TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.05.2023, RV/7100796/2023

Geschäftsführerhaftung, Umfang der Haftung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R,*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch die Team23 Steuerberatung GmbH, Dresdner Straße 47 Tür 03 OG, 1200 Wien, über die Beschwerde vom , eingelangt am , gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO, Steuernummer ***xxx***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) vom Finanzamt Österreich als Haftungspflichtiger gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***x*** GmbH, Firmenbuchnummer ***xxxx***, im Ausmaß von 138.793,07 Euro in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Die Abgabenschuldigkeiten setzen sich wie folgt zusammen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fällig am
Betrag in Euro
Bescheid vom
Körperschaftsteuer
2016
57.939,00
Anspruchszinsen
2016
970,93
Anspruchszinsen
2016
736,48
Körperschaftsteuer
2017
77.930,07
Anspruchszinsen
2017
768,00
Anspruchszinsen
2017
448,66
Summe:
138.793,07

Die Abgabenfestsetzungsbescheide wurden dem Haftungsbescheid beigelegt.

Zur Begründung wurde ausgeführt:

"Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. haften die in § 80 Abs. 1 leg. cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

Hinsichtlich Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral sind, ist es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Außerdem trifft den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO), die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgabenpflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer hat daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem hat er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (vgl. Erk. des ZI. 84/13/0198; vom , ZI. 85/17/0035 und vom , ZI. 87/14/0148).

Sie waren im Zeitraum von ***Datum1*** bis ***Datum2*** unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***x*** GmbH also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

In Ihrer Stellungnahme vom erläutern Sie, dass die Betriebsprüfung für die Jahre 2016 bis 2017 (in denen Sie Vertreter der Firma waren) erst im Jahr 2019 durchgeführt wurde und Sie daher nicht wussten und auch nicht wissen konnten, dass in der Zeit Ihrer Vertretungstätigkeit Schulden entstanden sind.

Dem ist insofern zu widersprechen, da die Abgabe einer korrekten Abgabenerklärung und das Bezahlen dieser, unter die Pflichten des Geschäftsführers fallen. Im Zuge der Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass die ***x*** GmbH mittels Schein- und Deckungsrechnungen den Rechnungsempfängern Aufwand in Rechnung gestellt hat und Sie Ihrer Verpflichtung zur Entrichtung somit nicht nachgekommen sind.

Hierzu ein Auszug aus dem Betriebsprüfungsbericht vom :

"Die folgenden Tatsachen sprechen für die Annahme, dass der Firmenmantel missbräuchlich verwendet worden ist, und der Unternehmenszweck in der Hauptsache darauf gerichtet war, Rechnungen ohne zugrundeliegende Leistungen auszustellen:

Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung konnten Original-Arbeitsaufzeichnungen nicht vorgelegt, Auskünfte über Arbeitskräfte der vorgeblichen Subunternehmen nicht erteilt, Unterlagen über Arbeitskräfte der Subunternehmen nicht vorgelegt, Einsatzorte oder Einsatzzeiten nicht genannt, Nachweise für Überprüfung der Leistungen der Subunternehmen nicht vorgelegt werden.

Es besteht damit der dringende Verdacht, dass der Unternehmenszweck auf die Erstellung von Scheinrechnungen zur Gewinnmanipulation und Deckungsrechnungen zur Finanzierung von Schwarzlohnzahlungen gerichtet ist.

Die sich im Rahmen der Sachverhaltsermittlung präsentierenden Gesamtverhältnisse mussten damit unweigerlich zu der Schlussfolgerung führen, dass aufgrund des vollkommenen Fehlens von Grund- und Arbeitsaufzeichnungen, Identitätsnachweisen oder sonstigen Unterlagen über eine tatsächliche Arbeitsleistung die ua. an die ***x*** GmbH ausgestellten Subunternehmensfakturenbeträge nicht anerkannt und die Entgelte entsprechend reduziert werden mussten.

Konkret war der seitens der ***x*** GmbH weiterfakturierte Umsatz um die Scheinrechnungsbeträge der Subunternehmerfakturen zu verringern und der Aufwand aus den Scheinrechnungen der Scheinunternehmen gemäß § 162 BAO nicht anzuerkennen.''

Dies zeigt auf, dass der Geschäftsführer im geprüften Zeitraum vorsätzlich falsche Angaben geleistet und die im Zuge der Betriebsprüfung entstandene Nachforderung verursacht hat. Es kann daher nicht von einem Unwissen des Geschäftsführers gesprochen werden.

Des Weiteren wurden in Ihrer Stellungnahme auch keine Unterlagen vorgebracht die aufzeigen, dass während des Zeitraumes, in dem Sie Vertreter der Gesellschaft waren, diverse Gläubiger (Lieferanten, Banken, Löhne, Krankenkassen) gleichmäßig befriedigt wurden.

Die Schuldhaftigkeit ist damit zu begründen, dass durch Ihr pflichtwidriges Verhalten als Vertreter der Gesellschaft die Uneinbringlichkeit eingetreten ist.

Der Geschäftsführer hat darzutun, aus welchen Gründen eine Erfüllung der Abgabenpflichten nicht möglich war. Da dies nicht erfolgte, darf die Behörde annehmen, dass er schuldhaft seine Pflichten verletzt hat: , ÖStZB 2002/65; , 2000/14/0149, ÖStZB 2002/293.

Da Sie Ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sind und die Abgaben bei der o. a. Gesellschaft uneinbringlich sind, war wie im Spruch zu entscheiden."

*****

In der nach Fristverlängerung rechtzeitig eingebrachten Beschwerde vom wurde vorgebracht, dass der Bf. am ***Datum1*** als Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma ***x*** GmbH im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien eingetragen worden sei.

Am ***Datum2*** sei er mit dem Gesellschafterbeschluss vom ***Datum2*** (B.R.Z. ***1***/2017 beglaubigt vom Notar N) als Geschäftsführer der Firma ***x*** GmbH abberufen worden (Verweis die beigelegten Gesellschafterbeschlüsse vom ***Datum1*** und ***Datum3***).

Für die Abgaben (Körperschaftsteuer 2016) ab bis hafte der Beschwerdeführer nicht, da sie nicht in dem Zeitraum seiner Vertretungstätigkeit fielen.

Dasselbe gelte für die Abgaben (Körperschaftsteuer 2017) ab ***Datum2*** bis , weil der Beschwerdeführer nicht in diesem Zeitraum Geschäftsführer gewesen sei.

Daraus folge, dass auch im Fall der Richtigkeit des Betriebsprüfungsberichtes diese Abgaben dem Bf. nicht zuzurechnen seien, weil diese - nicht anerkannten - Betriebsausgaben außerhalb des Zeitraumes des Bf. entstanden seien. Somit seien die daraus entstandenen Abgaben aus der Haftungssumme auszulassen.

Die Betriebsprüfung für das Jahr 2016 sei im Jahr 2019 durchgeführt worden, das bedeute zwei Jahre nach der Abbestellung des Bf. Darüber hinaus habe das Finanzamt Österreich den Bf. weder über die Betriebsprüfung 2016 noch über die Schlussbesprechung, die am stattgefunden habe, informiert.

Der Bf. habe keine Gelegenheit gehabt, sich dazu zu äußern. Erst mit dem Schreiben des Finanzamts vom habe er über die Rückstände der Firma ***x*** GmbH erfahren. Der Rückstand von EUR 57.939,00 stamme aus der Außenprüfung, der erst in der Schlussbesprechung am festgestellt worden sei.

In der Außenprüfung für den Zeitraum 2015-2017 (§ 147-153 BAO) sei der wesentliche Grundsatz des Parteiengehörs gem. § 115 Abs. 2 BAO verletzt worden. Die Vorladung zur Schlussbesprechung am sei dem Bf. nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Er habe auch keine gewillkürte bzw. befugte Vertretung gem. § 83 ff BAO gehabt, die sein Interesse in der Schlussbesprechung am vertreten hätte können.

Der in der Niederschrift vom angegebene Vertreter (***2***) sei eine Buchhaltungsfirma und berufsrechtlich nicht berechtigt, weder die Firma noch den Bf. zu vertreten.

Die Haftung des § 9 BAO treffe Vertreter gemäß § 80 BAO den Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Diese Haftung erstrecke sich vor allem auf Abgaben, in deren Zahlungstermin/Fälligkeitszeitpunkt in die Zeit der Vertretungstätigkeit falle ().

Für die Rückstände, die im Haftungsbescheid vom gelistet seien, hafte der Bf. nicht, weil die Abgaben (ab bis und ab ***Datum2*** bis ) nicht in der Zeit seiner Vertretungstätigkeit fällig gewesen seien.

Darüber hinaus, nach Stoll (BAO, 127) sei die schuldhafte Pflichtverletzung nach den Maßstäben des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigten zur Haftungsinanspruchnahme des Abgabenschuldners. Werde der Geschäftsführer ausschließlich durch eine unrichtige Rechtsbelehrung, die ihm der abtretende Gesellschafter in voller Kenntnis des richtigen Sachverhaltes erteile, so treffe ihn kein Verschulden ().

Dies gelte idR auch, wenn der Vertreter auf die Richtigkeit von Rechtsauskünften des zuständigen Finanzamts oder von Erlässen des BMF vertraue.Die Haftungsinanspruchnahme setze eine Kausalität zwischen schuldhaftender Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus.

Da in dieser Rechtssache die Kausalität nicht vorhanden sei, hafte der Abgabenschuldner für die aufgelisteten Rückstände auch aus diesem Grund nicht.

Die Schadenersatzpflicht des Beschwerdeführers scheitere im Grunde, weil weder Verschulden noch Kausalität vorhanden seien.

*****

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt und schränkte die Haftung auf € 119.006,49 anstatt bisher € 138.793,07 ein.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Stellungnahme vom seitens des Finanzamtes zur Kenntnis genommen worden sei, jedoch seien die vom Bf. genannten Argumente nicht als schuldbefreiend gewertet worden. Dies sei in der Begründung des Haftungsbescheides vom näher erläutert worden.

Die vom Haftungspflichtigen ins Treffen geführten Gründe hätten nicht als haftungsbefreiend anerkannt werden können, weil nicht aufgezeigt worden sei, dass während des Zeitraumes in dem der Bf. Vertreter der Gesellschaft gewesen sei, diverse Gläubiger (Lieferanten, Banken, Löhne, Krankenkassen) gleichmäßig befriedigt worden seien.

Bezugnehmend auf die unter Punkt a genannte Behauptung, dass der Haftungsschuldner im Zeitraum von ***Datum2*** bis nicht Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei und somit auch nicht zur Haftung für die Körperschaftsvorauszahlungen in diesem Zeitraum herangezogen werden könne, werde dem Bf. Recht gegeben. Die Haftungssumme für die Körperschaftsteuer 2017, sowie den dazugehörigen Anspruchszinsen werde daher aliquot auf 09/12tel herabgesetzt.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zur Haftung herangezogene Abgaben
Zur Haftung herangezogener Betrag in €
Aliquotierter Betrag in €
Körperschaftsteuer 2017
77.930,07
58.447,55
Anspruchszinsen 2017
768,00
576,00
Anspruchszinsen 2017
448,66
336,50
Neue Haftungssumme:
59.360,05

Die Vertreterhaftung bestehe insbesondere für Abgaben, deren Zahlungstermin (zB. Fälligkeitszeitpunkt) in die Zeit der Vertretertätigkeit falle. Sie bestehe aber auch für noch offene Abgabenschuldigkeiten, deren Zahlungstermin bereits vor der Tätigkeit des betreffenden Vertreters gelegen sei (zB ; ; ). Daher sei die Haftungsinanspruchnahme für die Körperschaftsteuer 2016, sowie dazugehörige Anspruchszinsen zurecht erfolgt.

Wie im Haftungsbescheid bereits erläutert, habe der Bf. in seiner Stellungnahme und auch in seiner Beschwerde (Punkt b) vorgebracht, dass die Betriebsprüfung für die Jahre 2016 und 2017 (in denen er Vertreter der Firma gewesen sei) erst im Jahr 2019 durchgeführt worden sei und er daher nicht gewusst habe und auch nicht habe wissen können, dass der Firma in der Zeit seiner Vertretungstätigkeit Schulden entstanden seien.

Dem sei widersprochen worden, da die Abgabe einer korrekten Abgabenerklärung und das bezahlen dieser, unter die Pflichten des Geschäftsführers falle. Im Zuge der Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass die ***x*** GmbH mittels Schein- und Deckungsrechnungen den Rechnungsempfängern Aufwand in Rechnung gestellt habe und der Bf. seiner Verpflichtung zur Einreichung richtiger Erklärungen somit nicht nachgekommen sei. Die Inanspruchnahme von Scheinfirmen liege in der Verantwortung des GF und begründe auch eine Haftungsrelevante schuldhafte Pflichtverletzung.

Hierzu ein Auszug aus dem Betriebsprüfungsbericht vom :

"Die folgenden Tatsachen sprechen für die Annahme, dass der Firmenmantel missbräuchlich verwendet worden ist, und der Unternehmenszweck in der Hauptsache darauf gerichtet war, Rechnungen ohne zugrundeliegende Leistungen auszustellen:

Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung konnten Original-Arbeitsaufzeichnungen nicht vorgelegt, Auskünfte über Arbeitskräfte der vorgeblichen Subunternehmen nicht erteilt, Unterlagen über Arbeitskräfte der Subunternehmen nicht vorgelegt, Einsatzorte oder Einsatzzeiten nicht genannt und Nachweise für Überprüfung der Leistungen der Subunternehmen nicht vorgelegt werden.

Es besteht damit der dringende Verdacht, dass der Unternehmenszweck auf die Erstellung von Scheinrechnungen zur Gewinnmanipulation und Deckungsrechnungen zur Finanzierung von Schwarzlohnzahlungen gerichtet ist.

Die sich im Rahmen der Sachverhaltsermittlung präsentierenden Gesamtverhältnisse mussten damit unweigerlich zu der Schlussfolgerung führen, dass aufgrund des vollkommenen Fehlens von Grund- und Arbeitsaufzeichnungen, Identitätsnachweisen oder sonstigen Unterlagen über eine tatsächliche Arbeitsleistung die ua. an die ***x*** GmbH ausgestellten Subunternehmensfakturenbeträge nicht anerkannt und die Entgelte entsprechend reduziert werden mussten.

Konkret war der seitens der ***x*** GmbH weiterfakturierte Umsatz um die Scheinrechnungsbeträge der Subunternehmerfakturen zu verringern und der Aufwand aus den Scheinrechnungen der Scheinunternehmen gemäß § 162 BAO nicht anzuerkennen."

Entgegen der Behauptung des Bf. sehe das Finanzamt durchaus eine Kausalität zwischen der Inanspruchnahme von Fremdleistungen und dem Abgabenausfall.

Der Betriebsprüfungsbericht zeige auf, dass der Geschäftsführer im geprüften Zeitraum vorsätzlich falsche Angaben geleistet und die, im Zuge der Betriebsprüfung entstandene Nachforderung verursacht habe. Es könne daher nicht von einem Unwissen des Geschäftsführers gesprochen werden.

Mit Schriftsatz vom wurde ein Vorlageantrag mit dem Ersuchen um Durchführung einer mündlichen Verhandlung, jedoch ohne Ergänzung des bisherigen Beschwerdevorbringens eingebracht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenschuld gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

I.) Vorliegen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen:

Bei den haftungsgegenständlichen Abgaben handelt es sich ausschließlich um bescheidmäßig festzusetzende Abgaben. Die Bescheide wurden dem Haftungsbescheid angeschlossen. Das Vorliegen eines Zustellmangels, wurde nicht behauptet. Die Beträge haften wie im Haftungsbescheid geltend gemacht am Abgabenkonto unberichtigt aus.

II.) Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin am gemäß § 40FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemäß § 63 IO zurückgewiesen und die Firma in der Folge am gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Die haftungsgegenständlichen Abgaben sind daher bei der GmbH uneinbringlich.

III.) Stellung des Bf. als Vertreter

Laut Firmenbuchauszug vertrat der Bf. die Gesellschaft ab ***Datum1*** als handelsrechtlicher Geschäftsführer. Am ***Datum2*** wurde der Bf. mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen. Der Bf. zählt somit zum Kreis der im § 80 Abs. 1 BAO genannten gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, welche - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - gemäß § 9 BAO zur Haftung herangezogen werden können.

IV.) Schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. als Geschäftsführer

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Daraus ist abzuleiten, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Außerdem trifft den Haftenden die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht wie den Abgabepflichtigen, sodass er für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat.

Demzufolge hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. , mwN).

Für die Haftung nach § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung ().

Die Haftung erstreckt sich vor allem auf Abgaben, deren Zahlungstermin (Fälligkeit) in die Zeit der Vertretungstätigkeit fällt. Die Haftung kann auch für Abgabennachforderungen bestehen, die nach Beendigung der Vertretertätigkeit zu entrichten sind, wenn der Vertreter z.B. unrichtige Abgabenerklärungen eingereicht hat. Diesfalls ist maßgebend, wann die Abgabenschulden bei pflichtgemäßem Verhalten des Bf. zu entrichten gewesen wären (vgl. Ritz, BAO-Kommentar6, Tz 26 zu § 9).

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden.

Bei schwerwiegenden Verstößen gegen Buchführungspflichten und Aufzeichnungspflichten kann sich jedenfalls aus dem Blickwinkel des § 9 Abs 1 BAO und § 80 Abs 1 BAO der Zeitpunkt, zu dem die sich als Folge dieser Verstöße ergebenden Abgabennachforderungen zu entrichten waren, nicht erst auf Grund der Bescheide ergeben, die diese Nachforderungen festsetzen. In solchen Fällen bestimmt sich vielmehr der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen ist, ob die juristische Person die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mitteln hatte, darnach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Abgaben, die die juristische Person selbst zu berechnen (einzuhalten) und abzuführen hat, ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung (Einbehaltung) anzuführen gewesen wären, während bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben grundsätzlich die erstmalige Abgabefestsetzung und nicht erst die Nachforderung auf Grund der festgestellten Buchführungsmängel und Aufzeichnungsmängel entscheidend ist.

Bei der Körperschaftsteuer handelt es sich um eine bescheidmäßig festzusetzende Abgabe. In einem solchen Fall ist, wie bereits ausgeführt, die erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend, nicht jedoch der Zeitraum der Entstehung des Abgabenanspruches.

Im vorliegenden Fall wurde die Körperschaftsteuererklärung für des Jahr 2016 am , somit zu einem Zeitpunkt, in dem der Bf. nicht mehr als Geschäftsführer fungierte (seine Tätigkeit endete am ***Datum2***) eingereicht. Die erstmalige Festsetzung der Körperschaftsteuer 2016 erfolgte am , daher war die Körperschaftsteuer 2016 gemäß dem vorliegenden Abgabenfestsetzungsbescheid am , somit erst lange nach Beendigung der Vertretungstätigkeit des Bf. fällig.

Hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2017 entstand zwar der Abgabenanspruch teilweise im Zeitraum der Vertretertätigkeit des Bf., jedoch nicht die Zahlungsverpflichtung. Diese entstand mit der erstmaligen bescheidmäßigen Festsetzung der Abgabe, dies war der mit Fälligkeitstag .

Auch für diese Abgabenschuld kann der Bf. nicht zur Haftung herangezogen werden, da er zum Fälligkeitstag nicht mehr Geschäftsführer war.

Ebenso handelt es sich bei den Anspruchszinsen um eine bescheidmäßig festzusetzende Abgabe, die Zahlungsverpflichtung entstand erst mit der Zustellung der maßgeblichen Bescheide, wobei für die Haftung der Zahlungstermin (Fälligkeit) maßgeblich ist.

Dieser war für die Anspruchszinsen 2016 und 2017 jeweils am und am .

Somit fällt bezüglich der hier gegenständlichen Abgabenschuldigkeiten kein für die Haftung relevanter Zahlungstermin in die Zeit der Geschäftsführerkeit des Bf.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der Haftungsbescheid aufzuheben.

Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung

Abschließend darf zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung festgehalten werden, dass das Unterbleiben einer (gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 BAO beantragten) mündlichen Verhandlung zwar eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darstellen mag, dieser Verfahrensfehler ist jedoch - außerhalb des von Art. 51 GRC erfassten Bereichs des Unionrechts - kein absoluter (; ).

Art. 6 Abs. 1 EMRK garantiert das Recht auf ein faires Verfahren als Grundrecht. Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. die Entscheidung vom , Fall SPEIL v. Austria, Appl. 42057/98) kann das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zwar dann ausnahmsweise als mit der EMRK vereinbar angesehen werden, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen (vgl. hiezu etwa ). Solche besonderen Umstände nimmt der EGMR an, wenn das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machen könnte (vgl. ). Es ist vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgeblich, welcher Natur die Fragen sind, die für die Beurteilung der gegen den angefochtenen Bescheid relevierten Bedenken zu beantworten sind. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK kann dabei im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten im Verwaltungsverfahren regelmäßig unterbleiben, wenn das Vorbringen erkennen lässt, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt (vgl. ua). Nach der Rechtsprechung des EGMR und des VfGH kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn die Tatfrage unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. VfSlg 18.994/2010, VfSlg 19.632/2012, ). Das Gericht kann unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR , Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z37 ff.; EGMR , Fall Miller, Appl. 55.853/00, Z29; ).

Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da kein ergänzendes Vorbringen seitens der belangten Behörde vorstellbar ist, das zu einem anderen Ergebnis in der Sache geführt hätte.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung basiert auf der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und hatte die Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen im Einzelfall und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100796.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at