Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.07.2023, RV/7100814/2019

Haftung einer Geschäftsführerin nach § 9 iVm § 80 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Peter Pullez, Dr. Robert Gschwandtner Rechtsanwälte, Biberstraße 9, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO zu Recht:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 279 BAO dahingehend abgeändert, dass die Haftung im Gesamtausmaß von 206.360,97 Euro für folgende Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht wird:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
2010
99.202,67
Umsatzsteuer
2011
570,49
Umsatzsteuer
2012
30.837,38
Umsatzsteuer
2013
72.976,10
Umsatzsteuer
2014
2.414,95
Säumniszuschlag 1 (betr. USt 7/2016)
2016
15,18
Säumniszuschlag 1 (betr. USt 8/2016)
2016
9,28
Säumniszuschlag 1 (betr. USt 12)
2016
42,37
Säumniszuschlag 1 (betr. USt 13)
2016
100,27
Säumniszuschlag 1 (betr. KÖSt 10-12/16)
2016
3,70
Stundungszinsen
2016
188,58
Summe
206.360,97

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Bisheriger Verfahrensgang

Strittig ist, ob die Beschwerdeführerin (im Weiteren Bf.) zu Recht mit Bescheid vom , gemäß § 9 iVm § 80 ff. BAO als ehemalige Geschäftsführerin der Firma ***1*** GmbH, vormals ***N*** HandelsgmbH, Firmenbuchnummer ***2*** (im Weiteren: Primärschuldnerin) im Ausmaß von 214.359,89 Euro zur Haftung herangezogen wurde. Die Haftung wurde hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
2010
99.202,67
Umsatzsteuer
2011
570,49
Umsatzsteuer
2012
30.837,38
Umsatzsteuer
2013
72.976,10
Umsatzsteuer
2014
2.414,95
Körperschaftsteuer
10-12/16
2.690,00
Säumniszuschlag 1
2016
221,03
Säumniszuschlag 1
2016
135,17
Säumniszuschlag 1
2016
616,75
Säumniszuschlag 1
2016
1.459,52
Säumniszuschlag 1
2016
53,80
Stundungszinsen
2016
2.745,03
Körperschaftsteuer
01-03/17
437,00
Summe
214.359,89

Nach Darstellung der rechtlichen Grundlagen führte die belangte Behörde aus, dass die Bf. ihren Verpflichtungen gem. § 80 BAO nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich seien. Hinsichtlich der Umsatzsteuern sei die Umsatzsteuer selbst bemessen, jedoch nicht entrichtet worden.

Als Beilage zum Haftungsbescheid übermittelt wurden die Bescheide Umsatzsteuerbescheid 2010 und 2011 vom , Umsatzsteuerbescheid 2012 vom , Umsatzsteuerbescheid 2013 vom , Umsatzsteuerbescheid 2014 vom , der Stundungszinsenbescheid vom sowie Säumniszuschlagbescheide vom (betreffend Umsatzsteuer 2012, Umsatzsteuer 2013, Körperschaftsteuer 10-12/2016) und vom (betreffend Umsatzsteuer 7/2016 und 8/2016), wobei auf diese Beilagen auch in der Begründung des Haftungsbescheides verwiesen wurde, nicht jedoch Bescheide betreffend Körperschaftsteuervorauszahlungen.

In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde vom wurde die ersatzlose Behebung des Haftungsbescheides beantragt, weil die Rückstände auf unrichtigen Grundlagenbescheiden beruhten; weiters habe sich die Bf. aufgrund der Liquiditätsprobleme der Primärschuldnerin bemüht, sämtliche Gläubiger gleich zu behandeln, ein entsprechender Gleichbehandlungsnachweis werde erstellt und der Behörde vorgelegt. Im Bescheid sei das Verschulden der Bf. nicht begründet worden und es werde aus anwaltlicher Vorsicht bestritten, dass die Zahlungen nicht bei der Primärschuldner einbringlich gemacht werden könnten. (Die gleichzeitig eingebrachte Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2010-2014 ist hier nicht verfahrensgegenständlich.)

Mit Vorhalt vom wurde die Bf. ersucht, den in der Beschwerde angekündigten Gläubigergleichbehandlungsnachweis bis zum nachzureichen. Eine Beantwortung des Vorhaltes erfolgte trotz Fristerstreckung jedoch nicht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt am , wurde die Beschwerde von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Vertreter nicht für sämtliche Abgabenschuldigkeiten des Vertretenen in voller Höhe hafte, sondern nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben bestehe. Würden die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden reichen, so erstrecke sich die Haftung des Vertreters nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat. Der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung obliege dem Vertreter. Ein solcher sei jedoch trotz Aufforderung nicht erfolgt.

Mit Anbringen vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Ergänzend wurde ausgeführt, dass Vorsteuern im Rahmen der Betriebsprüfung für die Jahre 2010-2013 zu Unrecht nicht anerkannt worden seien, weshalb eine entsprechende Beschwerde gegen die Grundlagenbescheide erhoben worden sei. Die Gläubiger seien gleichbehandelt worden, ein entsprechender Nachweis würde erstellt werden.

Am legte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde zur Entscheidung vor und beantragte, die Körperschaftsteuer 10-12/15 und 01-03/17 aus der Haftung auszuscheiden, da die Bf. bezüglich dieser Abgaben mangels Übermittlung der Bescheide unvollständig informiert worden sei.

In einer Stellungnahme vom führte der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. aus, die Umsatzsteuerverbindlichkeiten der Kalenderjahre 2009-2013 seien nicht selbst bemessen, sondern im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung vom festgesetzt worden. Im BP-Bericht sei jedoch ausdrücklich festgehalten, dass der Bf. bezüglich der festgesetzten Umsatzsteuernachforderungen "absolut kein Vorwurf" zu machen sein. Schon bei der Entstehung der Umsatzsteuerschuld liege demnach kein haftungsbegründendes Verhalten vor. Nachdem die Umsatzsteuernachforderungen entstanden seien, habe die Primärschuldnerin eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Finanzamt abgeschlossen. Nach mehreren Teilzahlungen sei am zwar Terminverlust eingetreten, es sei jedoch unverzüglich um eine neue Ratenzahlungsbewilligung angesucht worden, der fällige Abgabenrückstand zu diesem Zeitpunkt habe 251.567,59 € betragen. Das neuerliche Ratenzahlungsansuchen sei mit Bescheid vom bewilligt worden, die vorübergehend nur wenige Tage eingetretene Fälligkeit sei damit beseitigt worden. Am habe die Primärschuldnerin um eine Abänderung der Ratenzahlungsvereinbarung ersucht, was mit Bescheid vom auch bewilligt worden sei. Die erste Rate sei deutlich früher als laut Bescheid entrichtet worden, die späteren Raten wären zu einer Zeit fällig geworden, als die Bf. nicht mehr Geschäftsführerin der Primärschuldnerin gewesen sei. Festgehalten werde, dass die Primärschuldnerin während der Zeit, in der die Bf. Geschäftsführerin war, nicht insolvent und die Begleichung der Umsatzsteuernachforderung im Rahmen der bewilligten Ratenzahlung daher realistisch und möglich gewesen sei.

Auf Grund eines Zuständigkeitswechsels erfolgte am die Neuzuteilung der Beschwerdesache an die Gerichtsabteilung 1095 der erkennenden Richterin. Die Stellungnahme vom wurde der belangten Behörde sodann zur Kenntnisnahme und Möglichkeit einer weiteren Stellungnahme übermittelt.

In der Stellungnahme vom führt die belangte Behörde aus, in der Begründung des Haftungsbescheides sei es zu einem Versehen gekommen; wie von der Bf. ausgeführt, handle es sich bei den Umsatzsteuerbescheiden 2010-2014 um Bescheide, die nach einer abgabenbehördlichen Prüfung ergangen seien. In Zusammenhang mit den Ratenzahlungen sei darauf zu verweisen, dass der Tag, an dem die Abgaben fällig geworden seien durch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen unberührt bleibe. Ein nach Eintritt der Fälligkeit von Abgaben eingebrachtes Ratenansuchen ändere nichts daran, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung vorliege (Verweis auf ).

Mit Vorhalt vom wurde der Bf. Parteiengehör gewährt und ihr die Möglichkeit eingeräumt, nochmals den in der Beschwerde und im Vorlageantrag angekündigten, der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügenden Nachweis der Gläubigergleichbehandlung vorzulegen.

Mit Schreiben vom trat die Bf. nachstehenden Nachweis der Gläubigergleichbehandlung an und führte dazu aus, der maßgebliche Zeitraum für den Nachweis sei von bis , da die Bf. als Geschäftsführerin mit ausgeschieden sei. Wörtlich heißt es:

[...]

Als Beweis legte die Bf. folgende Beilagen vor: Saldenliste per (Beilage ./1), Berechnung des Quotenschadens (Beilage ./2), Entwicklung der Verbindlichkeiten und der liquiden Mittel (Beilage ./3), Entwicklung des Finanzamtskontos (Beilage ./4), Abwicklung Kassa (Beilage ./5), Kontobewegungen Raika und Volksbank (Beilage ./6 und ./7).

Die belangte Behörde entgegnete mit Schreiben vom unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Quotenschaden und betreffend Zug-um-Zug Geschäfte, die Festsetzung der Umsatzsteuer im Rahmen der Betriebsprüfung verändere nicht die Fälligkeit; bei Selbstbemessungsabgaben (Umsatzsteuer, Kapitalertragsteuer) sei maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Maßgebend sei daher - unter Hinweis auf Ritz, BAO, § 9 Tz 10 und die dort zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes - der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob und wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt worden seien. Aus diesem Grund sei der dargelegte Zeitraum ebenso wenig nachvollziehbar wie die Darlegung des Nachweises der Gläubigergleichbehandlung bzw. die Berechnung des Schadens.

Am langte dazu eine Äußerung der Bf. ein, die auszugsweise wie folgt lautete:

[...]

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. war vom bis zum alleinige Geschäftsführerin der Firma ***1*** GmbH, vormals ***N*** HandelsgmbH, Firmenbuchnummer ***2*** (in der Folge: Primärschuldnerin). Ab wurde die Gesellschaft von ***1*** als Geschäftsführerin vertreten. Die Funktion der Bf. als Geschäftsführerin wurde mit im Firmenbuch gelöscht. Die neue Geschäftsführerin ***1*** war zu keinem Zeitpunkt im Zentralen Melderegister gemeldet. Der letzte im Firmenbuch eingetragene Jahresabschluss ist jener zum . Mit wurde im Firmenbuch amtswegig die Geschäftsanschrift "unbekannt" eingetragen. Am wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit amtswegig im Firmenbuch gelöscht.

Bei der Primärschuldnerin wurde eine Außenprüfung betreffend die Jahre 2008 bis 2013 durchgeführt. Das Finanzamt traf dabei unter den Tz.1 und Tz. 2 Feststellungen zu formellen Rechnungsmängeln näher genannter Firmen, u.a. da die auf den Eingangsrechnungen aufscheinenden Betriebsadressen nicht mit den Adressen der Leistenden übereinstimmten oder Warenbezeichnungen nicht dem § 11 Abs. 1 Z 3 lit. c UStG entsprachen oder Mängel hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Lieferung vorlagen (Tz 3), weshalb Vorsteuerbeträge nicht anerkannt wurden. In Tz 4 wurde festgehalten, dass der Geschäftsführung betreffend Tz 1 und 2 "absolut kein Vorwurf zu machen ist und die Geschäftsführung sämtliche Anstrengungen geleitet hat, um das Verfahren zügig abzuschließen."

Im Rahmen der Niederschrift über die Außenprüfung vom wurde in Anwesenheit der Bf. ein Rechtsmittelverzicht abgegeben. In der Folge dieser Außenprüfung wurden am die Umsatzsteuerjahresbescheide 2010-2013 und am der Umsatzsteuerjahresbescheid 2014 erlassen. Für die Jahre 2010 bis 2014 wurden folglich unrichtige Umsatzvorsteueranmeldungen eingereicht und mit einer unrichtigen Jahreserklärung eine jeweils zu niedrige Festsetzung erwirkt. Am erfolgte die Erlassung eines Stundungszinsenbescheides und eines ersten Säumniszuschlages betreffend Umsatzsteuer 2012 iHv 616,75 € und 2013 iHv 1.459,52 € sowie Körperschaftsteuer 10-12/2016 iHv 53,80 €; am wurde ein erster Säumniszuschlagsbescheid betreffend Umsatzsteuer 7/2016 iHv 221,30 € und betreffend Umsatzsteuer 8/2016 iHv 135,17 € erlassen.

Aus einer Kontrollmitteilung des Finanzamts ergibt sich, dass die Primärschuldnerin am außer Waren von geringem Wert kein Vermögen hatte. Die Primärschuldnerin wurde mit Zahlungsaufforderung vom dazu aufgefordert, den vollstreckbaren Rückstand unverzüglich zu entrichten.

Am und am wurden vom rechtsfreundlichen Vertreter der Primärschuldnerin bzw. der Bf. Angebote auf außergerichtliche Einigung betreffend die Abgabenrückstände der Primärschuldnerin eingebracht. Letzterem Angebot beigefügt waren (undatierte) Vermögensverzeichnisse der Primärschulderin sowie der Bf., in denen im Wesentlichen angegeben wurde, dass sowohl die Bf. als auch die Primärschuldnerin einkommens- und vermögenslos seien. Die Angebote auf außergerichtliche Einigung wurden vom Finanzamt abgelehnt.

Mit angefochtenem Bescheid vom wurde die Bf. zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin wie folgt herangezogen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
2010
99.202,67
Umsatzsteuer
2011
570,49
Umsatzsteuer
2012
30.837,38
Umsatzsteuer
2013
72.976,10
Umsatzsteuer
2014
2.414,95
Körperschaftsteuer
10-12/16
2.690,00
Säumniszuschlag 1
2016
221,03
Säumniszuschlag 1
2016
135,17
Säumniszuschlag 1
2016
616,75
Säumniszuschlag 1
2016
1.459,52
Säumniszuschlag 1
2016
53,80
Stundungszinsen
2016
2.745,03
Körperschaftsteuer
01-03/17
437,00
Summe
214.359,89

In diesem Bescheid wurde auch auf die Bescheide verwiesen, die dem Haftungsbescheid beigelegt waren: Umsatzsteuerbescheid 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, Stundungszinsenbescheid und zwei Säumniszuschlagbescheide vom (betreffend Umsatzsteuer 2012, Umsatzsteuer 2013, Körperschaftsteuer 10-12/2016) und vom (betreffend Umsatzsteuer 7/2016 und 8/2016), nicht jedoch Bescheide betreffend Körperschaftsteuervorauszahlungen. Die Umsatzsteuern waren zum Zeitpunkt der Erlassung der genannten Bescheide schon fällig gewesen: die USt 2010 am ; die USt 2011 am , die USt 2012 am , die USt 2013 am und die USt 2014 am ; die Stundungszinsen waren am fällig, die Säumniszuschläge am bzw. am .

Die Bf. erhob anlässlich ihrer Haftungsinanspruchnahme auch gegen die der Haftung zugrundeliegenden Bescheide (Grundlagenbescheide) Beschwerde, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Gegen die Bf. wurde wegen des Vorwurfes, selbst zu berechnende Abgaben, nämlich Umsatzsteuer 2010 bis 2014, nicht spätestens am 5. Tag nach Fälligkeit entrichtet (abgeführt) zu haben, und damit eine Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen zu haben, ein Finanzstrafverfahren geführt, das mit Erkenntnis des Spruchsenates vom gemäß § 136 FinStrG eingestellt wurde.

Die Bf. hat den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung angetreten, ist dabei jedoch von Fälligkeiten der gegenständlichen Abgaben im Zeitraum vom bis ausgegangen. Für diesen Zeitraum wurde ein Quotenschaden von 6,87% ermittelt.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den im Akt befindlichen oben genannten Unterlagen. Insbesondere ergeben sich die Feststellungen hinsichtlich der Geschäftsführertätigkeit der Bf. und der Konkurseröffnung der Primärschuldnerin, dem Geschäftsführerwechsel sowie der Löschung der Primärschuldnerin aus dem Firmenbuch zu Firmenbuchnummer ***2***. Die Feststellungen zur Außenprüfung ergeben sich insbesondere aus der im Akt einliegenden Niederschrift über die Außenprüfung vom . Die Feststellung zur Höhe und Abgabenart der Haftungsbeträge ergeben sich aus dem Haftungsbescheid und den dazugehörigen Grundlagenbescheiden, soweit diese der Beschwerdeführerin wie festgestellt übermittelt worden sind.

Zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom Unterlagen vorgelegt, in denen sie für den Zeitraum vom bis zeitraumbezogene Berechnungen anstellt und Saldenlisten vorlegt. Die Beschwerdeführerin räumt darin einen Quotenschaden des Finanzamtes iHv 6,87% ein. Dieser ist durchaus als nachvollziehbar einzustufen. Ein gänzliches Fehlen liquider Mittel wurde nicht behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

3.1.1. Rechtslage und Judikatur

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

§ 20 BAO lautet:

"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

§ 224 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten."

§ 248 BAO lautet:

"Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß."

3.1.2. Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO voraus, dass

1. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),

2. eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht (Uneinbringlichkeit),

3. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und

4. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).

3.1.2.1. Zur Vertreterstellung

Die Beschwerdeführerin war im haftungsrelevanten Zeitraum (insbesondere Umsatzsteuer 2014 bis 2014) wie festgestellt vom bis zum handelsrechtliche Geschäftsführerin der Primärschuldnerin und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO.

Zu ihren Pflichten als Geschäftsführerin der GmbH gehörte es daher, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und insbesondere für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ; , 2006/13/0121; , 2008/15/0085).

3.1.2.2. Zur Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die verfahrensgegenständlichen Abgaben sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich, da sie nach dem Geschäftsführerwechsel offenbar ihre Tätigkeit eingestellt hat, die neue Geschäftsführerin für das Finanzamt nicht greifbar war und die Primärschuldnerin mittlerweile wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch amtswegig gelöscht wurde.

3.1.2.3. Zum Verschulden

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Dabei kommt es für den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht nur auf die liquiden Mittel zum Fälligkeitstag an, die den an diesem einen Tag jeweilig fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen sind, weil eine derartige Betrachtung für nur einen einzigen Tag im Monat ohne Berücksichtigung der vorhandenen liquiden Mittel für die Zeiträume nach der Fälligkeit der Abgaben keinen Nachweis über eine Gläubigergleichbehandlung geben kann (). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben ().

Was die haftungsgegenständlichen Abgaben betrifft, erstreckt sich die Haftung des Vertreters, wenn die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden gereicht haben und der Vertreter nur deswegen haftet, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat ().

Der Vertreter erfährt somit nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre (). Hat der Geschäftsführer aber nicht dargetan, weshalb er für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen (). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die zB der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (). Dem Vertreter obliegt es, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen.

Da der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, der Bf. oblag (vgl. zB sowie zuletzt ), wurde sie von der Abgabenbehörde, aber auch vom Bundesfinanzgericht aufgefordert, zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben eine Aufstellung sämtlicher Gläubiger, der auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen sowie aller verfügbar gewesenen liquiden Mittel beizubringen.

Mit Schriftsatz vom hat die Bf. den Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung versucht, ein solcher ist ihr hinsichtlich der Umsatzsteuern 2010-2014 jedoch aus den folgenden Gründen nicht gelungen:

Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob die Bf die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes danach bestimmt, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (). Maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wurde ().

Die Nichtentrichtung der Umsatzsteuern (infolge der ungerechtfertigten Geltendmachung von Vorsteuern aus innergemeinschaftlichen Erwerben bzw. der auf Grund formeller Rechnungsmängel) bei deren Fälligkeit jeweils am 15. des zweitfolgenden Monats ("Fälligkeitstag", § 21 Abs. 1 UStG 1994) stellt demnach eine schuldhafte Pflichtverletzung dar.

Durch eine Nachforderung auf Grund eines Veranlagungsbescheides wird keine davon abweichende Fälligkeit begründet (§ 21 Abs. 5 UStG 1994; ). Anders gesagt: Unter dem Blickwinkel der §§ 9 Abs. 1 BAO und 80 Abs. 1 BAO kann sich der Zeitpunkt, zu dem die Abgabennachforderungen zu entrichten waren, nicht erst auf Grund der Bescheide ergeben, welche diese Nachforderungen festsetzen ().

Die vorgelegten Berechnungen beziehen sich aber nicht auf die Fälligkeitstage oder auf Zeiträume um diese Fälligkeitstage, sondern auf den Zeitraum von bis . Damit verkennt die Bf. die eingangs erwähnte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die auf die jeweiligen Fälligkeitstage, die im gegenständlichen Verfahren jedenfalls vor diesem Zeitraum gelegen sind.

Das Bundesfinanzgericht verkennt nicht, dass Abgabenverkürzungen begangen durch Verletzungen einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht naturgemäß in einem Spannungsfeld zu der Möglichkeit stehen, durch den Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger zu einem oder mehreren Fälligkeitstag(en) eine Haftungseinschränkung zu erzielen, weil der Gläubiger (die Abgabenbehörde) bei Fälligkeit der Abgabe gar nicht in Kenntnis seiner Forderung gesetzt wurde und der Abgabepflichtige wiederum naturgemäß bei deren Fälligkeit auch keine Forderung der Abgabenbehörde bei Einteilung liquider Mittel im Auge hatte.

Wenn die jeweiligen Vorsteuern eben nicht in die Berechnungen aufzunehmen waren, hätten sich monatliche Zahllasten ergeben, die jeweils in einen Vergleich mit den zu diesen Terminen vorhandenen Geldmitteln und deren Verteilung gesetzt hätten werden müssen, was aber unterblieben ist. Die im Schriftsatz vom vorgenommene Berechnung für den oben genannten Zeitraum erfüllt die Vorgaben einer Gleichbehandlungsberechnung somit nicht.

Die Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht sprechen für schuldhafte Pflichtverletzungen begangen durch die Geschäftsführung - hier die Bf. - mittels Einreichung unrichtiger Erklärungen, die zu zu niedrigen Abgabenfestsetzungen geführt haben. Die Verschuldensbandbreite geht bei einer ungerechtfertigten Geltendmachung von Vorsteuern von Fahrlässigkeit bis zur Abgabenhinterziehung.

Die Bf. meint, aufgrund der Formulierung im Betriebsprüfungsbericht, wonach der Geschäftsführung der Primärschulderin betreffend verschiedene umsatzsteuerliche Feststellungen (hinsichtlich Tz 1 und 2) "absolut kein Vorwurf zu machen" sei, liege kein haftungsrelevantes Verschulden vor. Die zitierte Aussage im Betriebsprüfungsbericht bezieht sich nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes jedoch nicht auf eine mögliche Haftung, wird doch in einem Betriebsprüfungsbericht nicht bindend darüber abgesprochen, ob ein Verschulden eines Haftungspflichtigen an der Nichtentrichtung von Abgaben vorliegt. Zu einer Haftungsinanspruchnahme genügt im Übrigen bereits leichte Fahrlässigkeit, die im Zusammenhang mit den Feststellungen zu den Eingangsrechnugen der in Tz 1 und Tz 2 genannten Firmen unzweifelhaft als gegeben anzusehen ist.

Die Bf. bestreitet das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung auch, weil sie vom Vorwurf einer Finanzordnungswidrigkeit hinsichtlich Umsatzsteuer 2010 bis 2014 rechtskräftig freigesprochen und das Verfahren eingestellt wurde. Soweit die Bf. mit diesem Vorbringen die Unrichtigkeit der dem gegenständlichen Haftungsbescheide zugrundeliegenden Abgabenbescheide geltend macht, ist sie auf die Abgabenrechtsmittelverfahren zu verweisen. Keinesfalls kann jedoch der Freispruch vom Verdacht der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. c und 51 Abs. 1 lit. c FinStrG iVm § 136 FinStrG die Bf. vom Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO entbinden. Während die genannten Bestimmungen die Schuldform des Vorsatzes erfordern, genügt zur Haftungsinanspruchnahme der Vorwurf bloßen - vom Geschäftsführer zu widerlegendem - Verschuldens. Es reicht - wie bereits erwähnt - sogar leichte Fahrlässigkeit aus (vgl. zB und , 0038). Zudem liegt im Finanzstrafverfahren die Beweislast beim Gericht bzw. bei der Behörde, während es im Haftungsverfahren gemäß § 9 Abs. 1 BAO Aufgabe des Geschäftsführers ist, das Nichtvorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung zweifelsfrei darzutun.

Zum Vorbringen der Bf., wonach das Finanzamt Ratenzahlungsansuchen bewilligt hatte bzw. dass Raten teilweise erst zu Zeitpunkten fällig wurden, in denen die Bf. nicht mehr Geschäftsführerin der Primärschuldnerin war, ist, wie auch das Finanzamt richtig angemerkt hat, auszuführen, dass der Tag, an dem die Abgabenschulden fällig geworden sind, durch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen unberührt bleibt. Durch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen wird lediglich der Zeitpunkt der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben hinausgeschoben. Ein nach Eintritt der Fälligkeit von Abgaben eingebrachtes Ratenansuchen ändert nichts daran, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung vorliegt (; , 2001/14/0154).

Hingewiesen wird darauf, dass die Prüfung, ob die Vorsteuern im Rahmen der Betriebsprüfung bei der Primärschuldnerin zu Recht nicht anerkannt wurden, nicht im gegenständlichen Beschwerdeverfahren zu erfolgen hatte, da Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen sind (siehe mwN).

Das Beschwerdevorbringen war insgesamt nicht geeignet, die Pflichtverletzung zu entschuldigen. Die belangte Behörde hat daher zu Recht eine schuldhafte Pflichtverletzung der Bf. hinsichtlich der Umsatzsteuern 2010 bis 2014 angenommen.

Dass im Haftungsbescheid fälschlicherweise ausgeführt wurde, die Umsatzsteuer 2010-2014 sei selbst bemessen, aber nicht entrichtet worden, erachtet das Bundesfinanzgericht hingegen nicht als schädlich, da in den dem Haftungsbescheid beiliegenden Umsatzsteuerbescheiden, auf die im Haftungsbescheid auch hingewiesen wurde, auf die Außenprüfung bei der Primärschuldnerin verwiesen wurde.

Hinsichtlich der Körperschaftsteuer ist Folgendes auszuführen:

Wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt (und vom Finanzamt im Vorlagebericht ausgeführt wurde), wurden der Bf. keine Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 10-12/2016 und 01-03/2017 übermittelt.

Nach der zu § 248 BAO ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Haftungspflichtige, wenn die Abgaben bereits bescheidmäßig festgesetzt worden sind, im Haftungsbescheid in einer Weise über die Abgabenfestsetzung in Kenntnis zu setzen ist, die ihn zur Einbringung einer Beschwerde gegen diesen nicht an ihn und auch nicht ihm zugestellten Bescheid informiert (vgl. ; , 2005/13/0145; , 2011/16/0053; , 2013/16/0165).

Da die Bf. mit dem angefochtenen Haftungsbescheid nicht entsprechend von den Bescheiden betreffend Körperschaftsteuer 10-12/2016 und 01-03/2017 in Kenntnis gesetzt worden ist, liegt ein Mangel des Verfahrens vor, der im Beschwerdeverfahren über den Haftungsbescheid nicht mehr sanierbar ist (zB ; , 2013/16/0165).

Die Körperschaftsteuer 10-12/2016 und 01-03/2017 sind daher aus der Haftung auszuscheiden.

Hinsichtlich der Stundungszinsen und Säumniszuschläge ist vor dem Hintergrund der oben genannten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedoch Folgendes auszuführen:

Die Säumniszuschläge gemäß § 217 BAO werden dem Abgabenpflichtigen mittels eines eigenen Bescheides (Säumniszuschlagsbescheid) angelastet. Die Zuschläge werden gemäß § 210 Abs. 1 BAO mit Ablauf eines Monats ab Zustellung des Bescheides fällig. Dasselbe gilt für Stundungszinsen.

Entgegen der Meinung der belangten Behörde lagen die Fälligkeiten der hier gegenständlichen Stundungszinsen und Säumniszuschläge in dem von der Bf. für den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung herangezogenen Zeitraum. Dazu hat die Bf. eine konkrete Berechnung des Quotenschadens, in der auch die zahlenmäßige Darlegung der Lieferverbindlichkeiten und der liquiden Mittel sowie der Finanzamtsverbindlichkeiten und der Kontobewegungen für die maßgeblichen Monate enthalten ist, vorgelegt. Diese wird in Hinblick auf eine Vermeidung einer Überspannung der Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten über das Maß des Zumutbaren hinaus als überschlägige Ermittlung der Quote für die Begrenzung der Haftung als ausreichend erachtet wird, zumal sie anhand der vorgelegten Unterlagen auch nicht als offenbar unzutreffend erkannt wird.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist die Bf. daher für die genannten Stundungszinsen und Säumniszuschläge nur im Ausmaß des berechneten Quotenschadens von 6,87% heranzuziehen.

3.1.2.4. Kausalität

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit ().

3.1.2.5. Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Dass die Bf. laut ihrem (im Übrigen undatierten) im Akt einliegenden Vermögensverzeichnis, das sie dem Finanzamt übermittelt hat, einkommens- und vermögenslos sein soll, wäre im Übrigen kein Grund, sie nicht zur Haftung heranzuziehen, da Vermögens- und Arbeitslosigkeit der Haftenden in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung stehen, zumal es eine allfällige (zur Zeit der Erlassung des Haftungsbescheides bestehende) Uneinbringlichkeit beim Haftenden auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben führen können ().

Sonstige Gründe, die eine Ermessensübung zugunsten der Bf. bewirken könnten, sind nicht hervorgekommen, zumal die Haftung sehr zeitnah zum Bekanntwerden der Nichtgreifbarkeit der auf die Bf. folgenden Geschäftsführerin geltend gemacht wurde.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die Vollstreckung auf Geldforderungen der Haftungspflichtigen nur für ein monatliches Einkommen über dem Existenzminimum möglich ist. Der unpfändbare Freibetrag hat der Verpflichteten zur Gänze zu verbleiben. Die Frage der Einbringlichkeit der Haftungssumme ist aber nicht in diesem Verfahren zu klären.

3.1.3. Ergebnis

Der Beschwerde ist aus den dargelegten Gründen teilweise stattzugeben und die Haftung auf die im Spruch genannten Abgaben und Beträge einzuschränken.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe dazu die unter 3.1. dargestellte Rechtsprechung, der die Entscheidung folgt); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Wien, am

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