Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.06.2023, RV/7102213/2013

Verjährung abgeleiteter Bescheide bei Verlängerungshandlungen im Grundlagenbescheid

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Helga Kraus, Johann Vollnhofer-Straße 1/Stg. 7/8, 2326 Maria Lanzendorf, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2001, 2003 und 2005, Steuernummer nr., zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Laut den Feststellungsbescheiden des Finanzamts Neunkirchen Wiener Neustadt vom für die Jahre 2001, 2003 und 2005 betreffend die XY GmbH und Mitges. (St.nr.: Nr.) wurden für den streitgegenständlichen Zeitraum auf Grund von Scheinrechnungen Verluste erklärt.

Diese mit Bescheiden vom als unrechtmäßig beurteilten Verluste waren zunächst in den von den vorher erlassenen Grundlagenbescheiden abgeleiteten Einkommensteuerbescheiden bei den einzelnen Mitunternehmern einkommenswirksam berücksichtigt worden. Aufgrund der Grundlagenbescheide vom wurden diese Verluste bei den einzelnen Beteiligten in den Streitjahren gestrichen.

Im Vorfeld zu den genannten Grundlagenbescheiden waren wiederholt Nichtbescheide und anschließende neue Erstbescheide (Feststellungsbescheide) erlassen worden. Dementsprechend erfolgten mehrfach Abänderungen der abgeleiteten Einkommensteuerbescheide (hier der Jahre 2001, 2003 und 2005).

Mit den gegenständlich angefochtenen Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2001, 2003 und 2005 vom setzte das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg (FA 07) die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Grundlagenbescheide vom betreffend Mitunternehmerschaft (atypisch stillen Beteiligung) an der XY GmbH und Mitges., St.nr.: Nr., (Beteiligung in den Streitjahren) fest.

In seiner rechtzeitig eingebrachten Berufung (nunmehr Beschwerde) vom wandte der Beschwerdeführer (Bf.) Folgendes ein:

"Gemäß § 207 BAO beträgt die Frist für eine Festsetzungsverjährung 5 Jahre, welche gem. § 209 BAO regelmäßig um 1 Jahr verlängert wird. Nur wenn noch im letzten Jahr der Verlängerung nach außen erkennbare Amtshandlungen gesetzt werden, verlängert sich die Verjährung jeweils um 1 Jahr. Die Einkommensteuer 2001 war daher im Jahr 2007 verjährt, die Einkommensteuer 2002 im Jahr 2008, die Einkommensteuer 2003 im Jahr 2009 und die Einkommensteuer 2004 im Jahr 2010 und die Einkommensteuer 2005 im Jahr 2011. Wenn einmal Verjährung eingetreten ist, kann das Recht eine Abgabe festzusetzen nicht mehr wieder aufleben, auch nicht durch nach außen erkennbare Amtshandlungen."

Weiters wurde darin vorgebracht, es seien auch die Verjährungsbestimmungen für hinterzogene Abgaben nicht anzuwenden, zum Zeitpunkt bis 2006 könne eine Hinterziehung nicht nachgewiesen werden und ein Betrug könne aus den Aussagen und Handlungen des Geschäftsführers für diese Zeit nicht abgeleitet werden.

Zudem verwies der Bf. auf die Möglichkeit der Nichtigkeit der Grundlagenbescheide.

Die Berufung gegen die strittigen Einkommensteuerbescheide 2001, 2003 und 2005 wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung (nunmehr Beschwerdevorentscheidung) an das BFG vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Bundesfinanzgerichtes immer in der Sache selbst zu entscheiden. Das Bundesfinanzgericht ist danach berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO idF BGBl. I Nr. 57/2004 beträgt die Verjährungsfrist bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist sieben Jahre.

Durch BGBl. I Nr. 105/2010 wurde mit Wirksamkeit die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben auf zehn Jahre verlängert. Die Verjährung beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit a BAO mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Gemäß § 209 Abs 1 BAO verlängern nach außen erkennbare, zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommene, Amtshandlungen die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Nach § 209 Abs. 3 BAO idF BGBl. I Nr. 180/2004 verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches.

Abgabenbehördliche Prüfungen, deren Gegenstand Feststellungsverfahren (Feststellungs-bescheide) sind, verlängern die Verjährungsfrist der von den Feststellungsbescheiden jeweils abgeleiteten Abgaben (; 98/15/0056; vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 209 Tz. 16). Dies gilt auch für auf Erlassung solcher Feststellungsbescheide gerichtete Amtshandlungen, wie z.B. Vorhalte (u.a. ) oder Außenprüfungen (Ritz, BAO-Kommentar, 4. Auflage, § 209 Tz 9 mit Verweis auf , 0060, 0061).

Der Bf. war unstrittig u.a. in den Jahren 2001, 2003 und 2005 an der XY GmbH und Mitges. (St.nr.: Nr.) als Mitunternehmer (atypisch stiller Gesellschafter) beteiligt.

Am erfolgte eine automatische Bescheidänderung des Einkommensteuerbescheids 2001 gemäß § 295 Abs. 1 BAO.

Am erging dann der hier angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2001, welcher eine Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO zum Bescheid vom ist.

Am erging auch der hier angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2003, welcher eine Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO zum Bescheid vom (= Endgültigerklärung der vorläufigen Festsetzung vom ) ist.

Am erging auch der ebenfalls hier angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2005, welcher eine Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO zum Bescheid vom (=Erstbescheid) ist.

Daraus folgt für die gegenständlichen Streitjahre 2001, 2003, 2005:

Betreffend Einkommensteuer 2001 und Einkommensteuer 2003:

Zum Zeitpunkt der Zustellung der Einkommensteuerbescheide 2001 und 2003 vom war die allgemeine Verjährungsfrist von fünf Jahren unstrittig bereits abgelaufen, somit wäre unter Anwendung der um ein Jahr verlängerten Fünfjahresfrist des § 207 Abs. 2 erster Satz BAO bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Streit besteht darüber, ob nach Lage des Falles die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben von sieben Jahren (§ 207 Abs. 2 BAO) zum Tragen kommt (bezüglich der erstmaligen Anwendung der Verlängerung von sieben Jahren auf zehn Jahre siehe Ritz, BAO, 5. Auflage, § 207 Tz 14a).

Im Jahr 2007 konnten hinsichtlich der Einkommensteuer 2001 keine Verlängerungshandlungen - welche den Eintritt der Verjährung um ein weiteres Jahr verlängert hätten - festgestellt werden. Es ist jedoch auch die Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO zu prüfen. Diese längere Frist setzt eine Abgabenhinterziehung voraus

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt. Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen (z.B. ).

Die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben kommt unabhängig davon zur Anwendung, welcher konkreten Person die Hinterziehung der Abgabe vorzuwerfen ist (). Wird eine vorsätzliche Abgabenhinterziehung festgestellt, kommt es daher nicht darauf an, ob der Abgabenschuldner selbst die Abgabe hinterzogen hat, sondern nur darauf, dass sie überhaupt hinterzogen wurde (). Die Verjährungsfrist bezieht sich nicht auf ein Rechtssubjekt, sondern auf eine Forderung ().

Die Abgabenbehörde ist im Abgabenverfahren nicht daran gehindert, ohne finanzstrafbehördliche Entscheidung festzustellen, dass Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO hinterzogen worden sind; liegt daher eine Entscheidung der zuständigen Behörde nicht vor, hat die Abgabenbehörde diese Frage als Vorfrage in eigener Verantwortung zu beurteilen ().

Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen wurden, setzt eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen (VwGH 2007/15/0292; VwGH 2005/15/0072). Bei der Beurteilung durch die Abgabenbehörde ist vor allem zu beachten, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz als Schuldform erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn in nachprüfbarer Weise auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (VwGH 2007/15/0292; VwGH 2005/15/0072). Die Beurteilung der Vorfrage hat in der Begründung des Bescheides (bzw. Beschlusses oder Erkenntnisses) zu erfolgen. Aus der Begründung muss sich somit ergeben, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse sowie auf Grund welcher Überlegungen zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung die Annahme der Hinterziehung gerechtfertigt ist (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 207 BAO, Tz 15; ; , 96/17/0453).

Wird eine vorsätzliche Abgabenhinterziehung festgestellt, kommt es nicht darauf an, ob der Abgabenschuldner selbst die Abgabe hinterzogen hat, sondern nur darauf, dass sei überhaupt hinterzogen wurde (; , 1197/61; , 83/16/0182;14.7.189, 86/17/0198; , 94/16/0275; , 96/14/0152; , 2004/16/0146). Die Verjährungsfrist bezieht sich nicht auf ein Rechtssubjekt, sondern auf eine Forderung (, 2002/16/0005).

Zum Tatbestand der Steuerhinterziehung genügt auch die vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils. Verkürzt wird eine Steuereinnahme nicht bloß dann, wenn sie überhaupt nicht eingeht, sondern auch dann, wenn sie ganz oder teilweise dem Abgabengläubiger nicht in dem Zeitpunkt zukommt, in welchem er nach dem betreffenden Steuergesetz darauf Anspruch gehabt hätte (Seewald in Tannert, Finanzstrafrecht § 33 FinStrG E4).

Im Zuge von Wiederholungsprüfungen gem. § 99 FinStrG bei der XY GmbH und Mitges. (St.nr. Nr.) wurde vom Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt zu Eingangsrechnungen für 2001 der XY GmbH und Mitges. festgestellt, dass diesen seitens der entsprechenden Geschäftspartner niemals Gegenleistungen gegenübergestanden hatten, sondern die Erbringung von Leistungen durch die in den Rechnungen angeführten Personen vorgetäuscht worden seien. Der Alleingeschäftsführer Gf. gab im Lauf der Betriebsprüfung (Bp) an, dass zwei näher genannte Geschäftspartner für den Zeitraum 2001 - 2003 niemals Gegenleistungen erbracht hatten. Nach seinen glaubwürdigen Aussagen habe es sich um Scheinrechnungen zur Erzeugung von Verlusten für die Anleger gehandelt (siehe detaillierte Darstellung unter Punkt 3.7. der Feststellungsbescheide vom ). Da kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Ausführungen zu zweifeln, geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass diese Handlungen im Hinblick auf den ermittelten Verlust der Mitunternehmerschaft als vorsätzliche Abgabenhinterziehung der vom Feststellungsbescheid abgeleiteten Abgaben anzusehen sind. Die Beurteilung des FA Neunkirchen Wr. Neustadt in den Feststellungsbescheiden wird daher als zutreffend angenommen.

Aus diesem Grund liegt der Eintritt der Festsetzungsverjährung betreffend Einkommensteuer 2001 jedenfalls nicht vor dem und Verlängerungshandlungen seitens des Finanzamtes im Jahr 2007 betreffend Einkommensteuer 2001 waren somit nicht erforderlich.

Im Jahr 2008 wurde am im Rahmen der Ermittlungen zum Feststellungsbescheid 2000 bis 2007 ein Ergänzungsersuchen des FA Neunkirchen Wiener Neustadt an XY GmbH und Mitges. gerichtet mit dem Auftrag zur Geltendmachung des Angabenanspruches Anlegerinformationen und Prospekte sowie die ausgesandten Ergebnismitteilungen zu übermitteln. Durch diese nach außen gerichtete Amtshandlung in den Feststellungsverfahren verlängerte sich für 2001 die Verjährung bis zum Ablauf des Jahres 2009.

Im Jahr 2009 wurde am der Prüfungsauftrag betreffend die XY GmbH und Mitges. mit der St.Nr. Nr. mit Prüfungsgegenstand der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung 2000 - 2007 erlassen und mit den Prüfungshandlungen begonnen. Diese nach außen gerichtete Amtshandlung verlängerte den Eintritt der Verjährung für 2001 und 2003 bis zum Ablauf des Jahres 2010.

Im Jahr 2010 erfolgte die Betriebsprüfung (Bp) sowie die Abhaltung der Schlussbesprechung am und die Fertigstellung der Bp samt Übermittlung des Bp-Berichts.

Betreffend Einkommensteuer (ESt) 2001 und ESt 2003 gab es dann am im Feststellungsverfahren (vom Prüfungsergebnis ausgehend) Wiederaufnahmen gemäß § 303 Abs. 4 BAO sowie neue Feststellungsbescheide mit diesem Datum. Obwohl sich im weiteren Verfahren (beim UFS/BFG) herausstellte, dass dies sogenannte "Nichtbescheide" waren, ist die Erlassung dieser Schriftstücke nach Rechtsansicht des BFG trotzdem als nach außen gerichtete Amtshandlung zu werten.

Verschiedentlich war zwar die Auffassung vertreten worden, dass "schriftliche Bescheide nur dann als sonstige Erledigungen im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO gelten würden, wenn diese auch zugestellt wurden, was für nichtexistente Bescheide jedenfalls zu verneinen sein wird." Dieser Auffassung ist jedoch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2022/15/0001, entgegenzuhalten. Demnach hält der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) die zur Rechtslage vor dem AbgÄG 2004 (BGBl. I 2004/180) bestehende Rechtsprechungslinie, wonach schriftliche Bescheide nur bei rechtswirksamer Zustellung Amtshandlungen iSd § 209 BAO für die neue Rechtslage - in der § 209 BAO von einem bisherigen Unterbrechungs- in einen bloßen Verlängerungstatbestand verwandelt wurde - nicht mehr aufrecht. Der VwGH erkannte weiters, dass nicht nur bescheidmäßige Erledigungen Verlängerungshandlungen darstellen. Vielmehr kommt diese Eigenschaft jeder nach außen erkennbaren Handlung zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches zu. Es kommt auch nicht darauf an, ob diese Amtshandlung konkret geeignet ist, den angestrebten Erfolg, nämlich die Durchsetzung des Anspruches, zu erreichen. Es genügt vielmehr, dass die Amtshandlung nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen. Sogar der Umstand, dass dieser Abgabenschuldner im Zeitpunkt dieser Amtshandlung nicht mehr existiert und die Geltendmachung des Abgabenanspruchs etwa richtigerweise gegen dessen Rechtsnachfolger erfolgen müsste, führt zu keiner anderen Beurteilung (; zu einer möglichen Verlängerungswirkung von Bescheiden unabhängig von ihrer rechtswirksamen Zustellung vgl. auch bereits ).

Mit all den (oben angeführten) nach außen gerichteten Amtshandlungen zur Durchsetzung des Abgabenanspruches - u.a. wurde in den Jahren 2005 bis 2006 erstmals eine Außenprüfung durchgeführt (= Verlängerungshandlung) sowie Durchführung der Bp im Feststellungsverfahren in den Jahren 2009 (= Verlängerungshandlung) und 2010 sowie den Abschluss der Bp im Jahr 2010 (= Verlängerungshandlung) - verlängerte sich somit die Verjährungsfrist für 2001 und 2003 jedenfalls bis zum Ablauf des Jahres 2011.

Im Jahre 2011, nämlich am , wurden die gegenständlich bekämpften Bescheide erlassen.

Diese Feststellungen sind aus dem Akteninhalt der Finanzamtsakten zu den Einkommensteuer- und Feststellungsverfahren ableitbar und besteht kein Grund die Richtigkeit des Akteninhaltes anzuzweifeln.

Aufgrund des in der Mitunternehmerschaft begründeten Gesamtschuldverhältnisses und der oben dargestellten Judikatur folgt aus der durch die Geschäftsführer vorsätzlich unrechtmäßig überhöhten Darstellung des steuerlichen Verlustes der Geschäftsherrin bzw. der Mitunternehmerschaft die Anwendung der längeren Verjährungsfrist für die Einkommensteuer sämtlicher an der Mitunternehmerschaft beteiligten Gesellschafter (vgl. Stoll, BAO Kommentar, § 207, 2172).

Gemäß § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO (idF BGBl I 57/2004) beträgt die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Abgaben sieben Jahre. Dies gilt unabhängig von der Dauer der Verjährungsfrist bei nicht hinterzogenen Abgaben.

Somit ist auf die Festsetzung der Einkommensteuer 2001, aufgrund Vorliegens von einer vorsätzlichen Hinterziehung umfasster Abgaben, die Siebenjahresfrist gemäß § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO anzuwenden. Dementsprechend lief die Verjährungsfrist für 2001 jedenfalls bis Ende 2008.

Durch das BetrugsbekämpfungsG 2010 (BBKG 2010, BGBl I 105/2010 wurde somit die aufgrund des StRefG 2005 auf sieben Jahre verkürzte Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO betreffend hinterzogene Abgaben wieder auf zehn Jahre verlängert. Diese Neuregelung ist nach § 323 Abs. 27 BAO erstmals auf Abgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem entstanden ist (vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Auflage (2021) § 207, Rz. 14a).

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO (idF BGBl I Nr. 13/2014), in Kraft seit (bis dato), ist die verlängerte Verjährungsfrist von zehn Jahren auf "hinterzogenen Abgaben" anzuwenden.

Daher ist die Zehnjahresfrist gemäß § 207 Abs. 2 BAO idgF für den Veranlagungszeitraum 2003 anzuwenden.

Conclusio betreffend Einkommensteuer 2001 und 2003:

In den Jahren 2008, 2009 und 2010 wurden die (oben dargestellten) Verlängerungshandlungen u.a. auch betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2001 gesetzt und damit die Festsetzungsverjährung bis zum Ablauf des Jahres 2011 verlängert. Die absolute Verjährung wäre hinsichtlich 2001 mit Ablauf des Jahres 2011 eingetreten, die Einkommensteuer 2001 war daher zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung am noch nicht verjährt.

Für die Festsetzung der Einkommensteuer 2003 wäre zwar grundsätzlich die zehnjährige Verjährungsfrist - auf hinterzogenen Abgaben gemäß § 207 Abs. 2 BAO (idF BGBl I Nr. 13/2014) - anzuwenden. Die Prüfung kann jedoch unterbleiben, da bereits unter Zugrundelegung der 5-jährigen Verjährungsfrist und der oben dargestellten Verlängerungshandlung (Erlassung des Erstbescheids am ) keine Verjährung eingetreten ist.

Betreffend Einkommensteuer 2005:

Betreffend 2005 verlängerte der Einkommensteuerbescheid vom die Verjährung bis zum .

Für 2005 war somit am (= Datum der Erlassung des angefochtenen ESt-Bescheides 2005) jedenfalls noch keine Verjährung eingetreten. Die Einkommensteuer für das Jahr 2005 ist daher, auch unter Außerachtlassung einer etwaigen Hinterziehung, schon nach der einmalig verlängerten 5-Jahresfrist nicht verjährt.

Das Bundesfinanzgericht sieht weiters keinen Grund, die den bekämpften Einkommensteuerbescheiden zugrundeliegenden Feststellungsbescheide der Mitunternehmerschaft als Nichtbescheide zu qualifizieren, zumal dazu seitens des Bf. kein konkretes Vorbringen erstattet wurde und die Grundlagenbescheide nach Ansicht des erkennenden Gerichts keine offensichtlichen Mängel aufweisen, die ihre Bescheidqualität in Zweifel ziehen.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Einer Rechtsfrage kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (z.B. ).

Zu den Rechtsfragen, ob Verlängerungshandlungen im Rahmen des Feststellungsverfahrens auch für die abgeleiteten Bescheide Wirkung entfalten (; 98/15/0056) und welche Handlungen der Abgabenbehörde eine Verlängerungshandlung darstellen (; , 2001/13/0059, 0060, 0061) besteht bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

Die gegenständliche Entscheidung weicht von der zur Anwendbarkeit der Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben ergangenen Rechtsprechung des VwGH nicht ab. Die Beantwortung der Frage, ob von einer Hinterziehung von Einkommensteuer auszugehen ist, hing in erster Linie von der im Rahmen der Beweiswürdigung vorgenommenen Beurteilung von Tatfragen ab, denen keine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Revision war daher spruchgemäß nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323 Abs. 27 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102213.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at