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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.06.2023, RV/7102049/2019

Haftung: keinerlei Unterlagen vorgelegt, aus denen eine Vermögenslosigkeit zum Fälligkeitszeitpunkt der Abgaben hervorgeht

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 2277/2024 anhängig.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Haftungsbescheid des vormaligen Finanzamtes Wien 1/23, nunmehr Finanzamt Österreich, vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, nach durchgeführter mündlicher Verhandlung am , zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer ***Bf1***, (in Folge: BF), war seit der Gründung am bis zur Konkurseröffnung am ***30***.2012 eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***GmbH*** (in Folge: Primärschuldnerin).

Die Geschäftstätigkeit wurde mit Konkurseröffnung eingestellt.

Der Insolvenzantrag wurde am ***33***.2012 eingebracht; davor wurden außergerichtliche Sanierungsbemühungen gesetzt, die jedoch scheiterten. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***30***.2012, ***HG***, wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Sanierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom ***31***.2012 erfolgte die Änderung der Bezeichnung in Konkursverfahren. Mit Beschluss vom ***32***.2016 wurde das Konkursverfahren nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben.

Seitens des Finanzamtes (belangte Behörde) erging am ein Haftungsprüfungsvorhalt hinsichtlich der aushaftenden Abgabenschulden iHv EUR 29.009,47:

"Zu den im Rückstand enthaltenen bescheidmäßig vorgeschriebenen Abgaben werden Ihnen beiliegend die an die Firma ***GmbH*** ***1*** ergangenen Bescheide (Ablichtungen) übermittelt. Und zwar:

- Umsatzsteuerbescheid 2009 vom
- Umsatzsteuerbescheid 2010 vom
- Umsatzsteuerbescheid 2011 vom
- Haftungsbescheid gem. § 82 EstG1988 für Lohnsteuer 2010 & 01-06/2012 v.
- Bescheid Festsetzung Dienstgeberbeitrag/Dienstgeberzuschlag 2010-6/2012 v.
- Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom

Bei den übrigen angeführten Abgaben handelt es sich um selbst gemeldete Selbstbemessungsabgaben. Durch die Selbstbemessung wurde die Rechtswirkung der Abgabenfestsetzung geschaffen ( 2006/14/0039).

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***30***.2012, AZ ***IS***, wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Sanierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom ***31***.2012erfolgte die Änderung der Bezeichnung in Konkursverfahren. Mit Beschluss vom ***32***.2016 wurde das Konkursverfahren nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben. Der Rückstand ist daher beim Primärschuldner uneinbringlich.

Die im Rückstand ausgewiesenen Abgabenschuldigkeiten sind nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgeschlüsselt. Der Rückstand besteht infolge Nichtentrichtung der im Zeitraum bis fällig gewordenen Abgaben. Sie waren laut Firmenbuch vom bis dato zum Geschäftsführer der abgabenschuldnerischen Firma ***GmbH*** ***1*** bestellt und daher gemäß § 18 GmbHG zur Vertretung der Gesellschaft berufen.

Gemäß § 80 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden; sie sind daher verpflichtet, die Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft zu entrichten.

Im Falle der Uneinbringlichkeit des Rückstandes bei der Firma ***GmbH*** ***1*** werden Sie als gesetzlicher Vertreter (Geschäftsführer) der Gesellschaft gemäß den Bestimmungen der §§ 224 i.V.m. 9 und 80 Bundesabgabenordnung zur Haftung herangezogen werden, es sei denn Sie können beweisen, dass Sie ohne Ihr Verschulden daran gehindert waren, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

In diesem Zusammenhang wir Ihnen Folgendes zur Kenntnis gebracht:Bei der Verwirklichung des Haftungstatbestandes kommt es darauf an, dass während der Funktion als Geschäftsführer eine Verpflichtung zur Entrichtung von Abgaben vorgelegen ist, die nicht eingehalten wurde. […]

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs 1 BAO annehmen darf (vgl. etwa E 2003/13/0131). Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter (vgl. 2006/15/0073). Auf diesem lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote.

Der vom Vertreter zu erbringende Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger hat auch die von der Gesellschaft getätigten Zug-um-Zug-Geschäfte zu erfassen (Barzahlung von Wirtschaftsgütern, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind). Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. 2001/14/0176). Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen ( 98/14/0082; , 2013/16/0229).

Bei der Frage der Gleichbehandlung der Gläubiger kommt es darauf an, ob der Abgabengläubiger im Hinblick auf die vorhandenen liquiden Mittel des Abgabenschuldners dadurch benachteiligt wurde, dass die Zahlungen an den Abgabengläubiger geringer ausgefallen sind als sie bei Verwendung der liquiden Mittel und anteiliger Befriedigung des Abgabengläubigers ausgefallen wären. Der VwGH vertritt dabei die "Mitteltheorie" (vgl. dazu 2011/16/0116).

Sofern die Firma ***GmbH*** ***1*** bereits zum Zeitpunkt der Fälligkeit der einzelnen Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, werden Sie ersucht, den Nachweis Gläubigergleichbehandlung zu erbringen, und zwar durch Darstellung der tatsächlich vorhandenen Mittel sowie der aliquoten Mittelverwendung. Dazu ist eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten (siehe Aufgliederung) gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen zu übermitteln. In dieser Aufstellung müssen alle damaligen Gläubiger der Firma ***GmbH*** ***1*** (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen enthalten sein.

Außerdem ist rechnerisch darzustellen, in welchem prozentuellen Ausmaß durch Zahlungen die jeweils fälligen Verbindlichkeiten gegenüber den einzelnen (übrigen) Gläubigern reduziert wurden. Diese Tilgungsquoten sind dann der an das Finanzamt geleisteten Quote gegenüberzustellen. Zur Erbringung dieses Nachweises (bzw. Besorgung der benötigten Nachweise beim ehemaligen Masseverwalter) wird Ihnen eine Frist von einem Monat ab Zustellung dieser Aufforderung gewährt."

Am antwortete der BF mit Stellungnahme zum Haftungsprüfungsvorhalt wie folgt:

"Grundsätzlich verweise ich auf das Schreiben von Rechtsanwalt Mag. ***Mag.*** vom , welches ich zur Sicherheit in Kopie nochmals anschließe.

Bereits im vorerwähnten Schreiben vom wurde ihnen eine Auflistung der offenen Forderungen der anderen Gläubiger mit Angabe seit wann unberichtigt übermittelt.Schon das Anmeldeverzeichnis zu 3 S 57/12w zeigt, daß auch die anderen Gläubiger unbedient blieben und die Mittel der GmbH eben nicht ausreichend waren:

***2*** seit
***3*** seit -***4*** BGHS, ***5*** BG I
***6*** seit -***7*** BGHS, ***8*** BG I
Wirtschaftskammer Beiträge 2011 und 2012
***9*** seit
***10*** seit
***11*** seit
***12*** seit
***13*** seit
***14*** ab Miete 12/2011 - ***16***, BG I
***15*** seit - ***17*** BGHS, ***18*** BG I
***19*** seit Prämienvorschreibung -***20*** BGHS
***21*** seit
Gehälter seit Juli/Aug. 2011
***22*** seit (Jahresrechnung also letzte Zahlung ein Jahr früher!)
***23*** einzige Forderung vom Feb. 2012 -***24*** BGHS
***25***
***26*** seit
***27*** seit
WGKK ab 10/2011

Festgehalten sei, daß nach außergerichtlichen Sanierungsbemühungen (seit Nov./Dez.2011) der Insolvenzantrag im Mai 2012 erfolgte. Das Insolvenzverfahren war ein solches ohne Eigenverwaltung, so daß während desselben ausschließlich der Insolvenzverwalter verantwortlich war.

Der Insolvenzantrag wurde am eingebracht; davor wurden außergerichtliche Sanierungsbemühungen gesetzt, die jedoch scheiterten. Zahlungen wurden bereits geraume Zeit vor Insolvenzantragstellung eingestellt. Eine Insolvenzverschleierung liegt nicht vor.

Wie bereits ausgeführt, wurden auch schon vor Insolvenzantrag keine Zahlungen mehr geleistet. Vor allem betreffend Umsatzsteuer 2009 und 2010 wird nochmals auf die Ausführungen im vorerwähnten Schreiben vom verwiesen.

Aufgrund der Darstellung steht zweifelsfrei fest, daß keiner der Gläubiger bevorzugt behandelt wurde aber auch keine Insolvenzverschleppung stattfand. Eine Bevorzugung war schon aufgrund der fehlenden Mittel nicht möglich. Mangels finanzieller Mittel musste auch der im Zuge der Insolvenzeröffnung erforderliche Kostenvorschuß von mir persönlich erlegt werden."

Das Finanzamt ging bezüglich der Haftungsfrage vom Vorliegen des Verschuldens und von einer Ungleichbehandlung der Gläubiger aus. In Folge erließ die Behörde am (zugestellt am ) den streitgegenständlichen Haftungsbescheid. Darin wurde auszugsweise festgehalten:

"Mit Schreiben vom , Steuernummer: ***28***, wurden Sie aufgefordert, darzulegen, dass Sie ohne Ihr Verschulden gehindert waren, für die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu sorgen. Sie Sind dieser Aufforderung- sohin Ihrer Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu Ihrer Entlastung darzutun - nicht ausreichend nachgekommen. Die höchstgerichtliche Judikatur geht davon aus, dass der Vertreter, der auf Grund gesetzlicher Bestimmungen abgabenrechtliche Pflichten zu erfüllen hat, diesen ihm obliegenden Pflichten aber nicht nachkommt, einer besonderen Darlegungspflicht unterliegt. Es trifft ihn die Beweislast, nämlich die besondere Verpflichtung, "darzutun", aus welchen Gründen ihm die Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, er wäre seinen Pflichten schuldhafterweise nicht nachgekommen (vgl. 95/15/0145 und , 2002/16/0168).

Zur Ihren Ausführungen in der Stellungnahme vom (bzw. ) wird Ihnen Folgendes zur Kenntnis gebracht: Die Behörde ist nicht verpflichtet, die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes von Amts wegen zu prüfen, also z.B. anhand eines vorgelegten Konvolutes an Buchhaltungsunterlagen von sich aus ermitteln zu müssen (oder Dritte zu beauftragen) ob der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Verfügung über die Gesellschaftsmittel eingehalten wurde.Es obliegt dem Vertreter den rechnerischen Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung aller Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre vorzulegen (vgl. RV/0867-L/05 (i.V.m. ).

Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom , ZI. 2008/15/0220 und ZI. 2008/15/0263, ausgeführt hat, ist es dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen.

Nachweise einer erfolgten Gläubigergleichbehandlung (für das Fehlen einer diesbezüglichen Pflichtverletzung) haben sie im Zuge des Haftungsvorverfahrens nicht erbracht. Es steht somit fest, dass Sie der Verpflichtung, als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft, für die Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Abgaben zu sorgen, zumindest leicht fahrlässig und damit schuldhaft im Sinne des § 9 BAO nicht nachgekommen sind.

Die Haftung umfasst nur jene Abgabenschuldigkeiten, die vor Insolvenzeröffnung fällig geworden sind. Zu den jeweiligen Fälligkeitstagen waren Sie der verantwortliche Vertreter (Geschäftsführer) im Sinne des § 80 BAO, und nicht der Masseverwalter. Da sich die Haftung gemäß § 9 BAO immer auf den jeweiligen Fälligkeitstag bezieht, ist der Tag der Buchung (bzw. Veranlagung oder Festsetzung) irrelevant.

Das erwähnte Anmeldeverzeichnis sagt nur aus, welche Forderungen zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestanden haben, nichts aber über etwaige Teiltilgungen der Gesamtforderung des jeweiligen Gläubiger im Vorfeld.

Auch die alleinige "Behauptung" es hätte keine Gläubigerbevorzugung stattgefunden, ohne Vorlage geeigneter Beweise reicht jedenfalls nach Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht aus.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd. § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls.Die Geltendmachung der Haftung stellt im vorliegenden Fall die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, zumal der haftungsgegenständliche Rückstand bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden kann. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn diebetreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (vgl. E 89/15/0067). Letzteres steht hier fest."

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom führt der BF aus:

"[…] Wie bereits mehrfach ausgeführt, wurden die USt-Voranmeldungen immer korrekt eingereicht und eine allenfalls daraus sich ergebende Zahllast bezahlt bzw. mit einem Guthaben verrechnet. Die USt-Bescheide sind inhaltlich nicht nachvollziehbar, wobei aus den mir übermittelten Bescheidausfertigungen nichts Näheres zu entnehmen ist und somit vorläufig keine Details ausgeführt werden können. Nachdem ich in diesem Zusammenhang also korrekt gehandelt habe, kann ich kein Verschulden meinerseits erkennen, auf dem eine angebliche Haftung beruhen sollte.

Die Lohnverrechnung erfolgte immer durch den Steuerberater. Da es sich nur um geringe Lohnbeträge handelte (Lehrlinge!), fiel keine Lohnsteuer an. Die sich aus der Lohnverrechnung ergebenden ans Finanzamt abzuführenden Beträge wurden zumindest bis Herbst 2011 immer abgeführt bzw. mit Guthaben verrechnet.Da ab Mitte 2011 keine Löhne an die Lehrlinge mehr ausbezahlt wurden, war auch kein (weiterer) Abzug möglich und der diesbezügliche Vorwurf geht ins Leere.

Wie ausgeführt, kann sich bei den geringen Lehrlingsentschädigungen keine Lohnsteuer ergeben, da die Jahressummen jeweils mehr als deutlich unter der Besteuerungsgrenze liegen. Somit ist der Haftungsbescheid und Bescheid zur Lohnsteuer nicht nachvollziehbar. Da wie dargelegt eine korrekte Personalverrechnung erfolgte, sind auch die Festsetzung Dienstgeberbeiträge und Dienstgeberzuschläge nicht nachvollziehbar. Auch hier fehlt mir eine Begründung zu den Beträgen, womit vorläufig dazu nichts Weiteres vorgebracht werden kann.

Grundsätzlich habe ich ausreichendes und fundiertes Vorbringen erstattet, die Bescheidbegründung ist in diesem Punkt eindeutig unzutreffend. Wenn dargetan wird, daß alle anderen Schuldner unbedient blieben und am Steuerkonto sogar ein Guthaben bestand, ist der Nachweis der Gleichbehandlung wohl erbracht.

Die Bescheidbegründung ist jedenfalls auch mangelhaft, da die Wiederholung von Stehsätzen ohne wirklich auf das Parteienvorbringen detailliert einzugehen ungenügend ist. Die Bescheidentscheidung fußt zudem auf einer ex-nunc Betrachtung. Tatsächlich ist ein Verschuldensvorwurf selbstverständlich immer nur ex-tunc zu beurteilen.

Grundsätzlich ist festzuhalten, daß die Haftung strafrechtlichen Charakter im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention und der EU-Grundrechtscharta hat, wobei ja die innerstaatliche rechtliche Zuordnung irrelevant ist.Vielmehr kommt es auf eine Beurteilung nach Konventionsmaßstäben (Verschuldensvorwurf mit pönaler Sanktion) an, was hier gegeben ist. Demnach ist aber eine Verschuldensvermutungund eine Beweislastumkehr zu Ungunsten des Beschuldigten konventions-, EU-rechts- und damit verfassungswidrig. Es obliegt daher sehr wohl dem Finanzamt das Verschulden darzutun und zu beweisen.

Zur Prüfung 2012 bleibt fraglich, welche Unterlagen der Prüfer eingesehen hat. Dem Masseverwalter lagen nicht alle, sondern nur die für das Insolvenzverfahren relevanten Unterlagen vor. Ich wurde von der Prüfung weder (vorher) verständigt noch gar ihr beigezogen. Auch eine Stellungnahme vor Abschluß war mir nicht möglich, womit das rechtliche Gehör jedenfalls verletzt wurde. Somit ist davon auszugehen, daß die Schlußfolgerungen der Prüfung falsch sind.

Weiters ist festzuhalten, daß eine 1. Aufforderung betreffend mögliche Haftung bereits am erging. Dazu erfolgte meinerseits (durch meinen damaligen Anwalt) eine Stellungnahme am . Diese Äußerung blieb 3,5 (!!!) Jahre ohne Reaktion bis zum Schreiben vom .Als rechtschaffener Bürger durfte ich daher davon ausgehen, daß die Sache erledigt ist und es sich quasi um eine res judicata (keine Haftung) handelt. Ich beantrage somit den Haftungsbescheid ersatzlos zu beheben und meine Nichthaftung festzustellen".

Am (zugestellt am ) wies die belangte Behörde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) als unbegründet ab und hielt auszugsweise fest:

"In Bezug auf die Fälligkeit der Abgabenschuld ist auszuführen, dass die Geschäftsführertätigkeit des Abgabenschuldners von bis dauerte und somit die Fälligkeit der Abgabenschuld in den Zeitraum der Vertretungsfunktion fällt.

Der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorhandensein der für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel bestimmt sich danach, zu welchem Zeitpunkt die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären.

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hierzu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter als andere Verbindlichkeiten behandelt hat. (vgl. 2004/13/0067).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist es Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen hat, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. 2005/15/0114).

[…] Betreffend dem Vorbringen, die Lohnverrechnung sei immer durch den Steuerberater erfolgt, ist auszuführen, dass die Letztverantwortlichkeit beim Geschäftsführer der Abgabenschuldnerin der ***GmbH*** liegt. Der Geschäftsführer hat das Unternehmen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zu führen und trägt auch die Verantwortung für die rechtzeitige Tilgung der Abgabenschuld. Die Beauftragung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung der Abgabenangelegenheiten vermag den Geschäftsführer der GmbH nicht zu exkulpieren, wenn er seinen zumutbaren Informations- und Überwachungspflichten nicht nachkommt.Der Vertreter hat beauftragte Personen nämlich zumindest in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass ihm Steuerrückstände verborgen bleiben (vgl. 98/15/0159; 2001/14/0099).

[…] Zu den Ausführungen, die Umsatzsteuerbescheide seien inhaltlich nicht nachvollziehbar, wobei aus den aus den dem Beschwerdeführer übermittelten Bescheidausfertigungen nichts Näheres zu entnehmen sei und somit vorläufig keine Details ausgeführt werden können, ist zu entgegnen, dass der Partei vor allem Gelegenheit zu Äußerungen zu behördlichen Sachverhaltsannahmen sowie zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens zu geben ist (vgl. 94/13/0148). Eine Missachtung des Parteiengehörs durch die erste Instanz wäre allerdings im Rechtsmittelverfahren heilbar (vgl. RV/0768-W/02) Der Abgabenpflichtige wurde bereits imHaftungsvorverfahren durch Zustellung des Haftungsvorhalts vom umfassend über seine Rechte und Pflichten im Abgabenverfahren belehrt und es wurden ihm auch taugliche Möglichkeiten zur Durchsetzung seiner Ansprüche dargelegt. Des Weiteren ist auch zu entgegnen, dass der Abgabenpflichtige sein rechtliches Gehör nicht nur im Haftungsvorverfahren, sondern auch im Haftungsverfahren insbesondere durch die eingebrachte Beschwerde vom wahrnehmen konnte.

[…] Dem Vorbringen vom ist im Gesamten weder die vollständige Einnahmensituation noch die ganze Ausgabensituation (und zwar weder insgesamt noch bezogen auf die einzelnen Abgabenfälligkeiten) zu entnehmen, sodass die Beurteilung der Gleichbehandlung der Abgabengläubiger mangels vollständiger Darstellung der Liquiditätssituation nicht vorgenommen werden kann. Die zusammengefasste Darlegung im Sinne einer summierten Aufstellung der Zahlungsflüsse hat der Verwaltungsgerichtshof schon in der Vergangenheit für nicht ausreichend befunden (vgl. 2012/08/0227).

Weil dem Vorbringen des Beschwerdeführers das Vorliegen und die Verwendung der finanziellen Mittel nicht entnommen werden kann, hat dieser die Obliegenheit darzutun, dass er den Abgabengläubiger nicht schlechter als andere Gläubiger behandelt hat und ihn daher kein Verschulden treffe, verwirkt (vgl. 98/14/0171). Daher ist dem Abgabenschuldner die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorzuschreiben.

Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Beschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs 1 BAO) innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Abgabenanspruch (Abgabenbescheid, § 198 BAO) mittels Beschwerde die Rechte geltend machen, die dem Abgabepflichtigen zustehen.Die Beschwerde eines Haftungspflichtigen gegen die Heranziehung zur Haftung einerseits und gegen den Abgabenanspruch andererseits muss zwar nicht in zwei gesonderten Schriftsätzen erfolgen. Dennoch kann daraus nicht geschlossen werden, dass über beide Beschwerden in einem einheitlichen Rechtsmittelverfahren abzusprechen ist. Vielmehr ist zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung die Legitimation des Beschwerdeführers zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Abgabenanspruch ergibt; denn würde der Beschwerde des Haftenden gegen seine Heranziehung zur Haftung stattgegeben, so wäre seine gegen den Abgabenanspruch eingebrachte Beschwerde mangels Aktivlegitimation als unzulässig zurückzuweisen, (vgl. RV/7103895/2016).

Infolgedessen ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gegen den Haftungsbescheid einzig und allein die Frage, ob der Beschwerdeführer zu Recht als Haftender für Abgaben der Gesellschaft herangezogen worden ist, nicht jedoch, ob die dieser Gesellschaft vorgeschriebenen Abgaben zu Recht bestehen. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben können daher in diesem Verfahren nicht erfolgreich erhoben werden. Die nach § 9 BAO im Haftungsverfahren erforderliche Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (vgl. 2006/14/0039; 2010/16/0014; 81/14/0083; ; 89/13/0250; 89/15/0067). Dies ist erst mit der Beschwerde gegen den Abgabenbescheid, welcher an den Abgabepflichtigen erlassen worden ist, möglich.

Betreffend das Vorbringen bezüglich des Verschuldens des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten zur Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers berechtigen. Eine bestimmte Schuldform ist nicht erforderlich, auch leichte Fahrlässigkeit genügt. Nach der Judikatur des VwGH trägt das Risiko des Rechtsirrtums derjenige, der es versäumt, sich an geeigneter Stelle, wie der zuständigen Abgabenbehörde (s. 2012/16/0039) zu erkundigen. Es obliegt dem Vertreter dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete und schlüssige Darstellung der Gründe (s. 89/13/0212; 2005/17/0259, 2006/17/0002; zumindest "qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast" nach 93/17/0280; 99/14/0120), vgl. Ritz, BAO6 § 9 Tz. 18 ff.)

Zur Frage, ob § 9 BAO einen privatrechtlichen oder strafrechtlichen Schuldbegriff verwendet, ist darzulegen, dass § 9 BAO über die Art und den Grad des Verschuldens in Form vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schuld keine ausdrückliche Aussage macht. Bei der ihrem Wesen nach als Ausfallshaftung konzipierten Haftung handelt es sich gewissnicht um eine Erfolgshaftung, sondern vielmehr um eine schadenersatzähnliche Verschuldenshaftung. Die Vertreter sollen herangezogen werden können, weil der Abgabengläubiger seinen Anspruch aus dem Abgabenschuldverhältnis infolge deren schuldhafter Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig einbringen kann. Der Beschwerdeführer soll dem Abgabengläubiger den Abgabenausfall, damit den Schaden, den er verschuldet hat, ausgleichen. Dabei handelt es sich um einen Haftungsanspruch des Abgabengläubigers in der Art eines Schadenersatzanspruchs. Als eine vom Schadenersatz bestimmte verschuldensabhängige Haftung erlangt sie sodann aber auch Verschulden und Verschuldensformen, wie sie das bürgerliche Recht vorsieht, (vgl. Stoll, BAO § 9, 127). […]"

Im dagegen gerichteten Vorlageantrag vom bringt der BF vor:

" […]Wie in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt, haben Vertreter zwar dafür Sorge zu tragen, daß die Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft - nicht aber aus eigenen - zu entrichten sind. Wenn aber diese Mittel gänzlich aufgebraucht bzw. nicht (mehr) vorhanden sind, so können eben (auch) die Abgaben nicht mehr entrichtet werden. Dies habe ich bereits mehrfach und genau dargelegt, ebenso daß dabei die Abgabenschulden nicht schlechter, tendenziell sogar besser behandelt wurden.

Zur Lohnsteuer ist ergänzend und wiederholend festzuhalten, daß diese solange möglich entrichtet wurde und erst dann nicht mehr abgeführt wurde, als auch keine Löhne und Gehälter ausbezahlt und sonst auch keine Zahlungen mehr getätigt wurden bzw. getätigt werden konnten. Der Vorhalt, es hätte also weniger Lohn ausbezahlt werden müssen, geht somit ins Leere, da von 0 nichts einbehalten werden kann. Ich habe übrigens sehr wohl den Steuerberater auch hinsichtlich der Lohnverrechnung überwacht und gab es nie Anhaltspunkte, daß diese von ihm nicht richtig gemacht wurde.

Hinsichtlich der Umsatzsteuerbescheide ist es unrichtig, daß mir irgendwann diesbezüglich Informationen zukamen und mir Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde.

Nachdem der Haftung, wie auch in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt, schadenersatzrechtlicher Charakter zukommt, ist sogar die Zulässigkeit des inquisitorischen Verfahrens im Lichte der EMRK etc. in Frage zu stellen.

Auf die zeitlichen Komponenten des Verfahrens wurde gar nicht eingegangen. Verfassungs- und grundrechtlich kann es aber nicht zulässig sein, daß die Behörde quasi solange zuwartet, bis kaum oder keine Unterlagen für den (angeblich) Haftungspflichtigen greifbar sind und ihm das dann auch noch als erschwerend bzw. haftungsbegründend anzulasten.

Den Umstand, daß die Gleichbehandung bzw. Nicht-Schlechterbehandlung schon aus den vorhandenen Unterlagen, insbesondere dem Anmeldeverzeichnis und dem Umstand eines Guthabens auf dem Abgabenkonto bis zu erschließen ist, hat die Behörde ignoriert.Ich beantrage somit den Haftungsbescheid ersatzlos zu beheben und meine Nichthaftung festzustellen. Weiters beantrage ich - soweit gesetzlich möglich - eine mündliche Verhandlung."

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Darin wurde um Abweisung der Beschwerde ersucht. Als Beilagen übermittelte die belangte Behörde dem BFG folgende Unterlagen:

Bescheide
Umsatzsteuerbescheide 2009-2011
Haftungsbescheid Lohnsteuer 2010
Festsetzungbescheid DB, DZ 2010 und 2011
Haftungsbescheid Lohnsteuer 1-6/2012
Festsetzungbescheid DB, DZ 1-6/2012
Bericht GPLA (gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben) vom

Erhebungen zum Haftungsvorhalt ***Bf***
ZMR Abfrage
AJ-WEB Auskunftsverfahren
Abfrage Firmenbuch
Abfrage Grundbuch
KFZ-ZENTRALREGISTER AUSKUNFT
Auszug Insolvenzdatei
Grunddatenauskunft Finanzverwaltung
Abfrage Abgabenkonto

Erhebungen Primärschuldnerin
Firmenbuchauszug
Abfrage Abgabenkonto

Eingabe des BF (***29*** Rechtsanwälte) vom , worin es heißt:

"Anknüpfend an das Schreiben vom nehme ich zu den Vorwürfen wie folgt Stellung:
Meinem Mandanten trifft an den
- beim Finanzamt aushaftenden Rückständen kein Verschulden; es wurden sämtliche Gläubiger im Sinne der Parität gleich behandelt.

Bezüglich des Finanzamtes ist festzuhalten, dass bis wies das Abgabenkonto ein Guthaben aufwies. Insbesondere bestand am (Lohnsteuer und DG-Beiträge) noch, ein Guthaben in der Höhe von € 531,08. Zu den am Abgabenkonto ausgewiesenen Beträgen ist nachstehendes festzuhalten:

USt 2009 (€ 3.069,27): Dieser Betrag wurde erst per eingebucht (Zahlungsfrist ) - Meinem Mandanten war daher auch erst zu diesem Zeitpunkt ein etwaige Rückstand bekannt). Die laufenden UVAs im Jahre 2009 wurden ja erstattet und auch bezahlt!

USt 2009 (€ 10.907,35): Dieser Betrag wurde erst mit Bescheid vom 1.3.2.012 vorgeschrieben (Frist ), dann bis ausgesetzt (Frist ). Dazu ist nach wie vor ein Verfahren anhängig. Gleichzeitig wurde mit Beschluss des HG Wien, vom ***30***.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet.

USt 2010 (€ 7.780,12): Dieser Betrag wurde erst per eingebucht; Frist - meinen Mandanten war daher erst ab diesem Zeitpunkt die Zahlungsverpflichtung bekannt. Die laufenden UVAs im Jahre 2010 wurden ja erstattet!

Der Insolvenzantrag, wurde am eingebracht; davor wurden außergerichtliche Sanierungsbemühungen gesetzt, die jedoch, scheiterten. Zahlungen wurden bereits geraume Zeit vor Konkursantragstellung eingestellt.Es steht schon aufgrund dieser Darstellung fest, dass mein Mandant schon faktisch nicht in der Lage war, die Vorschreibungen des Finanzamtes und/oder andere Verbindlichkeiten zu bezahlen. Gleichzeitig hat mein Mandant jedoch auch, gegenüber allen anderen Gläubiger, auch gegenüber seinen Dienstnehmern sämtliche Zahlungen eingestellt. Es wird auch auf das beiliegende Anmeldeverzeichnis verwiesen.

Aufgrund der Darstellung steht zweifelsfrei fest, dass keiner der Gläubiger bevorzugt behandelt wurde. Eine Bevorzugung war schon aufgrund der fehlenden Mittel nicht möglich. Mangels finanzieller Mittel musste auch der im Zuge der Konkurseröffnung erforderliche Kosten Vorschuss vom Geschäftsführer persönlich erlegt.

Beweis: vorzulegende Steuerunterlagen
vorzulegende Buchhaltungsunterlagen
beiliegendes Anmeldeverzeichnis
PV

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass den Geschäftsführer an etwaigen Finanzamtsrückständen jedenfalls kein Verschulden trifft und auch keinen Gläubiger bevorzugt behandelt hat. Eine Bevorzug einzelner Gläubiger war schon aufgrund fehlender Mittel nicht möglich."

Durch den Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde der gegenständliche Fall der unbesetzten Gerichtsabteilung 1022 abgenommen und zum Stichtag der Gerichtsabteilung 1078 neu zugeteilt. Die Gerichtsabteilung 1078 wurde mit neu besetzt.

In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wiederholte der BF sein bisheriges Vorbringen und wies erneut auf das Guthaben am Finanzamtskonto und das Anmeldeverzeichnis im Konkurs hin. Die Besteuerungsgrundlagen könne er bis heute nicht nachvollziehen. Im Zuge der Verhandlung wurde auch dargestellt, dass die beschäftigten Lehrlinge sehr wohl bis zum Konkursantrag weiter beschäftigt waren; lediglich die Lohnzahlung sei nicht mehr durch die Primärschuldnerin, sondern durch den Insolvenzentgeltausfallfonds erfolgt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der BF war seit Gründung am bis zur Konkurseröffnung am ***30***.2012 eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***GmbH*** (Primärschuldnerin). Das Unternehmen beschäftigte sich mit der Vermittlung von Grundstücken und Versicherungen.

Nachdem sich die Geschäfte ab 2011 nicht mehr entsprechend entwickelten und die Umsätze zurückgingen, wurde die Geschäftstätigkeit mit Konkurseröffnung (Insolvenzantrag vom ***33***.2012). Davor wurden außergerichtliche Sanierungsbemühungen gesetzt, die jedoch scheiterten.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***30***.2012, ***HG***, wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Sanierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom ***31***.2012 erfolgte die Änderung der Bezeichnung in Konkursverfahren. Am wurde die Gesellschaft aufgelöst. Mit Beschluss vom ***32***.2016 wurde das Konkursverfahren nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben.

Ob und in welchem Zeitraum die (Lohn)Zahlungen der Primärschuldnerin mangels Liquidität (zur Gänze) eingestellt wurde, kann nicht festgestellt werden.

Die Mitarbeiter/Lehrlinge wurden bis zum Konkursantrag weiterbeschäftigt, jedoch wurden die Lohnzahlungen bereits im Jahr 2011 eingestellt.

Umsätze wurden bis zur Konkurseröffnung erzielt (letzte UVA 01-03/12 vom ).

Mit Schreiben der belangten Behörde vom wurde der BF von der Möglichkeit der Haftungsinanspruchnahme informiert.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides bestand ein offener Rückstand der Primärschuldnerin iHv insgesamt EUR 43.167,62.

Am wurde der BF als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm § 80 BAO mit dem angefochtenen Haftungsbescheid für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin im Ausmaß von EUR 29.009,47 zur Haftung herangezogen. In einer Aufgliederung zum Haftungsbescheid waren die Abgaben wie folgt aufgelistet:

Der BF hat im Haftungsverfahren keine geeigneten Unterlagen vorgelegt, aus denen ersichtlich ist, dass er alle Gläubiger gleich behandelt hätte oder dass keine liquiden Mittel vorhanden gewesen wären.

Mit Beschluss des HG Wien vom wurde die Gesellschaft gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit amtswegig im Firmenbuch gelöscht. Mangels Masse konnten keine Abgaben mehr beglichen werden und wurde keine Konkursquote ermittelt.

Die Abgaben sind bei der GmbH uneinbringlich.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde weiters erhoben durch Einsicht in den elektronischen Akt, insbesondere dem Abgabenkonto.

Die Feststellungen der Geschäftsführertätigkeit des BF und zum Insolvenzverfahren der Gesellschaft sind den aktenkundigen Auszügen aus dem Firmenbuch (FN ***FN***) und der Insolvenzdatei (***IS***) entnommen und sind unstrittig.

Die Feststellung, dass der BF keine Unterlagen vorgelegt hat um eine Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen, ergibt sich aus der Beschwerde und dem Vorlageantrag, die Angaben zu stichtagsbezogenen Befriedigungsverhältnissen und Zahlungen vermissen ließen. In diversen Schriftsätzen des BF, unter anderem in dem dem Gericht vorliegenden Schreiben vom , wird zwar darauf hingewiesen, dass keine liquiden Mittel mehr vorhanden gewesen wären; diese Angaben bewegen sich aber auf einer reinen Behauptungsebene, die durch keine einzige Unterlage (Kontoausweis, Saldenliste, Buchungsjournal odgl.) nachgewiesen sind. Auch lassen diese Angaben sowohl einen konkreten Stichtag als auch Zeitraum vermissen, ab wann dieser Umstand eingetreten sein soll und verhindern daher eine weiterführende Überprüfung der Angaben. Die eingereichten UVAs bis zur Konkurseröffnung belegen hingegen, dass sehr wohl noch Umsätze erzielt wurden und verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Dieser Umstand wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt. Die einzige Unterlage, die der BF in mehreren Eingaben und der mündlichen Verhandlung darstellt, ist das Anmeldeverzeichnis zum Konkurs. Aber auch diese Darlegung entspricht in keinster Weise einem dem Gesetz geforderten Gleichbehandlungsnachweis, zeigt dieses Verzeichnis doch lediglich die Gläubiger zum Stichtag der Konkurseröffnung und legt nicht dar, in welchem Verhältnis die Gläubiger zum jeweiligen Fälligkeitstag der entsprechenden Abgaben (vor Konkurseröffnung) befriedigt wurden. Die Tatsache, dass diverse Forderungen im Zusammenhang mit einer Konkurseröffnung unbeglichen aushaften und im Zuge eines solchen Verfahrens angemeldet werden, ist amtsbekannt. Eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger konnte damit nicht dargetan werden. Im Übrigen zeigt das vorglegte Anmeldeverzeichnis auch Forderungen, die bereits zu Beginn/Mitte des Vorjahres 2011 nicht mehr bedient wurden (vgl. ***2*** seit und der standard seit ) - es spiegelt daher lediglich wider, dass sich die Primärschuldnerin lange vor Konkursanmeldungen in Zahlungsschwierigkeiten befand, sagt aber nichts über einen konkreten Stichtag aus, zudem eine Zahlungsunfähigkeit eingetreten wäre, zumal die dargelegten Forderungen unterschiedliche Fälligkeitsdaten aufweisen. Auch das (vorgebrachte und) sich aus der UVA 11/10 ergebende, stichtagsbezogene Guthaben vom (EUR 531,08) vermag den Beweis zur geforderten Gläubigergleichbehandlungsnachweis nicht zu erbringen, handelt es sich einerseits um einen Zeitpunkt lange vor Konkurseröffnung, andererseits war das Guthaben durch die nächste UVA Meldung (12/10) und KÖSt-Vorauszahlung (01-03/11) wieder aufgebraucht. Zudem betreffen die im Haftungsbescheid angeführten Abgaben sowohl Zeiträume vor als auch nach diesem Guthabensstichtag.

Die Feststellung zur Höhe und Abgabenart der Haftungsbeträge ergibt sich zum einen aus dem Bericht über die gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) vom , in welchem Abfuhrdifferenzen zu den vorgelegten Lohnkonten ermittelt wurden, den im Zuge des Haftungsprüfungsvorhaltes übermitteltem Haftungsbescheid gem. § 82 EstG1988 für Lohnsteuer 2010 & 01-06/2012 v. , den Bescheid Festsetzung Dienstgeberbeitrag/Dienstgeberzuschlag 2010-6/2012 v. sowie den beigefügten USt-Jahresbescheiden 2009-2016. Die Höhe der haftungsrelevanten UVAs (4-6/11, 7-9/11 und 1-3/12) entstammen den vom BF in seiner aktiven Zeit als Geschäftsführer der Primärschuldnerin selbst eingereichten UVA und wurden von der belangten Behörde antragsgemäß vorgeschrieben.

Das Schreiben der belangten Behörde vom liegt zwar nicht im Akt auf, wurde vom BF jedoch ins Treffen geführt und von der belangten Behörde nicht widersprochen. Zudem existiert eine Antwort des BF vom , welche auf die Haftungsthematik repliziert. Sohin ist von der Ankündigung der Haftungsinanspruchnahme am auszugehen.

Die Feststellung, dass die Beträge bei der Primärschuldnerin im dargelegten Ausmaß nicht einbringlich sind, ergibt sich aus dem Konkursverfahren und der mittlerweile erfolgten Löschung im Firmenbuch und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Rechtsgrundlagen

§ 9 Abs 1 BAO lautet:

"Die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben in Folge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

§ 20 BAO lautet:

"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."

§ 80 Abs 1 BAO lautet:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

§ 224 BAO lautet:

"2. Geltendmachung von Haftungen.

§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.

(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig."

§ 248 BAO lautet:

"Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs 2, 4 und 5 sinngemäß."

3.2. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Allgemeines zur Haftungsinanspruchnahme

Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des VwGH, setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs 1 BAO voraus, dass

1. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff BAO gehört (Vertreterstellung),
2. eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht (Uneinbringlichkeit),
3. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und
4. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).

Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch und keiner wie in der Beschwerde vorgebrachten strafrechtlichen Sanktion nachgebildet. Diese gesetzlich begründete Mitschuld hat ein pflichtwidriges Verhalten des Vertreters und einen dadurch bewirkten (zu befürchtenden) Einnahmenausfall der Finanzbehörde zur Voraussetzung. Durch die Normierung einer Mithaftung im Abgabenverfahren wird die Einbringung einer Schadenersatzklage entbehrlich (). Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können. Als Geschäftsführer der Primärschuldnerin war der BF ihr Vertreter. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, dass das Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Verhaltens oder gar einer strafgerichtlichen Verurteilung des Vertreters im Sinne des § 80 BAO selbst keine Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme ist (; verstärkten Senates ). Es kann daher auch weder ein völliges Unterbleiben eines Strafverfahrens, noch die Einstellung von Vorerhebungen oder einer Voruntersuchung, noch ein freisprechendes Urteil eine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 Abs 1 BAO bewirken (; , ÖStZB 2009/47, 56).
Zur eingewandten Beweislastumkehr wird festgestellt, dass nicht die Abgabenbehörde das Verschulden an der Nichtentrichtung der Abgaben der GmbH nachzuweisen hat, sondern der Geschäftsführer darzutun hat, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich war (vgl. , ÖStZB 1997, 704; , 99/14/0128, ÖStZB 1999, 753; , 98/16/0094, ÖStZB 2002/65, 68).

Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (). Aus der Konkurseröffnung allein ergibt sich noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit. Diese ist erst dann anzunehmen, wenn im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden kann; schließlich würde selbst eine geringe Quote die Haftung betragsmäßig entsprechend vermindern (zB ).

Zur Vertreterstellung

Der BF war im haftungsrelevanten Zeitraum handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin und gehörte damit zum Personenkreis des §§ 80 ff BAO. Zu seinen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH gehörte es daher, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ; , 2006/13/0121; 2008/15/0085).

In der Beschwerde wurde darauf hingewiesen, dass die Nachforderungen an Lohnabgaben auf eine fehlerhafte Lohnverrechnung seitens des steuerlichen Vertreters zurückzuführen wären. Unter dem Aspekt des dem Vertreter vorzuwerfenden Verschuldens an der Verletzung der Vertreterpflichten ist es beachtlich, wenn er auf Grund eines Rechtsirrtums die Entrichtung der Abgaben unterlassen hat und ihm ausnahmsweise ein solcher Rechtsirrtum nicht vorzuwerfen wäre. Gesetzesunkenntnis oder irrtümlich objektiv fehlerhafte Rechtsauffassung sind aber nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde. Jemand, der es unterlässt, geeignete Erkundigungen über die Rechtslage anzustellen, kann sich nicht erfolgreich auf entschuldigenden Rechtsirrtum stützen ().
Die Betrauung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter entbindet zwar den Vertreter nicht von seinen Pflichten. Sie kann ihn allerdings entschuldigen, wenn er im Haftungsverfahren Sachverhalte vorträgt, aus denen sich ableiten lässt, dass der Vertreter dem Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich von diesem über die vermeintliche Rechtsrichtigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise informieren lassen hat, ohne dass zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder von einem solchen Fehler unabhängige eigene Fehlhandlungen des Vertreters vorgelegen wären (). Das Risiko des Rechtsirrtums trägt auch der, der es verabsäumt, sich an geeigneter Stelle zu erkundigen (). Der BF hat im Verfahren nicht dargelegt, dass er seinen Kontrollpflichten gegenüber dem Steuerberater hinreichend nachgekommen wäre und diesen tatsächlich vollumfänglich über die Sachverhalte in Kenntnis gesetzt hätte. Dem Vorbringen, es seien am Mitte 2011 keine Lohnabgaben mehr angefallen, hätte ein Blick in die Gebarung und Lohnunterlagen entgegengewirkt. Arbeitgeber müssen für jeden Arbeitnehmer ein Lohnkonto führen; ein Lohnkonto ist auch für geringfügig oder vorübergehend Beschäftigte sowie beschränkt Steuerpflichtige vorgeschrieben. Die Feststellungen der GPLA (gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben) zeigt auch, dass diese geführt wurden; im Rahmen der Prüfung wurden lediglich Abfuhrdifferenzen festgestellt. Es bestand daher kein Disput zur Lohnverrechnung dem Grunde nach, sondern wurden lediglich Abfuhrdifferenzen, dh Abweichungen zwischen der am Lohnkonto errechneten und einbehaltenen Lohnsteuer und den dem Finanzamt gemeldeten/abgeführten Lohnabgaben, festgestellt. Hätte der BF, so wie angegeben, seinen Steuerberater/Lohnverrechner ausreichend überwacht, hätte ihm selbst auffallen müssen, dass es hier zu Abfuhrdifferenzen gekommen ist. Zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen betreffend Lohnbesteuerung ist es im Zuge der Prüfung nicht gekommen.

Das Vorbringen, wonach der BF den Steuerberater regelmäßig überwacht hätte, geht insofern ins Leere.

Zur Frage des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO ist weiters darauf hinzuweisen, dass bei Selbstbemessungsabgaben (Lohnsteuer) maßgebend ist, wann diese Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob und wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt werden (vgl. Ritz, BAO7, § 9 Tz 10 und die dort zitierten Erkenntnisse des VwGH). Aus dem Einwand in der Beschwerde, dass es sich bei den haftungsgegenständlichen Abgaben um "nachträgliche" Lohnsteuer aus einer finanzbehördlichen Prüfung handle, ist daher für den BF nichts zu gewinnen. Der Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Abgabepflicht ist nicht ausschlaggebend.

Nicht zuletzt hat das Finanzamt in der BVE bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des VwGH im Haftungsverfahren die Richtigkeit der Abgabenvorschreibung nicht zu erörtern ist (vgl. , mwN). Zudem wurde auf die in § 248 BAO geregelten Beschwerdemöglichkeit hingewiesen. Eine weitere Auseinandersetzung, mit dem Einwand, dass die Abgabenbehörde die Lohn- und Umsatzsteuer steuerlich abweichend von der Rechtsansicht des BF gewürdigt habe, erübrigt sich daher.

Zur Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben durch den rechtskräftigen Abschluss des Konkursverfahrens vom ***32***.2016 fest.

Auch wenn der BF in der mündlichen Verhandlung vom bekräftigte, dass die Uneinbringlichkeit aus seiner Sicht schon lange vor der Konkurseröffnung bestand (2010/2011), wird dem entgegengehalten, dass dieser Umstand in keinster Weise durch entsprechende Unterlagen/Beweise belegt ist. Im Rahmen der Verhandlung wurde durch den BF eingestanden, dass Umsätze bis zur Konkurseröffnung erzielt wurden; dieser Umstand geht auch aus den gemeldeten UVA-Daten (vom ) hervor und untergräbt somit das eigene Vorbringen.

Zum Verschulden

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft. Eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert (auch leichte Fahrlässigkeit ist ausreichend, zB , 91/13/0038; , 95/15/0137).

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (zB ; , 2011/16/0184; , 2013/16/0166; , 2013/16/0208; , 2013/16/0016). Die Judikatur beruft sich teilweise auf § 1298 ABGB (zB ; , 95/17/0613; nach Arnold, AnwBl 1987, 193, ist diese Ableitung problematisch). Nur der Vertreter wird nämlich idR jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (zB ; , 2001/14/0087; , 2009/16/0108; , 2009/16/0106). Daher hat er für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen (), etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken (zB ).

Die siebenjährige Aufbewahrungsfrist des § 132 Abs 1 BAO beginnt für Bücher und Aufzeichnungen mit Schluss des Kalenderjahres, für das die Eintragungen vorgenommen worden sind bzw. für Belege, Geschäftspapiere und sonstige Unterlagen vom Schluss des Kalenderjahres, auf das sie sich beziehen.

Die Aufbewahrungsfrist verlängert sich für Bücher, Aufzeichnungen und hiezu gehörige Belege, solange die Unterlagen für (am Ende der Siebenjahresfrist anhängige) Verfahren, die die Abgabenerhebung betreffen, von Bedeutung sind, wenn in solchen Verfahren diejenigen Parteistellung haben, für die auf Grund von Abgabenvorschriften (z.B. § 125 BAO, § 76 EStG 1988, § 18 Abs 1 UStG 1994) die Bücher bzw. Aufzeichnungen zu führen waren oder ohne gesetzliche Verpflichtung Bücher geführt wurden.

Die Verlängerung der Aufbewahrungsfrist stellt zwar nicht auf die subjektive Kenntnis von der Anhängigkeit des Verfahrens ab. Jedoch wird die Partei meist hievon Kenntnis haben (Ritz, BAO7, § 132 RZ 7).

Im gegenständlichen Fall wurde dem BF mit Schreiben des Finanzamtes vom Dezember 2012 in Aussicht gestellt, ihn zur Haftung gemäß § 9 BAO heranzuziehen, es sei denn er könnte beweisen, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, für die Einrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Selbst wenn man in Betracht zieht, dass der BF tatsächlich erst mit Zustellung des Haftungsbescheides vom erlangte, tritt keine Änderung in der Dauer der Aufbewahrungsfrist ein (selbst für die älteste Abgabe, USt 2009 ((Fälligkeit )) ist zu Konkursabschluss am ***32***.2016 die 7jährige Aufbewahrungsfrist noch nicht abgelaufen).

Laut Rechtsprechung des VwGH obliegt dem Vertreter auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (). Dieser Pflicht ist der BF zweifelsfrei nicht nachgekommen.

Im gegenständlichen Fall bringt der BF auch keine anderen triftigen Gründe, aus denen ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre, vor. Es wurde zwar behauptet, dass dem BF keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden waren, dieses Vorbringen wurde aber in keinster Weise konkretisiert respektive nachgewiesen. Damit der Geschäftsführer seine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast erfüllt, ist die Darstellung der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft und ihrer Gebarung im fraglichen Zeitpunkt (Fälligkeitszeitpunkt der Abgaben) erforderlich. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer ansonsten für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , 2009/16/0206 und vom , 2009/16/0108, mwN).

Für eine völlige Vermögenslosigkeit der Primärschuldnerin ergeben sich nach Aktenlage keine Anhaltspunkte; darüber hinaus wäre ohne liquide Mittel auch nicht der Abschluss eines Sanierungsplanes angestrebt worden. Im Übrigen wurden bis zur Konkurseröffnung noch Umsätze, wenn ich in geringem Umfang, erzielt.

Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogenen Vertreter deren Fehlen (, ÖStZB 1992, 528; , 91/15/0157, ÖStZB 1994, 44 = Slg 6787/F; , 93/15/0010, ÖStZB 1995, 475; , 92/14/0088, ÖStZB 1996, 626; , 95/13/0170, ÖStZB 1999, 131; , 96/15/0104, ÖStZB 2000/249, 286; , 2001/13/0286, ÖStZB 2004/245, 260; , 2004/15/0015, ÖStZB 2006/375, 467; , 2006/15/0073, ÖStZB 2008/302, 386).

Werden die vorhandenen liquiden Mittel nicht gleichmäßig zum entsprechenden Fälligkeitstag auf alle Gläubiger entrichtet, stellt dies einen schuldhaften Verstoß gegen die abgabenrechtlichen Verpflichtungen dar.

Da für eine Haftung nach § 9 BAO nur die Verletzung von Abgabenvorschriften durch den Vertreter maßgebend ist, kommt daher den Ursachen für die Zahlungsunfähigkeit im vorliegenden Verfahren ebenso wenig Bedeutung zu wie dem Umstand, dass den BF am Eintritt der Insolvenz kein Verschulden traf.

Reichen, die Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden, andernfalls haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft. Eine Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers oder einiger Gläubiger stellt somit eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter dar, sofern dieses Verhalten eine Verkürzung der Abgaben bewirkt hat ().

Kommt der Geschäftsführer einer GmbH der Aufforderung der Abgabenbehörde zur Präzisierung und Konkretisierung seines Entlastungsvorbringens nicht nach, bleibt die Abgabenbehörde zur Annahme berechtigt, dass der Geschäftsführer seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist; konsequenterweise haftet der Geschäftsführer dann für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (, ÖStZB 1993, 475).

Zum Gleichbehandlungsnachweis

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen ("Gleichbehandlungsgrundsatz"; ). Verfügt der Vertretene über (wenn auch nicht ausreichende) Mittel, so darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden (zB ; , 2003/14/0094; , 2005/13/0040). Es kann aber nicht verlangt werden, der Vertreter müsse den Abgabengläubiger vor allen übrigen Gläubigern befriedigen (; , 98/17/0038; , 99/14/0278). Er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen.

Was die haftungsgegenständlichen Abgaben betrifft, erstreckt sich die Haftung des Vertreters, wenn die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden gereicht haben und der Vertreter nur deswegen haftet, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat (). Der Vertreter erfährt somit nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre (). Hat der Geschäftsführer aber wie nicht dargetan, weshalb er für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen (siehe nochmals ).

In die rechnerische Darstellung des Nachweises (Verhältnisrechnung) ist einzubeziehen:

- die gesamte Einnahmensituation (vgl. );
- die gesamte Liquiditätssituation (vgl. );
- die freiwillig geleisteten Zahlungen (vgl. );
- die im Wege der Exekution entrichteten Beträge (vgl. );
- die Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind (vgl. );
- die von der Gesellschaft getätigten systemerhaltenden Ausgaben (vgl. ).

Für die Bestimmung des Haftungsausmaßes durch die Behörde ist es daher entscheidend, ob unter Zugrundelegung der vorgelegten Aufstellungen beurteilt werden kann, inwiefern der BF die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet (vgl. ).

Es war daher am BF gelegen, zu den jeweiligen Fälligkeitstagen die Finanzverbindlichkeit den übrigen Schulden gegenüberzustellen, den Anteil der Finanzverbindlichkeiten an den Gesamtverbindlichkeiten zu berechnen (=Quote) und darzustellen, inwieweit die Abgabenbehörde gegenüber den anderen Gläubiger quotenmäßig bei Verwendung der vorhandenen liquiden Mittel benachteiligt wurde.

Der BF hat es unterlassen, durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordener Forderungen darzutun, dass sie bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen wie behauptet nicht mehr über ausreichend liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte und so den geforderten Gläubigergleichbehandlungsnachweis zu erbringen. Die bloße Behauptung, sämtliche Gläubiger seien gleichbehandelt bzw. alle Gläubiger wurden seien zur Gänze nicht bedient worden, reicht dazu nicht aus. Auch das Vorbringen der Bevorzugung der Abgabenbehörde verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg, ist dieses durch ein stichtagsbezogenes Guthaben weder nachgewiesen noch zu den jeweiligen Fälligkeitstagen vorhanden. Der BF hätte vielmehr alle Gläubiger sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen (Quoten) des betreffenden Zeitraumes aufzulisten und alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel wie Bargeld und offene Forderungen anzugeben bzw. gegenüber zu stellen gehabt.

Das Beschwerdevorbringen, aus dem Konkursakt hätte man ersehen können, dass keine Mittel zur Entrichtung der Abgaben vorhanden gewesen seien, ist nicht geeignet, ein fehlendes Verschulden des BF darzustellen. Aus Jahresabschlüssen, Steuererklärungen, Betriebsprüfungsberichten oder Insolvenzakten betreffend die Primärschuldnerin können keine Erkenntnisse zur Liquiditätssituation zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen gewonnen werden.

Haftung für Lohnsteuer

Gemäß § 79 Abs 1 EStG hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag abzuführen. Gleiches gilt auch für den Dienstgeberbeitrag und Dienstgeberzuschlag.

Wird in einem solchen Fall die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen (vgl. E ZI. 2001/15/0187).

Betreffend die Haftungsheranziehung für die rückständigen Lohnsteuerbeträge ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH die Lohnsteuer vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen ist. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (bzw. aller Gläubiger) hinaus (z.B. ; weitere Judikaturnachweise bei Ritz, BAO7, § 9 Tz 11). Die Bestimmung stellt nicht auf jene Gründe ab, die dazu geführt haben, dass nicht die volle Lohnsteuer abgeführt wurde.

Somit trifft den Vertreter nach § 80 BAO die Verpflichtung, die Lohnsteuer einerseits einzubehalten und andererseits - ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten und des Gleichbehandlungsgebotes - zur Gänze dem Finanzamt zum Fälligkeitstag abzuführen. Im Übrigen konnte der BF mangels entsprechender Unterlagen nicht nachweisen, ab wann keine Löhne mehr ausbezahlt worden seien; die pauschale Behauptung "ab Mitte 2011" reicht hierfür nicht aus, noch dazu, wenn die Lohnverrechnungsunterlagen (s. Feststellungen GPLA) ein anderes Bild zeigen.

Unabhängig von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft ist die Verletzung der Verpflichtung zur Abfuhr von Lohnabgaben jedenfalls schuldhaft, weil es sich dabei um solche Abgaben handelt, deren Entrichtung bzw. Abfuhr bei korrekter Geschäftsführung durch diese Schwierigkeiten nicht gehindert war (). Eine Begrenzung der Haftung in Höhe eines allfälligen Quotenschadens kommt diesbezüglich nicht in Betracht ().

Zu den Fälligkeiten der Lohnabgaben als Selbstbemessungsabgaben wird folgendes ausgeführt:

Gemäß § 79 Abs 1 EStG ist die Lohnsteuer spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats abzuführen. Ebenso bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Kalendermonats ist der Dienstgeberbeitrag (§ 43 Abs 1 FLAG) und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (§ 122 WKG iVm § 43 FLAG) zu entrichten. Der Dienstgeberbeitrag ist gem § 41 Abs 3 FLAG von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen ().

Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer

Gemäß § 21 Abs 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs 1 und 2 und des § 16 UStG selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Daraus folgt: Die zu den Selbstbemessungsabgaben zählende Umsatzsteuer ist vom Abfuhrpflichtigen selbst zu berechnen und zu entrichten, ohne dass eine vorherige abgabenbehördliche Tätigkeit wie etwa die bescheidmäßige Festsetzung abgewartet werden darf.

Gemäß der hier zur Anwendung kommenden Bestimmung des § 21 Abs 5 UStG 1994 wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung keine von Abs 1 und 3 abweichende Fälligkeit begründet.

Die Umsatzsteuer wird nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt (§ 21 Abs 4 UStG). Kommt es aufgrund der Veranlagung zu einer Umsatzsteuernachforderung, so wird auch für diese gemäß Abs 5 leg. cit. keine von Abs 1 und Abs 3 abweichende Fälligkeit begründet. Bescheidmäßig festgesetzte Nachforderungen an Umsatzsteuer stellen daher unabhängig davon, auf welchem verfahrensrechtlichen Titel der Bescheid beruht, rückständige Umsatzsteuervorauszahlungen dar, für deren Fälligkeit § 21 Abs 1 erster Satz UStG 1994 gilt. Zwar stand dem BF zur Entrichtung der Umsatzsteuer eine einmonatige Nachfrist ab Bekanntgabe der Umsatzsteuerbescheide zu, weil die Umsatzsteuer später als einen Monat vor ihrer Fälligkeit festgesetzt wurde (§ 210 Abs 4 BAO), diese Nachfrist berührte aber die Fälligkeit der Umsatzsteuer nicht (vgl. Ritz, BAO7, § 210, Tz 9).

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gegen den Haftungsbescheid ist einzig und allein die Frage, ob der BF zu Recht als Haftender für Abgaben der Gesellschaft herangezogen worden ist, nicht jedoch, ob die dieser Gesellschaft vorgeschriebenen Abgaben zu Recht bestehen. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben können daher in diesem Verfahren nicht erfolgreich erhoben werden. Die nach § 9 BAO im Haftungsverfahren erforderliche Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen. (vgl. ; ; ; ; ).

Die Umsatzsteuervoranmeldungen wurden zwar nicht bescheidmäßig festgesetzt, aber beruhen ausschließlich auf den Meldungen der Primärschuldnerin (vom , und ). Somit erfolgten die Meldungen zu einem Zeitpunkt, zu dem der BF noch als Geschäftsführer der Gesellschaft fungierte. Die Bemessungsgrundlagen können daher nur dem BF als verantwortlichen Geschäftsführer, nicht jedoch dem Finanzamt bekannt sein, weshalb kein Verfahrensfehler vorliegt. Konkrete Vorbringen zu den UVAs wurden nicht dargetan, so dass von der Richtigkeit der erfolgten Meldung auszugehen ist.

Bei Selbstbemessungsabgaben (zB UVA, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag) ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (zB ; ; ). Maßgebend ist somit der Zeitpunkt der Fälligkeit der betreffenden Abgabe, unabhängig davon, wann sie bescheidmäßig festgesetzt wird (vgl. zB ; ).

Da die verfahrensgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben jeweils schon (lange) vor ihren bescheidmäßigen Nachforderungen fällig geworden sind, kommt der erst im Nachhinein erfolgten bescheidmäßigen Festsetzung keine für die Haftungsinanspruchnahme relevante Bedeutung zu.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wäre. Solcherart zeigt der zur Haftung für Abgabenschulden der GmbH herangezogene Geschäftsführer mit seinem Vorbringen, gegen die Bescheide, die nach abgabenbehördlichen Prüfungen erlassen worden sind und aus denen sich Nachforderungen an Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie Umsatzsteuer ergeben haben, keine Rechtswidrigkeit des Bescheides, mit dem der Geschäftsführer zur Haftung herangezogen wurde, auf.

Zur Kausalität/Pflichtverletzung

Gemäß § 18 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführer vertreten. Ein bestellter Geschäftsführer hat die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört,

- für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (Abgabenzahlungspflicht);
- die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten;
- andere Personen (Angestellte), die er mit den steuerlichen Agenden betraut, zu kontrollieren (Auswahl- und Kontrollpflichten);
- sich bei Geschäftsübernahme zu informieren;
- Zurücklegung der Geschäftsführungsfunktion bei Behinderung/Beschränkung der Befugnisse.

Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Die Pflichtverletzung muss zur Uneinbringlichkeit geführt haben. Wäre die Abgabe auch ohne schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters uneinbringlich geworden, so besteht keine Haftung (zB Stoll, BAO, 131; Unger in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 9, 51).

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des VwGH eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit ().

Im vorliegenden Fall war die pflichtwidrige (zur Gänze) Nichtentrichtung der aushaftenden Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit. Dieses pflichtwidrige Verhalten ist dem BF als verantwortlichem Geschäftsführer der Gesellschaft für die übrig gebliebenen Abgaben zuzurechnen.

Zum Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des BF zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen der Vorrang einzuräumen. In Hinblick auf die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin ist die Geltendmachung der Haftung die einzige Möglichkeit, für die Einbringlichkeit der gegenständlichen Abgaben zu sorgen.

Bei Abstandnahme von der Haftungsinanspruchnahme würde der Abgabengläubiger seines Anspruches verlustig gehen. Vom BF wurde nicht aufgezeigt, dass die Haftung wegen seiner berechtigten Interessen nicht geltend gemacht werden dürfe. Derartige Umstände sind auch für das BFG nicht ersichtlich. Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen stünden im Übrigen der Geltendmachung der Haftung nicht entgegen (vgl. zB mwN).

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf ().

Wenn der BF versucht, eine lange Verfahrensdauer ins Treffen zu führen, wenn zwischen seiner Stellungnahme (Dez 2012) bis zum Haftungsprüfungsvorhalt vom über 3,5 Jahre liegen, so wird dem entgegnet, dass eine solche nach der Rechtsprechung nicht vorliegt. Es entspricht dem Gesetz, dass die Behörde die Haftung erst dann geltend macht, wenn sie Kenntnis über das Ausmaß der Uneinbringlichkeit hat (). Aus der Konkurseröffnung (06/2012) allein ergibt sich nämlich noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit; noch dazu, wo im Juni 2012 noch Bemühungen zur Durchführung eines Sanierungsverfahren stattgefunden haben. Die Uneinbringlichkeit ist erst dann anzunehmen, wenn im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden kann; schließlich würde selbst eine geringe Quote die Haftung betragsmäßig entsprechend vermindern (zB ). Der Konkurs wurde mit Beschluss des Gerichtes vom ***32***.2016, ***IS***, aufgehoben. Der Haftungsvorhalt erging am , der Haftungsbescheid am . Von einer (über)langen Verfahrensdauer kann daher fallgegenständlich keinesfalls Rede sein.

Vom BF wurden keine weiteren Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können bzw. wurden überhaupt keine Einwendungen gegen die Ermessensentscheidung vorgetragen.

3.3. Finanzamt Österreich

§ 323b Abs 1 bis 3 BAO lautet i. d. F. BGBl. I Nr. 99/2020 (2. FORG)

§ 323b. (1) Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes. Das Zollamt Österreich tritt am an die Stelle der am zuständig gewesenen Zollämter.

(2) Die am bei einem Finanzamt oder Zollamt anhängigen Verfahren werden von der jeweils am zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.

(3) Eine vor dem von der zuständigen Abgabenbehörde des Bundes genehmigte Erledigung, die erst nach dem wirksam wird, gilt als Erledigung der im Zeitpunkt des Wirksamwerdens für die jeweilige Angelegenheit zuständigen Abgabenbehörde.

Die gegenständliche Entscheidung ergeht daher an das Finanzamt Österreich.

3.4. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung (vgl. die unter 3. zitierte Rechtsprechung). Die vorliegende Rechtsprechung des VwGH ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage, ob der BF zu Recht zur Haftung herangezogen wurde sowie zum Umfang der Haftung, vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 132 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 78 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 78 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
















































































ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102049.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at