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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.05.2023, RV/7100996/2023

Aufwendungen für eine Heimhilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Sylvia Posch, J.-F.-Kennedy-Platz 2, 2560 Berndorf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin gab in ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerinnenveranlagung 2021 den Grad ihrer Behinderung mit 25% an und beantragte die Berücksichtigung von unregelmäßig anfallenden Ausgaben für Hilfsmittel wie zum Beispiel Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel oder Kosten der Heilbehandlung wie ärztliche Kosten, Medikamente in Höhe von 7.544,27 Euro als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen.

Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom wurde lediglich ein Betrag in Höhe von 1.942,67 Euro als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Dazu wurde in der Begründung ausgeführt, Ausgaben für die Heimhilfe des ***[Verein]*** seien um das steuerfreie Pflegegeld in Höhe von 5.601,60 Euro zu kürzen gewesen. Der Freibetrag für Behinderung habe nicht berücksichtigt werden können, weil die Beschwerdeführerin ganzjährig Pflegegeld bzw. andere pflegebedingte Geldleistungen bezogen habe.Die fristgerecht eingebrachte Beschwerde richtet sich gegen die Kürzung der Ausgaben für die Heimhilfe des ***[Verein]*** um das steuerfreie Pflegegeld in Höhe von 5.601,60 Euro mit folgender Begründung: Die Beschwerdeführerin habe Anspruch auf Pflegegeld, die häusliche Pflege werde durch ehrenamtliche tätige Freunde vorgenommen. Zusätzlich nehme die Beschwerdeführerin eine Heimhilfe in Anspruch - dies jedoch grundsätzlich nur werktags. Die Inanspruchnahme betreffe wöchentlich zwei Einkäufe im Supermarkt, Wege zur Apotheke und Post; einmal pro Woche werde die Wohnung unter Vorgabe der Bestimmungen des ***[Verein]*** aufgeräumt. Die Alltagsbegleitung von vier Stunden diene dem Besuch diverser Ärzte und Spaziergängen, da die Beschwerdeführerin ihre Wohnung nur mehr in Begleitung verlassen könne. Die häusliche Pflege - persönliche Pflege - werde jedoch nicht vom ***[Verein]*** erbracht.

Die steuerliche Vertretung beantrage somit, die außergewöhnliche Belastung in voller Höhe bei der Berechnung der Einkommensteuer für 2021 zu berücksichtigen und den vorliegenden Einkommensteuerbescheid für 2021 aufzuheben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der angefochtene Bescheid abgeändert und nur mehr ein Betrag in Höhe von 1.099,47 Euro als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. In der Begründung wurde angeführt, gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung zu den §§ 34 und 35 EStG 1988 seien die in § 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen (Aufwendungen für Hilfsmittel, Kosten der Heilbehandlung) als außergewöhnliche Belastungen ohne Abzug des Selbstbehaltes (§ 34 Abs. 4 EStG 1988) zu berücksichtigen. Hilfsmittel im Sinne des § 4 der Verordnung seien nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet seien, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen.

Als Kosten der Heilbehandlung (§ 4 der Verordnung) würden Arztkosten, Spitalkosten, Kurkosten für ärztlich verordnete Kuren, Therapiekosten, Kosten für Medikamente gelten, sofern sie im Zusammenhang mit der Behinderung stünden.

Da diese Voraussetzungen bei den Kosten für Dienste des ***[Verein]*** (Einkäufe im Supermarkt, Wege zur Apotheke und Post, Wohnung aufräumen, Begleitung beim Verlassen der Wohnung) nicht vorlägen, hätten die entsprechenden Ausgaben nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können.

Die als zusätzliche Kosten der Behinderung anerkannten Aufwendungen wurden folgendermaßen berechnet:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Apotheke
669,49 Euro
Fahrtkosten Dr. ***1***
80,00 Euro
Physiotherapie
500,00 Euro
Impfung
40,00 Euro
Hausnotruf
305,28 Euro
-abzüglich Ersatz ÖGK
- 495,30 Euro
ergibt zusätzliche Kosten Behinderung
1.099,47 Euro

Hingewiesen werde darauf, dass Fahrtkosten zur Anschaffung von Medikamenten und Hilfsmitteln nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig seien, weil diese Anschaffungen nach der allgemeinen Lebenserfahrung mit Anschaffungen des täglichen Lebens (Lebensmitteln etc.) verbunden werden könnten. Der Freibetrag für Behinderung könne nicht berücksichtigt werden, weil die Beschwerdeführerin ganzjährig Pflegegeld bzw. andere pflegebedingte Geldleistungen bezogen habe

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag gab die steuerliche Vertreterin an, die Beschwerdeführerin sei 1925 geboren und befinde sich im 98. Lebensjahr. Sie werde nicht im Rahmen eines Seniorenheimes oder einer Seniorenunterkunft betreut, sondern könne mit Hilfe des ***[Verein]*** und der Hilfe ehrenamtlich tätiger Freunde in gewohnter Umgebung in der eigenen Wohnung betreut werden.

Die Leistungen des ***[Verein]*** beträfen:

  1. Heimhilfe werktags

  2. Heimhilfe sonn- und feiertags

  3. Besuchsdienst

  4. Alltagsbegleitung

In der Ergänzung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2020 sei die Frage des Bedarfs der Inanspruchnahme fremder Hilfe und der medizinischen Betreuung mit der Diagnose laut Entlassungsschreiben vom der ***2*** Spital GmbH beantwortet worden:

  1. Diabetische Polyneuropathie

  2. Gangstörung

  3. Karpaltunnelsyndrom

  4. Osteoporose

  5. Vitamin-D-Mangel

  6. Art. Hypertonie

  7. Diabetes mellitus Typ 2

  8. Inzipiente Statosis hepatis

  9. Spondylarthrosen

  10. Rizarthose

  11. Valgusgonarthose, etc.

Eine Verbesserung der Diagnose vom sei nahezu drei Jahre später nicht eingetroffen. Der Bedarf jeder Hilfestellung sei größer geworden. Die Leistungen des ***[Verein]*** unterstützten pflegebedürftige Patienten so auch die Beschwerdeführerin.

All diese Leistungen würden auch Leistungen der Pflege und Betreuung im Rahmen eines Seniorenheimes/Pflegeheimes oder einer Seniorenunterkunft darstellen, und die Kosten hierfür würden eine außergewöhnliche Belastung darstellen.

Im Falle einer Entscheidung für die häusliche Pflege seien nunmehr diese Leistungen des ***[Verein]*** als außergewöhnliche Belastung verwehrt worden.

Eine Bestätigung der Leistungen des ***[Verein]*** sei angefordert worden und würde nachgereicht. In einem Telefonat mit dem ***[Verein]*** sei bestätigt worden, dass die Leistungen des ***[Verein]*** grundsätzlich eine außergewöhnliche Belastung darstellen und als solche auch anerkannt würden. Eine Finanzamtsbestätigung für das Jahr 2021 werde nach Erhalt nachgereicht.

Es werde daher ersucht, die Einkommensteuer für 2021 im Sinne der Beschwerde vom festzusetzen - somit die Leistungen des ***[Verein]*** als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte im Vorlagebericht vom eine abweisende Erledigung, weil es sich bei den gegenständlichen Aufwendungen nicht um regelmäßig anfallende Aufwendungen im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen handle.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, innerhalb von 2 Wochen ab Erhalt dieses Schreibens nachzuweisen, dass im Jahr 2021 tatsächlich 6.444,80 Euro an den ***[Verein]*** überwiesen worden sei, andernfalls lediglich ein (um 553,85 Euro niedriger) Betrag in Höhe von 5.890,95 Euro abzüglich des erhaltenen Pflegegeldes als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden könne.

In der Begründung wurde angeführt, die Beschwerdeführerin habe für den am in Rechnung gestellten Betrag in Höhe von 553,85 Euro keinen Überweisungsbeleg vorgelegt, weshalb vorläufig davon auszugehen sei, dass dieser Betrag erst 2022 an den ***[Verein]*** überwiesen worden sei und daher keine Berücksichtigung im Jahr 2021 finden könne.

Mit Eingabe vom übermittelte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin den geforderten Zahlungsbeleg über 553,85 Euro, aus dem ersehen werden kann, dass die Überweisung am erfolgte, sowie die Bestätigung des ***[Verein]*** über bezahlte Kostenbeiträge in Höhe von 6.309,90 Euro für das Jahr 2021.

Dazu wurde angeführt, die Differenz zu den geltend gemachten Beiträgen ergebe sich aus dem Bezug auf das Überweisungsdatum anstatt auf die Leistungszeiträume.

Die steuerliche Vertretung verblieb mit dem Ersuchen, die geltend gemachten Zahlungen an den ***[Verein]*** als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin wurde am [Datum] geboren. Sie bezog 2021 neben einer ASVG-Pension auch eine Firmenpension und erhielt für das ganze Jahr Pflegegeld in Höhe von 5.601,60 Euro. Der Grad ihrer Behinderung betrug 25%. Aufgrund ihrer Behinderung entstanden ihr Aufwendungen für Heilmittel und Therapien in Höhe von insgesamt 1.099,47 Euro; darüber hinaus überwies sie 2021 an den ***[Verein]*** für die im Hinblick auf ihre Behinderung notwendige Betreuung 6.309,90 Euro. Die Inanspruchnahme der Heimhilfe betraf im Wesentlichen die Erledigung des Einkaufes, Wege zur Apotheke und Post, den wöchentlichen Wohnungsputz sowie die Alltagsbegleitung der Beschwerdeführerin, die ihre Wohnung nur mehr in Begleitung verlassen kann, zum Besuch von Ärzten und zu Spaziergängen. Darüberhinausgehende Pflegeleistungen wurden vom ***[Verein]*** nicht erbracht

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen und ist nicht strittig. Strittig ist ausschließlich, ob es sich bei den Kosten der Betreuung durch den ***[Verein]*** um eine außergewöhnliche Belastung insbesondere um nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen bzw. eine Heilbehandlung im Sinne des § 4 der des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 handelt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

§ 34 EStG 1988 lautet auszugsweise:

"§ 34. (1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

[...]

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

[...]

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) oder bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs. 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, 72 BlgNR 20. GP 267 f zu § 34 Abs. 6 sowie § 35 EStG 1988 lauten auszugsweise:

"Der Neufassung jener Bestimmungen, die die außergewöhnliche Belastung von Behinderten betreffen, liegen folgende Überlegungen zugrunde:

1. Für alle Personen, die eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz, Pflegezulage oder Blindenzulage) erhalten, soll zur Vermeidung einer Überförderung nicht zusätzlich ein allgemeiner Freibetrag auf Grund ihrer Behinderung berücksichtigt werden, weil ihre pflegebedingten Aufwendungen ohnehin durch den - steuerfreien - Bezug von Pflegegeld und ähnlichen Geldleistungen abgedeckt werden. Werden die tatsächlichen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht, so soll durch die entsprechende Aufnahme in § 34 Abs. 6 sichergestellt werden, dass nur der die pflegebedingte Geldleistung übersteigende Mehrbetrag ohne Abzug eines Selbstbehaltes zu berücksichtigen ist.

(...)

4. Auf Grund der Verordnungsermächtigung in § 34 Abs. 6 (letzter Satz) wird eine neue Verordnung hinsichtlich der Berücksichtigung bestimmter Mehraufwendungen ergehen, die hinsichtlich Art der Aufwendung (Kosten einer Krankendiätverpflegung, PKW- bzw. Taxikosten für Körper- und Gehbehinderte, nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel und Pauschbetrag für unterhaltsberechtigte Personen, für die erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird), dem (teilweise pauschalierten) Ausmaß und der Nachweispflicht mit der bestehenden Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom , BGBl. Nr. 675/1988, inhaltlich übereinstimmen wird.

[...]

In der neu zu erlassenden Verordnung über außergewöhnliche Belastungen soll festgehalten werden, daß für Bezieher von Pflegegeld weiterhin ohne Gegenverrechnung

- die Pauschbeträge für Diätverpflegung im Sinne des § 1 der derzeit bestehenden Verordnung,

- der Pauschbetrag für Kfz-Kosten oder Taxikosten bei Gehbehinderung im Sinne des § 3 der bisherigen Verordnung und

- nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgeräte, Blindenhilfsmittel) im Sinne des § 4 der bisherigen Verordnung zustehen."

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 in der für den Revisionsfall noch geltenden Fassung BGBl. II Nr. 430/2010, lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

[...]

so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

[...]

§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."

Zur Auslegung des Begriffes der "Behinderung" kann auch die Definition in § 3 Bundes-BehindertengleichstellungG BGBl I 2005/82 herangezogen werden (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 35 Rz 3 und 4):

"§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten."

Nicht als Kosten der Heilbehandlung sind Aufwendungen anzusehen, die regelmäßig durch die Pflegebedürftigkeit verursacht werden, wie Kosten für Pflegepersonal, Bettwäsche, Verbandsmaterialien usw. Diese Kosten werden durch das Pflegegeld abgegolten (vgl. UFS Linz , RV/0184-L/04).

Pflegekosten können allerdings alternativ außerhalb der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen als tatsächliche Kosten der Behinderung (abzüglich des Pflegegeldes und weiterer Kostenersätze) geltend gemacht werden.

Bei der Hauskrankenpflege ist zu unterscheiden zwischen der Krankenbehandlung (Heilbehandlung) und allgemeinen Pflegeleistungen, die nicht durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt sind (vgl. 10 Ob S 315/00x). Auch der EuGH unterscheidet zwischen (häuslichen) Leistungen der Behandlungspflege und Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (, Ambulanter Pflegedienst Kügler).

Somit stellen jene Tätigkeiten diplomierten Pflegepersonals, die dem mitverantwortlichen Bereich unter ärztlicher Anordnung nach § 15 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz zuzurechnen sind (medizinische Hauskrankenpflege iSd § 151 ASVG), Kosten der Heilbehandlung nach § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen dar, nicht aber die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung des Kranken.

Zur nicht zur Heilbehandlung im Sinne von § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 zu rechnenden (Grund)Pflege werden insbesondere jene Leistungen zu zählen sein, für die vom Bund bzw. den Ländern eine pauschale Abgeltung in Form des Pflegegeldes oder anderer pflegebedingter Geldleistungen erfolgt. Das Bundespflegegeld hat nach § 1 des Bundespflegegeldgesetzes - BPGG, BGBl 1993/10, den Zweck, pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeiten zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen. Nach der Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz-EinstV BGBl II 1999/37 zählen zur Betreuung iSd BPGG die notwendigen Verrichtungen anderer Personen, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die der pflegebedürftige Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre. Dies sind insbesondere Verrichtungen beim An- und Auskleiden, bei der Körperpflege, der Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten, der Verrichtung der Notdurft, der Einnahme von Medikamenten und der Mobilitätshilfe im engeren Sinn. Hilfsverrichtungen sind die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens, die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, die Pflege der Leib- und Bettwäsche, die Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial und die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn. Hierzu sind Richtlinien des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger für einheitliche Anwendung des Bundespflegegeldgesetzes gemäß § 31 Abs. 5 Z 23 ASVG (RPGG 1999), wiederverlautbart unter www.avsv.at, avsv 144/2005, ergangen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 35 Tz 75 und 76).

Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer altersbedingten Behinderung der Betreuung durch den ***[Verein]*** bedarf. Bei diesen Betreuungsleistungen handelt es sich aber keinesfalls um medizinische Krankenpflege, sondern um jene - oben aufgezählten -Tätigkeiten, die der Beschwerdeführerin ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung ermöglichen sollen.

Dementsprechend stellen die Kosten für die vom ***[Verein]*** übernommenen Betreuungsleistungen keinesfalls Leistungen im Sinne des § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 dar, sondern sind als behinderungsbedingte Aufwendungen gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 als Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen übersteigen, ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes in Abzug zu bringen.

Die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen nach § 34 EStG 1988 setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen tatsächlichen aus dem Einkommen des betroffenen Jahres geleisteten Aufwand und dessen Zwangsläufigkeit voraus (vgl. ; sowie ).

Deshalb ist eine Gegenverrechnung der tatsächlich im jeweiligen Kalenderjahr geleisteten Beträge - unabhängig davon, welcher Leistungszeitraum davon umfasst wurde - mit dem im Kalenderjahr erhaltenen Pflegegeld vorzunehmen.

Aus diesem Grund können auch nur die 2021 tatsächlich geleisteten Zahlungen an den ***[Verein]*** in Höhe von 6.309,90 Euro dem im Kalenderjahr 2021 bezogenen Pflegegeld in Höhe von 5.601,60 Euro gegenübergestellt, und kann nur ein Betrag in Höhe von 708,30 Euro als außergewöhnliche Belastung nach § 34 Abs. 6 EStG 1988 berücksichtigt werden.

Insgesamt ergibt sich somit ein Betrag in Höhe von 1.807,77 Euro, der als außergewöhnliche Belastung ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes in Abzug gebracht werden kann.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da über die gegenständliche Rechtsfrage, ob die Kosten der an die Beschwerdeführerin erbrachten Pflege- und Betreuungsleistungen außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 34 Abs. 6 EStG 1988 oder des § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 darstellen, im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entschieden wurde, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 35 Tz 75 und 76

10 Ob S 315/00x
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100996.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at