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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.06.2023, RV/7101974/2023

Zurückziehung des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung zulässig mangels Vorliegens von Pflichtveranlagungstatbeständen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Streitpunkt

Strittig ist, ob Pflichtveranlagungstatbestände vorliegen, die die Zurückziehung des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung 2019 unzulässig machen.

II. Verfahrensgang

II.1. Verfahren vor dem Finanzamt Österreich

Die Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin, im folgenden die Bf., die ***2*** Wien GmbH, reichte für die Bf. beim Finanzamt Österreich für das Jahr 2019 zwei Lohnzettel mit überschneidenden Bezugszeiträumen, einmal vom bis und einmal vom bis , ein. Darüberhinaus wurden für die Bf. Lohnzettel von zwei Vorsorgekassen übermittelt, zwei Lohnzettel des Arbeitsmarktservice Österreich betreffend Arbeitslosengeld für 74 Tage ( bis ) und für 48 Tage ( bis ) und ein Lohnzettel des Arbeitsmarktservice Österreich betreffend Weiterbildungsgeld für den Zeitraum bis .

Mit Schreiben vom wurde die Bf. vom Finanzamt aufgefordert, die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 bis zum einzureichen. Begründet wurde dieses Schreiben damit, dass die Bf. zur Abgabe einer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung verpflichtet sei, weil sie zum Beispiel bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt war, mehrere Personen oder Krankengeld, Rehabilitationsgeld, eine Entschädigung vom Bundesheer, Auszahlungen von der Bauarbeiterurlaubskasse oder vom Insolvenz-Entgelt-Fonds erhalten hat.

Dieser Aufforderung kam die Bf. am durch Einbringung einer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 nach. Darin machte die Bf. verschiedene Werbungskosten iHv insgesamt 334,73 Euro geltend.

Mit Einkommensteuerbescheid 2019 vom wurde die Veranlagung antragsgemäß vorgenommen. Dabei wurden aufgrund des Bezugs des Arbeitslosengeldes und des Weiterbildungsgeldes eine Hoch- und Kontrollrechnung durchgeführt und Einkünfte nach § 3 Abs. 2 EStG iHv 8.913,78 Euro angesetzt, sodass sich eine Nachforderung iHv 233,00 Euro ergab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom . Darin führt die Bf. aus, dass sie zur Abgabe einer Arbeitnehmerveranlagung verpflichtet worden sei. Es liege kein Pflichtveranlagungsgrund vor, weshalb sie ihre Veranlagung 2019 zurückziehe. Ihr Arbeitgeber, die ***2*** habe fehlerhafte Bezugszeiträume ihrer Jahreslohnzettel übermittelt, weshalb sie fälschlicherweise im System mit Pflichtveranlagungstatbestand aufscheine. Sie habe folgende Bezüge gehabt: von 01.01.-30.06. sei sie in Bildungskarenz gewesen und habe bei ihrem Arbeitgeber, der ***2***, geringfügig dazu verdient. Daher sei in diesem Zeitraum die L-meldung von 01.01.-30.06. korrekt gewesen. Nach Ende ihrer Bildungskarenz sei sie zwei Monate von 01.07.-31.08. wieder Teilzeit bei der ***2*** beschäftigt gewesen. Das sei ihr einziger Bezug in dieser Zeit gewesen, daher sei der zweite Jahreslohnzettel der Firma ***2*** GmbH nicht von 01.01.-31.08., sondern nur von 01.07. bis 31.08. zu melden gewesen. Nach ihrer Kündigung sei sie beim AMS gewesen. Daher liege kein Pflichtveranlagungsgrund vor. Sie ziehe daher die Arbeitnehmerveranlagung 2019 zurück.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Als Begründung wurde ausgeführt: "Für das Jahr 2019 liegen dem Finanzamt für Sie nicht nur Lohnzettel von der ***2*** Wien GmbH sondern auch von der fair-finance Vorsorgekasse AG und der VBV Vorsorgekasse AG vor (siehe Seite 3 des Bescheides). Diese beiden Vorsorgekassen-Lohnzettel mit der Lohnzettelart 12 lösen ebenfalls einen Pflichtveranlagungstatbestand aus. Die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 kann daher nicht zurückgezogen werden."

Im Vorlageantrag vom brachte die Bf. folgendes vor: "Ich ersuche um nachträgliche Überprüfung der Ablehnung des Zurückziehens der ANV für 2019. Lt. Finanzamt liegt eine Pflichtveranlagung vor, da die Lohnzettelart 12 einen Pflichtveranlagungstatbestand darstellen würden. Meiner Ansicht nach handelt es sich aber nicht um einen Pflichttatbestand gemäß § 41Abs. 1 EStG: Beide Meldungen betreffen die Mitarbeitervorsorgekasse und sind mit festen Steuersätzen besteuert. Die KZ 245 beträgt daher in beiden Fällen zu Recht 0,00 €. Solche Einkünfte können daher meiner Ansicht nach keine Pflichtveranlagung auslösen. Im übrigen verweise ich auf die ursprüngliche Begründung der Beschwerde. Ich ersuche daher meinem Antrag auf Zurückziehen der ANV für 2019 stattzugeben."

Am stellte das Finanzamt an die frühere Arbeitgeberin der Bf., die ***2***, ein Auskunftsersuchen. Die Arbeitgeberin wurde darin aufgefordert, das Lohnkonto der Bf. dem Finanzamt vorzulegen.

Mit E-Mail vom legte die ***2*** das Jahreslohnkonto der Bf. für das Jahr 2019 vor und teilte mit: "Die Mitarbeiterin war bis in Bildungskarenz und hatte im Jahreszeitraum 2019 vom bis ein zweites Dienstverhältnis; das Hauptdienstverhältnis ruhte in dieser Zeit."

II.2. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht

Die Beschwerde wurde dem BFG am zur Entscheidung vorgelegt. Im Vorlagebericht gab das Finanzamt nach Darstellung des Sachverhalts folgende Stellungnahme ab:

"Nach § 41 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 ist bei Vorliegen von lohnsteuerpflichtigen Einkünften ein Pflichtveranlagungstatbestand für das jeweilige Kalenderjahr gegeben, wenn im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind.

Gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 EStG 198 hat der Steuerpflichtige eine Steuererklärung für das abgelaufene Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) abzugeben, wenn er vom Finanzamt dazu aufgefordert wird. Betreffend die Einwendung der Bf. in der Beschwerde und im Vorlageantrag, dass kein Pflichtveranlagungstatbestand vorliegen würde, wird auf § 42 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 verwiesen. Bei der Verpflichtung zur Einreichung von Abgabenerklärungen nach Aufforderung durch das Finanzamt kommt es nicht darauf an, ob eine Abgabepflicht besteht oder nicht. Die Verpflichtung zur Abgabe einer Abgabenerklärung besteht auch dann, wenn der Steuerpflichtige der Meinung ist, dass sich keine Schuld ergeben wird ().

Die Aufforderung des Finanzamtes, eine bestimmte Abgabenerklärung abzugeben, stellt eine verfahrensleitende Verfügung dar, gegen die ein abgesondertes Rechtsmittel unzulässig ist.

Auf Grund der Aufforderung des Finanzamtes zur Abgabe einer Abgabenerklärung vom war die Bf. jedenfalls - unabhängig davon, ob letztlich ein Pflichtveranlagungstatbestand vorlag - entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zur Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) zu veranlagen (vgl. ).

Die Abweisung der Beschwerde wird beantragt."

III. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. war bei der ***2*** Wien GmbH (im folgenden ***2***) beschäftigt. In der Zeit von 01.01. bis war sie in Bildungskarenz. Ihr Hauptarbeitsverhältnis zur ***2*** ruhte während dieses Zeitraumes. Sie war in diesem Zeitraum bei der ***2*** geringfügig beschäftigt und bezog Weiterbildungsgeld vom Arbeitsmarktservice Österreich iHv EUR 5.368,46. Im Zeitraum 01.07. bis nahm die Bf. wieder ihre Hauptbeschäftigung in Teilzeit bei der ***2*** auf. Nach ihrer Kündigung bezog sie, wie aus zwei eingereichten Lohnzetteln des Arbeitsmarktservice Österreich hervorgeht, Arbeitslosengeld für 74 Tage ( bis ) und für 48 Tage ( bis ). Darüber hinaus wurden dem Finanzamt für die Bf. Lohnzettel von zwei Vorsorgekassen übermittelt, ein Lohnzettel von der VBV Vorsorgekasse AG für den Bezugszeitraum bis und ein Lohnzettel von der fair-finance Vorsorgekasse für den angegebenen Bezugszeitraum bis . Bei den Bezügen handelt es sich um mit 6% besteuerte Auszahlungen aus den beiden Mitarbeitervorsorgekassen.

Die eingereichten Lohnzettel der Vorsorgekassen haben folgenden Inhalt (Beträge in EUR):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
VBV Vorsorgekasse AG
fair-finance Vorsorgekasse AG
Bruttobezüge (210)
154,91
1.213,86
Mit festen Sätzen versteuerte Bezüge
154,91
1.213,86
Übrige Abzüg (243)
154,91
1.213,86
Einbehaltene Lohnsteuer
9,29
72,83
Lohnsteuer mit festen Sätzen
9,29
72,83

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig, insbesondere, dass die Bf. durchgehend bei der ***2*** Wien GmbH von bis beschäftigt war. Das ergibt sich aus dem vorgelegten Lohnkonto. Ebenso geht sowohl das BFG als auch das Finanzamt Österreich, mit dem das BFG am telefonisch Rücksprache gehalten hat, davon aus, dass die Bezüge der beiden Vorsorgekassen auf Auszahlungen angesparter MV-Kassenbeträge zurückzuführen sind, deren Besteuerung mit 6% erfolgte..

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Rechtslage:

3.1.1.

Nach § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit. Das Weiterbildungsgeld bei Bildungskarenz ist eine Ersatzleistung des Arbeitslosengeldes gem. § 6 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz.

Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a oder c, Z 22 lit. a (5. Hauptstück des Heeresgebührengesetzes 2001), lit. b oder Z 23 (Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 des Zivildienstgesetzes 1986) nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. Die diese Bezüge auszahlende Stelle hat bis 31. Jänner des Folgejahres dem Wohnsitzfinanzamt des Bezugsempfängers eine Mitteilung zu übersenden, die neben Namen und Anschrift des Bezugsempfängers seine Versicherungsnummer (§ 31 ASVG), die Höhe der Bezüge und die Anzahl der Tage, für die solche Bezüge ausgezahlt wurden, enthalten muß. Diese Mitteilung kann entfallen, wenn die entsprechenden Daten durch Datenträgeraustausch übermittelt werden. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren des Datenträgeraustausches mit Verordnung festzulegen.

3.1.2.

Die Einkommensteuer wird gemäß § 39 Abs. 1 EStG 1988 nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Hat der Steuerpflichtige lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen, so erfolgt eine Veranlagung nur, wenn die Voraussetzungen des § 41 vorliegen.

§ 41 EStG 1988 regelt die Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften. Bei Vorliegen von lohnsteuerpflichtigen Einkünften ist nach § 41 Abs. 1 EStG 1988 in den folgenden Fällen ein Pflichtveranlagungstatbestand für das jeweilige Kalenderjahr gegeben:

1. wenn der Steuerpflichtige andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt,

2. im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind.

3. im Kalenderjahr Bezüge gemäß § 69 Abs. 2, 3, 5, 6, 7, 8 oder 9 zugeflossen sind,

4. ein Freibetragsbescheid für das Kalenderjahr gemäß § 63 Abs. 1 oder ein Freibetrag gemäß § 103 Abs. 1a bei der Lohnverrechnung berücksichtigt wurde.

5. der Alleinverdienerabsetzbetrag, der Alleinerzieherabsetzbetrag, der erhöhte Pensionistenabsetzbetrag, der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag oder Freibeträge nach § 62 Z 10 und Z 11 berücksichtigt wurden, aber die Voraussetzungen nicht vorlagen.

6. der Arbeitnehmer eine unrichtige Erklärung abgegeben hat oder seiner Meldepflicht gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 nicht nachgekommen ist.

7. der Arbeitnehmer eine unrichtige Erklärung gemäß § 3 Abs. 1 Z 13 lit. b 5. Teilstrich abgegeben hat oder seiner Verpflichtung, Änderungen der Verhältnisse zu melden, nicht nachgekommen ist.

8. der Einkünfte im Sinn des § 3 Abs. 1 Z 32 bezogen hat.

9. er Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27a Abs. 1 oder entsprechende betriebliche Einkünfte erzielt, die keinem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen.

10. er Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen im Sinne des § 30 erzielt, für die keine Immobilienertragsteuer gemäß § 30c Abs. 2 entrichtet wurde, oder wenn keine Abgeltung gemäß § 30b Abs. 2 gegeben ist.

11. der Arbeitnehmer nach § 83 Abs. 3 unmittelbar in Anspruch genommen wird.

12. ein Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a berücksichtigt wurde, aber die Voraussetzungen nicht vorlagen oder wenn sich ergibt, dass ein nicht zustehender Betrag berücksichtigt wurde.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, so hat das Finanzamt gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt werden.

Gem. § 41 Abs. 4 EStG 1988 bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Bezüge, die nach § 67 Abs. 1 oder § 68 steuerfrei bleiben oder mit den festen Sätzen des § 67 oder mit den Pauschsätzen des § 69 Abs. 1 zu versteuern waren, außer Ansatz. Die Steuer, die auf sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels gemäß § 67 Abs. 1 und 2 und auf Bezüge gemäß § 67 Abs. 5 zweiter Teilstrich, die gemäß § 67 Abs. 1 zu versteuern sind, entfällt, ist aber gemäß § 67 Abs. 1 und 2 neu zu berechnen, wenn diese sonstigen Bezüge 2 100 Euro übersteigen. Die Bemessungsgrundlage sind die sonstigen Bezüge innerhalb des Jahressechstels gemäß § 67 Abs. 1 und 2 sowie die Bezüge gemäß § 67 Abs. 5 zweiter Teilstrich, die gemäß § 67 Abs. 1 zu versteuern sind, abzüglich der darauf entfallenden Beiträge gemäß § 62 Z 3, 4 und 5. Bis zu einem Jahressechstel von 25 000 Euro beträgt die Steuer 6% der 620 Euro übersteigenden Bemessungsgrundlage, jedoch höchstens 30% der 2 000 Euro übersteigenden Bemessungsgrundlage. Ungeachtet des vorläufigen Steuerabzugs gemäß § 69 Abs. 2 und 3 gilt ein Siebentel dieser Bezüge als ein Bezug, der mit dem festen Steuersatz des § 67 Abs. 1 zu versteuern war und von dem 6% Lohnsteuer einbehalten wurde. Ein Siebentel der Bezüge gemäß § 69 Abs. 5 und 7 gilt als Bezug, der mit dem festen Steuersatz des § 67 Abs. 1 zu versteuern ist.

§ 42 EStG 1988 regelt die Steuererklärungspflicht. § 42 Abs. 1 EStG 1988 lautet auszugsweise:

Der unbeschränkt Steuerpflichtige hat eine Steuererklärung für das abgelaufene Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) abzugeben, wenn

1. er vom Finanzamt dazu aufgefordert wird oder (…)

3.2. Erwägungen

  • Die Bf. wurde vom Finanzamt aufgefordert, eine Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 abzugeben, weil sie nach den von ihrem damaligen Arbeitgeber angegebenen Bezugszeiträumen auf den eingereichten Lohnzetteln gleichzeitig zwei lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen hat. Im Zuge der Ermittlungen im weiteren Verfahren hat sich herausgestellt, dass die Angaben zum Bezugszeitraum nicht richtig sind, sondern die Bf. vielmehr von 01.01. bis durchgehend, wenn auch in unterschiedlicher zeitlicher Intensität - von 01.01. bis geringfügig und von 01.07. bis in Teilzeit -, beim selben Arbeitgeber gearbeitet hat.

Der Pflichtveranlagungstatbestand des § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988, wonach eine Pflichtveranlagung stattzufinden hat, wenn im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind, liegt daher mangels zeitlicher Überschneidung der Tätigkeiten bei der ***2*** nicht vor.

Diesen Tatbestand vermögen auch die beiden Bezüge der Vorsorgekasse nicht zu erfüllen. Die Abfertigung aus BV-Kassen ist gem. § 67 Abs. 3 Satz 5 EStG 1988 mit 6% Lohnsteuer und damit einem festen Satz zu besteuern. Bezüge, die mit den festen Sätzen des § 67 zu versteuern sind, bleiben gem. § 41 Abs. 4 EStG 1988 bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit - und nur solche können lohnsteuerpflichtig sein - außer Ansatz. Wenn sie bei der Ermittlung der Einkünfte außer Ansatz zu bleiben haben, haben sie auch bei der Veranlagung außer Ansatz zu bleiben. § 41 Abs. 4 EStG 1988 hat den Zweck, die Begünstigungen des Lohnsteuerverfahrens im Veranlagungsverfahren aurechtzuerhalten (Jakom/Peyerl EStG 2020, § 41 Rz 38).

Das vom AMS ausbezahlte Arbeitslosengeld und Weiterbildungsgeld während der Bildungskarenz ist nach § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 von der Einkommensteuer befreit und stellen daher keine lohnsteuerpflichtigen Einkünfte im Sinne des § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 dar ().

Für diese beiden Gelder kommt aber auch der Pflichtveranlagungstatbestand des § 41 Abs. 1 Z 1 EStG, wonach eine Pflichtveranlagung durchzuführen ist, wenn andere Einkünfte, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt, bezogen wurden, nicht in Betracht. Das Arbeitslosengeld und das Weiterbildungsgeld zählen zu den steuerfreien Einkünften, welche nicht zu den "anderen Einkünften" im Sinne des § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 gehören. Steuerfreie Einkünfte im Sinne des § 3 EStG 1988 lösen für sich alleine keine Pflichtveranlagung aus (Jakom/Peyerl EStG 2020, § 41 Rz 7).

Abschließend ist noch auf das letzte Argument - die Aufforderung des Finanzamt löse unabhängig vom Vorliegen eines Pflichtveranlagungstatbestandes eine Veranlagungspflicht aus - einzugehen.

§ 39 Abs. 1 Satz 2 EStG 1988 normiert, dass, wenn der Steuerpflichtige lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen hat, eine Pflichtveranlagung nur erfolgt, wenn die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen. Die Bezüge der Bf. von der ***2*** stellen jedenfalls lohnsteuerpflichtige Einkünfte dar. Im Gegensatz zur Steuererklärungspflicht des § 42 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 enthält § 41 Abs. 1 EStG 1988 als Pflichtveranlagungstatbestand nicht die Aufforderung des Finanzamtes zur Abgabe einer Steuererklärung. Daher löst die Aufforderung des Finanzamtes, eine Abgabenerklärung einzureichen, keinen - gesetzlich nicht vorgesehenen - (weiteren) Pflichtveranlagungstatbestand im Beschwerdefall aus.

Auf Grund der vorangehenden Ausführungen erfüllt keine der von der Bf. bezogenen Einkünfte einen Pflichtveranlagungstatbestand gem. § 41 Abs. 1 EStG 1988. Im Beschwerdefall liegen somit die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung nicht vor.

Ein Antrag auf Veranlagung kann bis zur Rechtskraft der Arbeitnehmerveranlagung zurückgezogen werden (). Damit fällt die Rechtsgrundlage für eine entsprechende Veranlagung weg.

Im Beschwerdefall wurde in der Beschwerde - sohin vor Rechtskraft des Bescheides - der Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung 2019 zurückgezogen und es liegt kein Pflichtveranlagungstatbestand vor. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 vom gemäß § 279 BAO ersatzlos aufzuheben.

Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren gemäß § 279 Abs. 2 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des Bescheides befunden hat.

4. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall ergibt sich die Lösung der strittigen Rechtsfragen entweder aus dem Gesetz oder der Rechtsprechung. Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Revison ist nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101974.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at