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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 28.07.2023, RV/5101589/2018

Beschwerdevorlage betreffend die Sachbescheide, obwohl betreffend die Wiederaufnahmebescheide noch keine Beschwerdevorentscheidung ergangen ist

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, ***2***, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** (jetzt Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 2008 bis 2010 und die Festsetzung der Einkommensteuer 2008 bis 2010, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

1. Die Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2010 werden aufgehoben.

2. Der Vorlageantrag vom betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2010 wird als unzulässig (geworden) zurückgewiesen.

3. Es wird festgestellt, dass das Bundesfinanzgericht (derzeit) für die Erledigung der Beschwerde vom gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 2008 bis 2010 und die Festsetzung der Einkommensteuer 2008 bis 2010 vom nicht zuständig ist. Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird eingestellt.

4. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Am hat die belangte Behörde die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 2008 bis 2010 und die Bescheide über die Festsetzung der Einkommensteuer 2008 bis 2010 erlassen.

2. Am wurde Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide und gegen die Sachbescheide erhoben.

3. Mit den Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2008 bis 2010 als unbegründet abgewiesen.

4. Dagegen wurde mit Anbringen vom ein Vorlageantrag eingebracht.

5. Von der belangten Behörde wurde am die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den vorgelegten Akten des Finanzamtes.

Rechtslage

Gemäß § 262 Abs 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen. In den in den Absätzen 2 bis 4 genannten Fällen (welche im Beschwerdefall nicht vorliegen) hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

§§ 265 und 266 BAO (samt Überschrift) lauten:
"11. Vorlage der Beschwerde und der Akten

§ 265. (1) Die Abgabenbehörde hat die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

(2) Die Vorlage der Bescheidbeschwerde hat jedenfalls auch die Vorlage von Ablichtungen (Ausdrucken) des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung, des Vorlageantrages und von Beitrittserklärungen zu umfassen.

(3) Der Vorlagebericht hat insbesondere die Darstellung des Sachverhaltes, die Nennung der Beweismittel und eine Stellungnahme der Abgabenbehörde zu enthalten.

(4) Die Abgabenbehörde hat die Parteien (§ 78) vom Zeitpunkt der Vorlage an das Verwaltungsgericht unter Anschluss einer Ausfertigung des Vorlageberichtes zu verständigen.

(5) Partei im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht ist auch die Abgabenbehörde, deren Bescheid mit Bescheidbeschwerde angefochten ist.

(6) Die Abgabenbehörde ist ab der Vorlage der Bescheidbeschwerde verpflichtet, das Verwaltungsgericht über Änderungen aller für die Entscheidung über die Beschwerde bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse unverzüglich zu verständigen. Diese Pflicht besteht ab Verständigung (Abs. 4) auch für den Beschwerdeführer.

§ 266. (1) Die Abgabenbehörde hat, soweit nicht anderes angeordnet ist, gleichzeitig mit der Vorlage der Bescheidbeschwerde die Akten (samt Aktenverzeichnis) vorzulegen. Die Abgabenbehörde hat den Parteien (§ 78) eine Ausfertigung des Aktenverzeichnisses zu übermitteln.

(2) Mit Zustimmung des Verwaltungsgerichtes darf die Übermittlung der Beschwerde (§ 265) und die Aktenvorlage (Abs. 1) in Form von Ablichtungen erfolgen.

(3) Soweit Akten oder Beweismittel nur auf Datenträgern vorliegen, sind auf Verlangen des Verwaltungsgerichtes ohne Hilfsmittel lesbare, dauerhafte Wiedergaben von der Abgabenbehörde bzw. von der Partei (§ 78) beizubringen.

(4) Soweit die Abgabenbehörde die Vorlage von Akten (Abs. 1 bzw. bezüglich Maßnahmenbeschwerden oder Säumnisbeschwerden auf Verlangen des Verwaltungsgerichtes) unterlässt, kann das Verwaltungsgericht nach erfolgloser Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Nachfrist auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen."

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FVwGG 2012 (2007 BlgNR 24. GP 18) wird u.a. ausgeführt, § 265 Abs 2 und 3 BAO "soll den Verwaltungsgerichten den Überblick über die strittigen Sach- und Rechtsfragen erleichtern".

Rechtliche Beurteilung

Der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes unterliegt die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde.

Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde. Der Vorlagebericht dient hingegen - wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht - bloß dazu, um den Verwaltungsgerichten den Überblick zu erleichtern. Der Vorlagebericht (für sich) ist nicht als Antrag der Abgabenbehörde als Partei im Beschwerdeverfahren (§ 265 Abs 5 BAO) zu beurteilen, der gemäß § 291 Abs 1 BAO der Entscheidungspflicht unterliegen würde.

Auch ist es nicht der Vorlagebericht, der den Lauf der Entscheidungsfrist auslöst; die Entscheidungsfrist beginnt vielmehr mit der Vorlage der Beschwerde. Dass eine Mangelhaftigkeit des Vorlageberichts Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Entscheidung in der Sache oder auf den Beginn des Laufes der Entscheidungsfrist hätte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Dem Bundesfinanzgericht wurde eine Beschwerde vom vorgelegt, welche sich sowohl gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 2008 bis 2010, als auch gegen die Festsetzung der Einkommensteuer 2008 bis 2010 richtet.

Die belangte Behörde hat mit den Beschwerdevorentscheidungen betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2010 vom nicht auch über die Bescheide gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2010 entschieden und hat auch keine gesonderten Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren erlassen.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidungen wurde rechtzeitig der Vorlageantrag vom eingebracht.

Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Sachentscheidung haben jeweils für sich Bescheidqualität und jeder dieser Bescheide ist für sich einer Beschwerde zugänglich und für sich rechtskraftfähig ().

Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Beschwerde bekämpft, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden. Wird das Rechtsmittel gegen den Wiederaufnahmebescheid - wie im gegenständlichen Fall - unerledigt gelassen und vorerst über die Beschwerde gegen den neuen Sachbescheid abgesprochen, ist die Entscheidung der Rechtsmittelbehörde inhaltlich rechtswidrig ().

Da die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2010 bisher nicht mit Beschwerdevorentscheidung erledigt wurde und keiner der Fälle des § 262 Abs. 2, 3 oder 4 BAO vorliegt, kommt auch eine Entscheidung des Gerichts über die Beschwerde gegen die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheide nicht in Betracht (vgl. ; ).

Somit steht das Bundesfinanzgericht vor der Situation, dass über die Einkommensteuer 2008 bis 2010 gar nicht rechtmäßig entschieden werden könnte, weil die die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme der Verfahren noch unerledigt ist.
Andererseits kann das Bundesfinanzgericht nicht über die Wiederaufnahme des Verfahrens entscheiden, weil dazu (noch) keine Zuständigkeit besteht. Somit ist das Bundesfinanzgericht (noch) nicht zuständig für die Erledigung der Beschwerde vom gegen die Einkommensteuerbescheide für 2008 bis 2010.

Im Fall einer Vorlage gemäß § 265 Abs. 1 BAO, die entgegen der in § 265 Abs. 1 genannten Voraussetzung des Vorliegens einer Beschwerde (§ 243 BAO) oder trotz rechtswidriger Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) erfolgt, ist es im Interesse der Rechtssicherheit für Parteien (§ 78 BAO) und Behörden geboten, mittels förmlicher (gemäß § 25a Abs. 3 VwGG und § 88a Abs. 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbarer) Zurückweisung der Vorlage (§ 265 Abs. 1 BAO) vorzugehen ().

Zudem ist es geboten, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, der durch die Erlassung der Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2010 entstanden ist, ohne dass vorher über das Rechtsmittel gegen die diesbezüglichen Wiederaufnahmebescheide entschieden wurde. Dies ist nur durch Aufhebung der Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2010 möglich.

Auch dies ist ein verfahrensleitender Beschluss, der gemäß § 25a Abs. 3 VwGG und § 88a Abs. 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbar ist, da dadurch das Rechtsmittelverfahren nicht abschließend erledigt wird, sondern lediglich der belangten Behörde ermöglicht wird, rechtmäßig das Rechtsmittelverfahren weiterzuführen.

Daraus ergibt sich aber auch die Unzulässigkeit des Vorlageantrages vom . Die Befugnis zur Stellung eines Vorlageantrags setzt eine Beschwerdevorentscheidung voraus (; ).

Wird bei einer wirksam eingebrachten Bescheidbeschwerde die Beschwerdevorentscheidung aufgehoben, fällt diese Befugnis weg. Der Vorlageantrag ist dann mit verfahrensleitenden Beschluss zurückzuweisen, der gemäß § 25a Abs. 3 VwGG und § 88a Abs. 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbar ist, da dadurch das Rechtsmittelverfahren nicht abschließend erledigt wird, zumal die Beschwerde vom weiterhin im vollem Umfang anhängig bleibt ().

Gemäß § 274 Abs 3 Z 1 lit a iVm Abs 5 BAO kann im Falle der Zurückweisung des Vorlageantrages von einer beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Angesichts der unstrittigen Sachlage ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zweckmäßig.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dieses Erkenntnis folgt der zitierten einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 265 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5101589.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at