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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 01.08.2023, RV/7101939/2023

Elektronische Zustellung in die Databox

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Edith Stefan über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Stephanie Pšick-Göls, Ströbitzerstraße 6b, 3100 St.Pölten, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für die Monate Juli und August 2022, den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde vom wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO iVm § 278 Abs. 1 lit. a BAO als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog für die Kinder A., geb. 2004, und B., geb. 2008, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Am beantragte der Exgatte der Bf. über Finanzonline für beide Kinder die Familienbeihilfe ab . Dem Antrag war eine Verzichtserklärung der Bf. vom angeschlossen.

Am erging an die Bf. ein Überprüfungsschreiben, in dessen Beantwortung die Bf. dem Finanzamt ua. mitteilte, dass die Familienbeihilfe auf das gemeinsame Konto überwiesen worden sei. Sie "trete hiermit aus der Familienbeihilfe aus".

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Bf. die für die Kinder für die Monate Juli 2022 bis August 2022 bezogenen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) iVm § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) mit der Begründung zurück, dass die Kinder nicht in ihrem Haushalt leben würden und sie auch nicht überwiegend die Unterhaltskosten für die Kinder trage.

Der Rückforderungsbescheid wurde am über FinanzOnline in die Data-Box der Bf. zugestellt.

Die Bf. brachte gegen den Rückforderungsbescheid am Beschwerde ein und gab an, dass sie weder auf FinanzOnline, noch auf das Konto ihres Ex-Mannes Zugriff gehabt habe.

Die Beschwerde wurde vom Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen (§ 10 Abs. 2, § 25 und 26 Abs. 1 FLAG 1967) mit näheren Ausführungen abgewiesen.

Am langte ein Schreiben der mit Beschluss vom bestellten Erwachsenenvertreterin der Bf. ein, welches von Finanzamt als Vorlageantrag gewertet wurde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Die Bf. ist FinanzOnline-Teilnehmerin. Sie hat nicht auf eine elektronische Zustellung verzichtet.

Der Rückforderungsbescheid vom wurde der Bf. am elektronisch (Databox) zugestellt.

Die Bf. brachte gegen den Rückforderungsbescheid am Beschwerde ein.

Die Beschwerde wurde verspätet eingebracht.

Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Familienbeihilfenakt.

Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Beurteilung:

Zustellung in Databox:

§ 1 Abs 1 FinanzOnline-Verordnung 2006 (kurz: FOnV) regelt automationsunterstützte Datenübertragungen in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), Erledigungen (§ 97 Abs 3 BAO), Akteneinsicht (§ 90a BAO) und Entrichtung (§ 211 Abs 5 BAO), soweit nicht eigene Vorschriften bestehen.

Gemäß § 1 Abs 2 FinanzOnline-Verordnung 2006 ist die automationsunterstützte Datenübertragung nur zulässig für Funktionen, die "dem jeweiligen Teilnehmer" in FinanzOnline "zur Verfügung stehen". Das setzt - für die Zustellung von Erledigungen in die "Databox" - voraus, dass dem Empfänger die für den Zugriff darauf erforderlichen Zugangsdaten "zur Verfügung stehen".

§ 1 Abs. 3 FinanzOnline-Verordnung 2006 idgF lautet:

"(3) Parteien und deren Vertreter, die an FinanzOnline teilnehmen und dafür von den Abgabenbehörden Zugangsdaten erhalten, haben diese, auch wenn sie selbst bestimmt wurden, sorgfältig zu verwahren, soweit zumutbar Zugriffe darauf zu verhindern und die Weitergabe der Zugangsdaten zu unterlassen. Die Ausstellung von weiteren Zugangsdaten und deren Weitergabe zum Zweck der Einräumung von Zugriffsrechten an andere Personen ist im eigenen Verantwortungsbereich des Teilnehmers nach Maßgabe der für den jeweiligen Teilnehmer zur Verfügung stehenden Funktionen (Abs. 2) zulässig, doch haben die so berechtigten Personen dieselben Sorgfaltspflichten, insbesondere dürfen die Zugangsdaten nicht weitergegeben werden. Der Teilnehmer darf Zugriffsrechte nur natürlichen Personen einräumen."

§ 98 BAO lautet:

"(1) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, ausgenommen Abschnitt III (Elektronische Zustellung), vorzunehmen.

(2) Elektronisch zugestellte Dokumente gelten als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."

Der Zeitpunkt, an dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind (und damit gemäß § 98 Abs. 2 BAO als zugestellt gelten), ist bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat (vgl. Ritz, BAO6, § 98 Tz 4, mit zahlreichen Judikaturnachweisen, darunter ). Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FinanzOnline-Teilnehmer (zB Öffnen, Lesen oder Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an (Ritz, aaO, § 98 Tz 4, mit Judikaturnachweisen) (vgl. zB , , , ).

Die Nichtangabe einer E-Mailadresse (bzw. die nicht erteilte Zustimmung) zur Verständigung über die Zustellung per E-Mail hindert nach § 5b Abs. 2 FinanzOnline-Verordnung 2006 (FOnV 2006) die Wirksamkeit der Zustellung nicht (vgl. , ).

Im vorliegenden Fall bestreitet die Bf. nicht, dass der Rückforderungsbescheid elektronisch im Sinne des § 98 Abs. 2 erster Satz BAO (Databox) in ihren Verfügungsbereich gelangt ist; sie bringt nur vor, sie habe nicht auf Finanz-Online zugreifen können, weil ihr geschiedener Ehegatte finanzielle Angelegenheiten erledigt hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof erstellte zum Erkenntnis vom , 2009/13/0105, folgenden Rechtssatz:

Die Erläuterungen zu § 98 Abs. 2 BAO enthalten den Satz, der Zeitpunkt, in dem die Daten "in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt" seien, sei "bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox" (270 BlgNR 23. GP 13). Die Auffassung, "die Databox" im Sinne dieses Satzes könne nur eine solche sein, zu der der Empfänger Zugang habe, findet Deckung im Gesetz, weil sich ein Speicherbereich, zu dem der Empfänger keinen Zugang hat, nicht als sein "elektronischer Verfügungsbereich" verstehen lässt. Gemäß § 1 Abs. 2 der FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97, ist die automationsunterstützte Datenübertragung auch nur zulässig für Funktionen, die "dem jeweiligen Teilnehmer" in FinanzOnline "zur Verfügung stehen". Das setzt - für die Zustellung von Erledigungen in die "Databox" - voraus, dass dem Empfänger die für den Zugriff darauf erforderlichen Zugangsdaten "zur Verfügung stehen". In Bezug auf die Frage, wann Letzteres so zutrifft, dass die Zustellung in die "Databox" zulässig und die Einbringung der Daten in diesen Speicherbereich mit der in § 98 Abs. 2 erster Satz BAO normierten Rechtsfolge verbunden ist, bedarf es aber einer Abgrenzung gegenüber Abruf- und Empfangsproblemen, die sich aus der Verwahrung und dem Gebrauch der dem Empfänger zur Verfügung gestellten Zugangsdaten ergeben (vgl. in diesem Zusammenhang auch die den Teilnehmern in § 1 Abs. 3 der zitierten Verordnung auferlegten Sorgfaltspflichten). § 98 Abs. 2 dritter Satz BAO steht dem nicht entgegen. Die Wirksamkeit der Zustellung wird darin - nach dem Muster des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz - an eine negative Bedingung geknüpft, die vom Verhalten des Empfängers abhängt und deren Nichterfüllung meist erst nachträglich hervorkommt. Das Gesetz beschränkt die damit - in der Form nicht bloß einer Wiedereinsetzungsmöglichkeit, sondern der vorläufigen Unwirksamkeit der Zustellung - verbundene Berücksichtigung der nicht rechtzeitigen Kenntnis vom Zustellvorgang aber ausdrücklich auf den von der belangten Behörde nicht angenommenen Fall der Abwesenheit von der Abgabestelle."

Das Bundesfinanzgericht stellte im Erkenntnis vom , RV/7102285/2022 fest:

Ob sich der Empfänger - mit oder ohne Hilfe geeignet verwahrter Aufzeichnungen - noch an die Zugangsdaten erinnern kann und wie gut oder schlecht die von ihm gerade "verwendete EDV-Systemumgebung" funktioniert, kann für die Wirksamkeit der Zustellung nicht maßgebend und nicht anders zu beurteilen sein als der Verlust eines Briefkastenschlüssels oder ein technischer Defekt in einem Fax-Empfangsgerät ( 2009/13/0105)."

Sämtliche elektronisch in die Databox der Bf zugestellten Erledigungen waren der Bf als in deren Verfügungsbereich gelangt zuzurechnen.

Das bloße Vorbringen der Bf., sie hätte keinen Zugriff auf Finanz-Online gehabt, weil sie die Regelung ihrer finanziellen Angelegenheiten ihrem geschiedenen Ehegatten überlassen gehabt hätte, reicht daher nicht aus, um von einer unwirksamen Zustellung des Rückforderungsbescheides auszugehen.

Festzuhalten ist, dass die Bf, auch wenn sie im Sinne des § 1 Abs. 3 FOnV 2006, wonach eine Weitergabe der Benutzeridentifikation und des persönlichen Passworts (PIN) zu unterlassen ist, ihre Zugangsdaten für FinanzOnline weitergegeben hätte, unbestritten Teilnehmerin von FinanzOnline und daher selbst für die Sicherheit ihrer Zugriffsdaten und deren Verfügbarkeit verantwortlich war.

Da die Zustellung des Rückforderungsbescheides vom am unbestritten elektronisch in die Databox erfolgt ist, wurde sie mit diesem Tag wirksam.

Damit hat die einmonatige Rechtsmittelfrist gemäß § 245 Abs. 1 BAO zu laufen begonnen und endete diese am .

Die Beschwerde wurde am , somit verspätet eingebracht und war gemäß den Bestimmungen des § 278 Abs. 1 lit. a BAO mit Beschluss als nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260).

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Nur informationshalber wird zum Vorbringen, wonach die Bf. ab auf dem gegenständlichen Girokonto nicht mehr Verfügungsberechtigte gewesen sei und die darauf zur Auszahlung gelangte Familienbeihilfe im Zeitraum Juli 2022 bis August 2022 ausschließlich vom Kindesvater bezogen und von diesem ausgegeben wurde, ausgeführt:

§ 26 Abs. 1 FLAG normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich. Die Weitergabe der unrechtmäßig erhaltenen Beträge (ob zum Teil oder zur Gänze) an den Kindesvater entbindet den Bezieher/die Bezieherin der Familienbeihilfe nicht von der Rückzahlungsverpflichtung.

Nachdem die Kinder der Bf. ab hauptsächlich beim Kindesvater wohnhaft waren, forderte das Finanzamt von der Bf. die für Juli und August 2022 bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge zurück.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels und die Rechtsfolgen bei Versäumung dieser Frist ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz und liegt daher auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 5b Abs. 2 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 1 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 86a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 2 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 97 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Abs. 1 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 3 Abs. 2 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 98 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 3 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101939.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at