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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.06.2023, RV/7102977/2022

ag Belastung: Diverse Heilmittel mit und ohne ärztliche Verordnung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde (1.) vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 und (2.) vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 279 BAO teilweise im Sinne des Beschwerdebegehrens abgeändert.

Im Jahr 2019 beträgt das Einkommen 32.153,23 Euro und die Einkommensteuer nach Abzug von Absetzbeträgen, anrechenbarer Lohnsteuer und Rundung 2.199 Euro.

Im Jahr 2020 beträgt das Einkommen 31.867,56 Euro und die Einkommensteuer nach Abzug von Absetzbeträgen, anrechenbarer Lohnsteuer und Rundung 1.773 Euro.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Strittig im Verfahren ist, inwieweit vom Beschwerdeführer (Bf) geltend gemachte außergewöhnliche Belastungen den tatbestandlichen Kriterien entsprechen, insbesondere weil sie medizinisch notwendig seien und alternativmedizinische Produkte ärztlich verordnet worden seien.

Nummern im weiteren Erkenntnis beziehen sich auf die thematisch sortierte Aufstellung des Bf über seine Ausgaben im jeweiligen Veranlagungszeitraum und dienen der Nachvollziehbarkeit der einzelnen Positionen für die Parteien.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf ist zu 80 % behindert.

1.1. Aus medizinischer Notwendigkeit hat er sich im Streitjahr 2019 in ärztliche Behandlung begeben (1: 388,45 € zuzüglich 206,80 € Fahrtkosten Wohnung-Arztpraxis mit eigenem Pkw und Begleitperson für 5 x 44 km je Richtung;
3: 135,18 € zuzüglich 282 € Fahrtkosten Wohnung-Arztpraxis mit eigenem Pkw und Begleitperson für 3 x 100 km je Richtung) und Ausgaben für ärztlich verordnete Heilmittel (1: 650,65 €; 2: 205,10 € zuzüglich Fahrtkosten 5,26 €; 7: 10,84 €) aufgewendet.

1.2. Ohne ärztliche Verordnung hat der Bf im Jahr 2019 psychotherapeutische Leistungen (4) und eine Mundhygienebehandlung (5) in Anspruch genommen sowie weitere alternative Heilmittel bezogen (6, 8).

1.3. Aus medizinischer Notwendigkeit hat er sich im Streitjahr 2020 in ärztliche Behandlung begeben (1, 2, 3, in Summe 217,53 € zuzüglich 124,08 € Fahrtkosten Wohnung-Arztpraxis mit eigenem Pkw und Begleitperson für 3 x 44 km je Richtung), Ausgaben für ärztlich verordnete Heilmittel (4: 341,20 €; 5: Rechnung 120,50 €;
6: 1.066 €; 8: 17,19 €; 10: Rechnung vom 42,65 €) aufgewendet, eine physikalische Therapie gemacht und Medikamente verordnet bekommen
(11: 326,30 € + 307,65 € + Fahrtkosten von 7,90 €) sowie eine Trauma-Therapie absolviert (12: 1.678,10 €).

1.4. Ohne ärztliche Verordnung hat der Bf weitere alternative Heilmittel bezogen (5: Rechnungen 116 € und 174 €; 7; 9; 10 außer Rechnung vom ; 13).

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen. Der belangten Behörde ist nicht zu folgen, wenn sie meint, es handle sich bei den Rezepten des behandelnden Arztes, die seinen Stempel, seine Unterschrift, Medikament und Dosierung enthalten, um bloße Empfehlungen, nur weil für die Verschreibung ein Zettelblock einer Pharmafirma verwendet wurde, in dessen Kopf steht: "Empfehlung von (Stempel):" und unter dem Stempelbereich "Mikronährstoffempfehlung:".

Der behandelnde Arzt hat mit Schreiben vom auch bestätigt, dass die ayurvedischen Massagen, Öle und Kräutermedikamente, Kräutertees und Nahrungsergänzungen (zB der Firma Biogena) von ihm rezeptiert und verordnet worden sind. Aus diesem Schreiben lässt sich aber nicht pauschal auch für all jene Produkte, für die der Bf kein Rezept vorgelegt hat, schließen, dass diese Produkte ärztlich verordnet worden wären, zumal sich die Bestätigung des Arztes mit jenen Arzneien deckt, für die der Bf Rezepte vorgelegt hat.

Die Fahrtkosten wurden von der belangten Behörde zum Teil gekürzt, weil sie offenbar bloß der Notiz in der Kostenzusammenstellung folgend zwei Ortsnamen als Start und Ziel in Google Maps eingegeben hat. Die dem Erkenntnis zugrunde gelegten Entfernungen ergeben sich hingegen aus der Distanz zwischen Wohnung des Bf und Praxisadresse des jeweiligen Arztes.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war die Anerkennung verschiedener Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen strittig, die der Bf im Zusammenhang mit seiner Krankheit, aus der ihm auch eine 80%ige Behinderung erwachsen war, geltend gemacht hatte.

Nach Lehre und Rechtsprechung erwachsen Kosten der eigenen Erkrankung aus tatsächlichen Gründen regelmäßig zwangsläufig und sind nach allgemeiner Rechtsauffassung als außergewöhnlich im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG.

Unter "Krankheit" ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu verstehen, die eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erfordert (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG23, § 34 Tz 78, Stichwort "Krankheitskosten").

Als "Kosten der Heilbehandlung" im Sinne des § 4 der zitierten VO über außergewöhnliche Belastungen gelten nach Lehre und Rechtsprechung Arztkosten, Spitalskosten, Kurkosten für ärztlich verordnete Kuren, Therapiekosten oder Kosten für Medikamente, sofern sie im Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Ebenso stellen die in diesem Zusammenhang anfallenden Fahrtkosten (auch in Form der Kilometergelder) Kosten der Heilbehandlung dar (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG23, § 35 Tz 17).

Liegt somit eine Krankheit vor, sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglichmachen der Krankheit dienen (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG23, § 34 Tz 78, Stichwort "Krankheitskosten").

Aufwendungen, die sowohl als krankheitsbedingte Maßnahmen qualifiziert als auch der allgemeinen Lebensführung zugerechnet werden können, machen eine genaue Prüfung in Bezug auf die Abgrenzung dahingehend erforderlich, ob ihre Wurzel (nahezu) ausschließlich krankheitsbedingt ist und somit außergewöhnliche Belastungen vorliegen oder ob sie steuerlich nicht absetzbare Aufwendungen der privaten Lebensführung darstellen. Generell sind dort, wo die Abgrenzung zu Aufwendungen der allgemeinen Lebensführung schwierig ist, an die Nachweisführung strenge Anforderungen zu stellen.

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sind Aufwendungen für ärztlich verordnete Medikamente und Behandlungen als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig (vgl Jakom/Peyerl, EStG16, 2023, § 34 Rz 90, Stichwort "Krankheitskosten" mwN; Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 34 Anm. 78, ABC der außergewöhnlichen Belastungen, Stichwort "Krankheitskosten" mwN).

Unter die alternativmedizinischen Heilmittel können insbesondere auch ärztlich verordnete Ayurveda-Öle fallen (vgl ).

Soweit die belangte Behörde vermeint, für die Anerkennung alternativmedizinischer Produkte sei ein vorfeldliches ärztliches Gutachten erforderlich, ist darauf zu verweisen, dass die diesbezüglichen Aussagen des VwGH (vgl ) sich auf Kuraufenthalte und Fitnesstudio-Besuche beziehen, nicht aber auf rezeptierte Produkte.

Auf den konkreten Fall bezogen sind nach den rechtlichen Ausführungen die unter Punkt 1.1. und 1.3. aufgezählten Ausgaben unter dem Tatbestand der außergewöhnlichen Belastung subsumierbar und anzuerkennen.

Den unter Punkt 1.2. und 1.4. aufgezählten Ausgaben fehlt es an der Zwangsläufigkeit für einen Heilungsprozess mangels ärztlicher Verordnung (vgl ) oder weil sie der Vorbeugung von Krankheiten, der Erhaltung der Gesundheit oder für das allgemeine Wohlbefinden dienen (; zB zur Mundhygiene ). Ein Aufwand, der dem Bf zwangsläufig zur Heilung oder Linderung einer bestimmten Krankheit erwachsen ist, liegt hier nicht vor. Diese Kosten sind daher nicht abzugsfähig.

Daher betragen die "nachgewiesenen Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen" im Jahr 2019 1.884,28 € (statt 1.226,86 € laut angefochtenem Bescheid) und im Jahr 2020 4.249,10 € (statt 3.005 € laut Beschwerdevorentscheidung).

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das vorliegende Erkenntnis bewegt sich im Rahmen der vorliegenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Daher war die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102977.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at