Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.07.2023, RV/2100924/2022

Steuerliche Anerkennung von Aufwendungen für Familienheimfahrten nach Slowenien (Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes) als Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Martin C. WITTMANN in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Taferner Steuerberatungs KG, Mariatroster Straße 87a, 8043 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) ist seit 1991 ununterbrochen als Lehrling, später als Bäcker bei der ***1*** in Graz beschäftigt. Seine Ehefrau sowie die beiden Töchter verfügen über keinen inländischen Wohnsitz und wohnen bzw arbeiten in der Republik Slowenien.

Am brachte der Bf die Arbeitnehmerveranlagung (im Folgenden: ANV) für das Jahr 2020 elektronisch beim Finanzamt ein und machte dabei Kosten der doppelten Haushaltsführung iHv 8.387,28 sowie Ausgaben für die Kosten für Familienheimfahrten iHv 3.672,- Euro (großes Pendlerpauschale) geltend.

Mit Ergänzungsersuchen vom forderte die belangte Behörde den Bf zur Beantwortung von Fragen insb betreffend seines Familienwohnsitzes, Heimfahrten, Verkehrsmittel etc bzw zur Vorlage von Nachweisen über die Fahrten zwischen dem Arbeitsort in Graz und dem Familienwohnsitz in Slowenien auf.

Der Bf beantwortete dieses Ergänzungsersuchen mit Eingabe vom .

Mit ESt-Bescheid vom anerkannte das Finanzamt die vom Bf beantragten Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung nicht als Werbungskosten iSd § 16 EStG, da "kein belegmäßiger Zahlungsnachweis nachgereicht" worden sei. Die belangte Behörde gewährte jedoch das große Pendlerpauschale.

Dagegen erhob der Bf am Beschwerde, da "[l]eider […] übersehen [wurde], dass als erstes auch eine Kostenaufstellung der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung angefordert wurde. In der Anlage übermitteln wir Ihnen nun die Kostenaufstellung für die doppelte Haushaltsführung mit den dazugehörigen Belegen."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte die belangte Behörde ihren Bescheid vom ab und versagte nunmehr die steuerliche Absetzbarkeit aller geltend gemachten Koste der doppelten Haushaltsführung, da der Zeitraum einer Unzumutbarkeit der Verlegung des (Familien-)Wohnsitzes von zwei Jahren bereits überschritten sei.

Mit Eingabe vom (nach mehrmaliger Verlängerung der Rechtsmittelfrist) beantragte der Bf die Vorlage der Beschwerde an das BFG und führte - auf das Wesentlichste zusammengefasst - begründend aus, dass im konkreten Fall eine Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr bei einer Entfernung von mehr als 80 km und einer Fahrzeit von mehr als einer Stunde vorliege. Vom "Gesetzgeber" werde ausgeführt, dass bei einer dauernden Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsorts keine private Veranlassung zu unterstellen sei, wenn der Ehepartner des Steuerpflichtigen am Familienwohnsitz steuerlich relevante, ortsgebundene Einkünfte aus einer aktiven Erwerbstätigkeit iHv mehr als 6.000,- Euro jährlich erzielt. Laut Bestätigung der slowenischen Steuerbehörde beliefen sich die Einkünfte der Gattin auf 29.414,84 Euro. Beim Kauf einer Wohnung wie es der Bf gemacht habe, errechneten sich die Kriterien für die Höhe der Aufwendungen für eine zweckentsprechende Unterkunft am Beschäftigungsort mit Abschreibung, Betriebs- und Einrichtungskosten, bezogen auf eine Kleinwohnung (maximal 55 bis 60 m²). Er wiederholte seinen Antrag auf Berücksichtigung der Kosten der doppelten Haushaltsführung iHv 8.387,28 sowie der Ausgaben für die Kosten für Familienheimfahrten iHv 3.672,- Euro (großes Pendlerpauschale).

Im Vorlagebericht vom anerkannte die belangte Behörde die vom Bf beantragten Kosten der doppelten Haushaltsführung iHv 8.387,28 als Werbungskosten. Hinsichtlich der geltend gemachten Familienheimfahrten habe der Bf im Antwortschreiben vom zwar seine Familien- und Wohnsituation erläutert, jedoch nicht erwähnt, wie oft er an den Familienwohnsitz zurückkehre. Er würde meistens mit dem Zug nach Slowenien fahren und gelegentlich das Auto der Ehegattin benützen. Allerdings habe er trotz Aufforderung bis dato keine Nachweise vorgelegt wie bspw Bahntickets oder ein Fahrtenbuch, welche die von ihm geltend gemachten Kosten iHv EUR 3.672,00 belegen würden. Deshalb sei eine Berücksichtigung dieser Kosten zu versagen.

Das BFG forderte den Bf mit Vorhalt vom zur Beantwortung folgender Fragen bzw zur Vorlage folgender Nachweise bzw Belege auf:

1. "Wie viele Familienheimfahrten (hin und retour) haben Sie 2020 unternommen (Angabe von Datum und Zeit der Abfahrt/Ankunft, Wegstrecke, Reisezweck, Fahrtdauer, Autokennzeichen sowie km-Stand; vgl )?

2. Welche konkreten Aufwendungen sind Ihnen durch die beantragten Heimfahrten entstanden?

3. Nachweise über Treibstoffkosten (Tankrechnungen), Mautabrechnungen, Reparaturrechnungen, Fahrtenbuch (Marke, Type, Erstzulassung, Fahrgestellnummer, Kennzeichen), KFZ-Überprüfungsberichte, Reparatur- oder Servicerechnungen, Zulassungsschein, Fahrscheine der öffentlichen Verkehrsmittel (Bahn, Bus, Straßenbahn etc), Beiträge für Mitfahrgelegenheiten, odgl."

Diesen Vorhalt beantwortete der Bf mit Schreiben vom und führte darin - auf das Wesentlichste zusammengefasst - aus, dass er im Streitjahr jedes Wochenende vom Arbeitsort Graz an seinen Familienwohnsitz zurückgekehrt sei. Zusätzlich sei er auch mehrmals im Jahr mittwochs nach Slowenien gefahren. Neben seiner Ehefrau und den beiden Töchtern wohnten auch die Eltern des Bf in unmittelbarer Nähe. Rechnungen und Belege seien für das Streitjahr leider nicht aufbewahrt worden, da das Finanzamt in den Vorjahren den Ansatz des großen Pendlerpauschales immer genehmigt habe und keine Rückfragen erfolgt seien. Der Bf fügte seinem Schreiben eine Vergleichsrechnung mit den Daten aus Anschaffung eines PKW, den durchschnittlichen Kosten wie AfA, Treibstoff, Service, Versicherung, Mauten, Instandhaltung etc bei. Für das Streitjahr ergäben sich somit Kosten iHv 7.307,11 Euro. Diese Kosten stünden dem großen Pendlerpauschale iHv 3.672,- Euro gegenüber.

Am brachte das BFG der belangten Behörde die Vorhaltsbeantwortung des Bf zur Kenntnis. Diese nahm dazu mit Schreiben vom wie folgt Stellung: Aus Sicht des Finanzamtes seien die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Familienheimfahrten grundsätzlich gegeben. Aus der Vorhaltsbeantwortung vom gehe hervor, dass der Bf ein Mal wöchentlich nach Slowenien pendle, wobei vereinzelt auch zusätzliche Besuche in der Mitte der Arbeitswoche vorkämen. Diese Schilderung erscheine daher glaubhaft. Zwar habe der Bf keine Fahrttickets oder Tankrechnungen in einer Höhe vorgelegt, die den geltend gemachten Kosten des höchsten Pendlerpauschales entsprächen. Allerdings untermauerten die vorgelegten Unterlagen die Ausführungen im Vorlageantrag, zumal die Entfernung zum Familienwohnsitz über 100 km betrage und bei der angenommenen Frequenz der Familienheimfahrten das amtliche Kilometergeld jedenfalls iHd geltend gemachten Aufwendungen zustehen würde. Diese Kosten würden durch die Vergleichsrechnung des Bf verdeutlicht. Auch könne vonseiten der belangten Behörde bestätigt werden, dass sich die Kosten für ein Bahnmonatsticket für die Fahrtstrecke zwischen Graz und ***6***, Slowenien, auf 319,- Euro beliefen. Bei Zugrundelegung einer abwechselnden Inanspruchnahme von Privatauto und Bahn durch den Bf seien die geltend gemachten Kosten daher nachvollziehbar.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Da das Finanzamt im Vorlagebericht vom die vom Bf beantragten Kosten der doppelten Haushaltsführung iHv 8.387,28 als Werbungskosten nunmehr explizit anerkannt hat, sind im Beschwerdefall einzig die Kosten für die Familienheimfahrten strittig.

Der Bf ist als Bäcker im Dienstverhältnis, in ***7***, beschäftigt und hat seinen Familienwohnsitz mit seiner Ehefrau sowie den beiden Töchtern in Slowenien, ***3***.

Seine Frau ist als Kindergärtnerin in Leitungsposition in ***5***, ca 25 km südwestlich des Familienwohnsitzes im Umfang von 35 Wochenstunden beschäftigt und erzielte hiefür im Streitjahr 2020 ein Jahreseinkommen iHv 29.414,84 Euro.

Er unterhält einen zweiten Haushalt in Graz, da eine tägliche Rückkehr insb aufgrund der Entfernung von ca 104 km (eine Strecke) sowie aufgrund seiner besonderen Arbeitszeiten als Bäcker (Arbeitsbeginn 23:30 h, Arbeitsende 9:00 h) nicht zumutbar ist. Im Dezember 2019 hat sich der Bf eine Wohnung mit einer Fläche von 33,23 m² am ***2*** Graz, gekauft. Diese befindet sich ca 750 m von seinem Arbeitsort entfernt.

Im Streitjahr 2020 ist der Bf an den Wochenenden (ausgenommen Urlaub) an den Familienwohnsitz in Slowenien heimgekehrt, wobei vereinzelt auch zusätzliche Besuche mittwochs stattfanden.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt aus dem von der belangten Behörde im Zuge der Beschwerdevorlage übermittelten Verwaltungsakt zur genannten StNr, aus den vom Bf bereits der Abgabenbehörde bzw nach Vorhalt dem BFG vorgelegten Dokumenten (insb Aufstellung zur Berechnung der Kosten für die doppelte Haushaltsführung sowie für die Familienheimfahrten, EWR-Bescheinigung der slowenischen Steuerbehörde über Einkünfte der Frau des Bf in Slowenien, slowenische Meldebescheinigung aller Familienmitglieder sowie Heiratsurkunde, slowenischer Grundbuchsauszug des Familienwohnsitzes, Zahlungsbestätigung über den Kauf des PKW, PKW-Zulassungsschein, PKW-Versicherungspolizze sowie Kaufvertrag der Eigentumswohnung in Graz) und aus der Vorhaltsbeantwortung des Bf vom sowie aus der Finanzamtsstellungnahme dazu vom .

Dieser Sachverhalt ist insoweit nicht strittig; dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht, weshalb das BFG diesen Sachverhalt als erwiesen annehmen und seiner Entscheidung zugrunde legen durfte.

3. Rechtslage

Das Bundesgesetz vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG) idF BGBl I 2020/96 lautet auszugsweise:

"Werbungskosten

§ 16.

(1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch:

1. […]

[…]

6. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.

[…]

d)Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c:

Bei mindestens 2 km bis 20 km372 Euro jährlich,

bei mehr als 20 km bis 40 km1 476 Euro jährlich,

bei mehr als 40 km bis 60 km2 568 Euro jährlich,

bei mehr als 60 km3 672 Euro jährlich."

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Werbungskosten sind zwar grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen. Als Werbungskosten geltend gemachte Aufwendungen sind jedoch über Verlangen der Abgabenbehörde gem § 138 BAO nachzuweisen oder, wenn dies nicht möglich ist, wenigstens glaubhaft zu machen (vgl ; , 2008/15/0164; vgl auch Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a, § 16, Tz 55).

Eine berufliche und damit zu Werbungskosten der betroffenen Aufwendungen führende Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung liegt nach st Rsp des VwGH dann vor, wenn einem Arbeitnehmer die Verlegung des (Familien-)Wohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei eine solche Unzumutbarkeit die unterschiedlichsten Ursachen haben kann. Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl , mwN).

Als Familienwohnsitz gilt nach der Rsp des VwGH jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehepartner (auch ohne Kinder iSd § 106 Abs 1 EStG) einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl ; Ebner in Jakom, EStG15, 2022, § 16, Stichwort doppelte Haushaltsführung, Rz 56).

Der wesentliche Unterschied zwischen einer vorübergehenden und einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung liegt darin, dass von einer vorübergehenden doppelten Haushaltsführung dann gesprochen wird, wenn die nachgewiesene Absicht besteht, nach einem absehbaren Zeitraum der auswärtigen Berufsausübung wieder an den Ort des Familienwohnsitzes zurückzukehren, während eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung die Verlegung des Familienwohnsitzes auf längere Sicht unzumutbar erscheinen lässt (Ebner in Jakom, EStG15, 2022, § 16, Stichwort doppelte Haushaltsführung, Rz 56). Der Grund, warum Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung dennoch als Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in üblicher Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung als auch zB in einer Erwerbstätigkeit seines (Ehe)Partners haben (VwGH 2000/13/0083, 2001/13/0216).

Gem § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG dürfen bei den Einkünften Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeitsort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen Berufstätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG angeführten Betrag übersteigen, nicht abgezogen werden (vgl nur mwN).

Bei Familienheimfahrten handelt es sich der Art nach um private Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bis zum Höchstbetrag des Pendlerpauschales steuerlich zum Abzug zugelassen sind. Das Gesetz stellt dabei nicht darauf ab, ob der Steuerpflichtige im Inland oder im Ausland seinen Berufs- und Familienwohnsitz hat. Die Deckelung der berücksichtigbaren Kosten führt dazu, dass eine Arbeitsaufnahme in größerer Entfernung zum Familienwohnsitz, die eine doppelte Haushaltsführung erforderlich macht, an Attraktivität einbüßt, weil nicht sämtliche damit zusammenhängende Kosten steuerlich geltend gemacht werden können. Die Begrenzung mit einem Höchstbetrag begegnet dabei keinen grundsätzlichen Bedenken des VwGH, weil es im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, den Beitrag der Allgemeinheit zu derartigen Kosten im Wege der steuerlichen Abzugsfähigkeit auf ein bestimmtes Maß zu begrenzen (s auch den Ablehnungsbeschluss des ; zur vergleichbaren Thematik des gedeckelten Pendlerpauschales ; , 2001/15/0225).

Nach der Jud des VwGH orientiert sich die Unzumutbarkeit einer täglichen Rückkehr bei der doppelten Haushaltsführung an einer Kilometerzahl von etwa 80 km und Fahrtzeiten von mehr als einer Stunde (vgl , mwN).

Für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung sprechen steuerlich relevante Erwerbseinkünfte iSd § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG des anderen Ehe(Partners) am Familienwohnsitz, die bei dessen Verlegung verloren gingen (zB ). Als steuerlich relevante Einkünfte des anderen (Ehe)Partners sind solche anzusehen, die für das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung sind (). Nach Auffassung des VwGH ist für die Beurteilung der Relevanz die Relation zum Familieneinkommen ausschlaggebend; vernachlässigbar sind Einkünfte jedenfalls dann, wenn sie "deutlich unter einem Zehntel" der Einkünfte des anderen Ehegatten liegen (). Bei Erwerbstätigkeit des (Ehe)Partners am Familienwohnsitz im Ausland sind das dortige Einkommensniveau und die Kaufkraftunterschiede zu berücksichtigen und kaufkraftkonform umzurechnen (, mwN);

Als Fahrtkosten sind jene Aufwendungen abzusetzen, die durch das tatsächlich benutzte Verkehrsmittel anfallen (Bahnkarte, KFZ-Kosten, Flugkosten etc).

Über die anzuerkennende Häufigkeit der Familienheimfahrten bestehen keine gesetzlichen Regelungen (), weshalb diese im Einzelfall zu prüfen ist, wobei insb die Distanz zwischen den beiden Wohnsitzen und die familiären Verhältnisse zu berücksichtigen sein werden (vgl zB jüngst ). Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen sind grundsätzlich die Kosten von wöchentlichen Familienheimfahrten zu berücksichtigen (zB ).

Der Bf hat im Streitjahr 2020 47 Familienheimfahrten durchgeführt. Dies kann unter Berücksichtigung der genannten Jud als angemessen angesehen werden.

Im Beschwerdefall führte der Bf in seiner Abgabenerklärung an Kosten für Familienheimfahrten einen Betrag von 3.672,- Euro an. Dieser Betrag entspricht dem in § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG angeführten Betrag für das höchste Pendlerpauschale.

Zwar hat der Bf weder ein Fahrtenbuch geführt noch einen Nachweis für die tatsächlich angefallenen Kosten erbracht, allerdings kann die zurückgelegte Fahrtstrecke vom Wohnsitz am Beschäftigungsort an den Familienwohnsitz in Slowenien auch in anderer Weise nachvollziehbar gemacht werden, wenn zumindest Datum, Beginn und Ende der Familienheimfahrt glaubhaft gemacht wird (so auch zB ). Nach der Aufstellung des Bf hat er die Distanz von seinem Wohnsitz am Beschäftigungsort in Graz im Wesentlichen wöchentlich zu seinem Familienwohnsitz in Slowenien getätigt.

Da im Beschwerdefall bzgl der Familienheimfahrten keine Belege des Bf existieren, ist daher in freier Beweiswürdigung iSd § 167 BAO mittels Schätzung gem § 184 BAO vorzugehen, wobei sich die Berechnung der Kosten am amtlichen Kilometergeld orientiert, da dies meist zu einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Ergebnis führt (vgl zB jüngst ). Nach den Umständen des vorliegenden Falles sind regelmäßig wiederkehrende Heimfahrten des Bf, die Distanz zwischen dem Wohnsitz am Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz in Slowenien von ca 104 km und der Umstand, dass seine Ehefrau am Familienwohnsitz in Slowenien wohnt, als durchaus glaubwürdig dargestellt zu beurteilen, auch wenn keine Auflistung der getätigten Fahrten bzw Zahlungsbelege beigebracht wurden (so auch im vergleichbaren Fall ). Der Bf lebt in aufrechter Ehe mit seiner Ehefrau und zwei Kindern im gemeinsamen Haushalt. Das Vorbringen des Bf - dem im Übrigen nunmehr auch das Finanzamt (vgl Schreiben vom ) nicht entgegentritt - wird vom BFG als glaubwürdig angesehen, da es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass mit der Haltung und Benützung eines KFZ auch Aufwendungen wie zB Treibstoffkosten, Reparaturen, Wartung, Versicherung, Mauten udgl verbunden sind und die Aufbewahrung von Belegen nicht vollständig erfolgt (so zB auch ). Die langjährige Verwaltungs- und Gerichtspraxis (vgl ; , RV/7102690/2013; ) hat gezeigt, dass der Nachweis der KFZ-Kosten durch Sammlung und Aufbewahrung der Belege von vielen Abgabepflichtigen nicht wahrgenommen wird. Die Fahrtkosten sind gemessen an der Länge der Fahrtstrecke auch nicht als zu hoch zu qualifizieren. Vor diesem Hintergrund erachtet das BFG daher in Anbetracht der Entfernung eine Heimfahrt pro Woche als angemessen und glaubwürdig und demzufolge sind Familienheimfahrten im Gesamtausmaß des höchsten Pendlerpauschales in Ansatz zu bringen.

Eine Berechnung der Fahrtkosten, 208 km (Hin- und Rückfahrt) mal 47 Fahrten mal 0,42 Euro (Kilometergeld) ergibt einen Betrag iHv 4.105,92 Euro. Wie oben bereits ausgeführt, sind jedoch für Familienheimfahrten gem § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG für anfallende Kosten die Höchstbeträge gem § 16 Abs 1 Z 6 lit d leg cit anzuwenden. Der dort ausgewiesene Betrag für eine Fahrtstrecke von mehr als 60 km beträgt jährlich 3.672,- Euro und liegt unter den laut der ggst Berechnung angenommenen Aufwendungen iHv 4.105,92 Euro.

Die Aufwendungen für Familienheimfahrten für das Jahr 2020 werden somit mit dem höchsten Pendlerpauschale iHv 3.672,- Euro zum Abzug zugelassen.

Ebenso waren die vom Bf geltend gemachten (nicht mehr strittigen) Wohn- und Einrichtungskosten sowie Kosten für die Wohnraumsanierung als Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung zuzusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist im vorliegenden Fall nicht zulässig, da die ggst Entscheidung einersits der oben zitierten Rsp des VwGH folgt bzw es sich andererseits im Wesentlichen um die Beantwortung von Tatfragen im Wege der Beweiswürdigung handelt.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100924.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at