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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.06.2023, RV/7103762/2022

Wiederaufnahme ohne Benennung des Wiederaufnahmegrundes

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/13/0142. Mit Erkenntnis vom wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Andrea Müller-Dobler MBA MSc in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KMB Steuerberatung Krottendorfer & Partner GmbH, Hauptplatz 31-32, 2100 Korneuburg, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 2016, 2017 und 2018 sowie gegen die Bescheide betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2016 und 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2016, 2017 und 2018 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide werden ersatzlos aufgehoben.

II. Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2016 und 2017 wird als unbegründet abgewiesen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs. 4 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Nach einer bei der Beschwerdeführerin (Bf.) aufgrund einer anonymen Anzeige vorgenommen Betriebsprüfung wurden durch das Finanzamt Österreich folgende Bescheide erlassen:

  • Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 2016, 2017 und 2018, jeweils vom

  • Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2016, 2017 und 2018, jeweils vom

  • Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 und 2017, jeweils vom

  • Haftungsbescheid für den Zeitraum 2016 bis 2018 aufgrund des Zuflusses von Kapitalerträgen vom

Die Begründung der Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 2016, 2017 und 2018 lautete jeweils:

"Die Wiederaufnahme des Verfahren erfolgte gemäß § 303 Abs. 1 BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichung vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden."

Die Niederschriftüber die Schlussbesprechung vom enthält folgende Feststellungen:

"Tz. 1 Verdeckte Gewinnausschüttung

Die Firma xxx betreibt zwei Betriebe in in Ort (Straße 1 und Straße 2). Alleiniger Gesellschafter - Geschäftsführer ist Herr XY.

Auf die GmbH sind/waren im Prüfungszeitraum mehrere Fahrzeuge zugelassen. Neben jenen, die zweifellos als betrieblich genutzt anzusehen sind, fanden sich im Aufwand folgende strittige Positionen:

  • Porsche Panamera 4S - Kennzeichen: 0000

  • Ferrari 599 F141 - Kennzeichen 1111

  • Fiat 500 - Kennzeichen 2222

Sowohl für den Porsche Panamera als auch für den Ferrari 599 konnte keine betriebliche Veranlassung nachgewiesen werden, daher wird seitens der Außenprüfung der Abzug der Betriebsausgaben nicht anerkannt.

Beim Fiat 500 wurde ursprünglich seitens der Gesellschaft behauptet, dass die Angestellten, darunter auch die Gattin des Gesellschafters, mit diesem Wagen sowohl betriebliche als auch private Fahrten durchführt und für diesen außerbetrieblichen Teil ein entsprechender Sachbezug angesetzt wurde.

Diese Behauptung konnte seitens der Außenprüfung nicht verifiziert werden. Es konnten keine Fahrtenbücher vorgelegt werden. Somit war für die Außenprüfung auch eine betriebliche Nutzung nicht erkennbar. Daher werden die Aufwendungen für diesen Wagen nicht anerkannt.

Da aufgrund der Buchungen keine genaue Trennung der KFZ Kosten gemacht wurde, ist eine Schätzung der Tank und Betriebskosten gemäß § 184 BAO erforderlich. Da im Prüfungszeitraum 4 Fahrzeuge angemeldet waren, werden somit ¾ der KFZ Betriebskosten als verdeckte Gewinnausschüttung ausgeschieden.

[…]

Tz. 2 Kapitalertragsteuer

Träger der Kest ist der Gesellschafter"

Der Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom ist hinsichtlich Tz. 1 gleichlautend bis auf die untenstehende Ergänzung: "Weiters wird die AfA für den Porsche und den Ferrari laut vorgelegter Berechnung mit jeweils 5.000,00 € ausgeschieden.

Jeder Vorteil, den eine Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern oder diesen nahestehenden Personen zuwendet, den sie Dritten, der Gesellschaft gegenüber fremden Personen nicht einräumen würde, ist als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren."

Unter dem Punkt Prüfungsabschluss ist unter der Überschrift Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO folgendes festgehalten:

"Hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume sind Feststellungen getroffen worden, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO erforderlich machen. Die Kenntnis der in den bezeichneten Feststellungen bzw. in der gesonderten Begründung angeführten Wiederaufnahme Tatbestände (gemäß § 303 Abs. 1 lit. a bis c BAO) hätte alleine oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens im Spruch anders lautende Bescheide herbeigeführt.


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Abgabenart
Zeitraum
Feststellungen
Körperschaftsteuer
2016
Tz 1
Körperschaftsteuer
2017
Tz 1
Körperschaftsteuer
2018
Tz 1
Kapitalertragsteuer
2016
Tz 2
Kapitalertragsteuer
2017
Tz 2
Kapitalertragsteuer
2018
Tz 2

Die Wiederaufnahme erfolgte unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung. Im vorliegenden Fall können die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig angesehen werden. Die der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessenabwägung war dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen."

Aufgrund dieser Feststellungen wurden für die Jahre 2016, 2017 und 2018 die Körperschaftsteuerverfahren wiederaufgenommen (), entsprechende Körperschaftsteuerbescheide (), ein Haftungsbescheid aufgrund des Zuflusses von Kapitalerträgen () erlassen sowie für die Jahre 2016 und 2017 die Anspruchszinsen () festgesetzt.

Am wurde innerhalb offener Rechtsmittelfrist Beschwerde gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 2016, 2017 und 2018, gegen die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2016, 2017 und 2018, gegen die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2016 und 2017 sowie gegen den Haftungsbescheid für den Zeitraum 2016 bis 2018 aufgrund des Zuflusses von Kapitalerträgen erhoben.

Hinsichtlich der Wiederaufnahme wird ausgeführt, dass in der Begründung der Bescheide auf die aufgenommene Niederschrift bzw. den Prüfbericht verwiesen werde. Da die Niederschrift erheblich von dem Prüfungsbericht abweiche, es somit keine eindeutige Begründung gebe, werde davon ausgegangen, es handle sich um Nichtbescheide.

In Bezug auf den Haftungsbescheid wurde zusätzlich vorgebracht, dass dieser grundlos und entgegen der Schlussbesprechung der Bf. vorgeschrieben worden sei.

Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag betreffend Körperschaftsteuer undHaftungsbescheid

Am wurde die Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen und auf eine gesonderte Bescheidbegründung (vom ) hingewiesen.

Am wurde die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid für den Zeitraum 2016 - 2018 mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen.

Am wurde ein Vorlageantrag betreffend der Körperschaftsteuerbescheide 2016 - 2018 und am betreffend Haftungsbescheid für den Zeitraum 2016 - 2018 eingebracht.

In beiden Vorlageanträgen stellte die Bf. einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Vorlagebericht vom wurden die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt (Anmerkung: betrifft RV/7102100/2022). In diesem beantragte das Finanzamt, die Abgaben wie in der Beschwerdevorentscheidung dargestellt festzusetzen und verwies diesbezüglich auf die Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerdevorentscheidung.

Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag betreffend Wiederaufnahme der Körperschaftsteuer und Festsetzung vonAnspruchszinsen

Am wurde die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 2016, 2017 und 2018 und gegen die Festsetzung von Anspruchszinsen 2016 und 2017 mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde auf die Tz 4 des Betriebsprüfungsberichtes vom verwiesen und zusätzlich ausgeführt, dass nichts Neues in der Beschwerde vorgebracht worden sei. Weiters wurde auf die Begründung im Betriebsprüfungsbericht sowie auf die Begründung in den Wiederaufnahmebescheiden verwiesen.

Am wurde ein Vorlageantrag betreffend Wiederaufnahme der Verfahren zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2016, 2017 und 2018 und der Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2016 und 2017 eingebracht.

Die Bf. stellte einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Am wurde ein Vorlageantrag eingebracht, in der die Bf. einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung stellte.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt (Anmerkung betrifft RV/7103672/2022). In diesem beantragte das Finanzamt die Beschwerde abzuweisen. Hinsichtlich der Wiederaufnahme begründete die Abgabenbehörde ihren Antrag auf Abweisung dahingehend, dass die Bf. keine Gründe vorbrachte, weshalb die Wiederaufnahmebescheide mit Rechtswidrigkeit behaftete sein sollten und dass eine ausreichende Begründung zur Wiederaufnahme im Betriebsprüfungsbericht angeführt sei.

Mit Eingabe vom zog der Bf. die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Im gegenständlichen Verfahren ist über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2016, 2017 und 2018 und über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2016 und 2017 zu entscheiden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. betreibt zwei Betriebe. Alleiniger Gesellschafter- Geschäftsführer ist Herr XY. Auf die Bf. waren im strittigen Zeitraum mehrere Fahrzeuge zugelassen.

Infolge einer bei der Bf. durchgeführten Betriebsprüfung wurden ¾ der KFZ Betriebskosten nicht anerkannt und von der Prüferin als verdeckte Ausschüttung zugunsten des Gesellschafter-Geschäftsführer qualifiziert.

Aufgrund dieser Feststellungen wurden für die Jahre 2016 - 2018 die Körperschaftsteuerbescheide wiederaufgenommen und entsprechende Sachbescheide zur Körperschaftsteuer 2016 bis 2018, ein Bescheid über die Anspruchszinsen für die Jahre 2016 und 2017 sowie ein Haftungsbescheid zur Kapitalertragsteuer über die Jahre 2016 - 2018 erlassen.

Festgestellt wird, dass weder in den Wiederaufnahmebescheiden noch im Betriebsprüfungsbericht explizit ein Wiederaufnahmegrund genannt wurde.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten und aus dem Vorbringen der Bf.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

1. Wiederaufnahme des Verfahrens

Ein Wiederaufnahmebescheid und der daraus resultierende Sachbescheid sind zwei Bescheide, die jeder für sich einer Bescheidbeschwerde zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können. Auch hinsichtlich ihrer Behebbarkeit sind sie getrennt zu beurteilen. Sind beide Bescheide mit Bescheidbeschwerde angefochten, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden (Ritz, BAO6, § 307 Tz 7)

Rechtsgrundlagen:

§ 303 Abs. 1 BAO lautet:

Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid bekämpft, so ist nach der auch für das Beschwerdeverfahren sinngemäß geltenden ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über das Rechtsmittel gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden ().

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Die Abänderungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes "nach jeder Richtung" ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der Abgabenbehörde gebildet hat (Fischerlehner, Abgabenverfahren², § 279, Anm. 2).

Bei einer Entscheidung über eine Beschwerde gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist daher vom Verwaltungsgericht zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wiederaufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Verwaltungsgericht den bekämpften Wiederaufnahmebescheid ersatzlos beheben.

Das Verwaltungsgericht darf die Wiederaufnahme nicht auf Grund von Tatsachen bestätigen, die vom erstinstanzlichen Bescheid nicht herangezogen wurden. Bei der Wiederaufnahme von Amts wegen legt das Finanzamt mit der Erlassung des Wiederaufnahmebescheides fest, aus welchen Gründen es das Verfahren wiederaufgenommen hat. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wird nur darüber entschieden, ob die Wiederaufnahme aus dem vom Finanzamt herangezogenen Gründen zulässig ist. Fehlt die Angabe der Wiederaufnahmegründe, kann dies im Beschwerdeverfahren nicht mehr saniert werden.

Die Ergänzung einer mangelhaften Begründung der auf Grund der Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Wiederaufnahmebescheide in Richtung der tatsächlich vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrundlagen stellt kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar (). Der Verwaltungsgerichthof hat wiederholt ausgesprochen, dass ein Verweis in den Wiederaufnahmebescheiden auf den Prüfungsbericht entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig ist ().

In den diesbezüglichen Teilziffern (Tz) des Außenprüfungsberichtes müssen jedoch Umstände dargetan werden, die als Wiederaufnahmegrund geeignet sind (vgl. ; ). Grundsätzlich hat der Spruch eines die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheides den maßgeblichen Wiederaufnahmetatbestand anzuführen. Ist dies nicht der Fall, kann die Begründung des Bescheides als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Es ist Aufgabe der Abgabenbehörde, die von ihr verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind.

In der Begründung der verfahrensgegenständlichen Wiederaufnahmebescheide wird auf § 303 Abs. 1 BAO verwiesen. Daraus ist nicht ersichtlich, auf welchen der in § 303 Abs. 1 BAO angeführten Tatbeständen (lit. a bis c) die Wiederaufnahme des Verfahrens gegenständlich gestützt werden soll. Das Wort "Wiederaufnahme" findet sich im Prüfungsbericht nur in den Tz 4. Auch hier wird bloß "§ 303 Abs. 1 lit. a bis c BAO" angeführt. Es bleibt daher offen, ob die Wiederaufnahme aufgrund des Erschleichungstatbestandes (lit. a), neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweise (lit. b) oder des Vorfragentatbestandes (lit. c) herangezogen wird. Das Wort "neu" kommt im gesamten Außenprüfungsbericht nicht vor. Weder in den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden noch im Betriebsprüfungsbericht oder in der Niederschrift wurde ausdrücklich festgestellt, auf welchen Wiederaufnahmetatbestand das Finanzamt die Wiederaufnahme stützen wollte.

Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung wurde hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer auf Tz. 1 verwiesen.

Entscheidend ist im Beschwerdefall somit, ob unter der genannten Textziffer Umstände dargetan werden, die als Wiederaufnahmegrund geeignet sind (). Entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (; ) darf das Verwaltungsgericht aus dem im Betriebsprüfungsbericht gegebenen Hinweis auf einzelne Textziffern im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Verfahren folgern, dass das Finanzamt die Wiederaufnahme auf den Neuerungstatbestand gestützt hat und die in den einzelnen Textziffern getroffenen Prüfungsfeststellungen jenen Tatsachenkomplex bilden, der nach Ansicht des Finanzamtes im Zuge der Prüfung neu hervorgekommen ist.

Der Wiederaufnahmegrund muss klar erkennbar im Betriebsprüfungsbericht dargelegt sein.

Tz. 1 ist jedoch an keiner Stelle zu entnehmen, welchen Tatsachenkomplex die Abgabenbehörde konkret als Wiederaufnahmegrund heranziehen wollte. Ebenso wenig erschließt sich, welche Tatsachen hierbei "neu hervorgekommen" und somit für eine Wiederaufnahme des Verfahrens geeignet sind. Durch einen pauschalen Verweis auf eine Tz. und der darin enthaltenen verschiedenen Feststellungen kann die Abgabenbehörde nicht ihre Begründungspflicht umgehen und sich somit offen halten, welche Tatsachen als Wiederaufnahmegrund herangezogen werden. Da kein konkreter Sachverhaltskomplex festgelegt wurde, kann über ein die Eignung der einzelnen Tatsachen keine Aussage getroffen werde. Es scheint als wolle die Abgabenbehörde mit ihrer vagen Begründung die Wiederaufnahme quasi auf Vorrat mit einer Mehrheit von unbestimmten Tatsachen begründen. Für den Fall, dass eine der in Tz. 1 angeführten Sachverhaltselemente nicht neu hervorgekommen wäre, könnte ein anderes in dieser Tz. genannte Sachverhaltselement herangezogen werden. Gegenständlich ist dem Bundesfinanzgericht jedoch schon die Prüfung, ob eine Tatsachen neu hervorgekommen ist, verwehrt, da keine Festlegung auf eine Tatsache erfolgte.

Da kein Wiederaufnahmegrund genannt wurde, kann folglich auch nicht überprüft werden, ob die Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig ist. Wie bereits oben ausgeführt, kann dieser Mangel im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden.

In diesem Punkt war der Beschwerde Folge zu geben.

2. Anspruchszinsen

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus den Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen.

Gemäß § 205 Abs. 2 BAO betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2 % über dem Basiszinssatz und sind für einen Zeitraum von höchstens 42 Monaten festzusetzen. Anspruchszinsen, die den Betrag von € 50,00 nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.

Den angefochtenen Anspruchszinsenbescheiden liegen die in den Körperschaftsteuerbescheiden für die Jahre 2016 und 2017 vom ausgewiesene Abgabennachforderung in Höhe von € 3.457,00 für das Jahr 2016 und € 3.237,00 für das Jahr 2017 zugrunde.

Die Anspruchszinsenbescheide sind an die Höhe der im Bescheidspruch der entsprechenden Körperschaftssteuerbescheide ausgewiesenen Nachforderungen gebunden. Nach den Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der oben zitierten Gesetzesbestimmung (RV 311 BlgNR 21. GP, 210 ff.) entstehen Ansprüche auf Anspruchszinsen unabhängig von einem allfälligen Verschulden des Abgabepflichtigen oder der Abgabenbehörde. Zinsenbescheide setzen nicht die materielle Richtigkeit des Stammabgabenbescheides, wohl aber einen solchen Bescheid voraus. Diese Bescheide sind daher auch nicht mit der Begründung anfechtbar, dass die Bescheide ersatzlos aufzuheben seien oder dass über die bereits vorgeschriebenen Steuerbeträge hinaus weitere Beträge nicht vorzuschreiben wären bzw. die Zurückverweisung der Rechtssache an die Abgabenbehörde erster Instanz zur neuerlichen Entscheidung. Eine Bindung vom abgeleiteten Bescheid kommt dann zum Tragen, wenn ein Grundlagenbescheid rechtswirksam erlassen worden ist ()

Die Anspruchszinsen auslösende Körperschaftssteuerbescheide für 2016 und 2017 wurden rechtswirksam erlassen. Die Höhe der Anspruchszinsen ist korrekt. Eine formalrechtliche Rechtswidrigkeit konnte daher nicht festgestellt werden.

Ein Anspruchszinsenbescheid ist nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar, der Grundlagenbescheid sei inhaltlich rechtswidrig. Der Zinsenbescheid ist an die Höhe der im Spruch des Grundlagenbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden.

Der Vollständigkeit halber wird außerdem noch darauf hingewiesen, dass, sollte sich ein Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig erweisen und entsprechend abgeändert oder aufgehoben werden, diesem Umstand ohnedies mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen neuen Zinsenbescheid Rechnung zu tragen wäre (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 33ff, mwN; RV/0286-G/07, mwN).

In diesem Punkt war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2.1. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens: Die Frage, ob ein Wiederaufnahmegrund genannt wurde, der eine Wiederaufnahme rechtfertigt, ist auf Ebene der Beweiswürdigung im Einzelfall zu klären. Das gegenständliche Erkenntnis war nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig. Da diese Voraussetzung im gegenständlichen Fall im Hinblick auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.

2.2. Zu den Anspruchszinsen: Eine derartige Rechtslage liegt im vorliegenden Fall nicht vor, da das Erkenntnis direkt auf den gesetzlichen Bestimmungen der BAO basiert.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. a bis c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 150 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103762.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at