsmitteilung 4/2022 vom (eingegangen bei der ***8*** Bilanzbuchhaltungsgesellschaft am )

  4. Buchungsmitteilung 5/2022 vom (eingegangen bei der ***8*** Bilanzbuchhaltungsgesellschaft am )

  5. Buchungsmitteilung 6/2022 vom (eingegangen ***8*** Bilanzbuchhaltungsgesellschaft am , mit Hinweis auf Weiterleitung an die Kanzlei ***19***. Dr. ***7*** per E-Mail)

  6. Buchungsmitteilung 7/2022 vom (eingegangen bei der ***8*** Bilanzbuchhaltungsgesellschaft am , mit Hinweis auf Weiterleitung an die Kanzlei ***19***. Dr. ***7*** per E-Mail)

  7. Buchungsmitteilung 8/2022 vom (eingegangen bei der ***8*** Bilanzbuchhaltungsgesellschaft am )

  8. Buchungsmitteilung 9/2022 vom (eingegangen bei der ***8*** Bilanzbuchhaltungsgesellschaft am , mit Hinweis auf Weiterleitung an die Kanzlei ***19***. Dr. ***7*** per E-Mail)

  9. Buchungsmitteilung 10/2022 vom (eingegangen bei der ***8*** Bilanzbuchhaltungsgesellschaft am )

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin einen ersten Säumniszuschlag in der Höhe von 1.011,57 Euro (2% von 50.578,45 Euro) fest. Dieser Bescheid wurde am zu Handen einer steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin, nämlich der "***8*** ***13*** ***10*** ***11*** ***12***" zugestellt.

In Zeitraum vom 22.8. bis zum erkundigte sich Mag. ***27*** ***28*** von der Kanzlei ***19***. Dr. ***7*** bei ***21*** ***22*** im Hinblick auf die Verfassung einer Beschwerde gegen den Säumniszuschlagsbescheid vom , ob es dazu nicht auch einen Abgabenbescheid geben würde ("da muss es doch auch einen dazugehörigen Abgabenbescheid geben"). Auf Grund dieser Frage wurde in den Kanzleien ***8*** gesucht, aber nichts gefunden und mitgeteilt "bei uns gibt es so einen Abgabenbescheid nicht".

Mit Schreiben vom bekämpfte die Beschwerdeführerin den Säumniszuschlagsbescheid vom und beantragte die Aussetzung der Einhebung.

Am erfuhr die anwaltliche Vertretung aus einem Gespräch mit dem Richter, dass ein neuer KESt-Haftungsbescheid 2017 ergangen war. Noch am selben Tag erfolgte eine Nachfrage der anwaltlichen Vertretung bei den Kanzleien ***8***, die mit E-Mail vom der anwaltlichen Vertretung mitteilten, dass ein solcher Bescheid bei ihnen weder bekannt, noch zugegangen wäre. Dies wurde dann auch der belangten Behörde so mitgeteilt. Nach dem Erhalt weiterer Informationen und des Zustellnachweises von der belangten Behörde erfolgte ein weiterer Suchvorgang bei den Kanzleien ***8***. Schließlich konnte der KESt-Haftungsbescheid 2017 vom in einem älteren (bereits vollen und daher nicht mehr aktuellen) für die Beschwerdeführerin angelegten Stammordner doch noch aufgefunden werden.

Mit Schreiben datiert vom (Übergabe an die Post und Eingang bei der belangten Behörde am ) stellte die Beschwerdeführerin betreffend den KESt-Haftungsbescheid 2017 vom einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO und brachte gegen den genannten Bescheid eine Beschwerde ein.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den Vollmachts- und Vertretungsverhältnissen ergeben sich aus dem elektronischen Steuerakt der Beschwerdeführerin, den im gegenständlichen BFG-Verfahren sowie im Verfahren ***6*** seitens der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen sowie den von der Beschwerdeführerin im Verfahren abgegebenen Erklärungen und vorgelegten Unterlagen. Insbesondere liegen dem Bundesfinanzgericht aus dem elektronischen Akt der Beschwerdeführerin Auftrag und Vollmacht der Beschwerdeführerin an die ***8*** ***13*** vom sowie Auftrag und Vollmacht der Beschwerdeführerin an ***8*** ***9*** GmbH vom vor.

Der angenommene Sachverhalt, was die grundsätzlichen Verhältnisse und das Zusammenspiel, der Kanzleien ***8***, also der ***8*** ***13*** und der ***8*** ***9*** GmbH angeht, folgt aus den Aussagen der Zeuginnen ***23*** ***24*** am und ***21*** ***22*** am sowie der von der belangten Behörde am übermittelten AJ-WEB Abfrage. Dass bei den Kanzleien ***8*** ein gemeinsames Eingangsbuch geführt wurde und wie die Führung der Fristenvormerke vorgenommen wird, folgt aus der Einvernahme der Zeugin ***23*** ***24*** am .

Soweit die belangte Behörde eine Unvollständigkeit der durch die Beschwerdeführerin vorgelegten Eintragungen im Posteingangsbuch der Kanzleien ***8*** moniert hat, muss der Beschwerdeführerin nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts zu Gute gehalten werden, dass die Beschwerdeführerin mit Beschluss vom nur aufgefordert wurde, die das Verfahren Kapitalertragsteuer 2017 und die damit verbundenen Verfahren (zB neuer KESt-Haftungsbescheid 2017, Säumniszuschläge und Aussetzungen der Einhebung Eintragungen) betreffenden Eintragungen in den Kanzleieingangsbüchern ihrer Vertreter in Kopie vorzulegen. Soweit tatsächlich von der Anforderung umfasste Bescheide nicht enthalten waren, ist es glaubwürdig, dass dies wie die Beschwerdeführerin ausgeführt hat auf eine - insoweit den genannten Anforderungen ungenügende - Einstellung des verwendeten Suchfilters zurückzuführen war.

Die Feststellungen zum Zugang der Kanzleien ***8*** zum IT-System FinanzOnline ergeben sich aus dem elektronischen Akt der Beschwerdeführerin, der Aussage der Zeugin ***23*** ***24*** in der mündlichen Verhandlung am und der Aussage der Zeugin ***21*** ***22*** in der mündlichen Verhandlung am . Im Übrigen finden sich auf der Website des BMF zahlreiche Informationen zu den Funktionalitäten des IT-Systems FinanzOnline.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin die Jahre 2015 bis 2017 umfassenden Außenprüfung und der angeführten Bescheide stützt sich das Bundesfinanzgericht auf die aktenkundigen Unterlagen. Umstand und Zeitpunkt der Zustellungen ergeben sich bei rekommandierten Schreiben aus den vorliegende Rückscheinen, bei anderen Schreiben aus den seitens der Kanzleien ***8*** darauf angebrachten Eingangsvermerken sowie aus den vorgelegten Eintragungen im Posteingangsbuch der ***8*** ***13*** und der ***8*** ***9*** GmbH. Soweit sich aus diesen Eintragungen im Posteingangsbuch unterschiedliche, einander widersprechende, Zugangszeitpunkte ergaben, wurde auf das am Schriftstück vermerkte Eingangsdatum abgestellt, wenn dieses aus dem Blickpunkt des sachlichen und chronologischen Zusammenhangs die größere Wahrscheinlichkeit für sich hatte. Bei der Buchungsmitteilung 04/2022, die einmal mit einem Eingangsdatum und einmal mit einem Eingangsdatum im Posteingangsbuch erfasst wurde, war somit vom als Eingangsdatum auszugehen.

Die Feststellungen zu den näheren Umstände der Zustellung und weiteren kanzleimäßigen Behandlung des neu erlassenen KESt-Haftungsbescheides 2017 vom bei den Kanzleien ***8*** beruhen auf den Angaben der Beschwerdeführerin (insbesondere in ihrem Wiedereinsetzungsantrag vom ), den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung (insbesondere der Einvernahme der Zeugin ***23*** ***24*** am und der Zeugin ***21*** ***22*** am ), den von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten Unterlagen (insbesondere auf den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Eintragungen im Posteingangsbuch der Kanzleien ***8***) und den seitens der belangte Behörde vorgelegten Zustellbachweisen.

Dass es in den Kanzleien ***8*** weder eine Art Organisationshandbuch noch eine schriftliche Vorgabe, wie die Kanzleiabläufe zu erfolgen hätten, gab, folgt aus der Aussage der Zeugin ***23*** ***24*** in der mündlichen Verhandlung am . Dieser Aussage wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht widersprochen. Dasselbe gilt hinsichtlich des Umstandes, dass in den Kanzleien ***8*** keine generelle Vorlage der eingehenden Schriftstücke vor deren Ablage an die Steuerberaterin erfolgte, dass "einfache Fälle" nicht der Steuerberaterin, also ***21*** ***22***, vorgelegt wurden und dass keine von der Geschäftsführung vorgegebene verbindliche Definition, was unter "einfachen Fällen" in den Kanzleien ***8*** zu verstehen wäre, existierte.

Dass die Buchungsmitteilungen nur teilweise (nämlich die Buchungsmitteilungen 2/2022, 6/2022, 7/2022 und 9/2022) einen Hinweis auf eine Weiterleitung durch die Kanzleien ***8*** an die Kanzlei ***19***. Dr. ***7*** tragen, erklärte die Geschäftsführerin der Kanzleien ***8*** damit, dass es immer darauf ankomme, welche Mitarbeiterin das Schriftstück kanzleimäßig behandle. Wenn es die zuständige Sachbearbeiterin mache, dann geschehe es so, "wie es gehört", wenn die zuständige Sachbearbeiterin aber nicht im Büro wäre, sondern eine Hilfskraft, dann geschehe die kanzleimäßige Behandlung nicht immer so, wie es gehören solle.

Die Feststellungen zur Suche nach dem neu erlassenen KESt-Haftungsbescheid 2017 vom auf Grund der Nachfrage der Kanzlei ***19***. Dr. ***7*** am beruhen auf den Angaben im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom , den seitens der Parteien vorgelegten Unterlagen (insbesondere der E-Mail der ***8*** ***9*** GmbH an die anwaltliche Vertretung vom ), den Erklärungen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, sowie den Aussagen der Zeuginnen ***23*** ***24*** am und ***21*** ***22*** am .

In ihrer Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung am hat ***21*** ***22*** auch angegeben, dass ein Anruf der Kanzlei ***19***. Dr. ***7*** bei ihr eingegangen wäre, in welchem sie - im Hinblick auf die Verfassung einer Beschwerde gegen einen Säumniszuschlagsbescheid vom , der von den Kanzleien ***8*** an die Kanzlei ***19***. Dr. ***7*** übermittelt worden war, - gefragt worden wäre: "Gibt es dazu nicht einen Abgabenbescheid?" Das wäre ihrer Erinnerung nach "Anfang August" gewesen. Auf Grund dieser Frage, wäre in den Kanzleien ***8*** nachgesucht worden, man hätte aber nichts gefunden.

Dass das angegebene Gespräch "Anfang August" stattgefunden hat, ist aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes auszuschließen, da der gegenständliche Säumniszuschlagsbescheid vom datiert und erst am in den Kanzleien ***8*** eingelangt ist und von dort an die Kanzlei ***19***. Dr. ***7*** weitergeleitet wurde. Die Beschwerde gegen den Säumniszuschlag datiert vom . Auf diesbezüglichen Vorhalt und Nachfrage durch den Richter hat die Zeugin das Stattfinden dieses Gesprächs mit Mag. ***27*** ***28*** (einem Mitarbeiter in der Kanzlei ***19***. Dr. ***7***) nochmals bekräftigt und die Zeitangabe auf "im September" berichtigt.

Bei Verfassung einer Bescheidbeschwerde gegen einen Säumniszuschlagsbescheid zu prüfen, ob überhaupt ein Grundlagenbescheid (also ein "Abgabenbescheid" oder wie im Beschwerdefall eben ein Haftungsbescheid) vorliegt, ist für rechtskundige Personen eine berufsmäßige Selbstverständlichkeit. Dies lässt die von der Zeugin erwähnte Nachfrage durchaus plausibel und der Lebenserfahrung entsprechend erscheinen. ***19***. Dr. ***7*** konnte dazu in der Verhandlung vom nur angeben, dass er jedenfalls in seinem Akt keinen Vermerk über ein solches Gespräch habe.

Aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes kann zumindest aus der Chronologie der Ereignisse geschlossen werden, dass - wenn eine Nachfrage von Mag. ***27*** ***28*** bei ***21*** ***22*** erfolgte - dies zwischen dem (Eingang des Säumniszuschlagsbescheides vom bei den Kanzleien ***8*** und Weiterleitung an die Kanzlei Dr. ***7***) und dem (Datum der Beschwerde gegen den Säumniszuschlagsbescheid vom ) der Fall gewesen sein muss.

Dass Stattfinden der gegenständlichen Nachfrage Ende August/Anfang September - also zur der Zeit in der auch die Verfassung der Beschwerde gegen den Säumniszuschlagsbescheid erfolgte - scheint nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes der wahrscheinlichste Zeitpunkt zu sein, da er der Aussage der Beschwerdeführerin und dem Zeitablauf am ehesten entspricht. Da es sich nach Einschätzung des Bundesfinanzgerichts nicht um ein sehr umfangreiches oder schwieriges Rechtsmittel handelte, kann davon ausgegangen werden, dass Abfassung, Nachfrage und Einbringung der Beschwerde in einer eher kürzeren Zeitspanne erfolgten.

Der bloße Umstand, dass sich in den Eingaben der Beschwerdeführerin keine Erwähnung des Gespräches fand, steht aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes dessen Stattfinden nicht entgegen, da es ja gerade der Sinn der seitens der Beschwerdeführerin beantragten Einvernahme von ***21*** ***22*** war, alle relevanten Umstände offenzulegen und der Wiedereinsetzungsantrag und die Beschwerde gegen dessen Zurückweisung auch nicht von den Kanzleien ***8*** verfasst wurden. Auch der Umstand, dass sich kein Hinweis auf die Erwähnung der Nachfrage bei der folgenden Nachfrage am findet, lässt nicht den Schluss zu, das angegebene Telefonat hätte nicht stattgefunden.

Die Zeugin ***21*** ***22*** machte bei ihrer Aussage zwar keinen gut vorbereiteten, dennoch aber einen glaubwürdigen Eindruck. Dieser Eindruck wurde insbesondere dadurch hervorgerufen, dass die Zeugin keinerlei Versuche machte, die dem Beschwerdefall zu Grunde liegenden Vorgänge in beschönigender, für sie günstiger Weise, darzustellen und dass sie spontan auf Fragen antwortete. Die Zeugin war auch bereit einzugestehen, dass sie bestimmte Fragen nicht (genau) beantworten könne. So konnte sie zB auch nicht genau angeben, wann der Suchvorgang, der schließlich doch zum Auffinden des KESt-Haftungsbescheides führte, stattfand.

Die Zeugin gab in ihrer Aussage eindeutig an, im Telefonat habe sie Mag. ***27*** ***28*** "nicht nach dem KESt Haftungsbescheid gefragt, sondern er hat mich gefragt, "ob es danoch etwas gibt"". Auch dies spricht, insbesondere vor dem Hintergrund der Verfassung der Beschwerde gegen Säumniszuschlagsbescheid, für das Stattfinden der telefonischen Nachfrage.

Es sind für das Bundesfinanzgericht auch keine Gründe ersichtlich, welche Vorteile die Zeugin aus der unzutreffenden Behauptung eines solchen Telefonats für sich selbst oder die Beschwerdeführerin gewinnen könnte. Schließlich erfolgte die Aussage auch unter Wahrheitspflicht nach Belehrung über die strafrechtlichen Folgen einer falschen Zeugenaussage. Auch aus diesem Grund nimmt das Bundesfinanzgericht an, dass eine Nachfrage nach einem - die Grundlage des Säumniszuschlagsbescheides darstellenden Abgabenbescheid - durch die Kanzlei ***19***. Dr. ***7*** bei der Zeugin ***21*** ***22*** tatsächlich erfolgt ist. Bei dieser Nachfrage wurde Mag. ***27*** ***28*** mitgeteilt, dass es keinen zu Grunde liegenden Bescheid geben würde. Anzumerken ist, dass der anwaltliche Vertreter der Beschwerdeführerin die Existenz und den Inhalt des von der Zeugin ***21*** ***22*** erwähnten Telefongespräches in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten hat.

In freier Beweiswürdigung geht das Bundesfinanzgericht daher davon aus, dass eine entsprechende Nachfrage durch die Kanzlei Dr. ***7*** tatsächlich erfolgt ist. Anhand der oben angestellten Überlegungen kann diese Nachfrage frühestens am und spätestens am erfolgt sein. Wie ebenfalls oben dargestellt, wird spricht die Chronologie und Art des zu verfassenden Rechtsmittels dafür, dass die Abfassung wohl in enger zeitlicher Nähe zum Datum der Einbringung der Beschwerde erfolgte. Da der ein Freitag war, geht das Bundesfinanzgericht daher davon aus, dass die Nachfrage in Zeitraum vom 22.8. bis zum , also innerhalb von zwei Wochen erfolgte.

Dass die Übergabe des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am bei Post aufgegeben wurde, ergibt sich aus den beiden auf dem Briefkuvert angebrachten Datumsstempeln.

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf die Einholung eines Gutachtens von einem Sachverständigen für Betriebsorganisation zum Beweis dafür, dass das bei den Kanzleien ***8*** eingerichtete System der Kanzleiorganisation für die Bearbeitung der Eingangspost dem Standard, der für Wirtschaftstreuhandskanzleien gefordert ist, entspricht, wurde abgewiesen (zur Begründung siehe unten).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig zwischen den Parteien ist die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdefrist vom betreffend den Kapitalertragsteuerhaftungsbescheid 2017 vom .

Gemäß § 308 Abs 1 BAO ist unter anderem gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110 leg cit) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, vorausgesetzt der Partei liegt kein Verschulden oder lediglich ein minderer Grad des Versehens an der Versäumung zur Last.

Die Knüpfung eines Antrages an eine innerprozessuale Bedingung ist zulässig (zB ). Daher sind Wiedereinsetzungsanträge auch als Eventualanträge zulässig, zB "nur für den Fall der Verspätung der Beschwerde" (Ritz/Koran, BAO7, § 308 Rz 22, mwN; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO § 308 Rz E 184, mwN [Stand , rdb.at]).

Ein Ereignis iSd § 308 Abs 1 BAO ist jedes Geschehen, also nicht nur ein Vorgang in der Außenwelt, sondern auch ein psychischer Vorgang wie Vergessen, Verschreiben, Sich irren usw (Ritz/Koran, BAO7, § 308 Rz 8, mwN).

Ein bloßes "Vergessen" oder ein "schlichtes Übersehen" ohne das Hinzutreten besonderer, hiefür ausschlaggebender Umstände stellt kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis iSd § 308 Abs 1 BAO dar und vermag somit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu begründen ().

Im Beschwerdefall besteht das Ereignis iSd § 308 Abs 1 BAO in einem Tatsachenirrtum über das Ergehen (die erfolgte rechtswirksame Zustellung) eines Bescheides, nämlich des KESt-Haftungsbescheides 2017 vom , an die Beschwerdeführerin. Dies zog eine Versäumung der rechtzeitigen (fristgerechten) Bekämpfung dieses Bescheides und somit einen Rechtsnachteil für die Beschwerdeführerin nach sich: Die Zustellung des beschwerdegegenständlichen KESt-Haftungsbescheides 2017 vom erfolgte am Montag, dem , somit endete die einmonatige Beschwerdefrist des § 245 Abs 1 BAO am Donnerstag, dem . Die gemeinsam mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung am Montag, dem , erfolgte Einbringung der Beschwerde gegen diesen KESt-Haftungsbescheides 2017 wäre somit jedenfalls verspätet. Ursache dieses Tatsachenirrtums ist das Versäumnis einer Hilfsperson der Kanzleien.

Gemäß § 83 Abs 1 BAO können sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche voll handlungsfähige Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Die Regeln der BAO ermöglichen es einer Partei auch mehrere gewillkürter Vertreter und mehrere Zustellungsbevollmächtigte zu bestellen (vgl , mwN).

Gemäß § 9 Abs 4 zweiter Satz ZustG gilt die Zustellung als bewirkt, sobald sie an einen von mehreren Zustellungsbevollmächtigten vorgenommen wird, wobei eine Rangordnung dahingehend, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt andere Vertretungen ausschließen würde oder dass bei Vertretung durch einen Rechtsanwalt jedenfalls (auch) diesem zuzustellen wäre, nicht besteht (vgl zB , mwN; , zum AVG). Die Zustellung des KESt-Haftungsbescheides an die "***8*** ***9*** GmbH ***10*** ***11*** ***12***" war somit rechtswirksam, was im Übrigen von der Beschwerdeführerin auch im Verfahren nicht in Frage gestellt wurde.

Die Beschwerdeführerin hatte im Jahr 2022 wie - oben dargestellt - drei rechtskundige berufsmäßige Parteienvertreter bevollmächtigt und beauftragt. Eine solche Gestaltung ihrer steuerlichen Vertretung nach eigener Entscheidung und Willen steht der Beschwerdeführerin unzweifelhaft zu. Daraus folgt aber - nicht anders als wenn nur ein Vertreter bestellt worden wäre -, dass sich die Beschwerdeführerin das Verschulden aller ihrer Vertreter (ihrer gesamten Vertretung) zurechnen lassen muss ().

Ist der Parteienvertreter eine juristische Person, so ist das Verschulden jenes Organes bzw Vertreters der juristischen Person, der nach den gesetzlichen Vorschriften und den Organisationsnormen der juristischen Person zu deren Vertretung berufen ist, dem Verschulden des berufsmäßigen Parteienvertreters - und nicht dem des Kanzleipersonals - gleichzuhalten (vgl ).

Die in , für Rechtsanwälte entwickelten Grundsätze über die Zurechnung des Verschuldens im Falle einer Fristversäumung, hervorgerufen durch einen Fehler des Kanzleipersonals, gelten auch für Wirtschaftstreuhänder ().Hat das Verhalten eines Angestellten des Parteienvertreters zur Versäumung der Frist geführt, so kommt es darauf an, ob es für den Parteienvertreter ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis war (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO § 308 Anm 10 [Stand , rdb.at]).

Das einem Parteienvertreter widerfahrene Ereignis ist für die Partei nur dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn dieses Ereignis für den Parteienvertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war; liegt dem Parteienvertreter ein Verschulden an der Versäumung zur Last, darf es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handeln Ellinger/Sutter/Urtz, BAO § 308 E 23, mHa , 0241;; , 0115; , [Stand , rdb.at]).

Zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin, die Einschätzung der belangten Behörde, die steuerliche Vertretung hätte Kontrollpflichten verletzt, sei "geradezu weltfremd", weil der Fehler nur hätte verhindert werden können, wenn die Geschäftsführung der steuerlichen Vertretung die Mitarbeiterin bei der Bearbeitung des Posteingangs entweder direkt überwacht oder im Anschluss an die Bearbeitung des Posteingangs sämtliche denkbare Ordner durchsucht hätte ist seitens des Bundesfinanzgerichtes auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen:

Wiewohl eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, dem Vertreter nicht zuzumuten ist, handelt es sich zB bei der kanzleimäßigen Bestimmung einer Rechtsmittelfrist nicht um eine rein manipulative Tätigkeit, sodass - wenn der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers die Vorstellungsfrist daher nicht selbst kalendermäßig konkret bestimmte, sondern diese Bestimmung der Buchhaltungssachbearbeiterin überließ - es ihm jedenfalls oblegen wäre, diesen Vorgang bzw die richtige Eintragung im Kalender zu kontrollieren (vgl ).

Dazu zu auch noch zu ergänzen, dass es sich im Beschwerdefall bei der Bearbeitung der Eingangspost durch ***16*** ***17*** nicht um eine rein manipulative Tätigkeit handelte, da eine Hilfskraft (in zitierten Entscheidung des VwGH handelte es sich dagegen um eine Sachbearbeiterin) die Entscheidung zu treffen hatte, ob das eingehende Schriftstück eines Fristenvormerks bzw einer Vorlage an die Steuerberaterin bedurfte. Nach der Aussage der Zeugin ***23*** ***24*** gab es in den Kanzleien ***8*** diesbezüglich keine Definition ("Eine Definition, was einfache Fragen sind, gibt es nicht. Das steht im Ermessen des einzelnen Mitarbeiters").

In seiner Entscheidung vom , 99/17/0394, hat der Verwaltungsgerichtshof zu einem Rechtsanwalt ausgesprochen, dass dieser gegenüber seiner Kanzlei als seinem Hilfsappart, dessen er sich bei Wahrnehmung der ihm durch Bevollmächtigungsvertrag übertragenen Aufgaben bedient, alle Vorsorgen zu treffen hätte, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen würden und die Organisation des Kanzleibetriebes so einrichten wäre, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von - mit Präklusion sanktionierten - Prozeßhandlungen sichergestellt würde. Dabei sei durch entsprechende Kontrollen unter anderem dafür vorzusorgen, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach ausgeschlossen werden könnten. Ein Rechtsanwalt verstoße danach auch dann gegen eine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen habe, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet seien.

Im Übrigen wäre es - entgegen den Ausführungen in der Beschwerde - auch nicht erforderlich gewesen, dass die "Geschäftsführung der steuerlichen Vertretung bei der Bearbeitung des Posteingangs entweder direkt überwacht oder im Anschluss an die Bearbeitung des Posteingangs sämtliche denkbare Ordner durchsucht hätte", sondern eine Vorlage an die Geschäftsführung der steuerlichen Vertretung wäre ausreichend gewesen.

Hier ist vom Bundesfinanzgericht auch auf die Replik der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung vom zu verweisen:

"In einem Kanzleibetrieb eines berufsmäßigen Parteienvertreters mit dem zu fordernden Organisationsstandard darf es schlechterdings nicht eintreten können, dass ein einer fristgebundenen Maßnahme potentiell bedürftiges Geschäftsstück abgelegt wird, ohne dass es der Parteienvertreter zu Gesicht bekommt und ohne dass es in das Fristenbuch eingetragen wird (, 0174; ; ).

Wenn die Beschwerdeführerin dazu im Vorlageantrag vom ausführt, diese Ansicht würde "zwar in der vom FA zitierten Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, sie legt aber einen überzogenen Sorgfaltsstandard zu Grunde", kann dieser Auffassung vom Bundesfinanzgericht im Übrigen nicht beigepflichtet werden.

Auch soweit die belangte Behörde auf die Behauptungs- und Beweispflicht bei Wiedereinsetzungsanträgen Bezug nimmt, findet dies durchaus Deckung in der höchstgerichtlichen Spruchpraxis:

Wer einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa, dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (, mwN). Daher hat der Parteienvertreter in bestimmter Weise vorzubringen, daß er in irgendeiner Weise seine Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleipersonal tatsächlich selbst gehandhabt hat und nur im vorliegenden Fall die an sich ausgeübte Überwachungspflicht nicht zur Entdeckung der Fehlleistung geführt hat (, mwN).

Ausführungen dazu, welche (wirksamen) Kontrollsysteme bei ***8*** ***9*** GmbH sowie der ***8*** ***13*** im Allgemeinen bzw im Besonderen vorgesehen gewesen wären, sind aus dem Wiedereinsetzungsantrag vom jedenfalls nicht ersichtlich.

Zur Bedeutung des Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag hat der VwGH in seiner Entscheidung von , Ra 2020/16/0139, festgehalten:
"Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wurde (so etwa die auch hier heranzuziehende ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 71 Abs. 1 AVG; Hinweis E , 92/17/0067; Ritz, Bundesabgabenordnung2, Rz 20 zu § 308). Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom , 96/17/0302, ausgesprochen hat, ist ein Grundgedanke der Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, dass über die Zulässigkeit der Nachholung der versäumten Prozesshandlung unverzüglich soll entschieden werden können. Daher hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass der Wiedereinsetzungswerber alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen hat und eine Auswechslung des Grundes im Berufungsverfahren unzulässig ist (vgl. zu § 308 BAO Stoll, BAO-Kommentar, 2975, mwN). Daraus folgt, dass mündliche Ergänzungen oder Erläuterungen des Antrages - selbst wenn sie innerhalb der Frist erfolgen - jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn sie im Akt keinen (inhaltlichen) schriftlichen Niederschlag gefunden haben."

Im Wiedereinsetzungsantrag vom hat die Beschwerdeführerin den Umstand, dass die mit der Postbearbeitung betraute Mitarbeiterin ***16*** ***17*** den gegenständlichen Haftungsbescheid irrtümlich in die Ablage mit den erledigten Geschäftsstücken eingeordnet hätte und aus diesem Grund der KESt-Haftungsbescheid vom die zur Wahrung der Beschwerdefrist erforderlichen Veranlassungen nicht getroffen wurden, als ein unvorhergesehene bzw unabwendbare Ereignis bezeichnet.

Dass die unterbliebene Bearbeitung des KESt-Haftungsbescheids auf einen minderen Grad des Versehens zurückzuführen sei, wurde im Wiedereinsetzungsantrag so begründet: "zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids bestand für die ***8*** WT & Stb GmbH kein Grund, an der Verlässlichkeit von Frau ***16*** ***17*** zu zweifeln". In diesem Zusammenhang wurde betreffend ***16*** ***17*** - neben dem Hinweis auf das Vorliegen einer schweren psychischen Belastung - darauf verwiesen, sie seit 10 Jahren in der Kanzlei ***8*** tätig gewesen und hätte sich als äußerst zuverlässige Mitarbeiterin erwiesen.

Zu diesen Angaben hat die belangte Behörde im Bescheid vom darauf aufmerksam gemacht, dass - wer einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stütze - schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen habe, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden treffe, etwa dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hätte (vgl ; , 2010/17/0049; , 2013/17/0137).

Zu den Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes ist eingangs auf die im angefochtenen Bescheid umfangreich zitierte Judikatur zu verweisen. Dass man bei den Kanzleien ***8*** der zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleibeidiensteten nachgekommen wäre ist, wie bereits oben erwähnt im Wiedereinsetzungsantrag vom nicht als Grund für das Vorliegen eines nur minderen Grades des Verschuldens angeführt worden. Gleiches gilt für Behauptungen betreffend organisatorische Maßnahmen. Mangels solcher Behauptungen konnte die belangte Behörde diesbezüglich auch keine Würdigung derselben vornehmen.

Auch in der Beschwerde vom gegen den Bescheid vom hat die Beschwerdeführerin lediglich angegeben, dass Argument, die steuerliche Vertretung hätte Kontrollpflichten verletzt, sei "geradezu weltfremd". Nach Ansicht der Beschwerdeführerin "hätte der Fehler hätte im vorliegenden Fall nur dann vermieden werden können, wenn die Geschäftsführung der steuerlichen Vertretung die Mitarbeiterin bei der Bearbeitung des Posteingangs entweder direkt überwacht oder im Anschluss an die Bearbeitung des Posteingangs sämtliche denkbare Ordner durchsucht hätte. Beides widerspricht dem Grundsatz, dass nur die nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflichten anzuwenden sind."
Angaben zu eventuellen organisatorischen Maßnahmen oder die Darstellung solcher Abläufe fehlen auch in dieser Eingabe der Beschwerdeführerin.

Auch diesbezüglich ist vom Bundesfinanzgericht auf die Replik der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung vom zu verweisen:

: Aus der ständigen Rechtsprechung ergibt sich eineVerpflichtung des Wiedereinsetzungswerbers zur Konkretisierung aller Umstände, die esermöglichen, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes zu beurteilen. DerWiedereinsetzungswerber hat von sich aus initiativ alles vorzubringen, was die Annahme einesdie Rechtzeitigkeit der Vornahme einer Prozesshandlung hindernden Umstandes begründenkann (, mwN). Dazu zählt auch die Darstellung des in derKanzlei des Rechtsvertreters eingerichteten Kontrollsystems zur Sicherstellung, dass demVertreter tatsächlich die gesamte eingehende Post rechtzeitig vorgelegt wird. Fehlt es an einerderartigen Darstellung im Wiedereinsetzungsantrag, kann die belangte Behörde bzw. dasVerwaltungsgericht vom Fehlen solcher Kontrollmaßnahmen und Anordnungen ausgehen, undes kann am Vorliegen eines (dem Wiedereinsetzungswerber zuzurechnenden) den Gradminderen Versehens übersteigenden Verschuldens des Vertreters kein Zweifel bestehen (vgl.; , Ra 2017/11/0234, jeweils mwN).

: Im Wiedereinsetzungsantrag ist darzutun, inwiefern dieVorlage der Eingangsstücke überwacht werden, das heißt mit welchen organisatorischenMaßnahmen dem etwaigen "Verschwinden" von Eingangsstücken zu begegnen versucht werde(vgl. dazu etwa , mwN)."

Diese Anmerkungen zur Argumentation der Parteien vorausgeschickt, ergibt sich im Beschwerdefall die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes allerdings ohnehin bereits aus der Versäumung der Frist des § 308 Abs 3 BAO.

Nach Ansicht der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht innerhalb der in § 308 Abs 3 BAO vorgesehenen Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses, somit verspätet, eingebracht.

Dies begründet die belangte Behörde damit, dass die Frist nach § 308 Abs 3 BAO spätestens mit der Zustellung des Bescheides betreffend die Festsetzung eines Säumniszuschlages vom zu laufen begonnen habe. Die Zustellung dieses Bescheides gelte gemäß § 26 Abs 2 ZustellG am als bewirkt. Vor dem Hintergrund, dass anlässlich der oben angeführten Aufhebung des ursprünglichen Haftungsbescheides 2017 bereits am eine entsprechende Gutschrift der Kapitalertragsteuer 2017 am Abgabenkonto erfolgt sei, wäre die steuerliche Vertretung angehalten gewesen, die Festsetzung des Säumniszuschlages - welcher in Folge des neu erlassenen Haftungsbescheides festgesetzt worden sei - zumindest durch Nachfrage bei der Behörde abzuklären. Diesbezügliche Schritte wären nicht aktenkundig.

Da der steuerlichen Vertretung bei einer Nachfrage von der Behörde mitgeteilt worden wäre, dass der Säumniszuschlag aufgrund des neu erlassenen Haftungsbescheides festgesetzt worden sei, wäre es dem Antragsteller ermöglicht worden, fristgerecht eine Bescheidbeschwerde einzubringen. In der Unterlassung entsprechender Ermittlungsschritte wäre ein schuldhaftes Verhalten der steuerlichen Vertretung zu erblicken, welches den Fristenlauf nach § 308 Abs 3 BAO in Gang gesetzt hätte.

Die belangte Behörde könne in der Unterlassung entsprechender Ermittlungshandlungen auch keine bloß leichte Fahrlässigkeit erblicken. Selbst wenn man der steuerlichen Vertretung bis zur Abklärung dieser Buchungen bis Ende August 2022 zugestehen würde, so wäre die Dreimonatsfrist am abgelaufen gewesen. Die Einbringung des Antrages auf Wiedereinsetzung am sei somit verspätet erfolgt.

Diese Argumentation ergänzte die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung, in der sie unter anderem darauf verwies, dass - nachdem am ein neuer Haftungsbescheid erlassen worden wäre - ein erster Säumniszuschlag mit Bescheid vom festgelegt und in diesen Bescheid ausdrücklich angeführt worden wäre, dass dieser Säumniszuschlag aufgrund des Haftungsbescheides für Kapitalertragsteuer 1-12/2017 festgesetzt worden sei. Sämtliche in den genannten Erledigungen festgesetzten bzw. gutgeschriebenen Abgaben wären auf dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin verbucht worden, sodass es die Sorgfaltspflicht der steuerlichen Vertretung - auch im Unwissen um den neu ergangenen Haftungsbescheid - geboten hätte, sich bei der belangten Behörde zu erkundigen, auf welcher Grundlage die entsprechenden Buchungen erfolgt seien bzw. der Säumniszuschlag festgesetzt worden wäre. Eine derartige Nachfrage bei der belangten Behörde wäre der steuerlichen Vertretung jedenfalls zumutbar gewesen. Die Sorgfaltspflichten der steuerlichen Vertretung hätten es auch nicht erfordert, "bei der Behörde die Erlassung oder die Zustellung einesHaftungsbescheides an den Mandanten in irgendeiner Weise zu fördern", aus Vorsichtsgründen wäre es jedoch geboten gewesen, sich bei der Behörde nach dem Grund für die gegenständlichen Buchungen zu erkundigen.

Dieser Argumentation wurde in der Beschwerde entgegengehalten, dass sich aus § 77 Abs 8 WTBG 2017 ergebe, dass der Wirtschaftstreuhänder verpflichtet sei, die Interessen seines Mandanten zu wahren, wozu es gehöre, alles zu unterlassen, was die Rechtsposition des Mandanten beeinträchtige.

Wenn die belangte Behörde der steuerlichen Vertretung die Verpflichtung unterstelle, aktiv die Zustellung eines Haftungsbescheides abzuklären, verlange sie, dass die steuerliche Vertretung ihre Verpflichtung der Interessenwahrung verletze, denn "die aktive Förderung der Zustellung eines Haftungsbescheids entspricht nicht dem Interesse des Steuerpflichtigen".

Diese Auffassung begründet die Beschwerdeführerin damit, dass die Zustellungen eines Hauptbescheides und eines abgeleiteten Bescheids in der Regel zeitlich auseinanderfallen würden. Sehe man nun von der Besonderheit des vorliegenden Falles ab, dass bei der steuerlichen Vertretung ein Fehler in der Behandlung des Haftungsbescheides unterlaufen sei und nehme man an (was im Beschwerdefall allerdings nicht zutrifft), dass ein solcher Haftungsbescheid nicht zugestellt worden wäre - was zum Beispiel durch ein Problem im Zustellvorgang durchaus denkbar sei - so würde die Rechtsmeinung der belangten Behörde darauf hinauslaufen, dass die steuerliche Vertretung bezüglich des Haftungsbescheides bei dem Finanzamt nachfragen müsste, "was - wie ausgeführt - die Interessen ihres Mandanten verletzen würde".

Dazu ist vom Bundesfinanzgericht anzumerken, dass die Argumentation der Beschwerdeführerin offensichtlich darauf hinausläuft, dass die belangte Behörde durch die Nachfrage erfahren könnte, dass ein von ihr ausgefertigte Bescheid dem Adressaten tatsächlich nicht zugegangen ist, und dann - in Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben - den Bescheid wirksam zuzustellen würde.

Im Vorlageantrag hat die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen noch dergestalt ergänzt, dass eine Nachfrage beim Finanzamt nicht angezeigt gewesen wäre, weil aus den Buchungen nicht klar erkennbar gewesen wäre, dass sie sich auf einen neu erlassenen Haftungsbescheid bezogen hätten, und aus diesem Grund kein Anlass zu irgendeiner "Vorsicht" bestand bestanden hätte.

Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts ist die oben wiedergegebene Rechtsansicht der belangten Behörde zutreffend und der verfahrensgegenständliche Wiedereinsetzungsantrag ist tatsächlich verspätet eingebracht worden:

Eingangs ist auf § 303 Abs 3 BAO zu verweisen, der bestimmt, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden muss.

Die Drei-Monatsfrist des § 308 Abs 3 BAO ist eine gesetzliche Frist und somit dem § 110 Abs 1 BAO zufolge nicht verlängerbar (Ritz/Koran, BAO7, § 308 Rz 23, mwN).

Da die Zustellung des KESt-Haftungsbescheides 2017 vom am Montag, dem , erfolgte, endete die einmonatige Beschwerdefrist des § 245 Abs 1 BAO am Donnerstag, dem . Die gemeinsam mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung erfolgte Einbringung der Beschwerde gegen den KESt-Haftungsbescheides 2017 vom am wäre somit jedenfalls verspätet.

Als Hindernis iSd § 308 Abs 3 BAO ist jenes Ereignis iSd § 308 Abs 1 BAO zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Besteht dieses Ereignis in einem Tatsachenirrtum über das Ergehen eines Bescheides, dann hört das Hindernis iSd § 308 Abs 3 BAO auf, sobald der Antragsteller (oder dessen Vertreter) den Tatsachenirrtum als solchen erkennen konnte und musste (vgl , zu § 71 AVG).

Für das Ingangsetzen der Frist des § 308 Abs 3 BAO ist ausschließlich auf das Aufhören des Hindernisses bzw auf die spätere Erlangung der Kenntnis der Fristversäumung abzustellen (, mHa ).

Der Wiedereinsetzungsantrag ist nur rechtzeitig, wenn er innerhalb eines Monates [BGBl I 1999/28: von drei Monaten] ab Wegfall des Hindernisses, spätestens ab Erkennen der Fristversäumnis gestellt wurde (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO § 308 Rz E 187 [Stand , rdb.at], mHa ).

Zur Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde ist maßgebend, ob die dreimonatige Frist des § 308 Abs 3 BAO am noch offen war. Die Fristenberechnung für die dreimonatige Wiedereinsetzungsfrist erfolgt - ebenso wie jene für die Ermittlung der versäumten einmonatigen Beschwerdefrist - nach den Vorgaben in § 108 BAO. Der Fristenlauf beginnt somit an dem Tag, der jenem folgt, an dem das Hindernis weggefallen oder der Irrtum erkennbar geworden ist. Der Lauf der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages beginnt nicht zwingend erst mit der Aufklärung des Irrtums, sondern bereits mit seiner möglichen Aufklärung, so dass es also nicht darauf ankommt, wann das die Versäumung verursachende Ereignis weggefallen ist, sondern wann es weggefallen sein könnte, die Aufklärung aber nicht nur wegen eines minderen Grades des Versehens unterblieben ist (vgl zB , zu § 148 ZPO).

Besteht das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis in einem Irrtum über das einzubringende Rechtsmittel, so fällt dieses Hindernis weg, sobald die Partei den Irrtum als solchen erkennen kann und muss; für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist kommt es somit auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO § 308 Rz E 188 ([Stand , rdb.at], mHa ; ; ).

Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom , 2005/15/0083, aus: "Nach der Rechtsprechung des OGH zu § 146 ZPO, an welche Bestimmung jene des § 308 BAO nach der Absicht des Gesetzgebers im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsordnung angepasst werden sollte (108 BlgNR 17. GP 45), beginnt der Lauf der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages nicht erst mit der Aufklärung des Irrtums, sondern bereits mit seiner möglichen Aufklärung. Diese Frist wird aber nur dann in Lauf gesetzt, wenn die mögliche Aufklärung nicht nur wegen eines minderen Grades des Versehens unterblieben ist; es darf nämlich bei der Beurteilung dieser Frage kein strengerer Maßstab angelegt werden als bei der Versäumung der Frist selbst (vgl. RIS-Justiz RS0036608). Ist die Prozesshandlung durch einen Irrtum versäumt worden, beginnt die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand also mit dessen möglicher Aufklärung, sofern diese durch auffallende Sorglosigkeit unterblieben ist (vgl. RIS-Justiz RS0036742; z.B. ). Auf diese Rechtsprechung verweist auch der VfGH (vgl. z.B. u.a., mwN).

Im gleichen Sinne heißt es in der jüngst ergangenen Entscheidung : " … Besteht das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis in einem Irrtum, so fällt dieses Hindernis bereits dann weg, sobald die Partei (oder ihr Vertreter) diesen Irrtum als solchen erkennen konnte und musste (vgl. ; , Ro 2018/16/0014, mwN; vgl. auch - zu § 46 VwGG - ; , 2011/15/0146; , Ra 2015/16/0083, mwN; vgl. weiters - zu § 33 VwGVG - , mwN). Für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist kommt es somit auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an, also auf den Wegfall des Irrtums oder der Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegen stehenden Weise vorwerfbar ist (vgl. ). Der Wiedereinsetzung entgegen steht der Irrtum aber dann, wenn der mindere Grad des Versehens überschritten ist (vgl. - zu § 46 VwGG - )."

Der mindere Grad des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd §§ 1324 und 1332 ABGB zu verstehen (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO § 308 Rz E 30 ([Stand , rdb.at], mHa ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ).

Auffallend sorglos handelt, wer die für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO § 308 Rz E 32 ([Stand , rdb.at], mHa ; ; ; , 0076; ; ; ; ; ; ; ; ).

Ob eine auffallende Sorglosigkeit oder (nur) eine Sorglosigkeit minderen Grades vorliegt, ist regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängig (zB ).
Bei der Beurteilung, ob die mögliche Aufklärung durch auffallende Sorglosigkeit unterblieben ist, darf kein strengerer Maßstab angelegt werden als bei der Versäumung der Frist selbst (zB ).

Unterläuft ein nach den Umständen leicht zu vermeiden gewesener (Rechts-)Irrtum einem Steuerberater, kann nicht von einem minderen Grad des Versehens gesprochen werden ().

War die Versäumung voraussehbar und hätte sie durch ein der Partei zumutbares Verhalten abgewendet werden können, ist die Wiedereinsetzung zu verweigern (, zu § 148 ZPO).

Hinsichtlich der Beurteilung, ob ein minderer Grad des Versehens vorliegt, ist an beruflich rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an Verfahren beteiligte Personen. War die Versäumung voraussehbar und hätte sie durch ein dem Parteienvertreter zumutbares Verhalten abgewendet werden können, dann ist die Wiedereinsetzung zu verweigern ().

Ebenso , wonach die Einhaltung der Rechtsmittelfrist von der Partei und ihrem Vertreter größtmögliche Sorgfalt erfordert und sich dabei der Vertretene nach ständiger Rechtsprechung das Verschulden seines Vertreters zurechnen lassen muss.

"Ordentliche Prozessparteien" trifft die Obliegenheit, sich bei geeigneten Stellen zu erkundigen und sich Gewissheit zu verschaffen, wann der Beginn des Fristenlaufes eingetreten ist (, mHa ).

Vgl. dazu auch, dass Erkenntnis vom , 2008/22/0414, in welchen der Verwaltungsgerichtshof auf die eine "ordentliche Prozesspartei" treffende "Sorgfaltspflicht", nämlich die Obliegenheit, sich bei geeigneten Stellen zu erkundigen und sich Gewissheit zu verschaffen, wann der Beginn eines Fristenlaufs eingetreten ist, hinweist.

Diese Verletzung der bestehenden Sorgfaltspflicht stellt im Beschwerdefall, in welchem die Beschwerdeführerin rechtskundige berufliche Parteienvertreter beauftragt und bevollmächtigt hatte, umso mehr einen Fall der groben Fahrlässigkeit dar, weil der Verwaltungsgerichts zB in seiner Entscheidung vom , Ra 2017/05/0296, klargestellt hat: "Dass auch eine Pflicht für unvertretene, rechtsunkundige Parteien besteht, sich derartige Informationen zu beschaffen, hat der VwGH im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Irrtümern in Wiedereinsetzungsverfahren bereits wiederholt dargelegt (vgl. /0127, 0128, , , oder , 0147)." Wird dann aber gerade bei Bestehen einer rechtskundigen berufsmäßigen Parteienvertretung durch diese die Sorgfaltspflicht verletzt und eine einfach durchführbare und auf Grund der Umstände gebotene Aufklärung unterlassen, so geht dies deutlich über einen minderen Grad des Verschuldens hinaus.

Es ist gerade die von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung am angesprochene "Intensität" des Rechtsverkehrs zwischen der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde, die der Beschwerdeführerin (ihrer steuerlichen Vertretung) zahlreiche Gelegenheiten geboten hat, ihren Irrtum zu erkennen bzw aufzuklären.

Wie bereits die belangte Behörde ausgeführt hat, gab es eine Vielzahl der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gelangter Informationen, aus denen auf das Ergehen des neuen KESt-Haftungsbescheides vom zu schließen war. Aber selbst wenn ein solcher Schluss nicht zwingend gewesen wäre, dann erforderten die der steuerlichen Vertretung bekannten Umstände jedenfalls eine Klärung durch Nachfrage bei der belangten Behörde. Eine solche Aufklärung wäre die Pflicht rechtskundiger berufsmäßiger Parteienvertreter gewesen, deren Erfüllung auch keiner besonderen Mühe bedurft hätte.

Dass die nachweisliche Zustellung des neuen KESt-Haftungsbescheides an die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin am durch das Versehen einer Kanzleikraft "übersehen" und als "erledigt" abgelegt wurde, sodass keine Weiterleitung des eingelangten Bescheides und keine fristgerechte Erhebung einer Bescheidbeschwerde erfolgte, stellt im Beschwerdefall das Ereignis iSd § 308 Abs 1 BAO dar.

Vor dem Eingehen auf die Umstände, die eine rechtzeitige Aufklärung des Irrtums betreffend die Zustellung des KESt-Bescheides 2017 vom , geboten und zumutbar machten, ist vorauszuschicken, dass der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin die Aufhebung des ursprünglichen KESt-Haftungsbescheides ebenso bekannt war, wie der belangten Behörde.

Nach dem Zugang des neuen KESt-Haftungsbescheides 2017 am gingen der steuerlichen Vertretung auch noch mehrere Buchungsmitteilungen zu, aus denen - im Zusammenhang mit dem Wissen um die Aufhebung des ursprünglichen KESt-Haftungsbescheides 2017 - durchaus auf das Ergehen eines neuen KESt-Haftungsbescheid 2017 zu schließen, jedenfalls aber mindestens eine diesbezügliche Abklärung dringend erforderlich war. Nicht einmal die Beschwerdeführerin behauptet im Vorlageantrag, dass aus den Buchungsmitteilungen das Ergehen eines neuen KESt-Haftungsbescheides nicht zu ersehen gewesen wäre, sondern es wird formuliert, dass aus den Buchungen "nicht klar" erkennbar war, dass sie sich auf einen neu erlassenen Haftungsbescheid bezogen, und aus diesem Grund kein Anlass zu irgendeiner "Vorsicht" bestand. Schon eine Situation, in der etwas "nicht klar" ist und die einen Betrag von über 50.000 Euro betrifft, hätte aber einen berufsmäßigen Parteienvertreter zur - leicht möglichen - Klärung der Umstände verpflichtet. Wie unten noch darzustellen sein wird, verwendete die Zeugin ***21*** ***22*** in ihrer Zeugenaussage im Übrigen den Begriff "verwirrend", der sich mit der Einschätzung, es bestehe "kein Anlass zu irgendeiner Vorsicht" schlicht nicht in Einklang bringen lässt, und die vorliegende grobe Fahrlässigkeit eindrücklich vor Augen führt.

Aus der Buchungsmitteilung 2/2022 vom (der steuerlichen Vertretung zugegangen am ), der Buchungsmitteilung 3/2022 vom (der steuerlichen Vertretung zugegangen am ) sowie der Buchungsmitteilung 4/2022 vom (der steuerlichen Vertretung zugegangen am ) geht hervor, die Belastung aus der ursprünglichen Vorschreibung der KESt 2017 in Höhe von 50.578,45 Euro (davon zahlbar 46.269,33 Euro bis ) aus der Aussetzung der Einhebung genommen, am Konto verbucht und anschließend ausgebucht wurde ("Kapitalertragsteuer 12/2017"). Mit Datum erfolgte die Verbuchung einer "Kapitalertragsteuer 1-12/2017" im Betrag einer Lastschrift von 50.578,45 Euro am Abgabenkonto der Beschwerdeführerin. Der Betrag von 50.578,45 Euro entspricht der Höhe nach dem bereits mit dem aufgehobenen KESt-Haftungsbescheid vom gegen die Beschwerdeführerin für 2017 festgesetzten Betrag. Somit war ersichtlich, dass dieser neuerlich festgesetzt worden war. Im Ergebnis führte diese Buchung dazu, dass sich am Konto der Beschwerdeführerin statt eines ursprünglich bestehenden Guthabens ein Rückstand von ca. 48.000 Euro ergab. Schon der Inhalt der Buchungsmitteilungen alleine legte den Schluss nahe, dass eine neue Festsetzung erfolgt war, bzw erforderte zumindestens aber eine umgehende Abklärung mit der Finanzbehörde. Diese einfachen und naheliegenden Überlegungen wurden aber von der steuerlichen Vertretung nicht angestellt.

In der mündlichen Verhandlung am hat die Geschäftsführerin der ***8*** ***13*** sowie der ***8*** ***9*** GmbH, ***21*** ***22***, als Zeugin angegeben, es wäre "auch ein bisschen verwirrend, dass die KESt einmal gutgeschrieben wurde und dann wieder belastet wurde". Auf die Frage des Richters, warum keine Nachfrage beim Finanzamt erfolgte, antworte die Zeugin: "Das kann ich Ihnen nicht sagen". Diese "Verwirrung" hätte aber die steuerliche Vertretung zu einer entsprechenden Nachfrage bei der belangten Behörde führen müssen, um sich als "ordentliche Prozesspartei" Gewissheit zu verschaffen. Eine Aufklärung wäre ebenso geboten gewesen, weil sich durch die dargestellten Verbuchungen ein hoher Rückstand auf dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin ergab. Durch die Nachfrage bei der belangten Behörde wäre der Irrtum leicht zu vermeiden gewesen. Das Unterlassen einer zumutbaren Aufklärung durch eine rechtskundige berufsmäßige Parteienvertretung geht aber unter solchen Umständen über eine leichte Fahrlässigkeit bei weitem hinaus, weil dadurch die erforderliche und zumutbare Sorgfalt deutlich unterschritten wird, denn gerade die Einhaltung der Rechtsmittelfrist erfordert von der Partei und ihrem Vertreter größtmögliche Sorgfalt.

Im Ergebnis war nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes bereits im Zeitpunkt des Eingangs der Buchungsmitteilungen 2/2022, 3/2022 sowie 4/2022 bei der steuerlichen Vertretung der Irrtum erkennbar geworden und seine Aufklärung sowohl leicht möglich als auch zumutbar. Dass keine Aufklärung erfolgte, ist somit in Anbetracht der dargestellten Umstände des Falles als grob fahrlässig einzustufen. Somit begann die - immerhin drei Monate lange - Frist des § 308 Abs 3 BAO am Mittwoch, dem , und endete daher am Donnerstag, dem .

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin schließlich einen ersten Säumniszuschlag in der Höhe von 1.011,57 Euro (2% von 50.578,45 Euro) fest. Dieser Bescheid wurde zu Handen einer steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin, nämlich der "***8*** ***13*** ***10*** ***11*** ***12***" am zugestellt. Der mit diesem Bescheid festgesetzte Säumniszuschlag wurde von jenem Betrag berechnet, der bereits mit dem aufgehobenen KESt-Haftungsbescheid vom gegen die Beschwerdeführerin für 2017 festgesetzt worden.

Aus der Buchungsmitteilung 5/2022 vom (der steuerlichen Vertretung zugegangen am ) geht die Verbuchung des mit Bescheid vom festgesetzten Säumniszuschlages in Verbindung mit dem neuen KESt-Haftungsbescheid hervor ("Festsetzung Säumniszuschlag 1 2017 Euro 1.011,57").

Wie die belangte Behörde bereits im angefochtenen Bescheid zu Recht dargestellt hat, wäre die steuerliche Vertretung - auch diesbezüglich - dringend angehalten gewesen, die Basis der Festsetzung des Säumniszuschlages mit Bescheid vom - welcher in Folge des neu erlassenen Haftungsbescheides festgesetzt wurde - zumindest durch Nachfrage bei der Behörde abzuklären. Dies umso mehr, als bereits die zuvor zugegangenen Buchungsmitteilungen - wie oben dargestellt - überdeutlich auf eine neuerliche Festsetzung der Haftung für die KESt 2017 hindeuteten.

Aus dem Säumniszuschlagsbescheid ist zudem ersichtlich, dass der Säumniszuschlag im Betrag von 1.011,57 Euro eben 2% der "KESt 1-12/2017" im Betrag von 50.578,45 Euro ausmacht, also des Betrages, der am (siehe dazu Buchungsmitteilung 3/2022) am Konto der Beschwerdeführerin unter der Bezeichnung "KESt 1-12/2017" als Lastschrift verbucht wurde.

Der Säumniszuschlagsbescheid vom und die Buchungsmitteilung 5/2022 deuteten nunmehr ganz massiv auf eine neue bescheidmäßige Festsetzung betreffend KESt-Haftung 2017 hin. Dies desto mehr als es, insbesondere für rechtskundige berufsmäßige Parteienvertreter, naheliegend sein musste, dass die Vorschreibung eines Säumniszuschlages wohl die Folge einer aktuellen Festsetzung von Abgaben, deren Fälligkeit schon eingetreten ist (wie die KESt 2017), sein wird. Aber auch diesbezüglich hat die steuerliche Vertretung diese einfachen und naheliegenden Überlegungen nicht angestellt. Der Säumniszuschlagsbescheid vom und die Buchungsmitteilung 5/2022 hätten zusammen mit dem Wissen der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin um die Aufhebung des ursprünglichen KESt-Haftungsbescheides bereits alleine die Obliegenheit einer "ordentliche Prozesspartei" begründet, sich bei geeigneten Stellen (im Beschwerdefall der belangten Behörde) zu erkundigen und sich Gewissheit zu verschaffen. Eine solche Gewissheit zu erlangen, wäre auch zumutbar und ohne besondere Mühe möglich gewesen. Dass dies dennoch nicht geschehen ist, geht - auch isoliert betrachtet - jedenfalls bei einer rechtskundigen berufsmäßigen Parteienvertretung über das Maß leichter Fahrlässigkeit deutlich hinaus.

Zu den oben aufgezählten Umständen hinzutretend ist auch noch darauf zu verweisen, dass sich ab dem bereits eine Eintragung im elektronischen Posteingangsbuch, aus der der Zugang des KESt-Haftungsbescheides 2017 vom am bei den Kanzleien ***8*** klar ersichtlich war, fand. Daraus war die Existenz und der Zugang (mit RSb) dieses Bescheides aus eigenen, leicht zugänglichen, und mittels Suchfunktionen einfach durchsuchbaren Aufzeichnungen eruierbar, sodass noch nicht einmal eine Nachfrage bei der belangten Behörde erforderlich gewesen wäre.

In diesem Zusammenhang ist im Übrigen schwer nachvollziehbar, dass bei den ersten beiden Nachfragen der anwaltlichen Vertretung von den Kanzleien ***8*** die Rückmeldung kam, dass kein Bescheid eingegangen wäre, wiewohl bereits ein Blick in das eigene Posteingangsbuch diesbezüglich Gewissheit verschafft hätte. Darauf angesprochen, warum keine Nachschau im - doch wohl gerade zu diesem Zweck existierende - Posteingangsbuch erfolgt sei, konnte auch die Zeugin und Geschäftsführerin der Kanzleien ***8***, ***21*** ***22***, keine Erklärung anbieten. Somit war noch ein weiterer - dritter - Suchvorgang bei den Kanzleien ***8*** erforderlich.

Selbst wenn man also - entgegen der oben dargestellten Ansicht des Bundesfinanzgerichtes - bis zum Zeitpunkt des Eingangs des Säumniszuschlagsbescheides vom und der Buchungsmitteilung 5/2022 vom (beides am ) nicht von der Auslösung des Fristenlaufes iSd § 308 Abs 3 BAO ausgegangen wäre, dann hätte spätestens ab Freitag, dem , die Dreimonatsfrist begonnen und wäre demgemäß am Montag, dem , abgelaufen.

Dies umso mehr als zum hinsichtlich der Erkennbarkeit der Bescheiderlassung und des Grades der Fahrlässigkeit auf die Summe der dargestellten Informationen, somit sowohl die Buchungsmitteilungen 2/2022, 3/2022 und 4/2022, als auch der Säumniszuschlagsbescheid vom sowie die Buchungsmitteilung 5/2022 abzustellen ist.

Die Nachfrage der anwaltlichen Vertretung nach dem möglichen Vorhandensein eines - die Grundlage des Säumniszuschlagsbescheides vom bildenden - "Abgabenbescheides" und die - trotz des Umstandes, dass der KESt-Haftungsbescheid vom nicht nur zugegangen, sondern im Posteingangsbuch (als rekommandiert zugestellt) eingetragen war - verneinende Antwort der Kanzleien ***8*** bekräftigen nur mehr die bereits viel früher eingetretene Erkennbarkeit des Irrtums. Sie zeigt wie naheliegend die Frage nach dem Vorhandensein eines neuen KESt-Haftungsbescheides war und wie grob fahrlässig die Vernachlässigung der diesbezüglichen Sorgfaltspflicht einer ordentlichen Prozesspartei war.

Soweit die Beschwerdeführerin argumentiert, dass Wirtschaftstreuhänder von den in der oben zitierten Rechtsprechung der Höchstgerichte postulierten Anforderungen an die Sorgfaltspflicht "ordentlicher Verfahrensparteien" ausgenommen wären bzw Nachfragen eines Wirtschaftstreuhänders zum Verfahrensstand bei den Abgabenbehörden im Widerspruch zu den berufsrechtlichen Regelungen des WTBG stehen würden, ist eingangs festzuhalten, dass durch die Kanzlei des rechtsfreundlichen Vertreters (siehe die dem § 77 Abs 8 WTBG entsprechende Bestimmung des § 9 Abs 1 RAO) - und zwar zu Recht - dennoch eine Nachfrage bei der belangten Behörde erfolgte. Wie oben dargestellt hätte - gänzlich ohne die geltend gemachten berufsrechtlichen Vorschriften zu berühren - im Übrigen schon ein Blick ins eigene Posteingangsbuch der Kanzleien ***8*** Klarheit jederzeit Klarheit geschaffen.

Aus den vom Bundesfinanzgericht zitierten Judikaten ist aber ohnedies nicht ersichtlich, dass für berufsmäßige Parteienvertreter auf Grund der Bestimmungen des WTBG (oder der RAO) besondere Ausnahmen von der höchstgerichtlich geforderten Sorgfaltspflicht ordentlicher Prozessparteien und der damit verbundenen Verpflichtung unter bestimmten Umständen - auch bei Finanzbehörden - klärende Nachfragen zu tätigen, bestehen würden. Den dargestellten Entscheidungen ist nämlich - wie dargestellt - gerade das Gegenteil, nämlich ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab, zu entnehmen.

Inwieweit der - wie dargestellt grob fahrlässige Verzicht auf die Nachfrage - die Interessen des Mandanten gefördert hätte, ist für das Bundesfinanzgericht im Übrigen auch nicht nachvollziehbar, weil eine zeitgerechte Nachfrage eben gerade im Sinne des § 77 Abs 8 BAO die Wahrung der Frist des § 308 Abs 3 BAO und somit auch die Wahrung der Interessen des Mandanten bewirkt hätte.

Anzumerken ist, dass der Umstand, dass Nachfragen der Parteienvertreter nach so alltäglichen Tatsachen, wie zB ob von der Finanzverwaltung intendierte Rechtsakte durch rechtskonforme Zustellung tatsächlich wirksam geworden sind, dazu beitragen, den Verkehr zwischen Abgabepflichtigen und Finanzverwaltung frei von Irrtümern der Beteiligten zu gestalten. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist dies - auch nach dem Zweck des WTBG und der RAO - kein verpöntes, sondern ein durchaus legitimes Ziel. Dass im Beschwerdefall - trotz der zahlreichen Umstände, aus denen die Beschwerdeführerin das Ergehen eines neuen Bescheides erkennen musste - die notwendige Aufklärung nicht zeitgerecht erfolgte, ist wohl auch nicht der Einhaltung berufsrechtlicher Vorschriften, sondern schlicht einer groben Nachlässigkeit geschuldet.

Von der Beschwerdeführerin wurde die Einholung eines Gutachtens von einem Sachverständigen für Betriebsorganisation zum Beweis dafür beantragt, dass das bei den Kanzleien ***8*** eingerichtete System der Kanzleiorganisation für die Bearbeitung der Eingangspost dem Standard, der für Wirtschaftstreuhandskanzleien gefordert ist, entspricht.
Die Beschwerdeführerin präzisierte dies dergestalt, der Beweisantrag beziehe sich auf den beschriebenen "Vorgang, dass die Eingangspost auf einem Tisch kommt und dort auf verschiedene Ordner verteilt wird und in einem elektronischen Eingangsbuch erfasst wird."

Vorab ist anzumerken, dass dieser Beweisantrag erst am Schluss des zweiten Termins der mündlichen Verhandlung, am , von der Beschwerdeführerin gestellt wurde. Ausführungen zum System der Kanzleiorganisation bei den Kanzleien ***8*** finden sich weder im Antrag auf Wiedereinsetzung vom noch in der Beschwerde gegen dessen Zurückweisung vom , noch im Vorlageantrag vom .

Mit dem beantragten Gutachten will die Beschwerdeführerin offensichtlich den Beweis erbringen, dass der steuerlichen Vertretung am dargestellten Fehler der Mitarbeiter ***16*** ***17*** bei Ablage des KESt-Haftungsbescheides vom , der zur beschwerdegegenständlichen Fristversäumnis geführt hat, kein Verschulden oder lediglich ein minderer Grad des Versehens an der Versäumung zur Last zu legen sei.

Gemäß § 183 Abs 1 BAO sind Beweise grundsätzlich von Amts wegen oder auf Antrag aufzunehmen. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist nach § 183 Abs 3 BAO allerdings unter anderem abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen unerheblich sind ().

Für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens ist aber entscheidungsrelevant, ob der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der dreimonatigen Frist des § 308 Abs 3 BAO, also innerhalb von drei Monaten ab dem Wegfall des Hindernisses oder zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums (siehe dazu die in dieser Entscheidung angeführte Rechtsprechung der Höchstgerichte), eingebracht wurde. Diesbezüglich ist aber aus von der Beschwerdeführerin gestellten Beweisantrag nichts zu gewinnen, da auch wenn die Voraussetzungen für die Gewährung einer Wiedereinsetzung nach § 308 Abs 1 BAO - wie die Beschwerdeführerin beweisen will - tatbestandsmäßig vorliegen würden, dies an der verspäteten Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages nicht ändern könnte, die gegenständliche Beschwerde also trotzdem abzuweisen wäre. Somit ist das beantragte Beweismittel schon im Hinblick auf sein Beweisthema von vornherein unerheblich und somit entbehrlich (vgl ).

Im Ergebnis war somit spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwhortet wird.

Da die gegenständliche Entscheidung sich an der in der Begründung angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes orientiert, fehlt es an einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 308 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100762.2023

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