Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 28.06.2023, RV/7101858/2023

Dürfen Eventualanträge vor dem Hauptantrag erledigt werden?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101858/2023-RS1
Das Wesen eines Eventualantrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl. ).

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Sebastian Lesigang, Wickenburggasse 3, 1080 Wien, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Pfändung einer Geldforderung und Festsetzung von Gebühren und Auslagenersätzen des Vollstreckungsverfahrens, Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Die Beschwerdevorentscheidung vom (betreffend Pfändungsbescheide) wird infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Durch die Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom scheidet gemäß § 264 Abs. 7 BAO der Vorlageantrag vom aus dem Rechtsbestand aus.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Bescheiden vom pfändete das Finanzamt zur Hereinbringung der Abgabenschuldigkeiten des Beschwerdeführers (Bf.) in der Höhe von € 163.847,75 die Geldforderungen (Guthaben), die dem Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) gegen die Oberbank AG und die UniCredit Bank Austria AG zustehen und erteilte den genannten Banken ein Zahlungsverbot an den Bf. als Abgabenschuldner.

Mit gleichzeitig ergangenen Bescheiden - Verfügungsverbot vom untersagte die Abgabenbehörde dem Bf. gemäß § 65 Abs. 1 Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) jede Verfügung über die gepfändeten Forderungen sowie die Einziehung der Forderungen und teilte ihm mit, dass durch die Zustellung der angeschlossenen Pfändungsbescheide an den/die jeweilige(n) Drittschuldner/in die genannten Forderungen abgabenbehördlich gepfändet wurden. Dem Bf. wurde Rechtsmittelbelehrung dahingehend erteilt, dass gegen das in diesem Bescheid ausgesprochene Verfügungsverbot gemäß § 77 Abs. 1 Z 1 AbgEO kein Rechtsmittel zulässig ist.

Weiters setzte das Finanzamt für diese Amtshandlungen mit einem weiteren Bescheid vom gemäß § 26 AbgEO Gebühren in Höhe von € 1.638,48 und Auslagenersätze in Höhe von € 13,80 fest.

Am brachte der Bf. durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter folgenden Schriftsatz ein:

"In umseits näher bezeichneter Angelegenheit gibt der Beschwerdeführer bekannt,dass er durch RA Mag. Sebastian Lesigang vertreten wird, dieser beruft sich auf dieerteilte Vollmacht. Der Beschwerdeführer beantragt dieEinstellung der Exekution (Vollstreckung) gemäß § 197 Abs.3 letzter Satz IOund in eventu erhebt er gegen die Bescheide auf Pfändung einer Geldforderung andie OberbankAG sowie die UniCreditAustria AG vom zur Steuernummer ***1*** sowie gegen den Bescheid auf Festsetzung von Gebühren und Auslagenersetzung vom nachstehendeBeschwerde gemäß § 12 Abs.1 AbgEOund führt dazu aus wie folgt:

Mit Urteil des Bundesfinanzgerichtes vom zu RV/4100540/2018 hat dasBundesfinanzgericht Haftungen gegen den Beschwerdeführer in Höhe vonEUR 163.847,75 festgestellt. Die Haftungen betreffen laut Bescheid (Seite 1 und 2)einen Zeitraum vom bis . Gemäß § 4 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Entsprechend dem Bescheid sind die Haftungen und Abgabenansprüche in den Jahren 2010 bis 2012 entstanden und entsprechend dem Bescheid (Seite1 erste Zeile der Tabelle "Fälligkeit") auch seit spätestens fällig.

Über das Vermögen des Beschwerdeführers wurde am ***Datum1*** zu ***AZx*** des Bezirksgerichtes ***BG*** das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und nachAnnahme eines Zahlungsplanes am ***Datum2*** und Rechtskraft des Zahlungsplanesam ***Datum3*** aufgehoben. Mit Schreiben vom teilte der Beschwerdeführer dem Insolvenzgericht die Erfüllung des Zahlungsplanes mit, das Verfahren wurdeaus der Ediktsdatei gelöscht, (auf die beiliegenden Unterlagen wird verwiesen). DasFinanzamt hat bis dato keine Forderungen in diesem Insolvenzverfahren angemeldet.

Forderungen des Finanzamtes sind im Insolvenzverfahren anzumelden.

Gemäß § 14 Abs. 2 IO werden betagte Forderungen mit Insolvenzeröffnung fällig.

Entsprechend dem Urteil des Bundesfinanzgerichtes waren sämtliche Haftungen spätestens mit fällig und sind gemäß § 4 BAO zwischen 2009 und 2010 entstanden. DasInsolvenzverfahren wurde 2014 eröffnet. Sämtliche Haftungsansprüchegegen den Beschwerdeführer sind Insolvenzforderungen.

Gemäß § 197 Abs. 3 IO können die Exekution eines Insolvenzgläubigers, der seineForderung nicht angemeldet hat, nur soweit stattfinden, als ein Beschluss nach § 197 Abs. 2 IO des Insolvenzgerichtes ergangen ist. Der Gläubiger hat dem Exekutionsantrag auch eine Ausfertigung des Beschlusses nach Abs. 2 samt Bestätigung der Vollstreckbarkeit anzuschließen oder darzulegen, dass er die Forderung angemeldet hat.

Eine entgegen dem ersten Satz bewilligte Exekution ist von Amts wegen oder aufAntrag ohne Vernehmung der Parteien einzustellen.

Ein Beschluss gemäß § 197 Abs. 2 IO liegt nicht vor. Das Finanzamt hat keinen Antraggestellt. Die Exekution ist gemäß § 197 Abs.3 letzter Satz IO einzustellen, es wirddie Einstellung beantragt.

Weder das Einhebungsverfahren noch das Exekutionsverfahren hätten eingeleitetwerden dürfen, es wird aus prozessualer Vorsicht daher in eventu Beschwerde gemäß § 12 Abs. 1 AbgEO gegen die oben angeführten Bescheide erhoben und es wird derAntragauf Einstellung des Vollstreckungsverfahrens und Aufhebung der Vollstreckungsgebühr gestellt."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde gegen die Pfändungsbescheide als unbegründet ab. Die Begründung wird mangels Entscheidungsrelevanz nicht wiedergegeben.

Dagegen brachte der Bf. durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter einen Vorlageantrag ein. Zur Begründung wurde u.a. vorgebracht, dass das Finanzamt über den Antrag auf Einstellung des Vollstreckungsverfahrens gemäß § 197 Abs. 3 letzter Satz IO bis dato noch nicht entschieden habe.

Vom Bundesfinanzgericht wurde erwogen:

Mit Schriftsatz vom brachte der Bf. einen Antrag auf Einstellung der Exekution (Vollstreckung) gemäß § 197 Abs. 3 letzter Satz IO und "in eventu" eine Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Pfändung einer Geldforderung sowie gegen den Bescheid- Festsetzung von Gebühren und Auslagenersätzen, alle vom , ein.

Das Wesen eines Eventualantrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl. ).

Vor der Erledigung des Primärantrages auf Einstellung der Exekution (Vollstreckung) gemäß § 197 Abs. 3 letzer Satz IO war das Finanzamt daher nicht zuständig, über die "in eventu" gestellten Bescheidbeschwerden zu entscheiden.

Diese Unzuständigkeit war jedenfalls aufzugreifen, zumal im Vorlageantrag ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass über den Primärantrag bis dato noch nicht entschieden wurde (vgl. zum Ganzen , 0755, mwN). Die Beschwerdevorentscheidung war daher aufzuheben.

Durch die Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom scheidet gemäß § 264 Abs. 7 BAO der Vorlageantrag vom aus dem Rechtsbestand aus.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Beschluss folgt der ständigen Rechtsprechung des VwGH, sodass eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 264 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101858.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at