Die Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen in einem anderen Verfahren oder in einem Verfahren eines anderen Steuerpflichtigen steht einer Wiederaufnahme nicht entgegen.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Patrick Brandstetter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch HGS - Mag. Hans Günther Schönauer Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, Oberfeldstraße 54, 4600 Wels, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Braunau Ried Schärding (nunmehr Finanzamt Österreich) vom über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2012 und 2013 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:
I. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2012 wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Bescheid vom betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2013 wird ersatzlos aufgehoben.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die beschwerdeführende Partei gab am ihre Erklärung betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2012 ab. Mit Bescheid vom erfolgte die erklärungsgemäße Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2012.
Am reichte die beschwerdeführende Partei ihre Erklärung betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2013 ein und erfolgte mit Bescheid vom die erklärungsgemäße Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2013.
Mit Bescheide vom verfügte das Finanzamt Braunau Ried Schärding die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2012 und 2013 und verwies sie in der Begründung in Bezug auf die neu hervorgekommenen Tatsachen und/oder Beweismittel auf die in Verbindung mit den Wiederaufnahmebescheiden neu erlassenen Einkommensteuerbescheide vom . In der Begründung dieser Einkommensteuerbescheide führte das Finanzamt sodann aus, dass beim Geschäftsführer eine Fahrzeugüberlassung einen Sachbezug im Rahmen der Einkünfte gemäß § 22 Z 2 EStG 1988 darstelle.
Gegen diese Wiederaufnahmebescheide brachte die beschwerdeführende Partei nach Erstreckung der Beschwerdefrist bis zum am Beschwerde ein und begründete sie diese dergestalt, dass die Wiederaufnahmebescheide keine Begründung enthalte, welche Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien. Der Verweis auf die Begründungen in den Einkommensteuerbescheiden führe ins Leere, da die dort angeführten Tatsachen oder Beweismittel der Behörde bei Erlassen der Erstbescheide bereits vollständig bekannt gewesen seien, da diese auf einer vom Finanzamt durchgeführten GPLA Prüfung vom beruhen würden.
Im Zuge der GPLA Prüfung bei der insolventen ***GmbH*** seien bereits im Bericht vom die Sachverhalte zu den Pkw Sachbezügen festgestellt worden. Im Zeitpunkt der Erlassung der Erstbescheide zur Einkommensteuer am und am seien der Behörde die Sachverhalte zu den Pkw Sachbezügen sowie die rechtliche Stellung der beschwerdeführenden Partei somit vollständig bekannt gewesen. Die Behörde hätte daher schon damals bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung kommen können.
Eine geänderte rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen stelle keinen Wiederaufnahmegrund dar, ebenso Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden. Die Beschwerdevorentscheidung vom , welche die Haftungsbescheide gegen die beschwerdeführende Partei bzgl. Lohnsteuer aufgehoben habe und die gegenständlichen Sachbezüge in rechtlicher Beurteilung als Einkünfte gem. § 22 Z 2 EStG beurteilt habe, sei daher kein tauglicher Wiederaufnahmegrund. Es handle sich hierbei lediglich um eine geänderte rechtliche Beurteilung eines bereits bekannten Sachverhaltes.
Da keine Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien, sei die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2012 und 2013 ohne Rechtsgrundlage verfügt worden.
Das Finanzamt Braunau Ried Schärding wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet zurück und führte es in der Begründung im Wesentlichen aus, dass erst im Zuge eines Beschwerdeverfahrens betreffend die GPLA-Prüfung Ende 2015/Anfang 2016 jene Tatsachen bekannt geworden seien, die zu der angefochtenen Wiederaufnahme geführt hätten.
Das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln" beziehe sich auf den Wissensstand (insbesondere auf Grund der Abgabenerklärungen und der Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweismittel sei allein aus der Sicht des von der zuständigen Behörde (der abgabenfestsetzenden Stelle) geführten konkreten Verfahrens zu beurteilen.
Es sei somit nicht maßgeblich, ob der Abgabenbehörde als Gesamtorganisation die relevanten Tatsachen oder Beweismittel bekannt gegeben worden seien, sondern ob sie dem jeweiligen Bescheid erlassenden Organ im jeweiligen Verfahren laut Aktenlage bekannt gewesen seien. Daher würden zB Kenntnisse der Bewertungsstelle oder des Lohnsteuerprüfers für die Einkommensteuerveranlagung neu hervorkommen können.
In Reaktion auf diese Beschwerdevorentscheidung brachte die beschwerdeführende Partei am einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein, in der sie das bisherige Beschwerdevorbringen wiederholte, und brachte sie ergänzend vor, dass der Beschwerdevorentscheidung nicht zu entnehmen sei, welche Tatsachen zur Wiederaufnahme geführt hätten.
Außerdem werde nicht behauptet, dass der Abgabenbehörde als Gesamtorganisation alle Sachverhaltselemente bekannt gewesen seien. Konkret seien jedoch dem Finanzamt Braunau Ried Schärding insbesondere dem Team BV 23 des Finanzamtes Braunau Ried Schärding alle relevanten Sachverhaltselemente bereits seit der ursprünglichen GPLA Prüfung - somit vor Erlassung der ursprünglichen Bescheide - vorgelegen.
Sowohl der Bericht der GPLA Prüfung bei der insolventen ***GmbH*** vom , in welchem bereits die Sachverhalte zu den Pkw Sachbezügen festgestellt worden seien, als auch die darauf beruhenden Haftungsbescheide bezüglich Lohnsteuer seien vom Team BV 23 des Finanzamtes Braunau Ried Schärding ausgestellt worden. Zudem sei dem Team BV 23 bekannt gewesen, dass die beschwerdeführende Partei im relevanten Zeitraum als wesentlich beteiligter Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft fungiert habe.
Dass die Sachbezüge der Lohnsteuer unterworfen worden seien und nicht als selbstständige Einkünfte des Gesellschafter-Geschäftsführers iSd § 22 EStG, tue dem Umstand keinen Abbruch, dass dem Team BV 23 im Zuge der GPLA Prüfung alle relevanten Sachverhaltselemente bekannt worden seien und diese im Prüfbericht vom festgehalten worden seien.
Auch der Erstbescheid zur Einkommensteuer 2012 vom sei vom Team BV 23 ausgestellt worden. Da dieser Bescheid nach dem Ende der GPLA Prüfung ausgestellt worden sei, seien dem Team BV 23 für die Ermittlung der Einkommensteuer der beschwerdeführenden Partei alle Sachverhaltselemente offengelegt gewesen und wäre es möglich gewesen, dass das Team BV 23 die Sachbezüge der beschwerdeführenden Partei als Einkünfte gem. § 22 Z 2 EStG zugerechnet hätte.
Selbst wenn im Zuge der GPLA Prüfung seitens des Prüfers nicht alle Sachverhaltselemente erhoben worden wären, sei davon auszugehen, dass spätestens mit der Bescheidbeschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom dem Team BV 23 alle Sachverhaltselemente vollständig bekannt gewesen seien. Spätestens seit Mitte November 2014 seien dem Team BV 23 die relevanten Sachverhaltselemente zugegangen gewesen. Zumindest für den Einkommensteuerbescheid 2013 vom , welcher ebenfalls vom Team BV 23 erlassen worden sei, sei daher ausgeschlossen, dass nach Erlassen des Bescheides Sachverhaltselemente neu hervorgekommen seien.
Am legte das Finanzamt Braunau Ried Schärding die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und wiederholte sie im Vorlagebericht im Wesentlichen die Begründung der Beschwerdevorentscheidung.
Mit Schreiben vom wies das Bundesfinanzgericht das Finanzamt Österreich unter anderem darauf hin, dass weder den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden noch der Beschwerdevorentscheidung eine Darstellung betreffend die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgeblichen Tatsachen und Beweismittel entnommen werden könnten. Aus diesem Grund habe das Finanzamt daher darzulegen, welchen Kenntnisstand die abgabenfestsetzende Stelle aufgrund welcher Unterlagen und Dokumente im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2012 vom sowie im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2023 vom gehabt habe und durch welchen Vorgang und zu welchem Zeitpunkt der Umstand der Nutzung von Fahrzeugen der ***GmbH*** durch beschwerdeführende Partei Bestandteil des Wissensstandes der abgabenfestsetzenden Stelle betreffend die Veranlagungsjahre 2012 und 2013 worden sei.
In der Antwort des Finanzamtes Österreich vom brachte die Abgabenbehörde vor, dass erst mit Eingang der Beschwerde der beschwerdeführenden Partei vom gegen den Haftungsbescheid vom die Abgabenbehörde Kenntnis vom Sachbezug der beschwerdeführenden Partei erlangt habe.
Mit Schreiben vom wurde der beschwerdeführenden Partei die Antwort des Finanzamtes Österreich vom übermittelt.
Sachverhalt
Die beschwerdeführende Partei gab am die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2012 sowie am die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 ab. Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2012 erklärungsgemäß veranlagt und erfolgte mit Bescheid vom ebenfalls eine erklärungsgemäße Veranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 2013.
In den Jahren 2012 und 2013 war die beschwerdeführende Partei mittelbar zu 95 % an der ***GmbH*** beteiligt und war sie in diesem Zeitraum ebenso der Geschäftsführer dieser Gesellschaft.
Die ***GmbH*** verfügte in den Jahren 2012 und 2013 über einen BMW X5 xDrive 35 d E70 und einen BMW X6 M50d E71, die von der beschwerdeführenden Partei auch für Privatfahrten genutzt wurden. Für keines dieser Fahrzeuge wurde ein Fahrtenbuch zum Nachweis des Ausmaßes der betrieblichen und privaten Fahrten geführt. Im Rahmen einer Prüfung betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum Jänner 2012 bis im Jahr 2014 wurde dieser Umstand durch das Finanzamt Braunau Ried Schärding aufgegriffen und setzte die Abgabenbehörde gegenüber der ***GmbH*** diese beiden Fahrzeuge betreffend unter anderem Lohnsteuer dergestalt fest, als für ein jedes dieser beiden Fahrzeuge ein monatlicher Sachbezug in Höhe von EUR 600 angesetzt wurde. Diese Prüfung wurde durch das Team BV23 des Finanzamtes Braunau Ried Schärding durchgeführt.
Im Anschluss an die Prüfung zog das Finanzamt Braunau Ried Schärding die beschwerdeführende Partei mit Bescheid vom in Bezug auf die infolge der Prüfung festgesetzten Abgaben zur Haftung heran und wurde dieses Haftungsverfahren vom Team Abgabensicherung des Finanzamtes Braunau Ried Schärdung unter der Abgabennummer der ***GmbH*** geführt. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom Beschwerde und führte sie darin unter anderem aus, dass die beschwerdeführende Partei die Fahrzeuge BMW X5 xDrive 35 d E70 und BMW X6 M50d E71 genutzt habe. Diese Beschwerde wurde zum Veranlagungsakt der beschwerdeführenden Partei genommen und erhielt hierdurch das Team BV23 des Finanzamtes Braunau Ried Schärding betreffend die Verfahren Einkommensteuer 2012 und 2013 erstmals Kenntnis vom Umstand der Fahrzeugnutzung durch die beschwerdeführende Partei. Weder in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2012 vom noch in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 vom wurde die Nutzung der Fahrzeuge durch die beschwerdeführende Partei berücksichtigt bzw. gegenüber der Abgabenbehörde offengelegt.
Mit Bescheide vom verfügte das Finanzamt Braunau Ried Schärding die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren betreffend die Jahre 2012 und 2013 und wurden zeitgleich neue Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 und 2013 erlassen. Sowohl die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 und 2013 vom bzw. vom , als auch die Wiederaufnahmebescheide vom und die in Zusammenhang mit der Wiederaufnahme erlassenen neuen Einkommensteuerbescheide vom gleichen Tag wurden durch das Team BV 23 des Finanzamtes Braunau Ried Schärding erlassen.
Tabellarisch gestaltet sich die zeitliche Abfolge der obig geschilderten Handlungen betreffend die Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2012 und 2013 wie folgt:
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Einkommensteuer 2012 | |
Abgabe Steuererklärung | |
Ursprünglicher Einkommensteuerbescheid | |
Kenntniserlangung von der Fahrzeugnutzung | |
Verfahrensgegenständlicher Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens | |
Neuer Einkommensteuerbescheid |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkommensteuer 2013 | |
Kenntniserlangung von der Fahrzeugnutzung | |
Abgabe Steuererklärung | |
Ursprünglicher Einkommensteuerbescheid | |
Verfahrensgegenständlicher Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens | |
Neuer Einkommensteuerbescheid |
In der Begründung der Wiederaufnahmebescheide vom verwies das Finanzamt in Bezug auf die neuhervorgekommenen Tatsachen und/oder Beweismittel auf die Begründung der in Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Verfahren ergangenen Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2012 und 2013.
Die Begründung der Einkommensteuerbescheide vom lautet wie folgt:
" (…)
Beim Geschäftsführer stellt eine Fahrzeugüberlassung einen Sachverzug im Rahmen der Einkünfte gemäß § 22 Z 2 EStG 1988 dar."
Aufgrund der im Zuge der Wiederaufnahmebescheide erlassenen neuen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 und 2013 kam es zu einer Nachforderung an Einkommensteuer für das Jahr 2012 in Höhe von EUR 5.751,00 sowie zu einer Nachforderung an Einkommensteuer für das Jahr 2013 in Höhe von EUR 6.768,00 und sind diese Nachforderungsbeträge allein auf den Wiederaufnahmegrund zurückzuführen.
Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellung in Bezug auf die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2012 und 2013 sowie die Festsetzung der Einkommensteuer hinsichtlich der Jahre 2012 und 2013 wurden aufgrund des Steueraktes der beschwerdeführenden Partei sowie den vorgelegten Einkommensteuer- und Wiederaufnahmebescheide getroffen.
Die Feststellungen in Bezug auf die Beteiligung der beschwerdeführenden Partei an der ***GmbH***, ihre Stellung als Geschäftsführer, die Fahrzeuge der Gesellschaft, die Nutzung der Fahrzeuge durch die beschwerdeführende Partei, die fehlende Führung eines Fahrtenbuches sowie die Durchführung einer Außenprüfung bei der Gesellschaft basieren auf dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom und den damit in Einklang stehenden Ausführungen der beschwerdeführenden Partei in der Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom .
Die Feststellungen betreffend das Haftungsverfahren haben ihre Grundlage im vorgelegten Haftungsbescheid vom , der Beschwerde vom gegen diesen Bescheid sowie der Beschwerdevorentscheidung vom hinsichtlich der Beschwerde vom . Insbesondere geht aus dem vorgelegten Haftungsbescheid und der Beschwerdevorentscheidung aufgrund der Anführung der Abgabenkontonummer der ***GmbH*** und der Teambezeichnung "Abgabensicherung" eindeutig hervor, dass das Haftungsverfahren vom Team Abgabensicherung des Finanzamtes Braunau Ried Schärding unter der Abgabenkontonummer der ***GmbH*** geführt wurde.
Die Feststellung, dass sowohl die Außenprüfung bei der ***GmbH***, als auch das Veranlagungsverfahren und Wiederaufnahmeverfahren betreffend die Einkommensteuer der beschwerdeführenden Partei für die Jahre 2012 und 2013 durch das Team BV23 des Finanzamtes Braunau Ried Schärding durchgeführt wurde, ergibt sich aus der entsprechenden Anführung der Teambezeichnung im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom sowie in den Einkommensteuer- und Wiederaufnahmebescheide.
Die Sachverhaltsfeststellung, dass die abgabenfestsetzende Stelle erstmalig mit Eingang der Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom in den Verfahren betreffend die Einkommensteuer der beschwerdeführenden Partei für die Jahre 2012 und 2013 Kenntnis von der Nutzung von Fahrzeugen der ***GmbH*** durch die beschwerdeführende Partei erlangte, basiert auf der Auskunft der Abgabenbehörde vom , der Glauben geschenkt wird. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Angabe der Abgabenbehörde hinsichtlich die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens zur Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2013 zum Nachteil gereicht.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. und II. (Aufhebung und Abweisung)
Gem. § 303 Abs. 1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entscheiden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (Ritz/Koran, BAO7, § 303, Rz. 21).
In Bezug auf das Erfordernis des Neuhervorkommens judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass das Neuhervorkommen nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen ist, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können. Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismittel bezieht sich damit auf den Wissensstand des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren (). Unter abgabenfestsetzende Stelle ist das jeweilig zuständige Betriebsveranlagungsteam zu verstehen ().
Die Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen in einem anderen Verfahren oder in einem Verfahren eines anderen Steuerpflichtigen steht einer Wiederaufnahme nicht entgegen (); vom , 2011/15/0106).
Nach § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Sache in einem Beschwerdeverfahren betreffend die Verfügung einer Wiederaufnahme ist durch den Tatsachenkomplex begrenz, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde. Dem Bundesfinanzgericht obliegt somit nur die Prüfung, ob das Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wiederaufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründe zulässig gewesen wäre ().
Die Ergänzung einer mangelhaften Begründung stellt kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar ().
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ergibt sich für den beschwerdegegenständlichen Fall Folgendes.
Zur Wiederaufnahme 2012
Insoweit von Seiten der beschwerdeführenden Partei moniert wird, die Abgabenbehörde habe es unterlassen, im bekämpften Wiederaufnahmebescheid sowie in der Beschwerdevorentscheidung die konkreten neuhervorgekommenen Tatsachen zu benennen, ist dem entgegenzuhalten, dass im streitgegenständlichen Wiederaufnahmebescheid vom hinsichtlich der neu hervorgekommenen Tatsachen auf die Begründung des in diesem Zusammenhang ergangenen Einkommensteuerbescheids für das Jahre 2012 vom verwiesen wurden. In der Begründung dieses Einkommensteuerbescheids findet sich sodann der Satz, dass eine Fahrzeugüberlassung bei einem Geschäftsführer einen Sachbezug im Rahmen der Einkünfte gemäß § 22 Z 2 EStG 1988 darstellt. Hiermit hat das Finanzamt, wenn auch im Vergleich zu den Ausführungen im Bericht über die Außenprüfung vom betreffend die ***GmbH*** in einer verkürzten Art und Weise, zum Ausdruck gebracht, dass der Wiederaufnahmegrund im Tatsachenkomplex der Überlassung von Fahrzeugen an die beschwerdeführende Partei als Geschäftsführer zu finden ist. Diese Begründung wurde sodann mit der Beschwerdevorentscheidung vom unter Verweis auf die bei der ***GmbH*** stattgefundene Außenprüfung dahingehend ergänzt, dass die beschwerdeführende Partei als wesentlich beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer mehrere arbeitgebereigene Fahrzeuge auch privat genutzt hat und keine Fahrtenbücher geführt wurden. Es steht somit außer Zweifel, dass von der Abgabenbehörde zur Begründung der Wiederaufnahme die Verwendung der Fahrzeuge BMW X5 xDrive 35 d E70 und BMW X6 M50d E71 der ***GmbH*** durch die beschwerdeführende Partei für private Fahrten ohne Führung von Fahrtenbüchern herangezogen und dieser Grund im bekämpften Bescheid in Gesamtschau mit der Beschwerdevorentscheidung ausreichend bezeichnet wurde.
Aber auch die Argumentation der beschwerdeführenden Partei, die abgabenfestsetzende Stelle habe infolge der Außenprüfung bei der ***GmbH*** bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides vom Kenntnis von der Fahrzeugnutzung durch die beschwerdeführende Partei gehabt und liege infolgedessen keine neu hervorgekommene Tatsache vor, vermag der Beschwerde in Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2012 nicht zum Erfolg verhelfen. Wie aus der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hervorgeht, ist das Neuhervorkommen von Tatsachen stets aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen und steht es einer Wiederaufnahme eines Verfahrens bei einem Steuerpflichtigen nicht entgegen, wenn die für die Wiederaufnahme maßgeblichen Tatsachen in einem Verfahren eines anderen Steuerpflichtigen bereits bekannt waren. Folglich ist das Neuhervorkommen der für die Wiederaufnahme maßgeblichen Tatsache, dass die beschwerdeführende Partei Fahrzeuge der ***GmbH*** für private Fahrten genutzt hat und keine Fahrtenbücher geführt wurden, aus der Sicht des Einkommensteuerverfahrens der beschwerdeführenden Partei für das Jahr 2012 zu beurteilen und kommt hierbei einer allfälligen Kenntnis des Teams BV23 als abgabenfestsetzenden Stelle von diesen Umständen in Verfahren betreffend die ***GmbH*** keine Relevanz zu.
Hinsichtlich des Wissensstandes des Team BV23 als abgabenfestsetzende Stelle in Bezug auf das Einkommensteuerverfahren für das Jahr 2012 gilt es sodann auszuführen, dass das Team BV23 im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2012 vom mangels entsprechender Offenlegung im Rahmen der Steuererklärung keine Kenntnis von dem Umstand der Nutzung von Fahrzeugen der ***GmbH*** durch die beschwerdeführende Partei für Privatfahrten hatte und daher im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht zu der im Zusammenhang mit der verfügten Wiederaufnahme ergangenen Entscheidung gelangen konnte. Erst durch die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei vom gegen den Haftungsbescheid vom erlangte das Team BV23 aus der Sicht des Einkommensteuerverfahrens 2012 vom Tatsachenkomplex der Nutzung der Fahrzeuge durch die beschwerdeführende Partei erstmals Kenntnis und ist somit ebendieser Umstand für das Team BV23 als abgabenfestsetzende Stelle aus der Sicht des Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 2012 als neu hervorgekommen zu beurteilen, da der Zeitpunkt der Kenntniserlangung zeitlich der Erlassung des Einkommensteuerbescheides vom nachgelagert ist.
Ebenso wenig vermag das Vorbringen, dass der Haftungsbescheid vom vom Team BV23 ausgestellt worden sei und bereits in diesem Verfahren alle relevanten Sachverhaltselemente vorgelegen seien, eine Kenntnis des Teams BV23 als abgabenfestsetzende Stelle von den für die Wiederaufnahme maßgeblichen Umständen im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2012 vom aufzuzeigen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Haftungsbescheid zeitlich nach dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 erlassen wurde.
Zum anderen handelt es sich bei einem Haftungsverfahren um ein anderes Verfahren als jenes zur Festsetzung der Einkommensteuer und wurde darüber hinaus das Haftungsverfahren entgegen den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei durch das Team Abgabensicherung und nicht durch das Team BV23 geführt. Dies hat zur Folge, dass selbst eine allfällige Kenntnis des Teams Abgabensicherung von den für die Wiederaufnahme maßgebenden Umständen im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2012 vom der mit beschwerdegegenständlichen Bescheid verfügten Wiederaufnahme nicht schädlich ist, da nach der zitierten Rechtsprechung ausschließlich der Wissensstand der abgabenfestsetzenden Stelle im jeweiligen Verfahren maßgeblich bei der Beurteilung des Neuhervorkommens von Tatschen ist und handelt es sich weder beim Team Abgabensicherung in Bezug auf die Einkommensteuer der beschwerdeführenden Partei für das Jahr 2012 um die abgabenfestsetzende Stelle, noch liegt zwischen dem Haftungs- und dem Einkommensteuerfestsetzungsverfahren Verfahrensidentität vor.
Dass diese für die Wiederaufnahme maßgeblichen Umstände geeignet waren, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen, ergibt sich offenkundig aus dem in Zusammenhang mit dem gegenständlich bekämpften Wiederaufnahmebescheid vom ergangenen neuen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012, der allein aufgrund des neuhervorgekommenen Sachverhaltskomplex eine Nachforderung in Höhe von EUR 5.751,00 zur Auswirkung hatte.
Abschließend gilt es noch auszuführen, dass im gegenständlichen Fall im Rahmen der Ermessensüberlegungen keine Umstände vorliegen, die gegen eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2012 sprechen. Erst durch die mit verfahrensgegenständlichen Bescheid verfügte Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens konnte ein insgesamt rechtsrichtiges Ergebnis herbeigeführt werden und ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen (Ritz/Koran, BAO7, § 303, Rz. 67).
Zudem kann angesichts einer Nachforderung in Höhe von EUR 5.751,00 aufgrund der für die Wiederaufnahme maßgeblichen Umstände nicht von einer bloß geringfügigen Auswirkung der Wiederaufnahmegründe gesprochen werde, hat doch der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass schon eine Steuererhöhung in Höhe von EUR 1.010,15 weder absolut noch relativ als geringfügig anzusehen ist ().
Obendrein ist angesichts der Tatsache, dass die Abgabennachforderung einzig auf die Wiederaufnahmegründe zurückzuführen ist, ein Missverhältnis zwischen der Bedeutung des Wiederaufnahmegrundes und der voraussichtlichen Wirkung der Wiederaufnahme ausgeschlossen ().
In Anbetracht der vorherigen Ausführung zeigt sich, dass die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides vom über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2012 aufzuzeigen vermochte und die Verfügung der Wiederaufnahme im Rahmen des Ermessens vorzunehmen war. Infolgedessen war die Beschwerde diesen Bescheid betreffend als unbegründet abzuweisen.
Zur Wiederaufnahme 2013
Anders gestaltet sich die Situation in Bezug auf die Verfügung der Wiederaufnahme betreffend das Verfahren zur Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2013 durch den diesbezüglichen beschwerdegegenständlichen Bescheid vom . Wie aus dem Sachverhalt hervorgeht, erlangte das Team BV23 des Finanzamtes Braunau Ried Schärding als abgabenfestsetzende Stelle erstmals mit der Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom Kenntnis von den für die Wiederaufnahme maßgeblichen Umständen. Da dieser Zeitpunkt zeitlich vor der Erlassung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2013 vom liegt, kann in Bezug auf die Nutzung von Fahrzeugen der ***GmbH*** durch die beschwerdeführende Partei für Privatfahrten nicht von für die abgabenfestsetzende Stelle neu hervorgekommen Tatsachen gesprochen werden, sondern hatte diese vielmehr bereits im Zeitpunkt der Erlassung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2013 vom Kenntnis von ebendiesen Umständen. Den von Seiten der Abgabenbehörde für die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2013 angeführten Gründen mangelt es somit an der Voraussetzung des Neuhervorkommens und war daher der Beschwerde insoweit stattzugeben, als der Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2013 ersatzlos aufzuheben war.
Zu Spruchpunkt III. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Revision ist nicht zulässig, da die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen durch den Verwaltungsgerichtshof in den zitierten Entscheidungen einer Klärung zugeführt wurden und wich das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Erkenntnis von der zitierten Judikatur nicht ab.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5101023.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at