Hinterbliebenenunterstützung/Ablebensversicherung durch Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer beim Empfänger als Einkünfte aus selbständiger Arbeit steuerpflichtig. Keine Anwendung des Hälftesteuersatzes gem. § 37 EStG Teilverlust von übermittelten Unterlagen am Finanzamt? Äußerst außergewöhnlicher, in seiner Entstehung und seinem Verlauf gänzlich unüblicher Sachverhalt Wiederaufnahme/Verjährung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch HPS Hergovits, Pinkel & Schnabl Steuerberatungs GmbH, Triesterstraße 14, 2351 Wiener Neudorf, vom , gegen die Bescheide des vormaligen Finanzamtes Baden Mödling, nunmehr Finanzamt Österreich, vom , betreffend Einkommensteuer 2012 und Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2012, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (in Folge: BF) brachte am elektronisch durch ihren steuerlichen Vertreter ihre Einkommensteuerklärung 2012 ein. Neben ihren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit erklärte sie (im Formular E 1 a) Betriebseinnahmen aus selbstständiger Arbeit in Höhe von EUR 9.516,51.
Am wurde die BF antragsgemäß veranlagt.
Dieselbe Erklärung wurde am postalisch am Finanzamt Baden Mödling eingebracht. Im übermittelten Konvolut befanden sich folgende Beilagen:
- E1-Erklärung (8 Seiten)
- L1-k- Erklärung ((Beilage zur Erklärung zur Arbeitnehmerinnenveranlagung (L 1) oder Einkommensteuererklärung (E 1) für 2012)) (2 Seiten)
- E-1a-Erklärung ((Beilage zur Einkommensteuererklärung E 1 für Einzelunternehmerinnen/Einzelunternehmer (betriebliche Einkünfte) für 2012)) (4 Seiten)
- Beilage (2 Seiten):
-inkl. Rückseite:
Durch eine Mitteilung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer Niederösterreich wurde bekannt, dass die BF im Jahr 2012 nach ihrem verstorbenen Gatten Dr. ***Gatte*** eine Hinterbliebenenunterstützung in Höhe von EUR 28.549,52 erhalten und diese Leistung nicht in ihrer Einkommensteuererklärung 2012 aufgenommen hatte. Dieser Sachverhalt wurde der BF mittels Vorhalt am zur Kenntnis gebracht. Darin wurde ergänzend festgehalten, dass gemäß § 29 Abs. 3 FinStrG eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich sei, da die Tat hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale bereits entdeckt sei.
Am erstatte die BF über ihren steuerlichen Vertreter folgende Vorhaltsbeantwortung:
"Gemäß § 22 Z 4 EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit sie nicht unter § 25 fallen, Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Der in Ihrem Schreiben erwähnte Auszahlungsbetrag einer zu Gunsten des verstorbenen Dr. ***Gatte*** abgeschlossenen Ablebensversicherung in Höhe von EUR 28.549,52 fällt unseres Erachtens nicht unter diese Bestimmung, da es sich um eine Versicherungsleistung und nicht um die Leistung aus einer Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung einer Kammer der selbständig Erwerbstätigen handelt. Da Auszahlungen aus Ablebensversicherung auch keinem anderen Steuertatbestand des EStG unterliegen, wurde die Einkommensteuererklärung 2012 unserer Klientin ordnungsgemäß eingereicht.
Diese Rechtsansicht vertritt im Übrigen auch die Ärztekammer NÖ. In der Beilage finden Sie die Kopie der am per Einschreiben in Papierform an das Finanzamt Baden Mödling übermittelten Steuererklärung 2012 unserer Klientin. In der Anlage zu dieser Steuererklärung findet sich unter anderem der Bescheid über die Gewährung der Hinterbliebenenunterstützung vom des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich, der nur den Teilbetrag von EUR 5.516,51, nicht aber auch die Auszahlung aus der Ablebensversicherung in Höhe von EUR 28.549,52 als erklärungspflichtig qualifiziert."
Nach erfolgter Vorhaltsbeantwortung wurde am das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2012 durch die belangte Behörde wiederaufgenommen und der Betrag in Höhe von EUR 28.549,51 veranlagt. Dies führte zu einer Nachforderung an Einkommensteuer in der Höhe von EUR 11.492,00. In der Bescheidbegründung hieß es:
"Die von der Ärztekammer ausbezahlte Hinterbliebenenunterstützung ist unabhängig von der Gestaltung des jeweiligen Sachverhaltes immer nach § 22 Z 4 iVm § 32 Z 2 EStG als Einkünfte aus selbständiger Arbeit beim Rechtsnachfolger zu versteuern. Daher wird unter der KZ 320 zusätzlich der Ihnen zugeflossene Betrag nach Dr. ***Gatte*** in Höhe von € 28.549,52 berücksichtigt. Die Rechtsansicht, dass die Hinterbliebenenunterstützung als Ablebensversicherung nicht der Steuerpflicht unterliegt, ist aufgrund der gesetzlich normierten Steuerpflicht in § 32 Z 2 EStG nicht vertretbar. Pauschale Betriebsausgaben können bei Einkünften aus dem Wohlfahrtsfonds nicht abgezogen werden, da § 17 Abs 1 EStG auf Umsätze iSd § 125 BAO verweist. Bemessungsgrundlage für den Pauschalierungssatz sind nur diese Umsätze und nicht daneben anzusetzende Betriebseinnahmen. Der Vorhalt vom gilt als Verlängerungshandlung iSd § 209 BAO, daher ist Verjährung noch nicht eingetreten".
Dagegen richtete sich die fristgerechte Beschwerde vom , eingelangt am :
"[…] Der gegenständliche Wiederaufnahmebescheid beruft sich gemäß § 303 (1) BAO auf neu hervorgekommene Tatsachen und Beweise, welche im Einkommensteuerbescheid 2012 vom näher erläutert werden. Diesen Ausführungen zufolge erlangte das Finanzamt Baden Mödling von einer von der Ärztekammer ausbezahlten Hinterbliebenenunterstützung in Höhe von EUR 28.549,52, welche in der Steuererklärung 2012 als nicht steuerpflichtige Ablebensversicherungsleistung beurteilt wurde, erst nach Erlass des ursprünglichen (ersten) Einkommensteuerbescheides 2012 vom Kenntnis.
Dem ist wie folgt zu entgegnen: Dem Finanzamt Baden Mödling wurde eine Kopie der Steuererklärung 2012 in Papierform übermittelt, in welcher auch der Bescheid des Wohlfahrtsausschusses der Ärztekammer für Niederösterreich für die Auszahlung der Hinterbliebenenunterstützung beigelegt war (anbei nochmals eine Kopie). In diesem Bescheid wurde erläutert, dass nur der Teilbetrag von EUR 5.516,51, nicht aber auch die Auszahlung aus der Ablebensversicherung in Höhe von EUR 28.549,52 steuerpflichtig ist. Entsprechendes ergab sich auch aus der der Steuererklärung 2012 beiliegenden Aufgliederung der zu versteuernden Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Somit war der Abgabenbehörde in diesem Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen "Entscheidung, gelangen hätte können (vgl. Ritz, BAO, § 303, Rz 24). Die Wiederaufnahme ist somit rechtswidrig.
Wir stellen dementsprechend den Beschwerdeantrag, den angefochtenen Wiederaufnahmebescheid vom ersatzlos aufzuheben, damit der alte Einkommensteuerbescheid 2012 vom wieder auflebt und seine Wirkung entfaltet.
In eventu stellen wir den Beschwerdeantrag, den Einkommensteuerbescheid 2012 vom dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 37 (1) EStG mit dem Hälftesteuersätz besteuert werden, da diese Einkünfte aus der Rechtsnachfolge eines im Jahr 2012 aufgegebenen Betriebes laut § 24 (1) EStG resultieren.
Des Weiteren stellen wir die Anträge,
1. auf Entscheidung durch den gesamten Senat gem. § 272 (2) Z 1 BAO sowie
2. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gern. § 274 (1) Z 1 BAO."
Der Beschwerde beigelegt waren neben den ESt-Erklärungen noch folgende Bescheide:
[...]
Am wies die belangte Behörde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) ab:
"[…] Die Erklärung zur Einkommensteuer 2012 wurde am elektronisch eingebracht und der Bescheid einen Tag später am erlassen. Am langte die Einkommensteuererklärung 2012 in Papierform beim Finanzamt ein. Folgende Formulare wurden in Papierform übermittelt: Formular E1, Formular L1k, Formular E1a, Einnahmen -Ausgabenrechnung. Aus dem Formular E1 ist ersichtlich, dass unter der KZ 320 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von € 7.285,84 erklärt wurden. Aus dem Formular E1a ist ersichtlich, dass es sich um Einkünfte aus selbständiger Arbeit handelt, unter der KZ 9040 wurde ein Betrag in Höhe von € 9.516,51 angeführt und bei der KZ 9230 pauschale Aufwendungen in Höhe von € 1.141,98 und der Grundfreibetrag in Höhe von 1.088,69 geltend gemacht, woraus sich ein Gewinn in Höhe von € 7.285,84 ergibt.
Die übermittele Einnahmen - Ausgabenrechnung betreffend die Einkünfte aus selbständiger Arbeit 2012 stellt sich wie folgt dar: […]
Aus dieser Aufstellung ist offensichtlich, dass die Beschwerdeführerin Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer, konkret Hinterbliebenenunterstützung in Höhe von € 5.516,51 und Bestattungsbeihilfe in Höhe von € 4.000,00 erhalten hat. Aus dieser Aufstellung ist jedoch keineswegs ersichtlich, dass über diese Leistungen hinaus, noch weitere Zahlungen des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer geleistet wurden. Weiters ist anzuführen, dass die Bescheide des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer, welche sich im Anhang der Beschwerde befinden, nicht bei den in Papierform übermittelten Unterlagen enthalten waren.
Somit steht fest, dass das Finanzamt im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides zwar von Leistungen der Ärztekammer in Höhe von € 9.516,51 wusste, nicht jedoch über die Auszahlung der Ablebensversicherung in Höhe von € 28.549,52. Die Mitteilung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer über die Zahlung der Ablebensversicherung stellte für das Finanzamt Baden Mödling eine neu hervorgekommene Tatsache dar, welche eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 BAO rechtfertigt.
[...]
Die belangte Behörde legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor und beantragte im Vorlagebericht die Abweisung des Rechtsmittels.
Durch den Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde der gegenständliche Fall der unbesetzten Gerichtsabteilung 1091 abgenommen und zum Stichtag der Gerichtsabteilung 1078 neu zugeteilt. Die Abteilung 1078 wurde mit neu besetzt.
Mit Eingabe vom (Faxeingang am ) zog die BF den Antrag auf mündliche Senatsverhandlung zurück.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die BF ist die Witwe nach dem am ***Datum***.2012 verstorbenen Ehegatte Dr. ***Gatte***. Dieser war Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich (WFF) und Empfänger einer Versorgungsleistung. Er entrichtete an den Wohlfahrtsfonds (WFF) entsprechende Pflichtbeiträge.
Die BF beantragte und erhielt für das Jahr 2012 nach ihrem verstorbenen Ehemann folgende Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich:
Hinterbliebenenunterstützung gem. § 38 Abs. 1 lit a Satzung WFF € 5.516,61
Ablebensversicherung gem. § 38 Abs. 1 lit b Satzung WFF € 28.549,52
Bestattungsbeihilfe gem. § 37 Abs. 1 und 2 Satzung WFF € 4.000,00
Die Hinterbliebenenunterstützung und die Ablebensversicherung wurden der BF mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des WFF vom antragsgemäß zugesprochen.
Die Bestattungsbeihilfe wurde ihr mit Bescheid vom aufgrund ihres Antrages vom gewährt.
Die BF brachte am elektronisch durch ihren steuerlichen Vertreter ihre Einkommensteuerklärung 2012 ein.
Am wurde die BF antragsgemäß veranlagt.
Eine Erklärungskopie wurde postalisch am eingebracht. Im übermittelten Konvolut befanden sich folgende Beilagen:
- E1-Erklärung (8 Seiten)
- L1-k- Erklärung ((Beilage zur Erklärung zur Arbeitnehmerinnenveranlagung (L 1) oder Einkommensteuererklärung (E 1) für 2012)) (2 Seiten)
- E-1a-Erklärung ((Beilage zur Einkommensteuererklärung E 1 für Einzelunternehmerinnen/Einzelunternehmer (betriebliche Einkünfte) für 2012)) (4 Seiten)
- Beilage (2 Seiten): Aufstellung Einkünfte aus selbstständiger Arbeit inkl. Rückseite
Die Hinterbliebenenunterstützung sowie die Bestattungsbeihilfe wurden im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2012 offengelegt und der Besteuerung unterzogen.
Die Bescheide des WFF der Ärztekammer Niederösterreich vom und waren der Einkommensteuererklärung 2012 weder beigelegt noch wurde die Leistung aus der Ablebensversicherung offengelegt.
Durch eine Mitteilung des WFF der Ärztekammer Niederösterreich im Jahr 2018 wurde dem Finanzamt bekannt, dass die BF im Jahr 2012 eine Ablebensversicherung in Höhe von EUR 28.549,52 nach ihrem verstorbenen Gatten bezogen hat.
Die Leistung aus der Ablebensversicherung wurden vom Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer Niederösterreich als nicht einkommensteuerpflichtig angesehen.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die vorgelegten Verwaltungsakte sowie das Vorbringen der BF und die von ihr vorgelegten Unterlagen.
Strittig sind einerseits die steuerrechtliche Qualifikation der Leistung aus der Ablebensversicherung und andererseits, ob die BF die Leistung aus der Ablebensversicherung durch Mitübermittlung der Bescheide des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer Niederösterreich im Jahr 2013 dem Finanzamt offengelegt hat.
Fest steht, dass die Einkünfte in Höhe von EUR 28.549,52 aus der Ablebensversicherung weder in der elektronisch übermittelten Steuererklärung angeführt wurden, noch in der selbst erstellten Aufstellung der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit angeführt waren. Diese Tatsache ist unstrittig, ging ja die BF aufgrund des Schreibens des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer NÖ (s. Bescheid vom , Seite 2, Hinweis) davon aus, dass diese Einkünfte nicht steuerpflichtig seien.
Dass die beiden Bescheide des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer im Rahmen der postalischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung 2012 nicht beigefügt waren, ergibt sich aus dem vorlegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Demnach haben folgende Dokumente das Finanzamt erreicht:
- E1-Erklärung (8 Seiten)
- L1-k- Erklärung ((Beilage zur Erklärung zur Arbeitnehmerinnenveranlagung (L 1) oder Einkommensteuererklärung (E 1) für 2012)) (2 Seiten)
- E-1a-Erklärung ((Beilage zur Einkommensteuererklärung E 1 für Einzelunternehmerinnen/Einzelunternehmer (betriebliche Einkünfte) für 2012)) (4 Seiten)
- Beilage (2 Seiten): Aufstellung Einkünfte aus selbstständiger Arbeit inkl. Rückseite
Die BF behauptet in ihrer Beschwerde, dem Finanzamt eine Kopie der Steuererklärung 2012 in Papierform übermittelt zu haben, in welcher auch der Bescheid des Wohlfahrtsausschusses der Ärztekammer für die Auszahlung der Hinterbliebenenunterstützung beigelegt war. Die Glaubhaftmachung hat den Nachweis der Wahrscheinlichkeit zum Gegenstand (vgl. ). Ein Sachverhalt ist glaubhaft gemacht, wenn die Umstände des Einzelfalles dafürsprechen, der vermutete Sachverhalt habe von allen anderen denkbaren Möglichkeiten die größte Wahrscheinlichkeit für sich (vgl. mwN). Eine Glaubhaftmachung setzt die schlüssige Behauptung der maßgeblichen Umstände durch den Abgabepflichtigen voraus (vgl. ). Für das BFG ist es im konkreten Fall nicht glaubhaft, dass die beiden Bescheide des Wohlfahrtsfonds tatsächlich mitübermittelt wurden, zumal die belangte Behörde diesen Umstand bei Kenntnis der Einkünfte steuerrechtlich von Beginn an anders subsumiert und folglich gleich im Jahr 2012 der Besteuerung unterzogen hätte und andererseits, sämtliche übermittelte Unterlagen eingescannt und im elektronischen Veranlagungsakt hochgeladen wurden. Dabei wurde sogar die letzte Seite, nämlich die Rückseite des Konvolutes eingescannt. Dass ausgerechnet vier, noch dazu thematisch zusammengehörende Seiten verloren gehen, erachtet das BFG als äußerst unwahrscheinlich. Anders wäre der Sachverhalt gelagert, wäre die gesamte Postsendung beim Finanzamt nicht angekommen; dies ist hier aber nicht der Fall. Dass die Bescheide am Finanzamt in Verlust geraten seien, stellt bei näherer Betrachtung im Lichte der Erfahrungen des täglichen Lebens (insbesondere in Ansehung der Tatsache, dass statistisch gesehen nur sehr wenige Dokumente verloren gehen) einen äußerst außergewöhnlichen, in seiner Entstehung und seinem Verlauf gänzlich unüblichen Sachverhalt dar (siehe dazu auch ). Denn es erscheint auch ein anderer Ereignisverlauf denkbar bzw. kann nicht von vornherein aus der Betrachtung möglicher Sachverhaltsverläufe ausgeschlossen werden, dass nämlich die in Rede stehenden Bescheide, aus welchem Grunde auch immer (aus Kanzleiversehen, wegen eines Missverständnisses oder aber infolge eines Arbeitsfehlers von Mitarbeitern, aus Schlampigkeit, aus Zufall oder sogar bewusst) der ESt-Erklärung 2012 gar nicht erst beigefügt worden sind. Die Behauptung, wonach sich die Einkünfte aus der Ablebensversicherung auch aus der der Steuererklärung 2012 beiliegenden Aufgliederung der zu versteuernden Einkünfte aus selbständiger Arbeit ergab (s. Beschwerde, S. 2 1. Satz) ist schlichtweg falsch, da sich in dieser Aufstellung genau kein Hinweis auf die EUR 28.549,52 aus der Ablebensversicherung ergibt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 303 Abs. 1 BAO lautet auszugsweise: Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn [...]
Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, [….]
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
§ 305 BAO: Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des nach § 307 Abs. 1 aufzuhebenden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.
§ 307 Abs. 1 BAO: Mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid ist unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 97/2002)
(3) Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des § 303 Abs. 1 lit. b BAO zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Normzweck des § 303 Abs. 1 BAO ist, ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren, dem besondere Mängel anhaften, aus der Welt zu schaffen und die Rechtskraft des konkreten Bescheides zu beseitigen.
Die Wiederaufnahme von Amts wegen ist nur aus den im Gesetz taxativ angeführten Wiederaufnahmegründen zulässig und im Falle des Vorliegens solcher Rechtsgründe ins behördliche Ermessen gestellt (vgl. "... ist zulässig ...").
Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens steht von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen gemäß § 305 Abs. 1 erster Satz BAO grundsätzlich der Abgabenbehörde zu, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
§ 307 Abs. 1 BAO normiert, dass mit dem die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden ist.
Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen durch das gemäß § 305 Abs. 1 BAO zuständige Finanzamt ist "Sache", über die das BFG zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt und danach dem gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand unterstellt hat (; ; ; ).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) reicht als Begründung für eine Wiederaufnahme von Amts wegen auch aus, wenn im Wiederaufnahmebescheid auf andere Dokumente (etwa auf die Begründung eines anderen Bescheides, eines zuordenbaren Schreibens oder auf Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung, die darüber aufgenommene Niederschrift und den Prüfbericht) verwiesen wird, sofern dem Bescheidadressaten des Wiederaufnahmebescheides der Inhalt des/der verwiesenen Dokumente(s) bekannt ist, und daraus die Wiederaufnahmegründe auch tatsächlich hervorgehen (; ; ; ; ; ; Ritz, BAO7 § 93 Rz. 15). Zulässig ist bspw. auch, sich in einer Begründung auf der Partei zugegangene Erledigungsentwürfe zu beziehen (; ebenso auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung, ). Im vorliegenden Fall verweist der angefochtene Wiederaufnahmebescheid vom auf den neu ergangenen Sachbescheid, ebenfalls erlassen am . Im (neuen) Einkommensteuerbescheid wird der BF umfangreich dargelegt, warum die Bezüge und Vorteile aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer unabhängig von der Gestaltung des jeweiligen Sachverhaltes nach § 22 Z 4 iVm § 32 Z 2 EStG als Einkünfte aus selbständiger Arbeit beim Rechtsnachfolger zu versteuern sind. Die Verweiskette des Wiederaufnahmebescheides auf den Sachbescheid ist demnach schlüssig und zulässig (vgl. , ).
Im vorliegenden Fall wurde die Erklärung zur Einkommensteuer 2012 am elektronisch eingebracht und der Bescheid am Tag darauf, , erlassen. Am langte die Einkommensteuererklärung 2012 in Papierform beim Finanzamt ein. Folgende Formulare wurden dabei mitübermittelt: Formular E1, Formular L1k, Formular E1a, Einnahmen -Ausgabenrechnung. Aus dem Formular E1 ist ersichtlich, dass unter der KZ 320 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von EUR 7.285,84 erklärt wurden. Aus dem Formular E1a ist ersichtlich, dass es sich um Einkünfte aus selbständiger Arbeit handelt, unter der KZ 9040 wurde ein Betrag in Höhe von EUR 9.516,51 angeführt und bei der KZ 9230 pauschale Aufwendungen in Höhe von EUR 1.141,98 und der Grundfreibetrag in Höhe von 1.088,69 geltend gemacht, woraus sich ein Gewinn in Höhe von EUR 7.285,84 ergibt.
Aus der übermittelten Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben ist offensichtlich, dass die BF Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer, konkret die Hinterbliebenenunterstützung in Höhe von EUR 5.516,51 und Bestattungsbeihilfe in Höhe von EUR 4.000,00 erhalten hat. Aus der Aufstellung ist jedoch keineswegs ersichtlich respektive angeführt, dass über diese Leistungen hinaus, noch weitere Zahlungen des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer geleistet wurden. Weiters wurde festgestellt, dass die Bescheide des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer, welche sich im Anhang der Beschwerde befinden, nicht bei den in Papierform übermittelten Unterlagen enthalten waren. Somit steht fest, dass das Finanzamt im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides zwar von Leistungen der Ärztekammer in Höhe von EUR 9.516,51 wusste, nicht jedoch über die Auszahlung der Ablebensversicherung in Höhe von EUR 28.549,52. Diese Information stellte für die belangte Behörde eine neu hervorgekommene Tatsache dar, welche eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO rechtfertigt.
Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der amtswegigen Wiederaufnahme handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Von zentraler Bedeutung für die Ermessensübung ist die Berücksichtigung des Zweckes der das Ermessen einräumenden Norm. Zweck des § 303 BAO ist es, eine neuerliche Bescheiderlassung dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Ziel ist daher immer ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis (, , B 2/96, ). Daher ist bei der Ermessensübung grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu geben. Für die Wiederaufnahme des Verfahrens spricht somit vor allem der Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung, wonach alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften gleichmäßig behandelt werden sollen. Bliebe im gegenständlichen Beschwerdefall der Erstbescheid in Rechtsbestand, so würden alle anderen Abgabepflichtigen, deren Sachverhalte von Beginn an richtig subsumiert wurden, gegenüber der BF benachteiligt werden.
Die Rechtmäßigkeit von Ermessensentscheidungen ist aber auch unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 20 BAO zu beurteilen. Entsprechend dieser Bestimmung sind Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei ist dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung "Angemessenheit" in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse insbesondere an der Einhebung der Abgaben beizumessen. Eine derartige Interessensabwägung verbietet bei Geringfügigkeit der neu hervorgekommenen Tatsachen die Verfügung der Wiederaufnahme, wobei die Geringfügigkeit an Hand der steuerlichen Auswirkungen der konkreten Wiederaufnahmegründe und nicht auf Grund der steuerlichen Gesamtauswirkung zu beurteilen ist. Im gegenständlichen Beschwerdefall führte der genannte Wiederaufnahmegrund zu einer Erfassung von Einkünften aus selbstständiger Arbeit in Höhe von EUR 28.549,52, sodass nicht von einer geringfügigen steuerlichen Auswirkung ausgegangen werden kann. Ein weiteres Argument für die Wiederaufnahme des Verfahrens liegt auch im allgemeinen öffentlichen Interesse an der Abgabeneinbringung. Die Nichterfassung der im Zeitpunkt des Erstbescheides unerklärt gebliebenen Einkünfte bewirkt einen nicht geringfügigen Ausfall von Steuereinnahmen, der von der Allgemeinheit zu Gunsten der BF zu tragen wäre.
Die belangte Behörde übte das ihr zustehende Ermessen, indem sie dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit Vorrang gegenüber dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einräumte. Da die steuerlichen Auswirkungen nicht geringfügig sind, verbietet eine Interessensabwägung den Gebrauch der Wiederaufnahme nicht. Auf Grund dieser Erwägungen ist es daher nicht als unbillig anzusehen, der Herstellung der Rechtsrichtigkeit gegenüber dem Prinzip der Rechtssicherheit den Vorrang einzuräumen. Im Lichte der VwGH-Rechtsprechung ist die Ermessensbegründung zwar knapp, aber nicht rechtswidrig. Die Wiederaufnahme ist auch unter diesem Aspekt zulässig.
Verjährung
§ 207 Abs. 1 und 2 BAO lauten:
(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.
§ 208 Abs. 1 BAO lautet:
Die Verjährung beginnt
a) in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird;
§ 209 Abs. 1 Satz 1 und 2 BAO bestimmen: "Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist."
Die - von Amts wegen zu prüfende - Verjährung der Einkommensteuer 2012 begann gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit dem Ablauf des Jahres, in welchem der Einkommensteueranspruch entstanden ist, d.h. gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 BAO mit Ablauf des Jahres 2012. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs. 2 BAO grundsätzlich fünf Jahre, was zunächst einen Ablauf der Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2017 bedeutet. Die Verjährungsfrist verlängert sich gemäß § 209 Abs. 1 BAO um jeweils ein Jahr durch folgende, nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches:
- (erster) Einkommensteuerbescheid für 2012 vom (Verlängerung auf )
- Vorhalt vom
Durch die beiden Verlängerungshandlungen beträgt die Verjährungsfrist im konkreten Fall zwei Jahre und endet daher am .
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2012 sowie der Wiederaufnahmebescheid vom sind demnach innerhalb der Verjährungsfrist und insofern rechtmäßig ergangen.
Ablebensversicherung
Gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 lit b EStG 1988 sind Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen Betriebsausgaben, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Unfall-, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung dienen.
Gemäß § 22 Z 4 EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit sie nicht unter § 25 fallen, Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Entsprechend der Bestimmung des § 32 Z 2 EStG 1988 gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 auch Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG, und zwar jeweils auch beim Rechtsnachfolger.
§ 37 der Satzung des Wohlfahrtsfonds lautet auszugsweise:
"(1) Beim Tode eines WFF-Mitgliedes oder Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsversorgung gebührt über Antrag jener Person, welche die Kosten der Bestattung getragen hat, die Bestattungsbeihilfe.
(2) Die Bestattungsbeihilfe umfasst die tatsächlich angefallenen und nachgewiesenen Bestattungskosten, wird jedoch höchstens im Ausmaß von € 4.000,00 einmalig ausbezahlt. ….."
§ 38 der Satzung des Wohlfahrtsfonds lautet auszugsweise:
"(1) Im Fall des Ablebens eines WFF-Mitglieds ….. wird bei Erfüllung der Voraussetzungen über Antrag den in Abs. 7 genannten Personen in der dort festgelegten Reihenfolge eine Hinterbliebenenunterstützung gewährt und insgesamt einmalig ausbezahlt. Die Hinterbliebenenunterstützung besteht aus
a) einer direkt aus dem Fonds zu gewährenden Unterstützungsleistung in der Höhe von € 5.516,51 sowie
b) einem persönlichen Ablebensversicherungsanspruch in der Höhe von € 28.549,52.….."
Dem § 12 Abs 3 der Beitragsordnung der Ärztekammer für Niederösterreich ist zu entnehmen, dass Bezieher einer Pensionsleistung aus dem Wohlfahrtsfonds mit einem Leistungsanspruch gemäß § 38 Abs 1 lit b oder Abs 1a Satzung WFF einen Monatsbeitrag in Höhe von € 58,40 zu entrichten haben.
Gemäß § 12 Abs. 6 der Beitragsordnung der Ärztekammer für Niederösterreich ist vom Beitrag zur Bestattungsbeihilfe und Hinterbliebenenunterstützung ein Teil von zwei Dritteln gemäß § 4 Abs 4 bzw. § 16 EStG 1988 der Ablebensleistung gewidmet und im Rahmen der Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten steuerfrei unbegrenzt absetzbar. Ein Drittel des Beitrages ist der Erlebensleistung gewidmet und gemäß § 18 EStG 1988 im Rahmen der Sonderausgaben beim zuständigen Finanzamt geltend zu machen.
Sowohl die Bestattungsbeihilfe von EUR 4.000,- als auch die Hinterbliebenenunterstützung von EUR 34.066,03 (zusammengesetzt aus Teilbeträgen von EUR 5.516,51 und von EUR 28.549,52) wurden als einmalige Leistungen satzungsgemäß vom Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer Niederösterreich an die BF gezahlt. Der Wohlfahrtsfonds bildet ein zweckgebundenes Sondervermögen der Ärztekammer (§ 96 Abs. 1 ÄrzteG 1998) und kann unter anderem eine Bestattungsbeihilfe und eine Hinterbliebenenunterstützung gewähren (§ 98 Abs. 1a ÄrzteG 1998). Letztere sind in § 104 ÄrzteG 1998 gesetzlich geregelt, diese gesetzliche Vorgabe wurde in den §§ 37, 38 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer Niederösterreich umgesetzt.
Die Hinterbliebenenversorgung, die aus der direkt aus dem Fonds zu gewährenden Unterstützungsleistung iHv € 5.516,51, aus dem persönlichen Ablebensversicherungsanspruch iHv € 28.549,52 und aus der Bestattungsbeihilfe iHv € 4.000,00 besteht, beruht auf Pflichtbeiträgen des Rechtsvorgängers, welche als Betriebsausgaben absetzbar waren.
Es ist unstrittig, dass es sich bei den streitgegenständlichen Zahlungen um Vorteile aus Versorgungseinrichtungen oder Unterstützungseinrichtungen einer Kammer der selbständig Erwerbstätigen gehandelt hat und dass diese Vorteile einmalig und nicht wie eine Pension laufend ausbezahlt worden sind. Bei den von der BF erhaltenen Beträgen handelt es sich demnach um einmalige Leistungen, die nicht unter § 25 EStG 1988 fallen.
Nach § 38 Abs. 7 Satzung WFF hat Anspruch auf die Hinterbliebenenunterstützung jene Person, die vom verstorbenen Mitglied zu dessen Lebzeiten dem Wohlfahrtsfonds als Zahlungsempfänger bekannt gegeben wurde, hilfsweise der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner, die Waisen oder sonstige gesetzliche Erben.
Der Gatte der BF war Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer Niederösterreich (§ 2 Satzung WFF i. V. m. § 11 Abs. 2 und § 57 Abs. 2 Satzung WFF). Die Mindestbeitragsdauer gemäß § 38 Abs. 13 Satzung WFF (i. d. R. wenigstens drei Monatsbeiträge vor Ereigniseintritt) wurde weitaus überschritten. Hieraus ergibt sich, dass Anspruch auf die Hinterbliebenenunterstützung primär jene Person hat, die vom Mitglied bestimmt worden ist. Die mögliche Eigenschaft als Rechtsnachfolger des außerordentlichen Mitglieds ist auch für diesen Anspruch nicht maßgebend. Gleiches gilt für die in § 38 Abs. 7 Satzung WFF genannten hilfsweise weiteren Zahlungsempfänger. Auch hier kommt es nicht darauf an, ob diese Rechtsnachfolger des Mitglieds sind.
Da vom Gatten kein anderer Zahlungsempfänger bestimmt worden ist und weitere Anspruchsberechtigte nicht bestanden, stand der BF als Gattin über dessen Antrag die Leistungen zu (s. auch Bescheide vom und ).
Der Anspruch aus der Ablebensversicherung unterliegt nicht der Bestimmung des § 25 EStG, da er weder einen Bezug aus einer Unfall- oder Krankenversorgung noch einen der Pension gleichartigen Bezug darstellt. Einmaligen Geldzuwendungen fehlt nämlich der Pensionscharakter (s. zB ; ; ).
Da die von der BF erhaltenen Beträge auf Pflichtbeiträgen (§ 4 Abs 4 Z 1 lit b EStG 1988) des Rechtsvorgängers beruhen, sind sie gemäß § 22 Z 4 EStG 1988 iVm § 32 Z 2 EStG 1988 als Einkünfte aus selbständiger Arbeit bei der Rechtsnachfolgerin steuerpflichtig.
Wenn im Bescheid des Wohlfahrtsfonds vom lediglich auf die Steuerpflicht des Betrages von € 5.516,51 explizit hingewiesen wird, so steht dies auch in Widerspruch zu einer an die Österreichische Ärztekammer ergangenen Anfragebeantwortung des (GZ: BMF-010222/0174-VI/7/2007). Darin hat das BMF bereits klargestellt, dass eine Hinterbliebenenunterstützung im oa. Sinne zwingend (und zur Gänze, also auch hinsichtlich jenes Anteiles, der laut Bewilligungsbescheid aus "einem persönlichen Ablebensversicherungsanspruch" resultiert) zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit zählt, die nach § 32 Z 2 EStG beim Rechtsnachfolger zu versteuern ist.
Verwiesen wird zu vorliegender Rechtsfrage weiters auf die dazu ergangene einhellige Judikatur:
In den Erkenntnissen des sowie wird die Steuerpflicht der ärztlichen Hinterbliebenenversorgung, insbesondere auch des "Ablebensversicherungsanspruchs", bestätigt.
Vgl. dazu auch die einheitliche Judikatur des BFG, z.B.:
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Rechtsatz (Rs): "Sowohl die Bestattungsbeihilfe als auch die Hinterbliebenenunterstützung sind einmalige Leistungen, die satzungsgemäß vom Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer NÖ nach dem Tod eines Kammermitglieds gezahlt werden. Beide Zahlungen sind jeweils zur Gänze bei demjenigen, der sie erhält, als Einkünfte gemäß § 22 Z 4 EStG 1988 zu erfassen."
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Titel: "Steuerpflicht des Ablebensversicherungsanspruches gem. § 38 Abs. 1 lit b Satzung WFF beim Rechtsnachfolger"
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Titel: "Hinterbliebenenunterstützung des WFF der Ärztekammer unterliegt gemäß § 22 Z 4 iVm § 32 Abs 1 Z 2 EStG der Einkommensteuer"
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Rs: "Geldbeträge aus der Hinterbliebenenunterstützung bei Freiberuflern (Unterstützungsleistung und Ablebensversicherungsanspruch) sowie die Bestattungshilfe, die vom Wohlfahrtsfonds der jeweiligen Landesärztekammer mit Bescheid ausbezahlt werden, sind beim Rechtsnachfolger zu versteuern. ..."
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Rs: "Die von der Ärztekammer an die Rechtsnachfolgerin ausbezahlte Hinterbliebenenunterstützung setzt sich aus der direkt vom Wohlfahrtsfonds zu gewährenden Unterstützungsleistung in Höhe von 5.516,51 Euro und aus dem persönlichen Ablebensversicherungsanspruch in Höhe von 28.549,52 Euro zusammen. Diese Beträge beruhen auf Pflichtbeiträgen (§ 4 Abs. 4 Z 1 lit b EStG 1988) des Rechtsvorgängers und sind gemäß § 22 Z 4 EStG 1988 bei der Rechtsnachfolgerin steuerpflichtig."
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Titel: "Hinterbliebenenunterstützung durch Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer beim Empfänger einkommensteuerpflichtig"
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Titel: "Hinterbliebenenunterstützung - Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 22 Z 4 EStG 1988"
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Titel: "Hinterbliebenenunterstützung durch Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer beim Empfänger als Einkünfte aus selbständiger Arbeit steuerpflichtig"
Aus all dem ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG) behaftet ist, die gegen diesen gerichtete Beschwerde ist daher gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.
Hälftesteuerstatz
Die BF beantragt in der Beschwerde die Anwendung des Hälftesteuersatzes gem. § 37 EStG, da Ihrer Ansicht nach eine Betriebsaufgabe des Gatten (§ 24 Abs. 1 EStG) vorliege.
Die Frage der Gewinnermittlung der - vor oder nach dem Tod des Arztes/Freiberuflers - erzielten Einkünfte, ist zu trennen von der Frage, wem die Einkünfte zuzurechnen sind.
Wenn vorgebracht wird, dass der Anspruch auf Hinterbliebenenunterstützung und Bestattungsbeihilfe schon im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe durch den Gatten der BF entstanden wäre, ist festzustellen, dass der Gatte der BF keinen Anspruch auf diese Leistungen hatte, da der Anspruch erst mit dem Tod des Gatten entstanden ist und Anspruchsberechtigter auf diese Unterstützungsleistungen die BF und nicht der Gatte ist. Eine Forderung ist aber erst dann auszuweisen, wenn sie entstanden ist (siehe Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG13, § 6 Tz 218).
Für den Gatten, dem wie ausgeführt die streitgegenständlichen Leistungen nicht zustehen (§ 37 Abs. der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer Niederösterreich), bestand daher bei der Betriebsaufgabe weder die Verpflichtung noch die Möglichkeit, den Anspruch zu aktivieren. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Imparitätische Realisationsprinzip hinzuweisen, wonach eine nicht entstandene Forderung nicht aktiviert werden darf ().
Eine Forderung im Hinblick auf die genannten "Ablebensansprüche" kann frühestens nach dem Ableben des Freiberuflers für die Erben entstehen (§ 33 der Satzung des Wohlfahrtsfonds "nach dem Tode" und § 37 "beim Tode"). Der Ablebensanspruch ist keine aufschiebend bedingte Forderung und ist damit auch nicht Teil der Einkünfte des Erblassers. Vor dessen Tod besteht für ihn ein Erlebensanspruch und kein Anspruch auf Bestattungsbeihilfe oder Ablebensversicherung, beides ist strikt zu trennen. Vor Eintritt der Bedingung kann der Freiberufler den Versicherungsanspruch bestimmten Personen zuweisen, aber nicht über den Anspruch - im Sinne eines Einkommensbezuges - verfügen. Die Möglichkeit der Verpfändung zur Besicherung von Darlehen an Dritte (§ 49 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer NÖ) ändert daran nichts, weil auch in diesem Fall der tatsächliche Anspruch auf die Hinterbliebenenunterstützung erst mit dem Tode des die Beiträge einzahlenden Freiberuflers entsteht.
Es liegt daher überhaupt keine Veranlassung vor, "Ablebensansprüche" beim Verstorbenen als dessen Einkünfte anzusetzen (s auch ). Auch in Jakom/Kanduth-Kristen, EStG, § 32 Rz 30, unter "Sterbegeld" ist daher angeführt: "Das Sterbegeld aus Wohlfahrtseinrichtungen der freiberuflichen Kammern der selbstständig Erwerbstätigen, welches ein Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolger bezieht, ist gemäß § 22 Z 4 iVm § 32 Z 2 EStG steuerpflichtig" ().
Wurde die Hinterbliebenenunterstützung der BF gewährt und bildete die Betriebsaufgabe (wie eine Betriebsveräußerung) keine Voraussetzung der Gewährung der Hinterbliebenenunterstützung, kann nicht davon gesprochen werden, durch den Erhalt der Hinterbliebenenunterstützung sei ein Aufgabegewinn ("Veräußerungsgewinn") durch eine Betriebsaufgabe/Betriebsveräußerung entstanden ().
Der Hälftesteuersatz ist auf die Hinterbliebenenunterstützung aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer nicht anwendbar, da es sich bei diesen Leistungen nicht um Einkünfte im Sinne des § 37 EStG handelt und diese Leistungen Einkünfte aus selbständiger Arbeit beim Leistungsempfänger, und nicht beim Verstorbenen, darstellen. Weiters ist der Bezug dieser Leistungen nicht mehr Bestandteil des Betriebsaufgabevorganges.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Finanzamt Österreich
§ 323b Abs. 1 bis 3 BAO lautet i. d. F. BGBl. I Nr. 99/2020 (2. FORG)
§ 323b. (1) Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes. Das Zollamt Österreich tritt am an die Stelle der am zuständig gewesenen Zollämter.
(2) Die am bei einem Finanzamt oder Zollamt anhängigen Verfahren werden von der jeweils am zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.
(3) Eine vor dem von der zuständigen Abgabenbehörde des Bundes genehmigte Erledigung, die erst nach dem wirksam wird, gilt als Erledigung der im Zeitpunkt des Wirksamwerdens für die jeweilige Angelegenheit zuständigen Abgabenbehörde.
Die gegenständliche Entscheidung ergeht daher an das Finanzamt Österreich.
3.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Aus dem zitierten Wortlaut von § 209 Abs. 1 und § 295 Abs. 1 BAO geht klar hervor, wie die relevanten Rechtsfragen hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens und Verjährung zu lösen sind. Im Übrigen folgt die gegenständliche Entscheidung zur Frage, ob die Ablebensversicherungsleistung als Teil der Hinterbliebenenunterstützung zur Gänze beim Rechtsnachfolger gemäß § 22 Z 4 EStG 1988 als Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu berücksichtigen ist, der unter Punkt 3. zitierten Judikatur des VwGH, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 4 Abs. 4 Z 1 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 32 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 18 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 25 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 307 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 16 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 207 Abs. 1 und 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 208 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 22 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 209 Abs. 1 Satz 1 und 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 4 Abs. 2 Z 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | B 2/96 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7105240.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at