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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 04.07.2023, RV/7100282/2023

Anwaltskosten, Aufwendungen für Besuchsbegleitung, Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Mag. Susanne Feichtenschlager, den Richter ***R*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***B1*** und ***B2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch die ***Stb***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin VB ***SF*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am wurde die Einkommensteuererklärung für das Veranlagungsjahr 2019 elektronisch eingebracht. Es wurden die Anerkennung eines Unterhaltsabsetzbetrages und des Familienbonus Plus sowie in Zusammenhang mit einer außergewöhnlichen Belastung die Berücksichtigung von Krankheitskosten iHv 4.048,49 € und von anderen außergewöhnlichen Belastungen iHv 18.321,25 € beantragt.

Mit Schreiben vom forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin auf, hinsichtlich der Zahlungen in Zusammenhang mit Alimenten Unterlagen nachzureichen und zwar ein Gerichtsurteil, einen gerichtlichen oder behördlichen Vergleich, aus dem die Höhe der Unterhaltsverpflichtungen hervorgehen würden. Weiters mögen die geleisteten Zahlungen durch Vorlage schriftlicher Unterlagen (Einzahlungsbelege, Empfangsbestätigungen,…) nachgewiesen werden. Sollte keine behördlich festgelegte Unterhaltsverpflichtung und kein schriftlicher Vertrag vorliegen, dann sei die Vorlage einer Bestätigung der empfangsberechtigten Person notwendig, aus der das Ausmaß des tatsächlich geleisteten Unterhalts hervorgehe.
Weiters wurde ersucht, eine Aufstellung betreffend Krankheitskosten und allgemeine außergewöhnliche Belastungen und die diesbezüglichen Belege vorzulegen. Ein allfälliger Ersatz der Krankenkasse möge bekannt gegeben werden.

Mit Schreiben der steuerlichen Vertretung vom wurde eine Liste der geleisteten Unterhaltszahlungen, die ursprüngliche Unterhaltsvereinbarung mit der Rechtsvertretung der Kinder- und Jugendhilfe, MAG ELF, vom über 225,00 € pro Monat sowie die rückwirkende Erhöhung auf 270,00 € pro Monat vorgelegt. Die daraus resultierende Nachforderung von 585,00 € für den Zeitraum Oktober 2019 bis Oktober 2020 habe die Beschwerdeführerin am überwiesen.
Weiters wurde eine Aufstellung über die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen und Kopien der diesbezüglichen Rechnungen vorgelegt. Die erhaltenen Ersätze und Vergütungen seien bereits in Abzug gebracht worden.
Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten iHv 15.000,00 € und von Kosten für Besuchsbegleitung iHv 3.321,25 € begehrt wird. Die Krankheitskosten iHv 4.048,49 € setzen sich wie folgt zusammen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zahnkosten (Einzelkontrolle Myozentrikschiene)
439,90 €
Psychotherapie nach Abzug der Ersätze der Versicherung
1.287,20 €
TCM (Chinesisches Granulat)
1.457,69 €
Massagen (Fußzonenreflexmassagen, Tuina Massagen, Massage nach
Penzel etc)
772,00 €
Apotheke (Hansaplast, AGWA Kolloid, Jowae Balsam, Rezeptgebühr
für Antidepressivum, Zahnbürsten, Raumspray, ätherische Öle)
91,70 €

Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer 2019 veranlagt. Die Aufwendungen in Zusammenhang mit Krankheitskosten iHv 4.048,49 € wurden grundsätzlich anerkannt, zeigten steuerlich aber insofern keine Auswirkung, als ein Selbstbehalt in gleicher Höhe abgezogen wurde. Die übrigen außergewöhnlichen Belastungen wurden steuerlich nicht anerkannt und begründend ausgeführt, dass Aufwendungen für Besuchsbegleitung keine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 Abs. 9 EStG 1988 darstellen würden. Die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten iHv 15.000,00 € könnten nicht berücksichtigt werden, weil diese nicht zwangsläufig erwachsen seien.

In der Beschwerde vom führte der steuerliche Vertreter aus, dass gegenständlich keine "gewöhnliche" Scheidung vorliege. Es handle sich um einen außergewöhnlichen Fall, wie aus der Zusammenfassung des Rechtsanwaltes zu entnehmen sei. Bei der Scheidung sei für den Sohn das gemeinsame Sorgerecht vereinbart worden. In weiterer Folge hätte der Kindesvater das alleinige Sorgerecht für das Kind beantragt, was vom Gericht schließlich abgewiesen worden sei. Es werde auf das beiliegende Schriftstück des Rechtsanwaltes Dr. ***RA*** verwiesen.
Es werde daher beantragt, den angefochtenen Einkommensteuerbescheid aufzuheben und die Einkommensteuer 2019 im Sinne der eingereichten Einkommensteuererklärung unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastungen festzusetzen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte begründend Folgendes aus:
"Die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten im Sinne des § 34 Abs. 9 EStG 1988 ist an die Voraussetzung geknüpft, dass diese durch institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen (z.B. Kindergärten, Kinderkrippen, Kindertagesheime) oder durch pädagogisch qualifizierte Personen (z.B. ausgebildete Tagesmütter) erfolgt. Private institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen müssen den diesbezüglichen landesgesetzlichen Vorschriften entsprechen. Es können nur Kosten für die ausschließliche Kinderbetreuung anerkannt werden (vgl. ). Im Vergleich dazu dient die "Besuchsbegleitung" durch eine geeignete Person ausschließlich dem harmonischen Ablauf von Besuchskontakten des Kindes mit einem nicht mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteil. Sie soll im Hinblick auf eine gesunde Persönlichkeit-und Charakterentwicklung des Kindes dazu beitragen, dessen persönlichen Kontakt zu dem nicht im selben Haushalt lebenden Elternteil aufrecht zu erhalten oder neu zu erwerben (vgl. www.sozialministerium.at). Die Besuchsbegleitung hat insofern keine beaufsichtigende, sondern vielmehr eine sozial-psychologische Zielsetzung. Aufwendungen, die für Besuchsbegleitung anfallen, stellen daher keine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 Abs. 9 EStG 1988 dar." Erkenntnis des
"Damit Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können, müssen diese u.a. zwangsläufig erwachsen sein. Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 34 EStG). Gemäß § 107 Außerstreitgesetz KÖNNEN sich in einem Verfahren über die Obsorge oder die persönlichen Kontakte die Parteien nur durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Dabei handelt es sich um eine sogenannte "relative Anwaltspflicht". Das bedeutet, dass sich die Parteien nicht vertreten lassen müssen (wenn Sie sich aber vertreten lassen, muss dies durch einen Anwalt sein). Der Steuerpflichtigen stand es daher frei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen. Besondere Gründe dafür, dass trotz fehlender Anwaltspflicht das Einschreiten eines Rechtsanwaltes unbedingt erforderlich gewesen wäre, sind im vorliegenden Fall dem Bundesfinanzgericht nicht ersichtlich. Mangels (absoluter) Anwaltspflicht sind die Anwaltskosten somit, wie das Finanzamt in der Vorlageschrift zur Beschwerde angemerkt hat, als nicht zwangsläufig erwachsen zu qualifizieren und können daher auch nicht als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden." Erkenntnis des

Mit Schriftsatz vom beantragte die beschwerdeführende Partei die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Wie bereits in der Beschwerde angeführt, handle es sich um kein "gewöhnliches" Obsorgeverfahren. Ergänzend wurde ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin vom Kindesvater verwehrt worden sei, ihren Sohn regelmäßig zu sehen. Mithilfe des Rechtsanwaltes sei erreicht worden, dass sie ihren Sohn unregelmäßig treffen konnte. Trotz rechtskräftiger Urteile unternehme der Kindesvater alles, um der Beschwerdeführerin das Kind zu entziehen und jeden Kontakt zu verhindern. Daher wäre es unumgänglich gewesen einen Rechtsanwalt einzuschalten. Die Beschwerdeführerin hätte sich aus tatsächlichen und sittlichen Gründen diesen Belastungen nicht entziehen können. Es werde daher nochmals die antragsgemäße Festsetzung der Einkommensteuer sowie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor einem Beschwerdesenat des Bundesfinanzgerichtes beantragt.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der beschwerdeführenden Partei die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Zusammenhang mit Rechtsanwaltskosten dargelegt. Weiters wurde sie aufgefordert bekanntzugeben, ob die Besuchsbegleitung auf einer diesbezüglichen Anordnung des Gerichtes beruhen würde, welche in diesem Fall vorgelegt werden möge.

Mit Schreiben vom wurde seitens der beschwerdeführenden Partei im Wesentlichen ergänzend bekannt gegeben, dass im Rahmen des Obsorgeverfahrens anlässlich der Verhandlung am beim Bezirksgericht ***BG*** die Vereinbarung über begleitete Besuchskontakte bei ***A*** - Frau ***B1*** und Frau ***B2*** - getroffen worden sei. Seite 24 des Protokolls über diese Verhandlung wurde übermittelt. Die Kosten habe die Beschwerdeführerin getragen, da der Kindesvater eine (Teil-) Kostenübernahme abgelehnt habe. Die Beschwerdeführerin hätte ihren damals 5-jährigen Sohn ansonsten nicht sehen können. In der Folge habe die Beschwerdeführerin den Beschluss des Bezirksgerichtes ***BG*** vom erhalten, mit dem das begleitete Besuchsrecht beim ***B*** geregelt worden sei. Dieser Beschluss wurde vorgelegt.
Zum Punkt "Anerkennung der Anwaltskosten" im Schreiben des Bundesfinanzgerichtes werde darauf hingewiesen, dass es sich um ein Obsorgeverfahren gehandelt habe und nicht, wie im Schreiben vom Bundesfinanzgericht angeführt, um einen gewöhnlichen Kontaktrechtsstreit.
Mit Beschluss vom , wonach die gemeinsame Obsorge aufrecht bleibe, sei das Verfahren beendet worden.

Anlässlich eines Telefonats mit der steuerlichen Vertretung am ersuchte die Berichterstatterin um Vorlage der ärztlichen Verschreibungen in Zusammenhang mit den Krankheitskosten.

Per Mail vom wurden von der steuerlichen Vertretung folgende Unterlagen vorgelegt:
Je ein als "Überweisung" tituliertes Schreiben vom und vom von Dr. ***Arzt1***, in dem jeweils eine physikalische Therapie in Form von 10 Einheiten Heilmassage a 50 Minuten empfohlen wird.
Diverse Anleitungen für die Apotheke zur Mischung verschiedener Granulate (Morgen-Formel, Abend-Formel, Infekt-Formel, Kopfspannungs-Formel, Leber-Formel) vom , , , , und vom von Dr. ***Arzt2***.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am gab die beschwerdeführende Partei bekannt, dass für die Aufwendungen für Massagen und Chinesisches Granulat seitens der gesetzlichen Krankenkasse kein Ersatz geleistet wurde.
In Zusammenhang mit den geltend gemachten Aufwendungen für die Kosten des Rechtsanwaltes sowie für die Besuchsbegleitung legte die beschwerdeführende Partei die Chronologie des Sachverhaltes und Ablauf des Obsorgeverfahrens vor. Diese Darstellung erstreckt sich über den Zeitraum von bis Frühjahr 2021.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist die Mutter des am ***Geb.datum*** geborenen ***Sohn***. Seit März 2016 lebt sie vom Kindesvater getrennt, die Ehe wurde am ***Datum***.2017 geschieden, wobei die Beibehaltung der gemeinsamen Obsorge vereinbart wurde.
Im September 2018 eskalierte die Situation. Die Beschwerdeführerin erstattete Anzeige gegen den Kindesvater wegen sexuellen Missbrauches. Da ***Sohn*** noch nicht aussagefähig war, wurde das Verfahren eingestellt. Das Kind wurde in einem Krisenzentrum untergebracht. Der Kindesvater bzw. seine juristische Vertretung beantragte die Übertragung der alleinigen Obsorge sowie der Mutter die Obsorge vorläufig zu entziehen. Vorübergehend wurde der Kindesvater mit dem Hauptaufenthalt betraut und verhinderte über einen Zeitraum von fünf Monaten jeglichen Kontakt zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Kind. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes ***BG*** vom wurde das Kontaktrecht der Beschwerdeführerin vorläufig derart geregelt, dass sie berechtigt ist, den minderjährigen ***Sohn*** zumindest einmal pro Woche in einem Besuchscafe zu treffen. Als Besuchsbegleitung wird der ***B*** bestimmt.

In der Zeit von bis wurde der Beschwerdeführerin ein Betrag von insgesamt 3.321,25 € in Zusammenhang mit Besuchsbegleitung in Rechnung gestellt.
Mit Beschluss vom wurde entschieden, dass die gemeinsame Obsorge der Eltern aufrecht bleibt. Dem dagegen erhobenen Rekurs des Kindesvaters wurde nicht folgegegeben, der Beschluss erwuchs in Rechtskraft.
Nach Ansicht des Rechtsanwaltes, der die Beschwerdeführerin vertreten hat, war aufgrund der Komplexität des Verfahrens das Einschreiten eines Rechtsanwaltes unbedingt erforderlich. Auch der Antragsteller war anwaltlich vertreten.
Am , , , und stellte der Rechtsanwalt Dr. ***RA*** jeweils 3.000,00 € (inkl. USt) in Rechnung, insgesamt daher 15.000,00 €.

Die Beschwerdeführerin beantragt die Berücksichtigung folgender Kosten als außergewöhnliche Belastung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zahnkosten (Einzelkontrolle Myozentrikschiene)
439,90 €
Psychotherapie nach Abzug der Ersätze der Versicherung
1.287,20 €
TCM (Chinesisches Granulat)
1.457,69 €
Massagen (Fußzonenreflexmassagen, Tuina Massagen, Massage nach
Penzel etc)
772,00 €
Apotheke (Hansaplast, AGWA Kolloid, Jowae Balsam, Rezeptgebühr
für Antidepressivum, Zahnbürsten, Raumspray, ätherische Öle)
91,70 €

Die Beschwerdeführerin legte zwei Empfehlungen für je 10 Einheiten Heilmassage a 50 Minuten sowie diverse Anleitungen für die Apotheke zur Mischung verschiedener Granulate (Morgen-Formel, Abend-Formel, Infekt-Formel, Kopfspannungs-Formel, Leber-Formel) vor.
Das Einkommen der Beschwerdeführerin betrug im beschwerdegegenständlichen Zeitraum 57.049,93 € (vgl. Einkommensteuerbescheid vom ).

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unbestritten aus den von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 279 Abs. 1 2. Satz BAO berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Im gegenständlichen Verfahren sind drei Punkte strittig:

1. Die Anerkennung der Anwaltskosten in Höhe von 15.000,00 € in der Pflegschaftssache betreffend ***Sohn*** als außergewöhnliche Belastung

2. Die Anerkennung der Aufwendungen für Besuchsbegleitung in Höhe von 3.321,25 € als außergewöhnliche Belastung

3. Die Anerkennung von Aufwendungen von Kosten für Zahnarzt, Physiotherapie, TCM, Massagen und verschiedenen Artikeln aus der Apotheke iHv insgesamt 4.048,49 €

Fest steht, dass die Beschwerdeführerin die strittigen Aufwendungen getragen hat.

Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Nach Absatz 2 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß Absatz 3 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Die für die Anerkennung von Kosten als außergewöhnliche Belastung erforderliche Zwangsläufigkeit ist stets nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen; der Steuerpflichtige darf sich dem Aufwand aus tatsächlichen, rechtliche oder sittlichen Gründen nicht entziehen können. Freiwillig getätigte Aufwendungen und Aufwendungen, die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat, sind nicht zwangsläufig erwachsen. (Vgl , , , , )

Die außergewöhnliche Belastung dient der Berücksichtigung von Aufwendungen der privaten Lebensführung, die das Einkommen eines Kalenderjahres belasten, bei der Erstellung des auf durchschnittliche Verhältnisse angelegten Einkommensteuertarifes jedoch unberücksichtigt bleiben.

Nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Steuerpflichtige, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen der Umstände darzulegen, auf die die Begünstigung gestützt werden kann. Der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung tritt in den Hintergrund, wenn es um abgabenrechtliche Begünstigungen geht; es liegt an der Partei, die Umstände darzulegen, die für die Begünstigung sprechen (vgl. zB , und ). Es besteht diesbezüglich also eine Behauptungs- und Nachweispflicht des Beschwerdeführers (vgl. ).

3.3.1. Anwaltskosten

Rechtsanwaltskosten sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zwangsläufig, wenn im betreffenden Verfahren Anwaltspflicht besteht, es sei denn, es lägen besondere Gründe dafür vor, dass trotz fehlender Anwaltspflicht das Einschreiten eines Rechtsanwaltes unbedingt erforderlich gewesen wäre. (Vgl , ).

Das in den §§ 177ff ABGB geregelte Obsorgerecht und das in § 187 ABGB normierte Kontaktrecht zählt jeweils zu den Außerstreitmaterien (§ 104 ff AußStrG). Im Außerstreitverfahren besteht gemäß § 4 Abs 1 AußStrG grundsätzlich Vertretungsfreiheit. Eine Partei muss sich demnach nicht vertreten lassen. Wenn sie sich vertreten lassen will, muss der Vertreter nicht Rechtsanwalt sein. Daher sieht § 14 AußStrG eine Anleitungs- und Belehrungspflicht des Gerichtes vor, die bei nicht durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertretenen Personen über die Bestimmungen der ZPO hinaus eine Belehrung sowohl in materiell- als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht beinhaltet. § 16 Abs 1 AußStrG enthält den Untersuchungsgrundsatz, wonach das Gericht von Amts wegen alle für seine Entscheidung maßgebenden Tatsachen aufzuklären hat. Der Untersuchungsgrundsatz wird durch die in § 16 Abs 2 AußStrG normierte Mitwirkungspflicht der Parteien abgesichert. (Vgl Klicka/Rechberger Außerstreitgesetz, Kommentar, § 4 Rz 1, § 14 Rz 5, § 16, Rz 1f)

Als Ausnahme von der grundsätzlichen Vertretungsfreiheit ist in § 107 Abs 1 Z 1 AußStrG geregelt, dass sich die Parteien im Verfahren über die Obsorge oder die persönlichen Kontakte nur durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen können. Damit wird eine relative - nicht aber absolute - Anwaltspflicht vorgesehen; den Eltern steht es frei, sich nicht vertreten zu lassen und ihre Interessen selbst wahrzunehmen.

Vor diesem gesetzlichen Hintergrund (relativer, nicht aber absoluter Anwaltszwang, Anleitungs- und Belehrungspflicht sowie Untersuchungspflicht des Gerichtes) ist die Beiziehung eines Rechtsanwaltes im Kontaktrechtsstreit im Allgemeinen nicht zwangsläufig.

Im Rechtssatz zum Erkenntnis vom , Ro 2018/13/0002 sprach der Verwaltungsgerichtshof Folgendes aus: "Die Anrufung des Gerichts im Kontaktrechtsstreit ist im Allgemeinen nicht zwangsläufig. Kommt allerdings eine einvernehmliche Regelung nicht zustande, ist es - auch zur Wahrung des Wohls des Kindes - erforderlich, eine Regelung durch das Gericht herbeizuführen. Erweist sich dabei der vom jeweiligen Elternteil eingenommene Standpunkt zumindest zum Teil als berechtigt, kann je nach Lage des Falles eine "aufgezwungene" Prozessführung vorliegen (vgl. , VwSlg 8846 F/2013). Die damit verbundenen (auch außergerichtlichen) Rechtsanwaltskosten sind allerdings - mangels Anwaltspflicht - grundsätzlich nicht zwangsläufig."

Auch im Erkenntnis vom , Ra 2020/15/0047, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass Prozesskosten im Allgemeinen nicht zwangsläufig erwachsen (vgl. , mwN) und insbesondere Rechtsanwaltskosten in einem Verfahren ohne Anwaltspflicht grundsätzlich nicht zwangsläufig sind (vgl. nochmals ).

Besondere Gründe dafür, dass trotz fehlender Anwaltspflicht das Einschreiten eines Rechtsanwaltes erforderlich gewesen wäre, wurden im gegenständlichen Verfahren nicht vorgebracht. Auch der Hinweis der beschwerdeführenden Partei im Schriftsatz vom , wonach es sich um ein Obsorgeverfahren und nicht um einen gewöhnlichen Kontaktrechtsstreit gehandelt habe, kann daran ebenso wenig ändern wie der Hinweis, dass der Antragsteller anwaltlich vertreten gewesen sei. Der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegte Ablauf des Verfahrens bzw. der Vorgeschichte zeigt zwar, dass ein besonders emotional geprägter Fall vorliegt, doch wurde nicht aufgezeigt, welche besonderen Gründe vorliegen, welche die Vertretung durch einen Anwalt rechtfertigen. Es ist nicht ersichtlich, in welchem Punkt das Verfahren durch das Einschreiten des Anwaltes tatsächlich eine andere Wendung erfahren hat bzw. inwiefern ein anderer Ausgang eingetreten wäre, wenn die Beschwerdeführerin nicht anwaltlich vertreten gewesen wäre. Im Prinzip könnte ein solcher besonderer Grund, der die Vertretung durch einen Anwalt notwendig macht, nur vorliegen, wenn die in § 14 AußStrG normierte Anleitungs- und Belehrungspflicht des Gerichtes und/oder der in § 16 Abs 1 AußStrG enthaltene Untersuchungsgrundsatz verletzt worden wären. Dies wurde jedoch weder behauptet, noch sind irgendwelche Anhaltspunkte dafür aktenkundig.

Im vorliegenden Fall bestand für das Verfahren in Zusammenhang mit der Pflegschaftssache ***Sohn*** keine Anwaltspflicht. Wie schon der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2018/13/0002, ausgesprochen hat, ist auch gegenständlich darauf hinzuweisen, dass die Rechtsanwaltskosten - mangels Anwaltspflicht - grundsätzlich nicht zwangsläufig sind. Besondere Gründe dafür, dass trotz fehlender Anwaltspflicht das Einschreiten eines Rechtsanwaltes unbedingt erforderlich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich bzw. wurden nicht aufgezeigt. Die Kosten, die der Rechtsanwalt in Rechnung gestellt hat, sind somit nicht zwangsläufig im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwachsen und stellen daher keine außergewöhnliche Belastung dar.

3.3.2. Aufwendungen für Besuchsbegleitung

§ 111 AußerstreitG lautet: Wenn es das Wohl des Minderjährigen verlangt, kann das Gericht eine geeignete und dazu bereite Person zur Unterstützung bei der Ausübung des Rechts auf persönliche Kontakte heranziehen (Besuchsbegleitung). In einem Antrag auf Besuchsbegleitung ist eine geeignete Person oder Stelle (Besuchsbegleiter) namhaft zu machen. Die in Aussicht genommene Person oder Stelle ist am Verfahren zu beteiligen; ihre Aufgaben und Befugnisse hat das Gericht zumindest in den Grundzügen festzulegen. Zwangsmaßnahmen gegen den Besuchsbegleiter sind nicht zulässig.

Besuchsbegleitung nach § 111 Außerstreitgesetz kann das Gericht auf Antrag oder auf Amts wegen anordnen.

Ziel der Besuchsbegleitung ist die Neu- oder Wiederanbahnung des persönlichen Kontakts zwischen einer kontaktberechtigten Person und einem Kind bzw. mehreren minderjährigen Kindern.

Aus dem mit Schreiben vom vorgelegten Beschluss vom geht hervor, dass die Beschwerdeführerin berechtigt ist, ihren Sohn in einem Besuchscafe zumindest einmal pro Woche zu treffen. Als Besuchsbegleitung wurde der ***B*** bestimmt. Das bedeutet, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn nur mit einer weiteren Begleitung Kontakt haben darf.

Von einem zwangsläufig erwachsenen Aufwand kann nur gesprochen werden, wenn sich ein Steuerpflichtiger diesem Aufwand von dessen Entstehungsgrund her aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Eine Beurteilung hat stets nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu erfolgen.

Aus der in Absatz 3 leg. cit. normierten Wortfolge "wenn er sich ihr …. nicht entziehen kann" ergibt sich, dass freiwillig getätigte Aufwendungen ebenso wenig Berücksichtigung finden können, wie Aufwendungen, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder sonst die Folgen eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat (Fuchs, in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer-Kommentar, § 34 Abs 2 bis 5 EStG, Tz. 8).

Im Beschwerdefall ist nicht die Frage nach der Erforderlichkeit einer Besuchsbegleitung entscheidungswesentlich. Im Rahmen der Beurteilung, ob Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 EStG 1988 gegeben ist, stellt sich vielmehr die zeitlich vorgelagerte Frage nach dem Entstehungsgrund dieser Aufwendungen, nämlich ob die Einleitung bzw Führung eines Obsorge- und Kontaktrechtsverfahrens für die Beschwerdeführerin zwangsläufig war und sie sich dem aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen hätte können bzw ihr aufgezwungen worden ist.

Die Obsorge nach § 177 ABGB kam nach der Trennung und Auflösung der häuslichen Gemeinschaft beiden Elternteile gemeinsam zu. Das Verfahren um Änderung der gemeinsamen Obsorge (§ 180 ABGB) wurde durch Einbringung des Antrages des Kindesvaters auf alleinige Obsorge vom eingeleitet. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom abgewiesen. Mit Beschluss vom wurde entschieden, dass die gemeinsame Obsorge der Eltern aufrecht bleibt. Dagegen erhob der Kindesvater Rekurs, dem letztlich nicht Folge gegeben wurde. Dieser Verfahrensablauf zeigt, dass das Verfahren nicht von der Beschwerdeführerin vorsätzlich herbeigeführt wurde, sondern ihr vielmehr vom Kindesvater aufgezwungen wurde. Damit die Beschwerdeführerin mit ihrem minderjährigen Sohn überhaupt Kontakt haben konnte, musste sie an dem vom Kindesvater initiierten Verfahren teilnehmen, das begleitete Treffen in einem Besuchscafe absolvieren und die Kosten für die Besuchsbegleitung tragen.

Der Senat gelangte daher zur Ansicht, dass die Aufwendungen für die Besuchsbegleitung in Höhe von 3.321,25 € zwangsläufig iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwachsen sind.

3.3.3. Krankheitskosten

Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung erwachsen Kosten der eigenen Erkrankung aus tatsächlichen Gründen dem Grunde nach zwangsläufig. Die österreichische Lehre und Rechtsprechung versteht Krankheit im Sinne des allgemeinen Sprachverständnisses als eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Heilbehandlung bzw. eine Heilbetreuung erfordert.

Nicht jede Behandlung oder Betreuung einer Krankheit stellt eine Heilbehandlung dar, die einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung zugänglich ist.

Maßnahmen der Krankheitsprävention zählen zwar zu den unter die Ausübung der Medizin fallenden Tätigkeiten eines Arztes (§ 2 ÄrzteG), dennoch sind im Rahmen des § 34 EStG Aufwendungen zur Vorbeugung von Krankheiten oder zur Erhaltung der Gesundheit nicht als Krankheitskosten zu berücksichtigen. Insofern fehlt es nämlich an der Verursachung durch eine Krankheit und damit an der Zwangsläufigkeit. Der VwGH erkennt in seiner Judikatur ausdrücklich nur die typischerweise mit einer Heilbehandlung verbundenen Kosten als zwangsläufig erwachsen an. Aufwendungen, die lediglich auf eine Verbesserung des Allgemeinzustandes abzielen, sind davon nicht erfasst, selbst wenn sich die betreffende Maßnahme auf den Verlauf einer konkreten Krankheit positiv auswirken kann ().

§ 34 EStG gibt für die Form des Nachweises keine Beweisregeln vor. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.

Im Allgemeinen erweist sich eine im Rahmen eines medizinischen Behandlungsplanes (und damit vor der Anwendung) erstellte, ärztliche Verordnung als geeigneter Nachweis für die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme.

Die in § 34 EStG geforderte Zwangsläufigkeit von außergewöhnlichen Belastungen setzt in Bezug auf Krankheits- bzw. Behinderungskosten das Vorliegen triftiger medizinischer Gründe für den betreffenden Aufwand in dem Sinn voraus, dass ohne Anwendung der damit finanzierten Maßnahmen das Eintreten ernsthafter, gesundheitlicher Nachteile feststeht oder sich zumindest konkret abzeichnet. Für Krankheitskosten fordert der VwGH deshalb, dass diese Maßnahmen tatsächlich Erfolg versprechend zur Behandlung oder zumindest Linderung einer konkret existenten Krankheit beitragen ().

Mit einer außerhalb eines ärztlichen Behandlungsplanes stehenden, bloßen ärztlichen Empfehlung wird den oa. Anforderungen an die Nachweisführung bei Krankheits- oder Behinderungskosten für gewöhnlich jedoch nicht entsprochen. Dies insbesondere bei von der allgemeinen Lebensführung schwer abgrenzbaren Kosten.

Dass das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich ist, reicht für die steuerliche Abzugsfähigkeit nicht aus (Doralt, EStG, § 34 Tz 41, mwN).

Zahnarztkosten: Mit der Privathonorarnote vom wurde die "Einzelkontrolle Myozentrikschiene" verrechnet. Dabei handelt es sich um eine Schiene zur Neupositionierung des Unterkiefers. Es wurde kein Behandlungsplan vorgelegt, aus dem die Notwendigkeit einer derartigen Schiene hervorgeht. Auf die bereits eingangs dargelegte Behauptungs- und Nachweispflicht der Beschwerdeführerin wird verwiesen.

Psychotherapie: Von den Aufwendungen für Psychotherapie iHv 2.310,00 € wurde von der Sozialversicherungsanstalt und von der privaten Versicherung ein Betrag von 457,80 € bzw. 565,00 € übernommen. Vor allem eine Kostenübernahme durch die Sozialversicherungsanstalt ist ein Indiz dafür, dass eine Heilbehandlung vorliegt (). Der verbleibende Betrag iHv 1.287,20 € ist als zwangsläufig erwachsen anzuerkennen.

Chinesisches Granulat: Es wurde kein ärztlicher Behandlungsplan vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass die Einnahme von Chinesischem Granulat für die Beschwerdeführerin medizinisch notwendig wäre. Aus den vorgelegten Anleitungen für die Apotheke zur Mischung verschiedener Granulate geht nicht hervor, welche Krankheit mit dem jeweiligen Granulat geheilt werden soll bzw. welche konkrete Krankheit überhaupt vorliegt. Bei der Geltendmachung von alternativmedizinischen Behandlungsmethoden als außergewöhnliche Belastung wird zusätzlich zu den in § 34 EStG 1988 aufgezählten Voraussetzungen der Nachweis der medizinischen Notwendigkeit gefordert. Medizinisch indiziert/notwendig ist eine Behandlung dann, wenn sie nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit vorgenommen wird (vgl ; vgl. dazu auch , und ).
Aufwendungen, die lediglich auf eine Verbesserung des Allgemeinzustands abzielen, sind davon nicht erfasst, selbst wenn sich die betreffende Maßnahme auf den Verlauf einer konkreten Krankheit positiv auswirken kann (; vgl dazu auch ).
Es mag durchaus möglich sein, dass die Einnahme von verschiedenen Kräuterpräparaten zum allgemeinen Wohlbefinden beitragen können, der Nachweis, dass die Maßnahmen im vorliegenden Fall zur Heilung oder Linderung einer Krankheit notwendig wären, wurde nicht erbracht. Die Anleitung für die Apotheke zur Mischung verschiedener Granulate lässt nicht erkennen, welche konkrete Krankheit damit gelindert oder geheilt werden soll.
Auch die mangelnde (teilweise) Kostenübernahme durch die Sozialversicherungsanstalt ist ein Indiz dafür, dass eine keine Heilbehandlung vorliegt, sodass die Kosten nicht zwangsläufig erwachsen sind.

Massagen: Trotz diesbezüglicher Aufforderung konnte kein Nachweis erbracht werden, welche konkrete gesundheitliche Beeinträchtigung die Durchführung von Massagen erfordert. Wie bereits ausgeführt wurde, entsprechen bloße ärztlichen Empfehlung den dargelegten Anforderungen für die Nachweisführung bei Krankheits- oder Behinderungskosten für gewöhnlich nicht. Dies insbesondere bei von der allgemeinen Lebensführung schwer abgrenzbaren Kosten, wie dies bei Massagen der Fall ist. Wenn Dr. ***Arzt1*** in ihren Schreiben vom und darauf hinweist, dass die Beschwerdeführerin wegen vegetativer Dystonie und Cervikalsyndrom bzw. wegen Schulterverspannungen mit Ausstrahlung in den Schädel in Behandlung ist, und eine zusätzliche physikalische Therapie in Form von Heilmassagen empfohlen wird, lässt dies den Schluss zu, dass damit die Verbesserung des Allgemeinzustandes der Beschwerdeführerin erzielt werden soll. Die Beschwerdeführerin ist dieser Empfehlung nachgekommen, indem sie Fußreflexmassagen, Tuina-Massagen (Homepage kangmei massage e.U.: "Tuina ist eine der wirksamsten manuellen Therapien der Traditionellen Chinesischen Medizin. Diese spezielle Form des Schiebens ("Tui") und Nach-oben-Ziehens der Muskeln ("Na") ist ein Mix aus Chiropraktik, Akupressur und einem ganzheitlichen Ansatz, der den Mensch wieder ins Gleichgewicht bringen soll."), Thaimassagen und APM Massagen nach Penzel (Wikipedia: "Die APM arbeitet mit äußerem mechanischem Druck, wobei der Therapeut mit einem Metallstäbchen entlang dem Verlauf der wissenschaftlich nicht nachweisbaren sogenannten Akupunkturmeridiane streicht. Wie in der Akupressur können darüber hinaus auch einzelne Akupunkturpunkte direkt stimuliert werden.") konsumiert hat. Die Anwendung derartiger Massagetechniken ist für die Verbesserung des Allgemeinzustandes durchaus üblich und gängig und wird auch von gesunden Menschen in Anspruch genommen. Dies und die Tatsache, dass der Sozialversicherungsträge keinen Kostenbeitrag geleistet hat, sprechen dafür, dass die diesbezüglichen Aufwendungen nicht als zwangsläufig erwachsen anzusehen sind.

Unter dem Titel "Apotheke" macht die Beschwerdeführerin Aufwendungen für Hansaplast, AGWA Kolloid, Jowae Balsam, Rezeptgebühr für Antidepressivum (6,10 € und 3,80 € Nachttaxe), Zahnbürsten, Raumspray, ätherische Öle geltend.
Die Zwangsläufigkeit iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich bei Krankheitskosten aus der Tatsache der Krankheit (). Aus den vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, in Zusammenhang mit welcher Krankheit Aufwendungen für Hansaplast, Hautbalsam, Zahnbürsten etc. angefallen sind. Die einzige diesbezügliche Ausnahme ist die Rezeptgebühr samt Nachttaxe für das Medikament Sertralin (9,90 €). Darüber hinaus wurde nicht dargelegt, dass diese Maßnahmen zur Linderung oder Heilung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (). Auf die Behauptungs- und Nachweispflicht der Beschwerdeführerin wird auch in diesem Zusammenhang verwiesen.

Nach Berücksichtigung der gesamten Umstände gelangte der Senat zur Überzeugung, dass folgende Aufwendungen grundsätzlich die Voraussetzungen für die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG 1988 erfüllen:


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Besuchsbegleitung
3.321,25 €
Psychotherapie
1.287,20 €
Rezeptgebühr und Nachttaxe
9,90 €
Summe
4.618,35 €

§ 34 Abs. 4 EStG 1988 regelt, unter welchen Umständen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Abgabepflichtigen wesentlich beeinträchtigt wird:
"Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen


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von höchstens 7.300,00 €
6 %
mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro
8 %
mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro
10 %
mehr als 36 400 Euro
12 %

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt
- wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht
- wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 312 Euro jährlich erzielt
- für jedes Kind (§ 106)."

Als Kinder gelten auch Kinder, für die dem Steuerpflichtigen mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Unterhaltsabsetzbetrag iSd § 33 Abs. 4 Z 3 zusteht. (vgl. § 106 Abs. 2 EStG 1988)

Das Einkommen der Beschwerdeführerin betrug im beschwerdegegenständlichen Zeitraum 57.049,93 €, ihr stand im Jahr 2019 länger als sechs Monate der Unterhaltsabsetzbetrag zu. Gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 beträgt der Selbstbehalt daher 11 % des Einkommens, das sind 6.275,49 €. Die Summe jener Aufwendungen, die außergewöhnlich (§ 34 Abs. 2 EStG 1988) und der Beschwerdeführerin zwangsläufig erwachsen (§ 34 Abs. 3 EStG 1988) sind, sind mit einem Betrag von 4.618,35 € deutlich unter dem Selbstbehalt iSd § 34 Abs. 4 EStG 1988 und beeinträchtigen somit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin nicht wesentlich. Der Tatbestand des § 34 EStG 1988 ist daher nicht erfüllt. Der Bescheid vom bleibt unverändert.

3.2. Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung findet Deckung in der ständigen zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sodass ein ordentliche Revision nicht zuzulassen ist.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100282.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at