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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.06.2023, RV/7101261/2023

Keine Familienbeihilfe vier Monate nach Ende der Schulausbildung im Mai 2022, da § 2 Abs. 1 lt. d FLAG 1967 erst am 1.6.2022 in Kraft trat

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101261/2023-RS1
Endet die Schulausbildung mit der Abschlussprüfung an der HTL im Mai 2022, das Schuljahr jedoch im Juni 2022, steht die Familienbeihilfe dennoch nicht vier weitere Monate zu, weil § 2 Abs. 1 lit. d FLAG idF BGBl. I Nr. 220/2021 mit in Kraft trat und überdies auf das Ende der Schulausbildung und nicht auf das Ende des Schuljahres abstellt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Juni 2022 bis September 2022, SVNr. SVNR: ***1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurden die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge, die für den Sohn ***2***, geb. ***3***, für den Zeitraum Juni 2022 bis September 2022 ausbezahlt worden waren, zurückgefordert.

Zuvor hatte die Bf. im Zuge einer Anspruchsüberprüfung am das Abschlusszeugnis der Höheren technischen Bundeslehranstalt ***4*** vom und den Einberufungsbefehl per vorgelegt und zugleich um Weitergewährung der Familienbeihilfe bis September 2022 ersucht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , in der die Beschwerdeführerin (Bf.) vorbrachte, das Schuljahr habe bis Juni 2022 gedauert, auf den Prüfungstermin bereits im Mai 2022 habe man keinen Einfluss gehabt.

Dies könne ihr nicht zum Nachteil ausgelegt werden und daher stehe ihr gem. § 2 Abs 1 lit. d FLAG, für 4 Monate nach Abschluss der Schulausbildung die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag zu.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Als Begründung wurde folgendes ausgeführt:

Aufgrund der gesetzlichen Änderung im BGBl. I Nr. 220/2021 steht für volljährige Kinder, die

das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und volljährige Kinder, die erheblich

behindert sind und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die Familienbeihilfe

für 4 Monate nach Abschluss der Schulausbildung weiterhin zu.

Mit dieser Gesetzesänderung wird rechtlich normiert, dass nach Beendigung der

Schulausbildung der Beihilfenanspruch für vier Monate weiterbesteht. Diese

Gesetzesänderung tritt mit in Kraft.

Wenn nun Ihr Kind nachweislich am die Berufsausbildung beendet hat

(Abschlusszeugnis der Höheren Technischen Bundeslehranstalt in ***4***), so war die

Gesetzesänderung noch nicht in Kraft (da erst gültig ab !!!) und es stehen die 4

Monate Familienbeihilfe daher nicht zu.

Mit Schreiben vom stellt die Bf. einen Vorlageantrag und verwies nochmals darauf, dass auf die Festsetzung des Prüfungstermins kein Einfluss genommen werden könne.

Wörtlich führte sie aus:

Warum trat die Gesetzesänderung (BGBl. I Nr. 220/2021) erst mit in Kraft?

Die HTL ***4*** ist sicher nicht einzige Schule in Österreich an welcher Abschlussprüfungstermine derFachschule im Mai angesetzt werden. Ich empfinde dies als Benachteiligung gegenüber denjenigen diebereits im Mai ihre Abschlussprüfungen ablegen mussten - es gibt ja keine Wahlmöglichkeit!!

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sohn der Bf. beendete am die Ausbildung an der Höheren Technischen Bundeslehranstalt in ***4***.

Die Familienbeihilfe wurde zunächst noch bis September 2022 ausbezahlt und sodann mit Bescheid vom zurückgefordert.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Gem. § 2 Abs. 1 FLAG 1967 idF ab haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

…………

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

……………….

d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung (§ 2 Abs. 1 lit. d FLAG; für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird,

Die Bf. bestreitet nicht, dass die Schulausbildung ihres (volljährigen) Sohnes am mit Ablegung der Abschlussprüfung geendet hat.Gem. § 55 Abs. 52 FLAG gilt hinsichtlich des Inkraftretens des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG folgendes:

"§§ 2 Abs. 1 lit. d und 6 Abs. 2 lit. b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 220/2021 treten mit in Kraft."

Das bedeutet, wie auch die Bf. richtig erkennt, dass dieser Verlängerungstatbestand nur auf jene Fälle anzuwenden ist, in denen die Schulausbildung beginnend mit endet. Endet die Schulausbildung vor dem , wie hier am , ist § 2 Abs. 1 lit. d FLAG nicht anzuwenden und der Beihilfenanspruch endet grs. mit Ende des Monats, in dem die Schulausbildung beendet wird.

Auf das Ende des Schuljahres kommt es nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut nicht an.

Der Sohn der Bf. hat auch keine weitere Berufsausbildung begonnen (§ 2 Abs. 1 lt. d 2. HS FLAG 1967), sondern hat ab den Präsenzdienst absolviert.

Wenn sich die Bf. dadurch benachteiligt fühlt, dass der Prüfungstermin ohne ihre Einflussmöglichkeit bereits für Mai 2022 angesetzt wurde, obwohl das Schuljahr erst im Juni 2022 endete, so ist ihr folgendes entgegenzuhalten:

Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei staatlichen Beihilfen, selbst wenn sie hoheitlich gewährt werden (zur Familienbeihilfe vgl. ; ), sowie bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen und der daran anknüpfenden, hoheitlich gewährten Maßnahmen (zum FamilienlastenausgleichsG 1967 vgl. ; ) generell ein weiter ist (vgl. ).

Der Gesetzgeber ist bei der Verfolgung familienpolitischer Ziele frei und es kommt ihm im Beihilfenrecht ein weiter, durch das Sachlichkeitsgebot begrenzter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu.

Ein Gesetz ist nicht schon dann gleichheitswidrig, wenn sein Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird. Nicht jede Härte im Einzelfall, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, kann bereits als unsachlich gewertet werden. Dem Gesetzgeber muss es gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen ().

In diesem Sinne stand es dem Gesetzgeber daher auch frei, das Inkrafttreten des § 2 Abs. 1 lit d FLAG 1967 erster Halbsatz mit festzulegen.

Die Argumentation der Bf., wonach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 ihren Beihilfenanspruch nicht um vier Monate verlängert, obwohl das Schuljahr erst im Juni 2022 geendet habe, die Abschlussprüfung jedoch bereits im Mai stattgefunden habe, ohne dass sie darauf Einfluss nehmen hätte können, ist zwar verständlich ändert jedoch nichts daran, dass auch das Bundesfinanzgericht gem. Art. 18 B-VG nur auf Grund der Gesetze handeln darf.

Eine Verfassungswidrigkeit, die es gebieten würde, die Norm zunächst bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes unangewendet zu lassen, kann das Bundesfinanzgericht nicht erkennen.

§ 26 FLAG 1967 lautet:

"Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen."

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 12 zitierte Rechtsprechung). Fehlt es an einem Anspruch auf Familienbeihilfe, ist auch der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern.

Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an (vgl. etwa ; ), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 13 zitierte Rechtsprechung). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa oder ).

Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 16 zitierte Rechtsprechung). Allerdings kann ein Grund für eine Nachsicht nach § 236 BAO vorliegen (vgl. ; ).

Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ).

Da die Bf. objektiv betrachtet in den Monaten Juni bis September keinen Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge hatte, waren diese zu recht zurückzufordern und es war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Inkrafttreten des § 2 Abs. 1 lit. d idF des BGBl. 220/2021 ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 55 Abs. 52 FLAG 1967), sodass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt und daher die ordentliche Revision auszuschließen war.

Wien, am

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