Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.07.2023, RV/7100495/2023

Arbeitstraining "On the Job" Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967?

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/16/0114.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7100495/2023-RS1
Die höchstgerichtliche Rechtsprechung verlangt den Antritt zu und das Ablegen von Prüfungen nur dort, wo solche in der jeweiligen Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind. Sieht eine Ausbildung keine Ablegung einer förmlichen Prüfung vor, schließt das für sich allein nicht das Vorliegen einer Berufsausbildung aus, wenn die Eignung als Berufsausbildung auf andere Weise sichergestellt ist.
RV/7100495/2023-RS2
Die Vorbereitung auf eine Aufnahme zu einer Berufsausbildung kann, die entsprechende zeitliche Inanspruchnahme vorausgesetzt, Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 sein.
RV/7100495/2023-RS3
„Berufsausbildung“ setzt nicht die Ausbildung für einen einzigen konkreten Beruf voraus.
RV/7100495/2023-RS4
Da das Arbeitstraining „On the job“ konkret für eine weitere Berufsausbildung vorbereitet und die weitaus überwiegende Zeit des Kindes in Anspruch nimmt, liegt im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vor.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke über die Beschwerde der ***1*** ***2***, ***3***, ***4***, vom gegen den Bescheid des Finanzamts Österreich vom , Ordnungsbegriff ***5***, womit der Antrag vom auf Familienbeihilfe für die im Juni 2004 geborene ***6*** ***7*** ***2*** ab Juli 2022 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Antrag

Die Beschwerdeführerin (Bf) ***1*** ***2*** beantragte am über FinanzOnline Familienbeihilfe für ihre im Juni 2004 geborene Tochter ***6*** ***7*** ***2***. Diese befinde sich seit Jänner 2022 "in sonstiger Ausbildung" bei WienWork Integrative Betriebe und AusbildungsgmbH, eine Abschlussprüfung sei vorgesehen. Unter "Art des Berufes nach Abschluss" wurde "Einzelhandel-Joborientierung" angegeben.

Bescheid

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den "Antrag vom " auf Familienbeihilfe für ***6*** ***7*** ***2*** ab Juli 2022 mit folgender Begründung ab:

Für ein volljähriges Kind steht die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung zu.

Bei Ihrem Kind trifft diese Voraussetzung nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Was ist eine Berufsausbildung?

Das Kind verwendet seine überwiegende Zeit dazu, praktisches und theoretisches Fachwissen zu erlernen und schließt diese Ausbildung mit einer Abschlussprüfung ab. Die Ausbildung hat eine angemessene Unterrichtsdauer und ist nicht auf Allgemeinbildung wie zum Beispiel Sprachkurse ausgerichtet.

Familienbeihilfe steht bei einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung zu.

Wann gilt die Ausbildung als ernsthaft und zielstrebig?

• Das Kind verwendet die volle Zeit dafür

• Das Kind tritt in angemessener Zeit zu Prüfungen an

Bei Ihrem Kind trifft das nicht zu.

Ihre Tochter ***6*** besucht seit das Arbeitstraining "On the Job" von Wien Work.

Da es sich bei diesem Arbeitstraining um keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 handelt musste Ihr Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für ***6*** infolge dessen abgewiesen werden.

Beschwerde

Über FinanzOnline erhob die Bf am Beschwerde und führte in dieser aus:

Sehr geehrte Damen und Herren, in Ihrer Mitteilung vom , Ordnungsbegriff ***5***, wurde mir mitgeteilt, dass für meine Tochter ***6*** ***2***, Vers.Nr. ***8***, der Anspruch auf Familienbeihilfe im Juni 2022 endet. Von WienWork habe ich eine Bestätigung erhalten, die beweist, dass ***6*** weiterhin Anspruch auf Familienbeihilfe hat. Ich habe eine Beschwerde bereits abgeschickt und schicke Ihnen die gleiche Beschwerde mit Anhang der Bestätigung von Wienwork. Danke, mit freundlichen Grüßen ***1*** ***2***

Folgende Bestätigung von Wien Work Integrative Betriebe und AusbildungsgmbH vom war der Beschwerde beigefügt:

Frau ***6*** ***2***, geb. am ***9***, wohnhaft in ***4***, ***3***, besucht seit dem die Berufsqualifizierungsmaßnahme "On the job". Ein Kursbesuch bei On the job ist ab Eintritt maximal drei Jahre möglich.

Diese Einrichtung stellt eine Maßnahme nach

§ 10 des Chancengleichheitsgesetz Wien dar - "Berufsqualifizierung und Berufsintegration" - und wird vom Fonds Soziales Wien - gefördert.

Frau ***2*** steht somit in keinem arbeitsrechtlichen Dienstverhältnis.

Frau ***2*** bezieht über das AMS die Leistung DLU (Deckung der Lebensunterhaltskosten). Über die Einrichtung "On the job" erhält Frau ***2*** keine finanziellen Leistungen.

Kurszeiten:

DI und FR 8.00 bis 13.00 Uhr

MO, MI, DO 8.00 bis 14.00 Uhr

Gesamt: 28 Wochenstunden

"On the job" ist eine Berufsqualifikationsmaßnahme und bereitet auf eine weitere Ausbildung wie Lehre, verlängerte Lehre oder Teilqualifikation vor. Eine anerkannte Abschlussprüfung gibt es bei "On the job" nicht.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Die Begründung dazu lautet:

Mit Bescheid vom wurde der Anspruch auf Familienbeihilfe für das Kind ***2*** ***6*** ***7*** ab Juli 2022 mit der Begründung abgewiesen, dass das nunmehr volljährige Kind nicht in Berufsausbildung steht.

Dagegen haben Sie am eine Beschwerde eingebracht und schreiben:

Die beiliegende Bestätigung von WienWork beweist, dass für ***6*** weiterhin Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.

Bestätigung WienWork v. :

Frau ***6*** ***2*** besucht seit die Berufsqualifizierungsmaßnahme "On the Job".

Diese Einrichtung stellt eine Maßnahme nach § 10 des Chancengleichheitsgesetz Wien dar und dient der Berufsqualifizierung und der - integration.

Umfang der Kursmaßnahme: 28 Wochenstunden

"On the job" bereitet auf eine weitere Ausbildung wie Lehre, verlängerte Lehre oder Teilqualifikation vor.

Für den Kursbesuch erhält Frau ***2*** ***6*** eine Leistung des AMS.

Eine anerkannte Abschlussprüfung gibt es nicht.

Rechtsgrundlage:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wenn sie für einen Beruf ausgebildet werden.

Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes sind praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung.

Rechtliche Beurteilung

"On the job" verfolgt das Ziel, Jugendliche durch diverse Angebote zur Aufnahme eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes zu befähigen und zu unterstützen.

Durch diese Qualifizierungsmaßnahme werden keine fachspezifischen/berufsspezifischen Kenntnisse oder Fähigkeiten erworben.

Daher stellt dieser Kursbesuch keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 dar.

Vorlageantrag

Über FinanzOnline stellte die Bf am Vorlageantrag und führte darin aus:

Die Beschwerdevorentscheidung ist falsch, da es mit Wien Work, gefördert durch den Fond Soziales Wien ein Übereinkommen gibt, dass den Jugendlichen ab 18 Jahren die Familienbeihilfe weiter gewährt wird. Nach dem Gleichbehandlungsgesetz Österreich müsste daher meiner Tochter die Familienbeihilfe ebenfalls zustehen. On the job ist eine Maßnahme für Jugendliche, die wie mit den Vorschulklassen an den Volksschulen gleichzusetzen ist. Fond Soziales Wien und das Bundesministerium für Soziales sind darüber informiert und mit dem Fall betraut. Ich sende Ihnen in den Anhängen dieses Schreibens von Wien Work ein Schreiben - Für das Finanzamt - eine Bestätigung - und den Jahresbericht von 2021 mit. Weiters verweise ich auf die Ausführungen in meiner Beschwerde und beantrage, die von mir an das Finanzamt gesendeten Unterlagen und Bestätigungen an das Bundesfinanzgericht weiterzuleiten und zur Entscheidung vorzulegen.

Aus dem angeschlossenen Tätigkeitsbericht (weitere Beilagen sind in OZ 5 "Vorlagebericht" nicht enthalten):

...

Ziel unserer Begleitung ist es, den Weg nach On the job mit den Jugendlichen herauszufinden. Was passt genau zu den Fähigkeiten und Talenten? Teilqualifikation, verlängerte Lehre, eine Tagesstruktur oder ganz etwas anderes? Im Durchschnitt bleiben die Teilnehmer*innen zwei Jahre bei uns. Manche kürzer, manche auch drei Jahre.

Wir freuen uns über unsere Absolventinnen 2021!

• Theo hat in der Wien Work Tischlerei eine verlängerte Lehre begonnen

• Tobias hat sein Glück in der Wien Work Gärtnerei gefunden - noch offen ist, ob es eine Teilqualifikation oder verlängerte Lehre wird

• Und hier unsere Jugendlichen, die beim BILLA PLUS direkt eine Teilqualifikation oder verlängerte Lehre begonnen haben

Hannes, Alexander, Jovana, Luna

An dieser Stelle herzlichen Dank an den Verein T.I.W. (Training, Integration, Weiterbildung) für die gute Kooperation!

• Eine überbetriebliche Ausbildung haben begonnen

Nina (Einzelhandel)

Maria und Lukas (Gärtnerei)

• Für Florian und Alexandra war eine Tagesstruktur eine optimale Lösung

Einige von unseren 30 Jugendlichen, die wir monatlichen betreuen, sind auch aus anderen Gründen ausgeschieden: Es hat sich zum Beispiel in der Probezeit herausgestellt, dass es nicht passt oder Teilnehmerinnen müssen die Teilnahme aus gesundheitlichen Gründen abbrechen.

...

Darstellung On the job

Wien Work Integrative Betriebe und AusbildungsgmbH erstellte am "für das Finanzamt" folgend angeführte Darstellung:

On the job ist eine Maßnahme der Berufsqualifizierung gefördert aus Mitteln des Fonds Soziales Wien.

Ziel ist es die Jugendlichen auf eine Ausbildung, vor allem auf eine Lehrausbildung, vorzubereiten.

Insofern sind wir vergleichbar mit einer Vorschulklasse wie sie sich an den Vorschulklassen an den Volkschulen findet.

36% der Kurszeit entfallen auf Unterricht: Förder/Kreativunterricht, Lebenskunde, Fachkunde, Exkursionen und Sport.

64% entfallen auf praktische Trainingsarbeit in den unterschiedlichen Betrieben.

Siehe bitte auch Jahresbericht.

Somit versuchen wir bereits eine ähnliche Situation zu schaffen, wie sie sich beieiner Lehrausbildung findet.

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt Österreich die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte aus:

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

Strittig ist, ob ein Arbeitstraining bei "on the job" bei einem nicht behinderten volljährigen Kind eine Berufsausbildung iSd FLAG darstellt.

Die Tochter ***6*** der Beschwerdeführerin (BF) hat im Juni 2022 ihr 18. Lebensjahr vollendet. Die BF bezog bis dahin die Familienbeihilfe (Grundbetrag). Die Familienbeihilfe wurde mit Juni 2022 für die Tochter eingestellt.

Die BF beantragte mit FON-Antrag vom die Familienbeihilfe (nur den Grundbetrag) für die Tochter ***6*** ab Juli 2022. Die erhöhte Familienbeihilfe wurde für die Tochter nicht beantragt und liegt auch keine festgestellte Behinderung vor.

Die Tochter besuchte ab das Arbeitstraining "On the job" von Wien Work, integrative Betriebe- und AusbildungsGmBH Integration durch Arbeitstraining. Aus den Unterlagen für die Maßnahme - darunter die Schreiben der Wien Work vom und vom - ist ersichtlich, dass die Jugendlichen für einen Einstieg in eine Berufsausbildung, insbesondere Lehrausbildung, vorbereitet werden sollen. Es gibt 28 Wochenstunden an Kurszeit und sind davon 36% Unterricht (nämlich Förder/Kreativunterricht, Lebenskunde, Fachkunde, Exkursionen und Sport). 64% der Kurszeiten dienen der praktischen Tätigkeit (Gärtnerei, Gastronomie, Einzelhandel, etc.). Eine Abschlussprüfung gibt es nicht. Für den Besuch der Maßnahme erhält die Tochter vom AMS eine Deckung der Lebensunterhaltes iHv €14,20 täglich (€ 426,- bzw. € 440,20 monatlich)

Der Familienbeihilfen-Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen, da das Arbeitstraining keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG darstellt.

Dagegen wurde am Beschwerde erhoben.

Am erging die abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE).

Dagegen wurde ein Vorlageeintrag eingebracht. Es wird vorgebracht, dass die BVE falsch sei. Es gebe ein Übereinkommen von Work Wien gefördert vom Fonds soziales Wien, wonach den Jugendlichen die Familienbeihilfe zustehe. Auch aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes stehe der Tochter die Familienbeihilfe zu. Die Maßnahme "on the job" sei eine Maßnahme ähnlich wie eine Vorschule und sei der Fond Soziales Wien und das Sozialministerium mit dem Fall betraut. Beigelegt waren Auszüge aus dem Jahresbericht von "On the job" über die Tätigkeit in der Maßnahme selbst und Berichte über Jugendliche, die nach der Maßnahme bei "on the job" eine Lehre gefunden hatten.

Beweismittel:

gesamter vorgelegter Akteninhalt, insbesondere die Schreiben der Wien Work und die Kursunterlagen über den Inhalt der Maßnahme "on the Work"

Stellungnahme:

Für volljährige Kinder ohne Behinderung besteht nach dem vollendeten 18. Lebensjahr nach § 2 FLAG nur Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie neben den allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen (Kind iSd FLAG, Lebensmittelpunkt im Inland,...) auch besondere erfüllen: Sie müssen entweder in einer Berufsausbildung, Zwischenzeit oder Freiwilligentätigkeit sein. Die Kriterien einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG, die sich aufgrund der höchstgerichtlichen Judikatur entwickelt haben, sind ua. ein konkretes Berufsbild, ein geregeltes Ausbildungsverfahren, ein qualifizierter Abschluss, ein Lehr-und Stundenplan, eine dafür vorgesehene Einrichtung und ein Stundenausmaß von mindestens 20 Theorie-Wochenstunden.

Beim Arbeitstraining "on the job" liegen diese Kriterien nicht vor (insbesondere Berufsbild, Abschluss), da diese Maßnahme darauf gerichtet ist Jugendliche für eine (Lehr)-Ausbildung vorzubereiten, aber selbst keine Berufsausbildung darstellt (vergl. RV/5101510/2014).

Hinweis: Bei der Personengruppe der erhöhten Familienbeihilfen-Bezieher (Grad der Behinderung 50%), die sich in einem Arbeitstraining zur Eingliederung ins Erwerbsleben zB. "Berufsfindungsmaßnahmen" unterziehen, wird ein nicht so "strenger Maßstab" bei der Prüfung der generellen Kriterien für das Vorliegen einer Berufsausbildung angewendet. Nimmt eine Person mit besonderen Bedürfnissen solche Leistungen wie sie in geschützten Werkstätten, Produktionsschulen etc. angeboten werden, in Anspruch, so kann nach Meinung der Abgabenbehörde eher von einer Berufsausbildung und damit in weiterer Folge von einem Anspruch auf Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag ausgegangen werden.

Die Tochter der Beschwerdeführerin gehört aber nicht zu jenen Personen mit besonderen Bedürfnissen bzw. Behinderung und gelten für sie die allgemeinen Kriterien der Berufsausbildung iSd FLAG.

Es wird hier auch auf das Vorbringen im Abweisungsbescheid und in der BVE verwiesen. Danach stellt das Arbeitstraining "on the job" keine Berufsausbildung iSd FLAG dar.

Die Abgabenbehörde beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die im Juni 2004 geborene ***6*** ***7*** ***2*** ist Tochter der Bf ***1*** ***2***. Im Jänner 2022 begann die volljährige ***6*** ***7*** ***2*** ein Training "On the job" bei Wien Work Integrative Betriebe und AusbildungsgmbH um sich auf eine Einzelhandelslehre vorzubereiten. Die Teilnehmer an diesem Arbeitstraining sollen für einen Einstieg in eine Berufsausbildung, insbesondere Lehrausbildung, vorbereitet werden sollen. Es gibt 28 Wochenstunden an Kurszeit und sind davon 36% Unterricht (nämlich Förder/Kreativunterricht, Lebenskunde, Fachkunde, Exkursionen und Sport). 64% der Kurszeiten dienen der praktischen Tätigkeit (Gärtnerei, Gastronomie, Einzelhandel, etc.). Eine Abschlussprüfung gibt es nicht. Für den Besuch der Maßnahme erhält der Teilnehmer vom AMS eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes in Höhe von €14,20 täglich (€ 426,- bzw. € 440,20 monatlich).

Laut Website von Wien Work (https://www.wienwork.at/de/jugendprojekte/onthejob) ist Ziel von "On the Job" junge Menschen "auf die Arbeitswelt vorzubereiten. Zum Beispiel auf eine Ausbildung wie eine Lehre oder Teilqualifikation (das heißt, man macht nicht die ganze Lehre, sondern nur Teile davon), auf eine Hilfstätigkeit oder in weitere spezielle Trainingsmaßnahmen". On the Job ist eine Einrichtung der Berufsqualifizierung, die junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren mit Behinderungen betreut. Der Wochenplan sieht drei Tage Arbeitstraining vor, einen Tag Förderunterricht und Kreativpädagogik ("Im Förderunterricht üben wir Deutsch und Mathematik und arbeiten auch am Computer. Wir möchten die Jugendlichen gut auf die Berufsschule vorbereiten und wiederholen das Wissen aus der Schule. Bei der Kreativpädagogik können die Jugendlichen ihre künstlerischen und handwerklichen Talente entwickeln.") und einen Tag sonstige Aktivitäten (Details siehe https://www.wienwork.at/media/file/42_Info_TeilnehmerInnen_On_the_Job_2017-09.pdf).

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere den Unterlagen von Wien Work Integrative Betriebe und AusbildungsgmbH und sind unstrittig.

Rechtsgrundlagen

§ 2 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:

§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a)für minderjährige Kinder,

b)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,

c)für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,

d)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung; im Anschluss daran für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bis zum Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird,

e)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird,

(Anm.: lit. f aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

g)für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. Diese Regelung findet in Bezug auf jene Kinder keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit. l gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden,

h)für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25 Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,

i)für volljährige Kinder, die sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

j)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa)bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb)die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc)die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,

k)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und die sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

l)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die teilnehmen am

aa)Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

bb)Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

cc)Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

dd)Europäischen Solidaritätskorps nach der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014.

Berufsausbildung

Für minderjährige Kinder gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 wird unabhängig davon, ob sie einer Berufsausbildung nachgehen, Familienbeihilfe gewährt. Für volljährige Kinder ist Voraussetzung für die Beihilfengewährung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, dass diese für einen Beruf ausgebildet werden.

Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthält das Gesetz nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter diesen Begriff jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (vgl. etwa ; ; ; ; ; ).

Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Eine Berufsausbildung kann unabhängig davon vorliegen, ob ein "gesetzlich anerkannter Ausbildungsweg", "ein gesetzlich definiertes Berufsbild" oder ein "gesetzlicher Schutz der Berufsbezeichnung" existiert (vgl. ). Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa ; ). Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein. Auf die allenfalls nur wenige Monate währende Dauer eines dabei zu beurteilenden Lehrganges kommt es nicht an (vgl. , unter Verweis auf ).

Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist (vgl. ). Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Die bloße Anmeldung zu Prüfungen reicht für die Annahme einer zielstrebigen Berufsausbildung aber nicht aus.

Die höchstgerichtliche Rechtsprechung verlangt allerdings den Antritt zu und das Ablegen von Prüfungen nur dort, wo solche in der jeweiligen Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind. Sieht eine Ausbildung keine Ablegung einer förmlichen Prüfung vor, schließt das für sich allein nicht das Vorliegen einer Berufsausbildung aus, wenn die Eignung als Berufsausbildung auf andere Weise sichergestellt ist.

Unter den Begriff "Berufsausbildung" sind jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Bei kursmäßigen Veranstaltungen kommt es darauf an, dass sich die Ausbildung in quantitativer Hinsicht vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privaten Interessen unterscheidet (vgl. ; ). Auch Teilabschnitte einer gesamten Berufsausbildung können den Begriff der Berufsausbildung erfüllen. Es kommt nicht darauf an, ob eine Berufsausbildung aus dem Motiv erfolgt, diesen Beruf später tatsächlich auszuüben, oder aus anderen Motiven (vgl. ); die Beurteilung des Anspruchs auf Familienbeihilfe hat ex ante zu erfolgen (vgl. ).

Auch ein Praktikum, das bei dem Unternehmen absolviert wird, in welchem später ein Beruf ausgeübt wird, kann "Berufsausbildung" sein (vgl. ). Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa ein Praktikum zur Vermittlung praktischer Grundkenntnisse unter Berufsausbildung fallen kann, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis , ausgesprochen. Von einer Berufsausbildung zu unterscheiden ist die bloße Einschulung am Arbeitsplatz in Form eines Praktikums. In diesem Fall besteht kein Familienbeihilfenanspruch (vgl. etwa , zu "Model Booker"; zu Praktikum bei einem Fernsehsender). Ein Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag vermittelndes Praktikum muss entweder Teil einer insgesamt als Berufsausbildung anzusehenden Ausbildung sein (etwa Pflichtpraktikum im Rahmen einer Schulausbildung wie an berufsbildenden höheren Schulen) oder selbst in Form einer schulischen oder kursmäßigen Ausbildung organisiert sein. Letzteres setzt eine etwa einer Lehrlingsausbildung vergleichbare (siehe zum "dualen System" etwa ) Ausbildung voraus (vgl. ). Weiters kann die Vorbereitung auf eine Aufnahme zu einer Berufsausbildung, die entsprechende zeitliche Inanspruchnahme vorausgesetzt, Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 sein (vgl. zu Aufnahmeprüfung), dagegen nicht eine bloße Bewerbung, ein Bewerbungsgespräch oder ein Test (vgl. ). Wesentlich ist, dass die tatsächliche Ausbildung für einen Beruf erfolgt (vgl. ). "Berufsausbildung" setzt nicht die Ausbildung für einen einzigen konkreten Beruf voraus. So können mit einem erfolgreichen Universitätsstudium meistens verschiedene unterschiedliche Berufe ausgeübt werden. Auch der Besuch einer allgemein bildenden höheren Schule oder die Vorbereitung auf die Reifeprüfung im Wege einer Maturaschule kann "Berufsausbildung" sein, obwohl damit für keinen konkreten Beruf ausgebildet wird (vgl. ; ; ).

Arbeitstraining "On the job"

Laut Auskunft von Wien Work Integrative Betriebe und AusbildungsgmbH vom handelt es sich bei "On the job" um eine Maßnahme nach § 10 Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung in Wien (Chancengleichheitsgesetz Wien), LGBl. Nr. 29/2013. Ziel dieses Gesetzes ist es, Menschen mit Behinderung beim chancengleichen, selbstbestimmten Zugang zu allen Lebensbereichen, insbesondere bei der chancengleichen Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Leben zu unterstützen (§ 1 Abs. 1 Chancengleichheitsgesetz Wien). § 3 Chancengleichheitsgesetz Wien definiert Menschen mit Behinderung im Sinne dieses Gesetzes als "Personen, die auf Grund nicht altersbedingter körperlicher, intellektueller oder psychischer Beeinträchtigungen oder auf Grund von Sinnesbeeinträchtigungen in ihrer Entwicklung oder in wichtigen Lebensbereichen, insbesondere bei der Berufsausbildung, der Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dauernd wesentlich benachteiligt sind." Gemäß § 10 Chancengleichheitsgesetz Wien umfassen Berufsqualifizierung und Berufsintegration "Leistungen, die der Erlangung von sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnissen oder der Aufrechterhaltung bestehender Dienstverhältnisse dienen. Dabei ist Leistungen, die zu einem eigenen Einkommen und finanzieller Selbstständigkeit führen, der Vorzug zu geben."

Das Arbeitstraining "On the job" bereitet auf eine weitere Ausbildung wie Lehre, verlängerte Lehre oder Teilqualifikation vor. Die Ausbildung unterscheidet sich vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privaten Interessen, wie beispielsweise von allgemeinen persönlichkeitsbildenden Kursen. Vielmehr dient die Ausbildung dazu, für das künftige Berufsleben erforderliche Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln und zwar auf einem Niveau, das die Voraussetzungen etwa für den späteren Besuch einer regulären Lehre vermittelt. Üblicherweise werden Kenntnisse und Fertigkeiten dieser Art schon im Regelschulwesen erworben, sodass unmittelbar nach Beendigung der Schulpflicht beispielsweise eine Lehre begonnen werden kann. Wenn im Regelschulwesen eine derartige entsprechende Eignung nicht vermittelt wurde, weil das Kind gemäß § 3 Chancengleichheitsgesetz Wien nicht altersbedingte körperliche, intellektuelle oder psychische Beeinträchtigungen aufweist, kann die konkrete Vorbereitung auf eine weiterführende Berufsausbildung ebenfalls Berufsausbildung sein. Dies räumt auch das Finanzamt im Vorlagebericht ein. Jedoch kommt es nicht darauf an, ob das Kind gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erheblich behindert ist. Auch eine Beeinträchtigung gemäß § 3 Chancengleichheitsgesetz Wien kann bei der Beurteilung, ob eine Maßnahme für das betreffende Kind Berufsausbildung ist, relevant sein, ohne dass eine derartige Beeinträchtigung den Anspruch auf den Erhöhungsbetrag nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 vermitteln muss. Beispielsweise bewirkt § 2 Abs. 1 lit. b Satz 4 FLAG 1967 eine Studienzeitverlängerung bei Studenten an den dort genannten Einrichtungen im Fall einer schweren Erkrankung vor, ohne dass eine erhebliche Behinderung gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 vorliegen muss.

Nach dem Vorbringen der Bf möchte die Tochter den Beruf der Einzelhandelskauffrau ergreifen. Nach den vorgelegten Unterlagen bietet "On the job" auch die Vorbereitung auf eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann oder zur Einzelhandelskauffrau an. Mit 28 Wochenstunden teilweise Theorie und teilweise Praxis ist die für eine Berufsausbildung gemäß FLAG 1967 erforderliche zeitliche Inanspruchnahme gegeben. Anders als bei einem bloßen Praktikum in einem Betrieb wird hier wie etwa bei einer Lehre theoretischer Unterricht mit praktischer Arbeit verbunden. Es liegt keine Einschulung auf einem konkreten Arbeitsplatz, sondern eine duale Ausbildung vor. Da diese Art der Ausbildung keine Prüfungen vorsieht, ist das Ablegen von Prüfungen auch nicht erforderlich. Die konkrete Vorbereitung auf eine spätere weitere Berufsausbildung kann, entsprechende zeitliche Inanspruchnahme vorausgesetzt, Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 sein (vgl. ).

Wie oben ausgeführt, ist es auch nicht erforderlich, dass für einen einzigen bestimmten Beruf ausgebildet wird. Da das Arbeitstraining "On the job" konkret für eine weitere Berufsausbildung vorbereitet und die weitaus überwiegende Zeit des Kindes in Anspruch nimmt, liegt im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vor.

Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als rechtswidrig (Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG) und ist gemäß § 279 BAO ersatzlos aufzuheben.

Das FLAG 1967 kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag.

Steht Familienbeihilfe zu, ist diese gemäß § 11 FLAG 1967 vom Finanzamt auszuzahlen und darüber vom Finanzamt gemäß § 12 FLAG 1967 eine Mitteilung auszustellen. Diese Mitteilung ist nicht rechtskraftfähig. Nur wenn einem Antrag auf Familienbeihilfe nicht oder nicht zur Gänze stattzugeben ist, ist hinsichtlich des (monatsbezogenen) Abspruchs über die Abweisung gemäß § 13 Satz 2 FLAG 1967 ein Bescheid (Abweisungsbescheid) auszufertigen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 3 m.w.N.; u.v.a.).

Hebt das Bundesfinanzgericht einen gemäß § 13 FLAG 1967 ergangenen Abweisungsbescheid auf, weil Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) auszuzahlen ist, ist das Finanzamt gemäß § 25 Abs. 1 BFGG und § 282 BAO verpflichtet, im gegenständlichen Fall mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesfinanzgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen und die Auszahlung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags (allenfalls: des Unterschiedsbetrags zu einer ausländischen Familienleistung) vorzunehmen (vgl. ).

Revisionsnichtzulassung

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Bundesfinanzgericht folgt den Leitlinien der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision ist daher nicht zuzulassen.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at