Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 22.06.2023, RV/7100509/2020

Art 19 DBA Österreich/Frankreich; Gegenstandsloserklärungen nach § 261 Abs 1 lit a BAO; Gegenstandsloserklärung nach § 261 Abs 2 BAO

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Dr. Lisa Pucher in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 (nun Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 bis 2018, zu Steuernummer ***Bf StNr***, den Beschluss:

I. Die Beschwerden betreffend Einkommensteuer 2014, 2016, 2017 und 2018 werden gemäß § 261 Abs 1 lit a BAO als gegenstandslos erklärt.

II. Die Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2015 wird gemäß § 261 Abs 2 BAO als gegenstandslos erklärt.

III. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (nachfolgend "Bf") reichte für die Jahre 2014 bis 2016 Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung ein, in denen sie die steuerliche Berücksichtigung von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen beantragte. In den Einkommensteuerbescheiden für 2014 bis 2016 berücksichtigte das Finanzamt die beantragten Topf-Sonderausgaben (zu einem Viertel und unter Berücksichtigung der Einschleifregelung), nicht jedoch die Aufwendungen für außergewöhnlichen Belastungen, da sie den Selbstbehalt nicht überstiegen.

Aufgrund der von der französischen Finanzverwaltung im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs (AEOI - Automatic Exchance of Information) übermittelten Kontrollmitteilungen wurde dem Finanzamt bekannt, dass die Bf in den Jahren 2014 bis 2018 Pensionszahlungen (von französischen auszahlenden Stellen) erhalten hat. Aufgrund dessen verfügte das Finanzamt am eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO hinsichtlich der Jahre 2014 und 2016. Der Einkommensteuerbescheid für 2015 wurde (ebenfalls am ) gemäß § 299 BAO aufgehoben. In den neuen Sachbescheiden (Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 bis 2016) vom wurden die Pensionszahlungen aus Frankreich zusätzlich zu den vom ***Bundesland in Österreich*** an die Bf ausgezahlten Pensionseinkünften als (in Österreich steuerpflichtige) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit angesetzt. Am erfolgte überdies die Erstveranlagung der Jahre 2017 und 2018, wobei im Jahr 2017 wie in den Vorjahren die gemäß der AEOI-Mitteilung an die Bf gezahlte französische Pension in Ansatz gebracht wurden; für 2018 wurde der der Bf zugeflossene Betrag mangels Vorliegen einer AEOI-Mitteilung geschätzt.

Mit Eingabe vom brachte die Bf fristgerecht Beschwerde ein. Sie erhebe Einspruch gegen den "Bescheid vom ". Die Bf erläuterte wie folgt: Sie finde es bedauerlich, dass die Steuernachforderung für ihre französische Witwenrente erst so spät erfolgt; sie frage sich auch, ob in ihrem Fall Anspruchszinsen berechtigt sind. Sie hoffe auf eine positive Erledigung ihrer Angelegenheit. Sonstige Punkte (von ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2014-2016 abweichende steuerliche Berücksichtigung der Sonderausgaben sowie der außergewöhnlichen Belastungen durch die belangte Behörde im Erstbescheid) beanstandete die Bf nicht.

Das Finanzamt wertete dieses Schreiben als Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 bis 2018 (alle vom ). Mit den Beschwerdevorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Beschwerden als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom brachte die Bf Vorlageanträge ein. Sie finde es nicht korrekt, dass sie als französische Staatsbürgerin für ihre französische Witwenpension in Österreich Steuern zahlen müsse. Sie ersuche um nochmalige Prüfung ihres Falles. Beiliegend übermittelte sie erneut ihr Schreiben vom (Beschwerde) und die damals übermittelten Belege.

Am erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Im Rahmen des Vorlageberichtes nahm die belangte Behörde wie folgt Stellung: Gemäß Art 18 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Frankreich und Österreich seien Ruhegehälter im Ansässigkeitsstaat des Beziehers zu besteuern. Da die Bf unstrittig in Österreich ansässig sei, werde das Besteuerungsrecht an der französischen Pension Österreich zugewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien daher rechtmäßig.

Durch den Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde der gegenständliche Fall mit Wirkung der Gerichtsabteilung 1004 abgenommen und der Gerichtsabteilung 1090 neu zugeteilt.

Mit Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht die Bf auf, die Mängel der Beschwerden (Fehlen von Bezeichnung des Bescheides/der Bescheide, gegen den/die sie sich richtet und einer Begründung) gemäß § 85 Abs 2 in Verbindung mit § 2a BAO innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung des betreffenden Beschlusses zu beheben. Der Beschluss wurde wie folgt begründet: "In Ihrem Schreiben vom nehmen Sie Bezug auf ,den Bescheid vom ' und erheben dagegen ,Einspruch'. Am wurden Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014-2018 erlassen. Am ergingen aber auch die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303 BAO) betreffend Einkommensteuer 2014 und 2016, der Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2015 gemäß § 299 BAO sowie Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2014-2017." Die Bf solle darlegen, gegen welchen Bescheid bzw welche Bescheide sich ihre Beschwerden richten und sie solle überdies erläutern, aus welchen Gründen sie ihre Beschwerden für gerechtfertigt / Erfolg versprechend halte.

Am erläuterte die Bf in einem Schreiben an das Bundesfinanzgericht, dass die Beschwerden gegen alle im Mängelbehebungsauftrag genannten Bescheide gerichtet seien. Die Bf haben sich als französische Staatsbürgerin nicht zur Besteuerung der Einkünfte verpflichtet gefühlt.

Dieses Schreiben wurde der belangten Behörde vom Bundesfinanzgericht am übermittelt. Gleichzeitig wurde die belangte Behörde mit Beschluss (gemäß § 266 Abs 4 BAO) dazu aufgefordert, bis längstens noch fehlende Aktenbestandteile nachzureichen. Dazu erläuterte das Bundesfinanzgericht, dass die Beschwerden vom auch gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303 BAO) betreffend Einkommensteuer 2014 und 2016, gegen den Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2015 gemäß § 299 BAO sowie gegen die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2014 bis 2017 gerichtet war. Das Bundesfinanzgericht ersuche um Übermittlung von fehlenden Aktenteilen (nämlich der Beschwerdevorentscheidungen in Bezug auf die oben angeführten Bescheide).

Die fehlenden Aktenteile wurden dem Bundesfinanzgericht von der belangten Behörde am per Email übermittelt sowie in den elektronischen Akt aufgenommen. Der Beschwerde gegen den Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2015 gemäß § 299 BAO wurde in der Beschwerdevorentscheidung stattgegeben. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 war am ergangen. Der angefochtene Bescheid ist erst am (somit außerhalb der in § 302 Abs 1 BAO vorgesehenen Einjahresfrist) erlassen worden. Zu den Beschwerden betreffend die restlichen Bescheide (über die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO betreffend Einkommensteuer 2014 und 2016 und über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2014 bis 2017) sind abweisende Beschwerdevorentscheidungen ergangen.

Am hat ein Erörterungstermin beim Bundesfinanzgericht stattgefunden. Im Rahmen dessen hat die Bf einer Aufhebung der Bescheide für die Jahre 2014, 2016, 2017 und 2018 nach § 300 Abs 1 lit a BAO zugestimmt (siehe Niederschrift), sofern in den neuen Sachbescheiden ein Anteil in Höhe von 87,5% der betreffenden französischen Pension in Österreich von der Steuer befreit und nur für die Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes herangezogen wird (Anteil, der auf Tätigkeiten des Ehemannes der Bf beim französischen Kulturinstitut in Wien oder auch sonst auf im öffentlichen Dienst verrichtete Tätigkeiten entfällt; vgl Art 19 Abs 1 lit a DBA Österreich Frankreich; das entspricht 38,5 von 44 Berufsjahren des verstorbenen Ehemannes der Bf; die in Art 19 Abs 2 des betreffenden Doppelbesteuerungsabkommens enthaltene Erwerbsklausel wird aufgrund der Funktionen des französischen Kulturinstitutes nicht als anwendbar erachtet). Die Parteien sind übereingekommen, dass der Rest der Pension (12,5%; resultierend aus privatwirtschaftlichen Tätigkeiten des verstorbenen Ehemannes der Bf; das entspricht 5,5 von 44 Jahren Berufsjahren) gemäß Art 18 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Frankreich in Österreich besteuert wird. Der Abgabenbehörde wurde vom Bundesfinanzgericht mit Beschluss eine entsprechende Frist zur Aufhebung bis gesetzt. Die Zustimmungserklärung der Bf wurde der Abgabenbehörde weitergeleitet.

Die Aufhebung der Einkommensteuerbescheide für 2014, 2016, 2017 und 2018 erfolgte innerhalb der gesetzten Frist mit den Bescheiden vom . Das Bundesfinanzgericht wurde hiervon am informiert (siehe § 300 Abs 5 BAO).

Die aufgehobenen Bescheide wurden durch an deren Stelle tretende Bescheide ersetzt. Diese neuen Sachbescheide betreffend Einkommensteuer 2014, 2016, 2017 und 2018 sind am ergangen.

2. Sachverhalt

Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensgang.

3. Beweiswürdigung

Die Feststellungen gründen sich auf die vorgelegten Aktenbestandteile sowie auf die für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen Bestandteile des elektronischen Veranlagungsaktes.

4. Erwägungen

Zu Spruchpunkt I (Gegenstandsloserklärung gemäß § 261 Abs 1 lit a BAO)

Gemäß § 261 Abs 1 lit a BAO sind Bescheidbeschwerden mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären, wenn dem Beschwerdebegehren in einem an die Stelle des angefochtenen Bescheides tretenden Bescheid Rechnung getragen wird.

Gemäß § 300 Abs 1 BAO können Abgabenbehörden beim Bundesfinanzgericht mit Bescheidbeschwerde angefochtene Bescheide, wenn sich ihr Spruch als nicht richtig erweist, aufheben. Dies kann gemäß § 300 Abs 1 lit a BAO unter der Voraussetzung erfolgen, dass die beschwerdeführende Partei einer solchen Aufhebung gegenüber dem Verwaltungsgericht ausdrücklich zugestimmt hat und wenn in der Folge das Verwaltungsgericht gemäß § 300 Abs 1 lit b BAO der Abgabenbehörde unter Weiterleitung der Zustimmungserklärung mit Beschluss eine Frist zur Aufhebung setzt.

Die beschwerdeführende Partei hat den Aufhebungen nach § 300 Abs 1 BAO zugestimmt. Das Bundesfinanzgericht hat mit Beschluss vom eine entsprechende Frist zur Aufhebung der Bescheide betreffend Einkommensteuer 2014, 2016, 2017 und 2018 gesetzt. Die Aufhebung erfolgte innerhalb der gesetzten Frist.

Die aufgehobenen Bescheide wurden durch an dessen Stelle tretende Bescheide ersetzt. Die neuen Sachbescheide betreffend Einkommensteuer 2014, 2016, 2017 und 2018 ergingen am . Die Festsetzung erfolgte entsprechend dem im Rahmen des Erörterungstermines vom zwischen den Parteien erzielten Einvernehmen.

Mit den neu ergangenen Bescheiden wurde dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen.

Die Beschwerden gegen die im Spruch angeführten Bescheide waren daher als gegenstandslos zu erklären.

Zu Spruchpunkt II (Gegenstandsloserklärung gemäß § 261 Abs 2 BAO)

Der Beschwerde gegen den mit datierten Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2015 gemäß § 299 BAO ist mit Beschwerdevorentscheidung vom stattgegeben worden. Der angefochtene Bescheid wurde aufgehoben.

Dies hat zur Folge, dass jener ursprüngliche Bescheid, der mittels § 299 BAO aufgehoben wurde (hier: Einkommensteuerbescheid 2015 vom ), wiederauflebt (siehe § 299 Abs 3 BAO, wonach das Verfahren durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides in die Lage zurücktritt, in der es sich vor der Aufhebung befunden hat; siehe auch Fiala in Rzeszut/Tanzer/Unger, Stoll/BAO-Kommentar § 299 Rn 56).

Der neue Sachbescheid (das heißt der Einkommensteuerbescheid für 2015 vom ) und die aus ihm resultierende Nachforderung scheidet aus dem Rechtsbestand aus (siehe Ritz/Koran, BAO7 § 299 Rn 62); eine dagegen gerichtete Bescheidbeschwerde (wie die hier vorliegende) ist vom Bundesfinanzgericht mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären (siehe § 261 Abs 2 BAO).

Zu Spruchpunkt III (Unzulässigkeit der Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Gegenstandsloserklärungen ergeben sich aus dem Gesetzestext, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Belehrung und Hinweise

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 261 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 300 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 261 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100509.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at