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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.07.2023, RV/7400089/2021

Herabsetzung der Abwassergebühr

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Adebiola Bayer in der Beschwerdesache Bf., Bf.-Adresse, vertreten durch Vertreter, Vertreter-Adresse, vertreten durch Rechtsanwälte Mag. Boris Knirsch, Mag. Michael Braun, Mag. Christian Fellner, Rudolfsplatz 12, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Magistrats der Stadt Wien, Fachgruppe Gebühren, Magistratsabteilung 31, vom betreffend Herabsetzung der Abwassergebühr für die Zeit vom bis und vom betreffend Herabsetzung der Abwassergebühr für die Zeit vom bis , ***1***, ***2***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (im Folgenden "Bf.") ist Eigentümer einer Wohnung der Liegenschaft Adresse. Im Jahr 2002 wurde für dieses Objekt eine Herabsetzung der Abwassergebühr beantragt und am wurden entsprechende Unterlagen vorgelegt. Auf deren Grundlage wurde vom seinerzeitigen Sachverständigen der Stadt Wien, Magistratsabteilung (im Folgenden "MA") 42, eine Nichteinleitungsmenge iHv 333 m³ pro Kalenderjahr zuerkannt. Diese Nichteinleitungsmenge wurde in der Folge den Herabsetzungsbescheiden der Kalenderjahre 2001 bis 2011 zu Grunde gelegt.

Auf Grund der lange zurückliegenden Ersterhebung nahm der Sachverständige der MA 42 am vor Ort eine neuerliche Erhebung vor und unterzog die bisher zuerkannte Nichteinleitungsmenge der Grünflächen unter Zugrundelegung der ÖNORM L 1112 "Anforderungen an die Bewässerung von Grünflächen" (Ausgabe: ) einer Prüfung. Dabei wurde eine Nichteinleitungsmenge pro Kalenderjahr von insgesamt 113 m³ wie folgt ermittelt:


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Pos.
Bezeichnung der Anlage im Detail
Flächenausmaß oder Anzahl
Bewertung des Erhaltungszieles, Zu- und Abschläge
Bewässerungs-bedarf (Liter je m² oder Stück
Wert lt. Önorm L 1112
Sonstige Zu- und Abschläge
Jahreswasser-bedarf (unter Berücksichtigung der tatsächlichen Situation inkl. Zu- und Abschläge
1
Rasenfläche Begleitgrün
871 m²
-30%
76,30 l
51,91 m³
35%
66,46 m³
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
Strauchfläche
0%
0%
Staudenbeet/Gemüse
0%
0%
Wechsel/Saisonbepflanzung
0%
0%
Jungbaum
0%
0%
2
Topfpflanzen <25l Volumen
10 Stück
0%
500,00 l
5,00 m³
0%
5,00 m³
3
Topfpflanzen >25l Volumen
22 Stück
0%
900,00 l
19,80 m³
0%
19,80 m³
4
Trogbepflanzungen
9 m²
0%
1.600,00 l
14,40 m³
0%
14,40 m³
Feuchtbiotop
0%
0%
Dachbegrünung intensiv
0%
0%
Wohnungseinheiten
14
nicht zutreffend
7,28 m³
7,28 m³
98 m³
113 m³

Die belangte Behörde teilte dies mit Schriftsatz vom mit und erließ auf Grundlage dieses Ermittlungsergebnisses die Herabsetzungsbescheide für die Kalenderjahre 2012, 2013 und 2014.

Die Nichteinleitungsmenge von je 113 m³ wurde auch in den beschwerdegegenständlichen Herabsetzungsbescheiden für die Kalenderjahre 2015 und 2016 herangezogen, die an den Bf. gerichtet sind.

Dagegen brachte der Bf. eine Beschwerde ein. In dieser machte er geltend, dass die belangte Behörde kein Ermittlungsverfahren durchgeführt, sondern Willkür geübt habe. Soweit ersichtlich, stützten sich die angefochtenen Bescheide auf das Schreiben der MA 42. Weiters werde gerügt, dass es sich dabei nicht um einen Amtssachverständigen gemäß § 52 Abs. 1 AVG handele. Es liege kein überprüfbares Gutachten vor, weil weder eine Befundaufnahme über die nichteigeleiteten Wassermengen noch ein nachvollziehbares Gutachten erstattet werde. Die am erlassene ÖNORM L 1112 sei falsch ausgelegt worden bzw. seien die Berechnungen nicht korrekt. Weiters werde ausdrücklich gerügt, dass die belangte Behörde keine mündliche Verhandlung abgehalten habe. Dies wäre im konkreten Fall erforderlich gewesen, da die Behörde ohne ersichtlichen Grund von einem bisherigen Beweisergebnis abgegangen sei. Soweit erkennbar, wolle die belangte Behörde die vorgenommene Änderung aus der ÖNORM L 1112 ableiten. Dabei handele es sich aber um eine reine Scheinbegründung der Behörde. Diese Norm regele nur die Mindestanforderungen an eine Bewässerungsmenge, habe aber mit der tatsächlich zur Bewässerung verwendeten Menge lediglich betreffend die technischen Faktoren respektive die fachliche Richtigkeit Berücksichtigung zu finden, nicht jedoch beim absoluten Ausmaß der verwendeten Wassermenge.

In dem gleichzeitig mit der Beschwerde vorgelegten Gutachten vom wurden der Jahresbedarf für die Bewässerung der Grünflächen sowie die weiteren nicht in den öffentlichen Kanal geleiteten Wassermengen iHv (gerundet) 328 m³ wie folgt ermittelt:


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1
Grünflächen
871,03 m³
=
262,29 m³
2
Kübelpflanzen bis 25 l
76 Stück
x
200 Wassergaben
x
2,5 dm³
=
38,00 m³
3
Kübelpflanzen über 25 l
22 Stück
x
150 Wassergaben
x
6 dm³
=
19,80 m³
4
Wohnungseinheiten
15
x
52 Wochen
x
10 dm³
=
7,80 m³
327,89 m³

Dieses Gutachten wurde dem Sachverständigen der MA 42 vorgelegt. Mit an die belangte Behörde gerichtetem Schriftsatz vom führte dieser insbesondere Folgendes aus: Es könne a priori nicht davon ausgegangen werden, dass die nach der ÖNORM maximal möglichen Zu- oder Abschläge zutreffend seien. Das prozentuelle Ausmaß müsse nach den örtlichen Gegebenheiten jeweils gesondert ermittelt werden. Darüber hinaus würden die von der belangten Behörde übermittelten Daten bezüglich der Gesamtwasserverbräuche der Liegenschaft aus mindestens der letzten drei Jahre einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Gegenübergestellt würden die Anzahl der Wohnungseinheiten, die Anzahl der dort wohnenden Personen, soweit die Daten verfügbar seien (ansonsten werde ein Wert laut Statistik Austria für Wien mit 1,98 Personen je Haushalt angenommen), und der Grünflächenausmaße. Die Wasserverbräuche in Wohnungseinheiten bzw. deren Bewohner würden unter Zuhilfenahme der Statistik Österreich und der Literaturstudie zum Wasserverbrauch November 2010 des Lebensministeriums Wien ermittelt. Hierbei ergebe sich ein Wasserverbrauchswert pro Person und pro Tag in Wien von durchschnittlich 125 l Wasser (45,63 m³ pro Jahr und Person). Laut Studien des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und der Universität für Bodenkultur Wien aus dem Jahr 2012 sei dieser Wert leicht steigend (ca. 135 Liter pro Person und Tag). Diese statistischen Werte würden bei der Plausibilitätsprüfung mit den vor Ort vorgefundenen relevanten Faktoren abgeglichen. So sei bei größeren, älteren Wohnhausanlagen von einem höheren Wasserverbrauch auszugehen (45,63 m³) als bei neuerrichteten Wohnhausanlagen.

Im Ergebnis wurde an der bereits ermittelten Nichteinleitungsmenge von ca. 113 m³ Wasser festgehalten.

In Folge erließ die belangte Behörde am ihre abweisende Beschwerdevorentscheidung.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens merkte die belangte Behörde zur abweichenden Anzahl an Wohnungseinheiten im vom Bf. vorgelegten und im von der belangten Behörde herangezogenen Gutachten an, dass es im Endergebnis der Nichteinleitungsmenge von 113 m³ keinen Unterschied mache, ob 14 oder 15 Wohnungseinheiten für die Berechnung herangezogen würden (Ergebnis mit 14 Wohneinheiten: 112,94 m³; Ergebnis mit 15 Wohneinheiten: 113,46 m³).

Es werde grundsätzlich festgestellt, dass sich aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 KKG unzweifelhaft ergebe, dass der Abgabepflichtige für den Umfang der Nichteinleitungsmenge nachweispflichtig sei. Stelle das Gesetz für eine Tatsache eine Vermutung auf (§ 12 KKG), so dürfe diese gemäß § 167 Abs. 1 BAO keines Beweises. Die Führung des Gegenbeweises liege jedoch nach der Anordnung des KKG beim Abgabepflichtigen. Nicht der Abgabenbehörde, sondern dem Abgabepflichtigen sei die Beweislast auferlegt und es schlage auch zum Nachteil der betreffenden Person aus, wenn der Gegenbeweis nicht zu erbringen sei. Ob dieser Nachweis erbracht sei oder nicht, unterliege gemäß § 128 Abs. 2 WAO, welchem der nunmehr anwendbare § 167 Abs. 2 BAO entspreche, der freien Beweiswürdigung (vgl. ). Somit obliege dem Abgabepflichtigen der Nachweis, in welchem Umfang eine Nichteinleitung der bezogenen Wassermenge in den öffentlichen Kanal erfolgt sei, und die Abgabenbehörde habe unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei oder nicht. Entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestehe das Gutachten eines Sachverständigen in der fachmännischen Beurteilung von Tatsachen (vgl. ). Sachverständigengutachten unterlägen weiters der freien Beweiswürdigung (vgl. etwa ). Der Behörde komme jedenfalls die Aufgabe zu, an Hand des Befundes die Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens zu überprüfen (, 0108) und im Falle widersprechender Gutachten in der Begründung des Bescheides in schlüssiger Weise darzulegen, welche Erwägungen dafür maßgebend gewesen seien, das eine Beweismittel dem anderen vorzuziehen ().

Dazu führte die belangte Behörde in ihrer Beschwerdevorentscheidung Folgendes aus:

Aus verwaltungsökonomischen Gründen (jährlich wiederkehrende Erhebungen der rd. 9.000 Herabsetzungsanträge wären mit dem zur Verfügung stehenden Personal weder in der MA 31 noch in der MA 42 durchführbar) und um die finanzielle Belastung der KundInnen in Grenzen zu halten, sei bei Vorliegen einer prüfungsfähigen Unterlage zum Nachweis der nicht in den Kanal eingeleiteten Abwassermengen, sofern es sich um Mengen handele, die aller Voraussicht nach jedes Jahr anfielen (z.B. Bewässerungsmengen, Haushaltsmengen, Schwimmbecken, etc.), auf eine jährliche Aufforderung zur Vorlage von prüfungsfähigen Unterlagen verzichtet worden. In der Regel sei daher eine bereits vom Amtssachverständigen der MA 42 überprüfte Unterlage auch als Grundlage für die der erstmaligen Herabsetzung der Abwassergebühr folgenden zehn Kalenderjahre, ohne neuerliche Überprüfung, in der MA 31 verwendet worden.

Im Hinblick auf den langen Geltungszeitraum der ermittelten Nichteinleitungsmenge sei für die Grünflächenbewässerungsmengen von den bisher seitens der MA 42 durchgeführten "Befunderhebungen auf Grund des vorgefundenen Vegetations-, Kultur- und Pflegezustands zum Zeitpunkt der Erhebung - unter Einbeziehung der natürlichen Niederschläge und Temperaturen" abgegangen worden. Ab dem Kalenderjahr 2012 erfolge die Überprüfung und Berechnung aller in Wien beantragter und mittels Gutachten nachgewiesener Bewässerungsmengen neu unter Zugrundelegung der ÖNORM L 1112. Diese beinhalte den Stand der Technik und des Wissens für erforderliche Bewässerungsmengen und gewährleiste daher eine fundierte, neutrale und allgemein gültige Ermittlung für den langjährig erforderlichen Bewässerungsbedarf im Sinne einer effizienten Nutzung der Wasserressourcen. Im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes werde diese Verwaltungspraxis in der MA 31 auf alle Wasserabnehmer und Wasserabnehmerinnen für Herabsetzungsanträge ab dem Kalenderjahr 2012 angewendet. Diese Vorgehensweise gewährleiste insgesamt eine thematisch abgesicherte, objektive, allgemein gültige und - bei Betrachtung des langen Zuerkennungszeitraumes - realistischere Ermittlung der Bewässerungsmenge.

Die zur Bewässerung der Vegetationsflächen ermittelte und pro m² aufzuwendende Wassermenge ergebe sich aus der Wasserbilanz (natürlicher pflanzennutzbarer Niederschlag abzüglich Verdunstung), den pflanzlichen Anforderungen, dem Erhaltungsziel und einem Grundwasserstand unter Berücksichtigung der langjährigen gärtnerischen Erfahrung. Bei Pflanzengefäßen seien besondere Anforderungen zu beachten (siehe ÖNORM L 1112, Punkt 6.1). Aus Punkt 6.2.1 ergebe sich, dass die Ermittlung des Jahreswasserbedarfs auf Basis von durchschnittlichen Niederschlagswerten von mindestens zehn Jahren (z.B. Klimatabelle) erfolge. Dass diese Werte jedes Jahr neu berechnet werden müssten, sei der ÖNORM nicht zu entnehmen. Die auf Basis repräsentativer Messstellen regionalisierten Niederschlagsmessdaten (Dekadenwert 2001 - 2010) seien der MA 42 von der MA 45 - Referat Hydrologie, als hydrografischer Dienst des Landes Wien, zur Verfügung gestellt worden. An dieser Stelle dürfe angemerkt werden, dass am eine Besprechung beim Austrian Standards Institute stattgefunden habe, bei welcher die Vorgehensweise der MA 42 beim Ortsaugenschein sowie die Umsetzung nach der ÖNORM L 1112 dargestellt worden sei. Diese sei von den Vertretern des Austrian Standards Institute als ÖNORM-konform zuerkannt worden.

Zur Richtigkeit und Schlüssigkeit der Gutachten der Amtssachverständigen der MA 42 sei auszuführen, dass eine fundierte und neutrale Schätzung der Bewässerungsmengen vorgenommen werde, wobei gerade Amtssachverständige der für die Pflege der öffentlichen Gärten zuständigen Fachdienststelle über reichliche Erfahrungswerte zu den jeweils notwendigen Bewässerungsmengen verfügten. Darüber hinaus erfolge die Befunderhebung durch den Amtssachverständigen vor Ort, wobei die örtlichen Gegebenheiten bei der Ermittlung der Zu- und Abschläge für die Wasserbedarfsberechnung sachlich berücksichtigt würden. Nach den langjährigen Erfahrungswerten der MA 42 sei jedoch gerade der Bereich des Bewässerungsbedarfs für Grünflächenbewässerung (Rasen und Sträucher) starken jährlichen Schwankungen unterlegen. Wiewohl dies - vor allem bei größeren Wohnhausanlagen - auch auf die Anzahl der sich auf den Objekten befindlichen Kübel- und Balkonpflanzen, Pflanzen in Blumenkästen sowie die Haushaltsmengen zutreffe, werde die bisherige Vorgehensweise, aus den (bereits) angeführten Gründen, beibehalten.

Wiewohl nicht als Maßstab, aber zur Hilfestellung bei der Plausibilitätsprüfung, werde auch festgehalten, dass nach den Erfahrungswerten der MA 31 der durchschnittliche Gesamtverbrauch pro Person und Tag bei 130 l Wasser liege. Angesichts der in den Kalenderjahren 2014 bis 2018 durchschnittlich auf der Liegenschaft gemeldeten 32 Personen (32 x 130 Liter x 365 = 1.518,40 m³) und des durchschnittlichen Gesamtwasserverbrauchs in den Kalenderjahren 2015 und 2016 von 1.485,50 m³ erscheine eine Nichteinleitungsmenge von 328 m³ nicht realistisch. Bei einem verbleibenden Wasserverbrauch von rd. 36 m³/Jahr/Person (1.485 m³ - 328 m³ = 1.157 m³ / 32 Personen) im Gegensatz zu den üblichen rd. 47 m³/Jahr/Person müsste das Verbrauchsverhalten schon in wesentlichen Bereichen zu den üblichen Verbrauchsgewohnheiten abweichend sein, um die Unterschiede nachvollziehbar und plausibel zu machen, zumal alleine der durchschnittliche Wasserverbrauch für die WC-Spülung (rd. 15 m³ pro Jahr und Person) und das Duschen/Baden (rd. 16 m³ pro Jahr und Person) insgesamt 31 m³ betrage. Der Wasserverbrauch für das Kochen, Trinken, Wäsche waschen, Geschirr spülen, usw. sei dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Unbestritten sei, dass das Ergebnis einer "Schätzung" nicht selten mit der Wirklichkeit nicht übereinstimme, somit nicht der tatsächlichen Bewässerungsmenge pro Jahr entsprechen könne, andererseits solle die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen. Auch im § 184 Abs. 1 BAO werde Folgendes festgestellt: "Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind." Unter einem Gutachten verstehe man Schlussfolgerungen, die Sachverständige aus ermittelten Tatsachen unter Anwendung von Erfahrungssätzen zögen, manchmal aber auch die Wiedergabe von Erfahrungssätzen allein. Wie aus § 13 Abs. 1 KKG eindeutig hervorgehe, obliege die Nachweiserbringung, in welchem Umfang eine Nichteinleitung der bezogenen Wassermenge in den öffentlichen Kanal erfolgt sei, grundsätzlich dem Abgabepflichtigen. Nicht der Abgabenbehörde, sondern dem Abgabepflichtigen sei somit die Beweislast auferlegt. Es schlage auch zum Nachteil der betreffenden Partei aus, wenn der Gegenbeweis nicht zu erbringen sei. Den Nachweis einer höheren als der ohnehin zuerkannten Nichteinleitungsmenge habe der Bf. auf Grund der obigen Erwägungen nicht erbringen können.

In Folge stellte der Bf. einen Vorlageantrag. Der Bescheid werde in seinem gesamten Umfang wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Die belangte Behörde habe in Wahrheit kein Ermittlungsverfahren durchgeführt, sondern Willkür geübt. Soweit ersichtlich, stütze sich der angefochtene Bescheid auf das Schreiben der MA 42. Weiters werde gerügt, dass es sich dabei nicht um einen Amtssachverständigen gem. § 52 Abs. 1 AVG handele. Im Übrigen liege kein überprüfbares Gutachten vor, weil weder eine Befundaufnahme über die nichteingeleiteten Wassermengen noch ein nachvollziehbares Gutachten erstattet werde. Es werde in keinster Weise dargelegt, wie die im Akt angewandte und einschließlich bis zum Jahr 2011 aufrechte Nichteinleitungsmenge in der Höhe von 333 m³ auf eine in den Bescheiden vom und ergangene Nichteinleitungsmenge für die Jahre 2015 und 2016 von je 113 m³ seine Berechnung bzw. Ursprung finde. Die am erlassene ÖNORM L 1112 sei diesbezüglich falsch ausgelegt worden bzw. seien die Berechnungen nicht korrekt. Weiters werde ausdrücklich gerügt, dass die belangte Behörde keine mündliche Verhandlung abgehalten habe, obwohl dies im konkreten Fall unbedingt erforderlich gewesen wäre, weil die Behörde ohne ersichtlichen Grund von einem bisherigen Beweisergebnis abgegangen sei und daher die diesbezüglichen Gründe und angeblichen Änderungen der Sachlage, die in Wahrheit gar nicht stattgefunden hätten, erörtert hätten werden müssen.

Laut Vorlageantrag seien gemäß § 58 Abs. 2 AVG Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Parteien im Spruch nicht vollinhaltlich Rechnung getragen werde. Gemäß § 60 AVG seien in der Begründung klar und übersichtlich die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage zusammenzufassen. Inhalt und Ausgestaltung der Begründung hätten sich am von der Rechtsordnung anerkannten Rechtsschutzinteresse der Parteien zu orientieren. Der Bescheidadressat müsse daher über die von der Behörde getroffenen Erwägungen, von denen sie sich bei ihrer Entscheidung habe leiten lassen, ausreichend nachvollziehbar rechtzeitig informiert werden, damit dieser in der Lage sei, sie eventuell zu entkräften und Gegenargumente vorzubringen, und dürfe sohin nicht von der neuen Rechtsansicht überrascht werden. Soweit erkennbar, wolle die belangte Behörde diese Änderung aus der am erlassenen ÖNORM L 112 "Anforderungen an die Bewässerung von Grünflächen" ableiten. Dabei handele es sich aber um eine reine Scheinbegründung der Behörde. Diese Norm regele nur die Mindestanforderungen an eine Bewässerungsmenge, habe aber mit der tatsächlich zur Bewässerung verwendeten Menge lediglich betreffend die technischen Faktoren respektive die fachlichen Richtigkeit Berücksichtigung zu finden, nicht jedoch beim absoluten Ausmaß der verwendeten Wassermenge. Nach nunmehr geändertem Stand der Technik respektive entsprechend der gegenständlichen ÖNORM L 1112 werde das auf den jetzigen Stand der Technik angepasste Gutachten vom , welches sich mit einer Nichteinleitungsmenge von 328 m³ bemesse, übermittelt. Entsprechend diesem Gutachten sei auch ein Gutachten für die Jahre 2015 und 2016 über die Nichteinleitungsmenge vorgelegt worden.

Zudem wurde im Vorlageantrag ausgeführt, dass der Bf. sich darauf habe verlassen dürfen, dass das von ihm vorgelegte Sachverständigengutachten weiterhin zum Nachweis der Nichteinleitungsmenge gereiche. Der Bf. sei sohin von der belangten Behörde über die den abweisenden Bescheiden zu Grunde liegende Rechtsmeinung überrascht und in die Irre geführt worden. Der Grundsatz von Treu und Glauben, die Rechtssicherheit und der damit einhergehende Vertrauensschutz des Abgabenschuldners verpflichte die belangte Behörde, ihre öffentlich geäußerte Rechtsauskunft beizubehalten und dementsprechend die Herabsetzung der Gebührenschuld zu bewilligen. Darüber hinaus sei der Bf. in seinem verfassungsgesetzlich gewährleistetem Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie dem Grundrecht auf Eigentum und Grundsatz der Rechtssicherheit ein Kerngehalt des Rechtsstaatsprinzips verletzt. Weiters gehe mit dieser eben ausgeführten denkunmöglichen Gesetzesauslegung ein sekundärer Verfahrensmangel einher, da die belangte Behörde es unterlassen habe, die notwendigen Feststellungen zu treffen, um einen positiven Bescheid zu erlassen. Konkret hätte sie feststellen müssen, dass die Nichteinleitungsmenge in den gegenständlichen Zeitrahmen 5 vH der für diesen Zeitraum festgestellten Wassermenge, konkret 1.090 m², betragen habe und daher die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Gebührenermäßigung gegeben seien.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt dem Bundesgericht vor. In ihrer Stellungnahme bezog sie sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung. Darüber hinaus wies sie darauf hin, dass Subzähler, welche das Schätzergebnis untermauern könnten, für diese Liegenschaft nicht eingebaut worden seien.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung brachte der Vertreter des Bf. vor, aus der vorgenommenen Plausibilitätsprüfung gehe nicht hervor, ob sich an der Liegenschaft tatsächlich 32 Personen aufgehalten hätten. Dies sei nicht belegt und eine abweichende Anzahl an tatsächlich aufhältigen Personen habe erhebliche Auswirkungen auf die Plausibilitätsprüfung.

Die Vertreterin der belangten Behörde wies darauf hin, dass die angenommene Anzahl der Personen auf ZMR-Abfragen beruhe.

Dem entgegnete der Vertreter des Bf., dass es auch Nebenwohnsitze gebe und es möglich sei, dass Personen mit gemeldeten Hauptwohnsitzen ungeachtet dessen überwiegend woanders aufhältig seien.

Zur Ermittlung der Nichteinleitungsmenge führte die Vertreterin der belangten Behörde aus, dass dabei von der MA 42 auf örtliche Gegebenheiten (Böschung, Begleitgrün, Art der Rasenfläche) Bezug genommen worden sei.

Die Richterin wies darauf hin, dass die größten Abweichungen zwischen dem Ermittlungsergebnis der MA 42 und dem vom Bf. vorgelegten Gutachten beim Jahreswasserbedarf für den Rasen und bei der Anzahl der kleinen Topfpflanzen lägen. Sie ersuchte den Sachverständigen des Bf. zu erläutern, wie der Jahreswasserbedarf für den Rasen ermittelt worden sei.

Dazu führte der Sachverständige des Bf. aus, dass die Rasenfläche ermittelt worden und ein Bewässerungsfaktor zur Anwendung gelangt sei. Es gäbe eine Hanglage, was dazu führe, dass öfter und dafür kürzer bewässert worden sei. Bei der Aufnahme der Kübelpflanzen habe es sich um eine Momentaufnahme gehandelt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. ist Eigentümer einer Wohnung der Liegenschaft Adresse.

Im Jahr 2002 wurde für dieses Objekt eine Herabsetzung der Abwassergebühr beantragt und am wurden entsprechende Unterlagen vorgelegt. Auf deren Grundlage wurde eine Nichteinleitungsmenge iHv 333 m³ pro Kalenderjahr zuerkannt. Diese Nichteinleitungsmenge wurde in der Folge den Herabsetzungsbescheiden der Kalenderjahre 2001 bis 2011 zu Grunde gelegt.

Am nahm ein Sachverständiger der MA 42 vor Ort eine neuerliche Erhebung vor und unterzog die bisher zuerkannte Nichteinleitungsmenge der Grünflächen unter Zugrundelegung der ÖNORM L 1112 "Anforderungen an die Bewässerung von Grünflächen" (Ausgabe: ) einer Prüfung. Dabei wurde eine Nichteinleitungsmenge pro Kalenderjahr von insgesamt 113 m³ wie folgt ermittelt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Pos.
Bezeichnung der Anlage im Detail
Flächenausmaß oder Anzahl
Bewertung des Erhaltungszieles, Zu- und Abschläge
Bewässerungs-bedarf (Liter je m² oder Stück)
Wert lt. ÖNORM L 1112
Sonstige Zu- und Abschläge
Jahreswasser-bedarf (unter Berücksichtigung der tatsächlichen Situation inkl. Zu- und Abschläge)
1
Rasenfläche Begleitgrün
871 m²
-30%
76,30 l
51,91 m³
35%
66,46 m³
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
Strauchfläche
0%
0%
Staudenbeet/Gemüse
0%
0%
Wechsel/Saisonbepflanzung
0%
0%
Jungbaum
0%
0%
2
Topfpflanzen <25l Volumen
10 Stück
0%
500,00 l
5,00 m³
0%
5,00 m³
3
Topfpflanzen >25l Volumen
22 Stück
0%
900,00 l
19,80 m³
0%
19,80 m³
4
Trogbepflanzungen
9 m²
0%
1.600,00 l
14,40 m³
0%
14,40 m³
Feuchtbiotop
0%
0%
Dachbegrünung intensiv
0%
0%
Wohnungseinheiten
14
nicht zutreffend
7,28 m³
7,28 m³
98 m³
113 m³

Die belangte Behörde teilte dies mit Schriftsatz vom mit und erließ auf Grundlage dieses Ermittlungsergebnisses die Herabsetzungsbescheide für die Kalenderjahre 2012, 2013 und 2014.

Die Nichteinleitungsmenge von je 113 m³, die auch in den beschwerdegegenständlichen und an den Bf. gerichteten Herabsetzungsbescheiden für die Kalenderjahre 2015 und 2016 herangezogen wurde, erscheint plausibel. Es wurden keine Subzähler eingebaut.

2. Beweiswürdigung

Im gegenständlichen Fall ließ die belangte Behörde die Nichteinleitungsmenge von der MA 42 ermitteln. Diese stützte sich dabei auf Berechnungen nach der ÖNORM L 1112.

Bei einer ÖNORM handelt es sich um eine unverbindliche Empfehlung des Normungsinstitutes, der nur dann normative Wirkung zukommt, wenn sie der Gesetzgeber (unter Umständen mittels Verordnungserlassung) als verbindlich erklärt. Das Fehlen einer solchen normativen Wirkung einer ÖNORM hindert jedoch nicht, dass diese als einschlägiges Regelwerk und objektiviertes, generelles Gutachten von einem Sachverständigen als Grundlage in seinem Gutachten etwa für die Beurteilung des Standes der Technik herangezogen werden kann (vgl. dazu ). Damit entsprach die Ermittlung der Nichteinleitungsmenge durch die MA 42 dem Stand der Technik.

Im Zuge der Beschwerde legte der Bf. ein Gutachten vom vor, nach welchem der Jahresbedarf für die Bewässerung der Grünflächen sowie die weiteren nicht in den öffentlichen Kanal geleiteten Wassermengen iHv (gerundet) 328 m³ wie folgt ermittelt wurden:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1
Grünflächen
871,03 m³
=
262,29 m³
2
Kübelpflanzen bis 25 l
76 Stück
x
200 Wassergaben
x
2,5 dm³
=
38,00 m³
3
Kübelpflanzen über 25 l
22 Stück
x
150 Wassergaben
x
6 dm³
=
19,80 m³
4
Wohnungseinheiten
15
x
52 Wochen
x
10 dm³
=
7,80 m³
327,89 m³

Dieses Gutachten sollte das Ermittlungsergebnis der MA 42 widerlegen. Schon alleine deshalb, weil dieses Gutachten am und somit erst nach dem beschwerdegegenständlichen Zeitraum erstellt wurde, erscheint es fraglich, ob bzw. inwiefern es für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum von Relevanz sein kann.

Im vom Bf. vorgelegten Gutachten wurde bei der Bewässerung der Rasenfläche mit einer Wassermenge von 262,29 m³ ein deutlich höherer Wert herangezogen als einerseits die ÖNORM vorsieht (51,91 m³) und andererseits von der MA 42 ermittelt wurde (66,46 m³). In der Begründung dazu wurde im Gutachten u.a. auf "die verifizierbaren und überprüften Aussagen der zuständigen Auskunftspersonen vor Ort" und die "individuellen Bewässerungsgepflogenheiten unter Berücksichtigung des Betriebsdrucks der Zuleitung sowie der Art der Bewässerung (z. B. automatisches Bewässerungssystem, Zeit der Bewässerungsdurchführung, Dauer der Erhebungen)" Bezug genommen, ohne dies näher auszuführen bzw. zu belegen. Somit ist das im Gutachten ermittelte Ergebnis für das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehbar.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung führte der Sachverständige des Bf. ergänzend aus, dass in Bezug auf die ermittelte Rasenfläche ein Bewässerungsfaktor zur Anwendung gelangt sei. Er wies zudem auf die Hanglage der Liegenschaft hin, was zu einer häufigeren und kürzeren Bewässerung führe.

Daraus erschließt sich lediglich, dass das Vorhandensein einer Hanglage bei der Ermittlung des im Gutachten herangezogenen Bewässerungsfaktors einen relevanten Umstand bildete. Eine nähere Beschreibung der Hanglage, Erläuterungen zu den genauen Auswirkungen der konkreten Hanglage auf das Ausmaß des Bewässerungsbedarfs sowie weitere Erklärungen zur Berechnung des Bewässerungsfaktors, der letztendlich zu einem deutlich über der ÖNORM L 1112 liegenden ermittelten Jahreswasserbedarf für den Rasen führte, erfolgten nicht. Somit bleibt das im Gutachten ermittelte Ergebnis weiterhin für das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehbar.

Bei Erhebungen vor Ort am wurde von einem Sachverständigen der MA 42 zehn Topfpflanzen mit einem niedrigen Volumen (<25 l) festgestellt, im vom Bf. vorgelegten Gutachten hingegen wird von 76 Kübelpflanzen bis 25 l ausgegangen. Da dieses Gutachten erst nach dem beschwerdegegenständlichen Zeitraum erstellt wurde, erscheint die von der MA 42 und somit von der belangten Behörde herangezogene Menge für die Jahre 2015 und 2016 glaubhaft und nicht diejenige, die im Gutachten zu Grunde gelegt wurde.

Gegen das im Gutachten dargelegte Ergebnis der Nichteinleitungsmenge iHv ca. 328 m² pro Jahr spricht auch die von der belangten Behörde ins Treffen geführte Plausibilitätsprüfung:

An der Liegenschaft wurden im Jahr 2015 insgesamt 1.545,00 m³ und im Jahr 2016 insgesamt 1.426 m³ Wasser verbraucht. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Wasserverbrauch iHv 1.485,50 m³. Auf Grundlage von ZMR-Abfragen wurde eine durchschnittliche Anzahl von 32 Personen an der Liegenschaft ermittelt.

Der durchschnittliche Wasserverbrauch in Österreich beträgt pro Person und Tag 130 l, welcher sich wie folgt zusammensetzt (Quelle: Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach, Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus 2017):

Eine ältere Studie der Universität für Bodenkultur Wien ermittelte sogar einen durchschnittlichen Wasserverbrauch von 135 l pro Person und Tag (Quelle: ORF, Bericht vom ; abgerufen am unter https://oesterreich.orf.at/v2/stories/2525935/). Dieser setzt sich wie folgt zusammen:

Zieht man von 130 l die Bereiche "Außenbereich Pflanzen, etc." und "Außenbereich Pool" ab, ergibt sich daraus ein durchschnittlicher Wasserverbrauch pro Person und Tag iHv 112 l. Vor dem Hintergrund der Studie der Universität für Bodenkultur Wien, welche einen insgesamt höheren durchschnittlichen Wasserverbrauch pro Person und Tag ermittelte (116 l pro Person und Tag ohne die Bereiche "Außenbereich Pflanzen etc." und "Außenbereich Pool"), erscheint ein tatsächlich deutlich niedrigerer Wasserverbrauch an der Liegenschaft pro Person und Tag als 112 l nicht plausibel.

Wird angenommen, dass - wie im vom Bf. vorgelegten Gutachten dargestellt - die Nichteinleitungsmenge an der Liegenschaft Adresse, in den Jahren 2015 und 2016 jeweils 328 m³ betrug, müsste der sonstige Wasserverbrauch in diesen Jahren pro Person und Tag bei lediglich ca. 99,10 l gelegen sein ([1.485,50 m³ - 328 m³] : 365 : 32 x 1000). Ein tatsächlich derart niedriger Wasserverbrauch pro Person und Tag ist nicht schlüssig nachvollziehbar.

Zieht man hingegen den von der MA 42 ermittelten Wert heran, ergibt sich ein tatsächlicher durchschnittlicher Wasserverbrauch pro Person und Tag ohne die Bereiche "Außenbereich Pflanzen, etc." und "Außenbereich Pool" iHv ca. 117,5 l ([1.485,50 m³ - 113 m³] : 365 : 32 x 1000).

In Bezug auf die Plausibilitätsprüfung führte der Vertreter des Bf. aus, es gehe daraus nicht hervor, ob sich an der Liegenschaft tatsächlich 32 Personen aufgehalten hätten. Dies sei nicht belegt und eine abweichende Anzahl an tatsächlich aufhältigen Personen an der Liegenschaft habe erhebliche Auswirkungen auf die Plausibilitätsprüfung.

Dem Vertreter des Bf. ist insoweit beizupflichten, als dass die tatsächliche Anzahl der Personen an der Liegenschaft erhebliche Auswirkungen auf das Ergebnis der Plausibilitätsprüfung hat. Es erscheint dem Bundesfinanzgericht jedoch nicht unschlüssig, bei der Ermittlung der Personenanzahl an der Liegenschaft - wie von der Vertreterin der belangten Behörde ins Treffen geführt - auf ZMR-Abfragen zurückzugreifen. Es ist zwar möglich, dass sich ein Teil dieser Personen trotz ZMR-Hauptwohnsitzmeldung an der Liegenschaft tatsächlich regelmäßig woanders aufhielt, es wurden jedoch vom Vertreter des Bf. keine konkreten Anhaltspunkte für diesen Umstand ins Treffen geführt.

Wie bereits festgestellt, erscheint dem Bundesfinanzgericht somit die von der MA 42 ermittelte und von der belangten Behörde herangezogene Nichteinleitungsmenge an der Liegenschaft iHv 113 m³ pro Jahr plausibel.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I: Abweisung

Das Gesetz über den Betrieb und die Räumung von Kanalanlagen und über die Einhebung von Gebühren für die Benützung und Räumung von Unratsanlagen (Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz - KKG), LGBl. Nr. 02/1978 in der geltenden Fassung, regelt in seinem Abschnitt II die Abwassergebühr.

Nach § 11 Abs. 1 KKG unterliegt der Gebührenpflicht die unmittelbare oder mittelbare Einleitung von Abwässern von innerhalb der Stadt Wien gelegenem Grundbesitz (§ 1 Grundsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 149) in einen öffentlichen Straßenkanal.

Die Abwassergebühr ist gemäß § 11 Abs. 2 leg. cit. nach der Menge des abgegebenen Abwassers zu bemessen und mit einem Betrag je Kubikmeter festzusetzen.

Die Abwassermenge wird gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 KKG derart ermittelt, dass die von der öffentlichen Wasserversorgung bezogene, nach § 11 des Wasserversorgungsgesetzes 1960, LGBl. für Wien Nr. 10/1960, in der jeweils geltenden Fassung, ermittelte Wassermenge in den öffentlichen Kanal als abgegeben gilt.

§ 13 Abs. 1 KKG idF LGBl. für Wien Nr. 2/1978 lautet wie folgt:

"Für nach § 12 Abs. 1, 2 und 4 festgestellte Abwassermengen, die nicht in den öffentlichen Kanal gelangen, ist über Antrag die Abwassergebühr herabzusetzen, wenn die im Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum nicht eingeleiteten Abwassermengen 5 vH der für diesen Zeitraum festgestellten Abwassermengen, mindestens jedoch 100 Kubikmeter, übersteigen und die Nichteinleitung durch prüfungsfähige Unterlagen nachgewiesen wird. Der Antrag ist bei sonstigem Anspruchsverlust für in einem Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum nicht eingeleitete Wassermengen bis zum Ende des folgenden Kalenderjahres einzubringen."

Nach § 13 Abs. 1 KKG idF LGBl. für Wien Nr. 39/2016 (in Kraft getreten mit ) gilt Folgendes:

"Für nach § 12 Abs. 1, 2 und 4 festgestellte Abwassermengen, die nicht in den öffentlichen Kanal gelangen, ist über Antrag die Abwassergebühr herabzusetzen, wenn die im Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum nicht eingeleiteten Abwassermengen 5 vH der für diesen Zeitraum festgestellten Abwassermengen, mindestens jedoch 100 Kubikmeter, übersteigen und

1. der Nachweis der nicht in den öffentlichen Kanal gelangenden Abwassermengen (zB für die Bewässerung von Grünflächen, für Produktionszwecke) durch den Einbau geeichter Wasserzähler (Subzähler) erbracht wird. Diese Subzähler sind vom Gebührenschuldner bzw. von der Gebührenschuldnerin auf seine bzw. ihre Kosten durch einen dazu befugten Gewerbetreibenden bzw. eine dazu befugte Gewerbetreibende einbauen zu lassen, zu warten und instand zu halten.

2. der Nachweis der nicht in den öffentlichen Kanal gelangenden Abwassermengen bei Schäden an der Verbrauchsanlage durch prüfungsfähige Unterlagen (zB Arbeitsbestätigung oder Rechnung einer Installationsfirma) vom Gebührenschuldner bzw. der Gebührenschuldnerin erbracht wird."

Gebührenschuldner ist gemäß § 14 Abs. 1 KKG in den Fällen des § 12 Abs. 1 Z. 1 KKG dieses Gesetzes der Wasserabnehmer (§ 7 Wasserversorgungsgesetz 1960).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom () festgestellt hat, handelt es sich bei der Berechnungsvorschrift des § 12 Abs. 1 KKG (arg.: "gelten" ... "gilt") dem Anschein nach um eine der Vereinfachung der Ermittlung der Gebührenhöhe dienende Fiktion. Zu ihrer Korrektur im Sinne des Gebührentatbestandes und zur Vermeidung eines gleichheitswidrigen Ergebnisses seien ihr Regeln an die Seite gestellt, die es erlaubten, auf Fälle Rücksicht zu nehmen, in denen die in die öffentlichen Kanäle abgeleiteten Abwassermengen geringer seien als die der öffentlichen Wasserversorgung oder einer Eigenwasserversorgung entnommenen Wassermengen. Der Nachweis hiefür werde in diesen Regeln dem Gebührenpflichtigen auferlegt, womit sich die Fiktion in Wahrheit als widerlegbare Rechtsvermutung erweise.

Stellt das Gesetz für eine Tatsache eine Vermutung auf, so bedarf diese gemäß § 167 Abs. 1 BAO keines Beweises. Die Führung des Gegenbeweises liegt jedoch nach der Anordnung des Gesetzes (vgl. § 13 Abs. 1 erster Satz KKG) beim Abgabepflichtigen. Nicht der Abgabenbehörde, sondern dem Abgabepflichtigen ist die Beweislast auferlegt und es schlägt auch zum Nachteil der betreffenden Partei aus, wenn der Gegenbeweis nicht zu erbringen ist (vgl. ).

Ob dieser Nachweis erbracht ist oder nicht, unterliegt gemäß § 168 Abs. 2 BAO der freien Beweiswürdigung. Danach hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, erscheint die von der MA 42 ermittelte Nichteinleitungsmenge, in deren Rahmen im beschwerdegegenständlichen Zeitraum ein Lokalaugenschein durchgeführt wurde, der Realität durchaus zu entsprechen. Das vom Bf. eingebrachte Gutachten ist hingegen - wie ebenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde - mangels Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit nicht dazu geeignet, das Ermittlungsergebnis der MA 42, das von der belangten Behörde herangezogen wurde, zu widerlegen.

Im Übrigen ist seit dem der Nachweis der nicht in den öffentlichen Kanal gelangenden Abwassermengen durch den Einbau geeichter Wasserzähler (Subzähler) zu erbringen, womit ab diesem Zeitpunkt dem vom Bf. vorgelegten Gutachten auch deshalb keine Beweiskraft mehr zukommt.

Auch mit dem Hinweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben vermag der Bf. nicht eine Rechtswidrigkeit der bekämpften Bescheide aufzuzeigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schützt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit (vgl. etwa , Rz. 28). Der Grundsatz von Treu und Glauben zeitigt nur insoweit Auswirkungen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. etwa , Rz. 14).

Im Hinblick darauf, dass die Vorgangsweise der belangten Behörde für die Zeiträume bis zur Gesetzesänderung im Jahr 2016 als gesetzeskonform anzusehen ist und gegenüber allen Wasserabnehmern in gleicher Weise vorgegangen wurde, kann darin keine Verletzung des Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz erkannt werden.

Hinsichtlich der darüber hinaus ohne begründende Ausführungen geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken wird auf die Aussagen des Verfassungsgerichtshofs im Erkenntnis vom , B 13/80, verwiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II: Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da über die zu beurteilende Rechtsfrage der Nachweispflicht für die nicht in den öffentlichen Kanal eingeleiteten Abwassermenge im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entschieden wurde und da es sich bei der Frage, ob dieser Beweis gelungen ist, um eine Frage der Beweiswürdigung handelt, hängt das gegenständliche Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ab. Daher war die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
KKG, Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz, LGBl. Nr. 02/1978
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400089.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at