Zurückweisung der Beschwerde gegen eine Erledigung, die zufolge Vonselbsterwerbs der Erbschaft in Deutschland an nicht entstandene Verlassenschaft adressiert war
Entscheidungstext
Beschluss
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** über die Beschwerde der ***Bf***, ***Bf-Adr***, vom ***D1*** gegen den an die Verlassenschaft nach ***P1*** gerichteten Bescheid des ***FA1*** (vormals ***FA2***) vom ***D2*** betreffend Abweisung des Antrages auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr ***J***, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a Bundesabgabenordnung (BAO) als nicht zulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Am ***D3*** langte die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung ***J*** für ***P1*** beim Finanzamt elektronisch ein.
Das Finanzamt ersuchte mit einem Schreiben vom ***D4*** an ***P1*** um Ergänzungen betreffend die Arbeitnehmerveranlagung ***J*** und forderte zur Nachreichung von Auflistungen und Belegen auf. Es stellte Fragen zu dessen Körperbehinderung, den Versicherungen und den Krankheits- und Kurkosten.
Am ***D5*** langte beim Finanzamt ein Schreiben von der Beschwerdeführerin ein, in dem sie unter Bezugnahme auf das Schreiben des Finanzamtes vom ***D4*** mitteilte, dass ihr Mann am ***D6*** verstorben war. Sie brachte Ergänzungen und Unterlagen vor, die in dem Schreiben des Finanzamtes angefordert worden waren.
Das Finanzamt erließ eine als "BESCHEID ***J***" bezeichnete Erledigung vom ***D2***, wonach der Antrag vom ***D3*** auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr ***J*** abgewiesen werde. Zur Begründung schrieb es, es habe trotz Aufforderung die Verlassenschaftsabhandlung von ***P1*** nicht erhalten, daher sei eine Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung ***J*** nicht möglich.
Die Erledigung war an "***Bf1***, z.H. ***Bf3***, ***Bf-Adr3***" adressiert. Die Versendung des Schriftstückes erfolgte am ***D7*** ohne Rückschein.
Am ***D9*** langte beim Finanzamt ein Schreiben der Beschwerdeführerin ein, in welchem sie mitteilte, sie hätte noch keine Nachricht vom Finanzamt erhalten, der Zugang zu Finanz-Online funktioniere ebenfalls nicht mehr und sie bitte um Mitteilung, ob noch Angaben/Unterlagen fehlten beziehungsweise um Übersendung des Steuerbescheides.
Das Finanzamt versendete in der Folge eine Zweitausfertigung der Erledigung vom ***D2*** als Beilage zu einem als "Zustellung von Zweitschriften von Bescheiden/Schriftstücken" bezeichneten, an "***Bf1***, z.H. ***Bf3***, ***Bf-Adr4***" adressierten Dokument vom ***D10***.
Am ***D1*** langte beim Finanzamt die Beschwerde vom ***D11*** ein. Zur Begründung führte die Beschwerdeführerin aus, das Finanzamt hätte ihr mit Schreiben vom ***D10*** eine Zweitausfertigung ihres Bescheides ***J*** übersandt, in dem geschrieben stünde, dass die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr ***J*** abgewiesen werde. Der angefochtene Bescheid vom ***D2*** sei ihr erst am ***D11*** zugestellt worden. Der erste Versand sei an die Adresse in ***Gem*** erfolgt, wo sie seit ***J*** nicht mehr wohnhaft seien. Ihr Mann sei in Deutschland verstorben. Es habe weder eine Verlassenschaftsabhandlung noch ein Nachlassverfahren gegeben und es sei die gesetzliche Erbfolge eingetreten. Dem Schreiben waren die Sterbeurkunde des Standesamtes ***Gem1*** über den Tod des ***P1*** am ***D6*** in ***Gem1*** und ein Schreiben des Amtsgerichtes ***Gem2***, Abteilung für Nachlasssachen, wonach dort Nachlassverhandlungen nach dem Erblasser ***P1*** nicht durchgeführt wurden, beigefügt.
Mit einem an "***Bf1***, z.H. ***Bf3***, ***Bf-Adr5***" adressierten Schreiben des Finanzamtes vom ***D12*** erging das Ersuchen, einen Nachtragsbeschluss des Gerichtes zur Bestellung eines Kurators nachzureichen, da nur gesetzliche Rechtnachfolger einen Antrag stellen könnten.
Am ***D13*** langte beim Finanzamt ein Schreiben der Beschwerdeführerin vom ***D14*** ein, in welchem diese auf das bisherige Vorbringen zur gesetzlichen Erbfolge verwies und bat, alle Schreiben beziehungsweise den finalen Bescheid über die Arbeitnehmerveranlagung ***J*** direkt an die im Briefkopf angeführte Adresse zu richten.
Das Finanzamt erließ eine als "Beschwerdevorentscheidung" bezeichnete, an "***Bf1***, z.H. ***Bf3***, ***Bf-Adr5***" adressierte Erledigung vom ***D15***, wonach die Beschwerde gemäß § 260 BAO zurückgewiesen werde. Zur Begründung führte es aus, es könnten einzelne (konkrete) Vermögensobjekte mit Gerichtsbeschluss überlassen werden, wenn in einer Verlassenschaftssache die Beschlussfassung über eine Abtuung armutshalber (§ 153 AußStrG) oder Überlassung an Zahlungsstatt (§ 154 AußStrG) erfolgte. Über die betreffenden, im Gerichtsbeschluss genannten Vermögensgegenstände könnte durch den laut Gerichtsbeschluss Berechtigten verfügt werden. Das gelte auch für die Einbringung einer Abgabenerklärung oder die Einbringung einer Beschwerde betreffend die Abgaben des Verstorbenen. Da ein derartiger Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes nicht beigebracht wurde, sei die Beschwerde mangels Aktivlegitimation als unzulässig zurückzuweisen.
Am ***D16*** langte beim Finanzamt ein nicht unterschriebener Antrag der Beschwerdeführerin vom ***D17*** auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht ein. Zur Begründung teilte sie mit, ihr sei vom Amtsgericht ***Gem2*** die Auskunft erteilt worden, es könne ein Erbschein für sie als Erbin ausgestellt werden, was aber mit erheblichen Kosten verbunden sei. Sie bat um nochmalige Überprüfung, ob die Bearbeitung auch ohne Erbschein möglich wäre.
Nach Zusendung eines Mängelbehebungsauftrages an "***Bf1***, z.H. ***Bf3***, ***Bf-Adr6***" langte am ***D18*** beim Finanzamt ein Schreiben der Beschwerdeführerin vom ***D19*** ein, dem der Antrag vom ***D17*** mit Unterschrift der Beschwerdeführerin beigefügt war.
Am ***D20*** legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Es teilte im Vorlagebericht mit, dass trotz Vorlagevorhalt kein Erbschein nach dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Erbrecht vorgelegt worden war. Könne keine Legitimation nachgewiesen werden, sei der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung mangels Aktivlegitimation zurückzuweisen. Es beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Am ***D21*** übermittelte die Beschwerdeführerin dem Bundesfinanzgericht per E-Mail ein Dokument, auf dem eine beglaubigte Abschrift des Amtsgerichtes ***Gem2*** vom ***D22*** über den Erbschein, demzufolge ***P1*** zu je einer Hälfte von der Beschwerdeführerin und ***P3*** beerbt worden war, ersichtlich ist.
Gemäß § 19 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
Gemäß § 28 Abs. 1 Bundesgesetz vom über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) in der Fassung des BGBl. Nr. 304/1978 war die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes zu beurteilen.
Gemäß § 9 Abs. 1 erster Satz IPR-Gesetz ist das Personalstatut einer natürlichen Person das Recht des Staates, dem die Person angehört.
Gemäß § 50 Abs. 7 IPR-Gesetz ist § 28 IPR-Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verstorbene vor dem gestorben ist und soweit die EuErbVO nicht das maßgebende Recht bestimmt.
Gemäß § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Personenbeschreibung notwendiger Bestandteil eines Bescheidspruchs mit der Wirkung, dass ohne gesetzmäßige Bezeichnung des Adressaten im Bescheidspruch, zu dem auch das Adressfeld zählt, kein individueller Verwaltungsakt gesetzt wird. Die Beschwerde gegen eine Erledigung, die an eine nicht bestehende Verlassenschaft gerichtet ist, ist unzulässig (vgl. ).
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.
Die Erledigung des Finanzamtes vom ***D2*** war an "***Bf1***, z.H. ***Bf3***, ***Bf-Adr3***" gerichtet.
Wie sich aus der mit der Beschwerde vorgelegten Bestätigung des Amtsgerichtes ***Gem2*** vom ***D23*** und der beglaubigten Abschrift des Erbscheines vom ***D22*** ergibt, wurde ***P1*** von ***Bf*** und ***P2*** beerbt, ohne dass Nachlassverhandlungen beim Amtsgericht durchgeführt worden wären.
***P1*** war Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland. Die Gesamtrechtsnachfolge nach seinem Tod ist gemäß dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) eingetreten.
Gemäß § 1922 Abs. 1 BGB (Gesamtrechtsnachfolge) geht mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.
Gemäß § 1942 Abs. 1 BGB geht die Erbschaft auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen.
§ 1942 Abs. 1 BGB bringt zusammen mit § 1922 Abs. 1 BGB den Grundsatz des Vonselbsterwerbs zum Ausdruck. Das Gesetz lässt den Erbschaftserwerb sogleich mit dem Erbfall eintreten. Einen ruhenden Nachlass mit Rechtspersönlichkeit kennt das BGB nicht.
Die Gesamtrechtsnachfolge nach ***P1*** ist demzufolge sogleich mit dessen Tod eingetreten, ohne dass eine Verlassenschaft als juristische Person entstanden wäre.
Die an "***Bf1***, z.H. ***Bf3***, ***Bf-Adr3***" gerichtete Erledigung ging damit ins Leere und entfaltete keine Rechtswirkungen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung als nicht zulässig zurückzuweisen.
Zur Nichtzulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die in der Beschwerdesache aufgetretenen Rechtsfragen wurden anhand der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelöst. Dem Beschluss liegt daher nicht die Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 28 Abs. 1 IPRG, IPR-Gesetz, BGBl. Nr. 304/1978 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 1 IPRG, IPR-Gesetz, BGBl. Nr. 304/1978 § 50 Abs. 7 IPRG, IPR-Gesetz, BGBl. Nr. 304/1978 § 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100126.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at