Verständigung gemäß § 281a BAO hinsichtlich Einkünftefeststellung wegen fehlenden Hinweises gemäß § 103 Abs. 2 BAO in der BVE
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7101226/2023-RS1 | Auf eine Verständigung gemäß § 281a BAO hinsichtlich eines Verfahrens zur Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO, sind § 101 Abs. 3 BAO und analog § 199 Abs. 3 Satz 2 BAO anzuwenden. |
RV/7101226/2023-RS2 | Die in § 191 Abs. 3 Satz 2 BAO normierte Wirkung gegen alle, denen Einkünfte zugerechnet oder nicht zugerechnet werden, setzt freilich gemäß § 97 Abs. 1 BAO voraus, dass der Bescheid denen, für die er wirken soll, bekanntgegeben wird. |
Entscheidungstext
Verständigung
Das Bundesfinanzgericht (BFG) teilt durch den Richter Mag. Christian Seywald im Beschwerdeverfahren über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch WWV-GROUP SteuerberatungsGmbH, Bahnhofstraße 4, 3950 Gmünd, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für 2020 zu Steuernummer ***BF1StNr1***, gemäß § 281a BAO mit:
Nach Auffassung des BFG wurde in Bezug auf die Beschwerde vom keine rechtswirksame Beschwerdevorentscheidung erlassen und kein zulässiger Vorlageantrag (Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde vom durch das Verwaltungsgericht, hier: BFG) gestellt.
Die Beschwerdeführerin und die Personen, denen Einkünfte zugerechnet werden, sowie die belangte Behörde werden hierüber gemäß § 281a BAO formlos in Kenntnis gesetzt.
Hinweise:
1.) Diese Verständigung wirkt auch gegenüber allen Beteiligten, denen Einkünfte zugerechnet werden (analog § 191 Abs. 3 Satz 2 BAO). Mit der Zustellung dieser Verständigung an die nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zustellung an alle Beteiligten als vollzogen (§ 101 Abs. 3 BAO).
2.) Das Beschwerdeverfahren in Bezug auf die gegenständliche Beschwerde vom vor dem Bundesfinanzgericht wird organisatorisch eingestellt. Dies bedeutet, dass das Finanzamt Österreich die Beschwerde nochmals an das BFG vorlegen wird müssen, nachdem das Finanzamt Österreich diesbezüglich eine wirksame Beschwerdevorentscheidung erlassen haben wird und wenn danach die Beschwerdeführerin diesbezüglich einen Vorlageantrag eingebracht haben wird.
3.) Der im bisherigen Verfahren gestellte Vorlageantrag (Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde vom durch das Bundesfinanzgericht) vom ist unzulässig und daher unwirksam. Das BFG wird diesbezüglich einen Beschluss zur Zurückweisung dieses (verfrühten) Vorlageantrages erlassen müssen.
Die spätere Erlassung einer wirksamen Beschwerdevorentscheidung bewirkt nicht, dass ein davor eingebrachter Vorlageantrag zulässig wird.
Zulässig und damit wirksam kann ein Vorlageantrag nur gestellt werden, nachdem die betreffende Beschwerdevorentscheidung rechtswirksam ergangen ist.
Dies bedeutet: Sobald das Finanzamt eine wirksame Beschwerdevorentscheidung zur Beschwerde vom erlassen haben wird und wenn die Beschwerdeführerin mit dem Inhalt dieser Beschwerdevorentscheidung nicht einverstanden ist, muss die Beschwerdeführerin innerhalb eines Monates ab Zustellung der Beschwerdevorentscheidung einen Vorlageantrag beim Finanzamt einbringen, damit eine inhaltliche Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes über die Beschwerde vom möglich wird.
Begründung
§ 262 Abs. 1 BAO bestimmt: "Über Bescheidbeschwerden ist nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen."
Die in den Absätzen 2 bis 4 des § 262 BAO geregelten Ausnahmen von dieser Pflicht zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung liegen laut Aktenlage hier nicht vor.
§ 191 Abs. 3 Satz 2 BAO bestimmt: "Feststellungsbescheide (§ 188) wirken gegen alle, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw. nicht zugerechnet werden." Diese Bestimmung ist gemäß § 263 Abs. 3 BAO auch auf Beschwerdevorentscheidungen anzuwenden. Gemäß § 93a BAO gelten diese Regelungen auch für diesbezügliche Erledigungen durch das Bundesfinanzgericht.
Die in § 191 Abs. 3 Satz 2 BAO normierte Wirkung gegen alle, denen Einkünfte zugerechnet oder nicht zugerechnet werden, setzt freilich gemäß § 97 Abs. 1 BAO voraus, dass der Bescheid denen, für die er wirken soll, bekanntgegeben wird, insbesondere durch Zustellung (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 191 Rz 4 mit Verweis auf ). Solche Zustellungen werden durch die sogenannte Zustellfiktion erleichtert. Diesbezüglich normiert § 101 Abs. 3 BAO: "Schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind (§ 191 Abs. 1 lit. a und c), sind einer nach § 81 vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird."
Der von der Beschwerdeführerin angefochtene Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO (Einkünftefeststellungsbescheid) für 2020 vom verteilt die festgestellten Einkünfte auf drei Personen. Dieser Bescheid enthält folgenden Hinweis: "Dieser Bescheid wirkt gegen alle Beteiligten, denen Einkünfte zugerechnet werden (§ 191 Abs. 3 BAO). Mit der Zustellung dieses Bescheides an die nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zustellung an alle Beteiligten als vollzogen (§ 101 Abs. 3 und 4 BAO)."
Durch diesen Hinweis wirkt dieser Bescheid gemäß § 191 Abs. 3 Satz 2 BAO nicht nur für die Beschwerdeführerin (***Bf1***), sondern mittels der Zustellfiktion gemäß § 101 Abs. 3 BAO zusätzlich auch für die drei Personen, denen Einkünfte zugerechnet werden.
Eine Ausfertigung der Beschwerdevorentscheidung vom wurde der ***Bf1*** zu Handen ihrer steuerlichen Vertretung zugestellt.
Die Beschwerdevorentscheidung enthält keinen Hinweis gemäß § 101 Abs. 3 BAO. Das Finanzamt ist nicht verpflichtet, die Erleichterung durch die Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO in Anspruch zu nehmen (Ritz/Koran, BAO7 § 101 Rz 10). Dann hätte das Finanzamt aber zusätzlich auch jeder der Personen, denen Einkünfte zugerechnet werden, eine Ausfertigung der Beschwerdevorentscheidung zustellen müssen. Nach der Aktenlage erfolgte keine Zustellung einer Ausfertigung der Beschwerdevorentscheidung an die Personen, denen Einkünfte zugerechnet werden.
Aus dem Wesen der einheitlichen Feststellung ergibt sich die gänzliche Unwirksamkeit eines Feststellungsbescheides iSd § 188 BAO, wenn er einem Beteiligten gegenüber nicht wirksam sein kann. Mangelt es dem Bescheid an dieser Einheitlichkeit, kommt ihm keine Bescheidqualität zu (vgl. , mwN). Auch eine Beschwerdevorentscheidung ist im Sinne des bereits zitierten § 262 Abs. 1 BAO ein Bescheid. Der Beschwerdevorentscheidung vom kommt keine Bescheidqualität zu. Die Beschwerdevorentscheidung ist mangels Zustellung an die drei Personen, denen Einkünfte zugerechnet werden, unwirksam (nichtig). Diesbezüglich ist rechtlich überhaupt keine Beschwerdevorentscheidung ergangen. Dies bedeutet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Bundesfinanzgericht (bis auf weiteres) diesbezüglich nicht über die Beschwerde absprechen darf, weil es (noch) nicht hierfür zuständig ist.
Zur weiteren Vorgangsweise in solchen Fällen hat der Gesetzgeber den § 281a BAO geschaffen und § 300 BAO dahingehend novelliert, dass das Finanzamt eine unterlassene Beschwerdevorentscheidung nachholen kann.
§ 281a BAO bestimmt: "Wenn das Verwaltungsgericht nach einer Vorlage (§ 265) zur Auffassung gelangt, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde, hat es die Parteien darüber unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen."
§ 281a BAO ist in drei Kommentaren behandelt worden:
Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO-Stoll-Kommentar2, Bd. 4, aus 2023,
Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren3, Bd. 1, aus 2021,
Ritz/Koran, BAO7, aus 2021.
Diese drei Kommentare vertreten teilweise unterschiedliche Meinungen zu § 281a BAO, die aber im Hinblick auf die weitere Vorgangsweise weitgehend im Einklang mit der vorherrschenden Rechtsprechung des BFG stehen:
Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren3, Bd. 1, § 281a Rz 6: "Die Verständigung nach § 281a hat keine Wirkung und beendet allenfalls einen durch die unzulässige Beschwerdevorlage (§ 265) beim Verwaltungsgericht in Gang gesetzten internen Verwaltungsverlauf." aaO, Rz 9: "Das Gericht wird erst dann zuständig, wenn erstmals die Entscheidungspflicht iS der zitierten Rsp vorliegt."
Ritz/Koran, BAO7, § 281a Rz 3: Die Verständigung wird letztendlich als Beschluss angesehen. aaO, Rz 11: "§ 281a kann aber nicht Beschlüsse über die Einstellung des Beschwerdeverfahrens verbieten, in denen die in § 281a angeordnete Verständigung erfolgt".
Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO-Stoll-Kommentar2, Bd. 4, § 281a Rz 5 f, folgen dieser und der in Fachzeitschriften geäußerten Kritik an § 281a BAO.
Es hat sich eine ständige Rechtsprechung über die weitere Vorgangsweise infolge einer Mitteilung gemäß § 281a BAO entwickelt: Die Praxis des BFG verbindet mit der Mitteilung gemäß § 281a BAO die Einstellung des Beschwerdeverfahrens, d.h. die beim BFG vergebene(n) Geschäftszahl(en) werden ausgebucht, indem eine Erledigung durch Verfahrenseinstellung stattfindet. Vgl. ; , bestätigt durch ; ; ; ; , in Reaktion auf VwGH, , Ro 2021/13/0009; ; ; ; .
Diese Praxis des BFG entspricht im Ergebnis der Schnittmenge aus den zuvor zitierten Literaturstellen.
Information für die Parteien (Belehrung gemäß § 280 Abs. 4 BAO)
Gegen diese Verständigung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 101 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 191 Abs. 3 Satz 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101226.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at