Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.07.2023, RV/7100682/2023

Eigenantrag eines Erwachsenen auf erhöhte Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde der Bf., Adresse, vertreten durch RA Dr. C. D., Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrags auf Familienbeihilfe ab Jänner 2018, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf), geb. am tt.mm.1981, hat einen Erwachsenenvertreter, welcher für die Bf beim Finanzamt (FA) am einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages rückwirkend ab einbrachte.

Die Bf wurde im Zuge des Antragsverfahrens zur Untersuchung im Sozialministeriumservice eingeladen und ist zur Untersuchung nicht erschienen.

Mit Bescheid vom wies das FA den Antrag der Bf mit der Begründung ab, dass Anspruch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung bestehe, wenn der festgestellte Grad der Behinderung mindestens 50 Prozent betrage und die Behinderung nicht nur vorübergehend sei, sondern mehr als 3 Jahre andauere.

Diese Punkte würden nicht zutreffen (Verweis auf § 8 Abs 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967)

Da der Untersuchungstermin beim Sozialministeriumsservice nicht wahrgenommen worden sei, habe kein Grad der Behinderung festgestellt werden können.
Gegen den Abweisungsbescheid wurde vom Erwachsenenvertreter am Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass das FA die Abweisung im Wesentlichen damit begründet habe, dass der Untersuchungstermin beim Sozialministeriumservice nicht wahrgenommen worden sei. Dies entspreche jedoch nicht den Tatsachen. Frau Bf. sei durch Sozialarbeiter, die vom Erwachsenenvertreter beauftragt worden seien, am zum Termin beim Sozialministeriumservice begleitet worden und konnten diese auch eine entsprechende Untersuchung feststellen. Es liege daher allenfalls ein Verfahrensfehler seitens der ermittelnden Behörde vor, wobei insbesondere als Verfahrensfehler geltend gemacht werde, dass der Erwachsenenvertreter über die scheinbare Unterlassung der Wahrnehmung des Termins nicht informiert worden sei bzw. keine Gelegenheit gegeben worden sei, die Umstände eines vermeintlichen Nichtbesuchs des Termins zu klären.

Weder sei der Entscheidung eine Verständigung durch das Sozialministerium beigelegt noch sei eine solche vor Zustellung der Entscheidung übermittelt worden.

Bei entsprechender Information hätte der Erwachsenenvertreter einen neuerlichen Termin vereinbaren können und auch dafür sorgen können, dass dieser stattfinde.

Es sei jedoch festzuhalten, dass nach den Informationen des Erwachsenenvertreters diese Untersuchung sehr wohl stattgefunden habe.

Darüber hinaus seien bereits mit Antragstellung entsprechende Befunde des Bundessozialamtes und des BBRZ vorgelegt worden. Daraus ergebe sich, dass eine intellektuelle Beeinträchtigung mittleren Grades vorliege, eine GZ in der Höhe von 50 % sowie aus arbeitsmedizinischer Sicht weder Arbeits- noch Kursfähigkeit vorliege. Es hätte daher zumindest ein Gutachten auf Basis der vorliegenden Unterlagen erstattet werden können.

Der Vollständigkeit halber würden noch weitere, dem Erwachsenenvertreter zur Verfügung stehende Befunde vorgelegt.

Es werde daher der Antrag gestellt, es möge der Beschwerde gegen den Bescheid vom Folge gegeben werden und dem Antrag auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung stattgegeben werden.

Die Bf wurde am im Sozialministerium von Dr. A.B., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, untersucht und am folgendes Gutachten erstellt:

"Anamnese:
Vorgutachten

Es ist kein Grad der Behinderung zu ermitteln. Es konnte bei der Störung der kognitiven und sozialen Fertigkeiten kein Grad der Behinderung vergeben werden, da keine ärztlichen Befundberichte, keine dokumentierten psychologischen bzw. entwicklungsneurologischen Untersuchungsergebnisse zur Entwicklungsstörung vorliegend sind.

Gegen das Ergebnis wird via Sachwalter Dr. D. schriftlich Einspruch erhoben:

entsprechende Befunde des Bundessozialamtes und des BBRZ vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass eine intellektuelle Beeinträchtigung mittleren Grades vorliegt, eine GZ in der Höhe von 50 % sowie aus arbeitsmedizinischer Sicht weder Arbeits- noch Kursfähigkeit vorliegt.

Weiters von der Anwaltskanzlei D. wird auf eine Begutachtung im Rahmen des Behinderteneinstellungsgesetz im Jahr 2003 verwiesen, dem ebenfalls entsprechende Einschränkungen festgestellt wurden. Nach telefonischer Anfrage beim Bundessozialamt wurde mitgeteilt, dass eine Übermittlung dieser Urkunden an den Erwachsenenvertreter nicht möglich Ist. Es wird daher der Antrag gestellt, es mögen die entsprechenden Unterlagen durch das Finanzamt direkt beim Bundessozialamt angefordert werden.

Die AW weist sich mit einem Behindertenpass vom mit 60% aus

Derzeitige Beschwerden:

sie hat eine Durchblutungsstörung des Gehirns, mit der Sachwalterschaft sei sie nicht einverstanden, die würden nur Probleme machen. Ebenso würde ihr die Bürokratie immer nur Stöcke zwischen die Beine werfen und Probleme machen.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikation: keine

Psychotherapie: keine

Sozialanamnese:

Volksschule, Sonderschule, wohnt alleine in einer Gemeindewohnung, Sozialarbeiter vom Verein MIK hilft ihr, sie hat eine Lehre als Tischlerin begonnen, diese jedoch abgebrochen (angeblich hätte die Internistin dazu geraten).

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Bundessozialamt, Behindertenpass-Begutachtung, :

Letzte Begutachtung im Rahmen des Behinderteneinstellungsgesetzes im Jahr 2003, Gesamt-GdB 40%.

Beurteilung und Begründung: Intellektuelle Beeinträchtigung mittleren Grades, 50%, valvuläre Pulmonalstenose 30%

Leiden 1 wurde von der neurologischen Gutachterin um 2 Stufen höher als im VGA eingestuft.

Gesamt GdB 60%

Fachärztliches Sachverständigengutachten, , Bundessozialamt:

Anamnestisch Sonderschulabschluss, danach Tischlerlehre über Jugend am Werk nach wenigen Monaten abgebrochen, wohnt bei Großeltern

Psychiatrischer Status Auszug: Aufmerksamkeitsleistung und geteilte Aufmerksamkeitsleistung reduziert, Ductus verlangsamt, das Denkziel wird mit Unterbrechung und Umschweife erreicht, Stimmung ausgeglichen, intellektuelle Beeinträchtigung mittleren Grades, reduziert emotionale Belastbarkeit, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen fassbar, 50%

BBRZ (Berufliches Bildungs- und Rehabilitationszentrum) Österreich, berufsbezogenes Leistungs- und Persönlichkeitsprofil, :

aufgrund der derzeitigen Befundlage liegt als arbeitsmedizinischer Sicht unbefristet weder Arbeits- noch Kursfähigkeit vor. Eine medizinische Rehab wird dringend empfohlen. Es ist durchaus zu erwarten, dass sich eine belastungsangepasste und dem Leistungsniveau entsprechende Tagesstruktur im geschützten Bereich positiv auf die Befindlichkeit der Klientin auswirkt.

Führende Diagnosen: angeborener Herzfehler

Weitere Diagnosen: Panikattacken, Phobien, Somatisierungstendenz, leichte Intelligenzminderung, Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, Kopfschmerzen, Schwindel, sanierungsbedürftiger Zahnstatus, Sehschwäche

BBRZ Österreich, Dr. E. F., Befundung :

Aufgrund der derzeitigen Befundlage liegt aus arbeitsmedizinischer Sicht unbefristet weder Arbeits- noch Kursfähigkeit vor. Eine medizinische Rehab wird dringend empfohlen.

Tätigkeiten, die gesundheitlich möglich sind: keine

... es wären noch leichte körperliche Arbeiten möglich, aber aufgrund der deutlich unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungsfähigkeit sowie reduzierter emotionalen Belastbarkeit besteht keine Arbeitsfähigkeit am ersten Arbeitsmarkt.

Untersuchungsbefund:

Psycho(patho)logischer Status:

AW klar, wach, situativ teilorientiert, Duktus nachvollziehbar, jedoch angetrieben, redet im Stakkatostil, neigt zu ausschweifenden Schilderung, Im Duktus wahnhafte Elemente vorhanden, Stimmung dysthym, bds. eingeschränkt affizierbar, vorbekanntes Intelligenzdefizit

GdB liegt vor seit: 03/2007

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

GdB von 50 % vorliegend seit 03/2007 - Befundbericht BBRZ Österreich - unbefristete Arbeits- und Kursunfähigkeit

Frau Bf. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Dies besteht seit: 03/2007

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Die AW ist aufgrund der Auswirkungen des festgestellten Leiden 1 in Bezug auf Compliance, Ausdauer und Belastbarkeit voraussichtlich dauerhaft außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, die EU kann aufgrund der vorliegenden Befunde ab 03/2007 bestätigt werden. Eine Bestätigung einer Erwerbsunfähigkeit vor diesem Datum kann aus den vorgelegten Befunden nicht begründet werden. Insbesondere liegt dem Gutachter kein entsprechender Befund aus dem Jahr 2003 vor."

Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Zugrundelegung der im Gutachten getroffenen Feststellungen mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

Volljährige Vollwaisen haben gemäß § 6 Abs. 2d unter anderem dann Anspruch auf Familienbeihilfe wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.

Gemäß § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht.

Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren.

Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Nachdem im Gutachten vom kein Grad der Behinderung festgestellt werden konnte, erfolgte auf Grund Ihrer Beschwerde die Anforderung eines weiteren ärztlichen Sachverständigengutachtens. Die vorgelegten Unterlagen und Befunde wurden der untersuchenden Stelle übermittelt und bei der Erstellung des neuen Gutachtens berücksichtigt.

Nach dieser neuerlichen Untersuchung durch den Sachverständigen erfolgte die Festsetzung mit 50% ab . Ab diesem Zeitpunkt liegt auch eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor.

In der Entscheidung des wurde hinsichtlich des Eintritts der Behinderung folgendes festgestellt:

"Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einen Grad von mindestens 50 v.H. bzw. einer damit verbundenen voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt, sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche (bei i. W. unter 21jährigen) einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist bzw. (bei i. W. über 21jährigen) eine damit verbundene voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt.

Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt.

Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht bzw. die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht (vgl. ; ; ; )."

Durch die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 hat der Gesetzgeber die Feststellung des Grades der Behinderung der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (). Daraus folgt, dass de facto eine Bindung an die Feststellungen der im Wege des Bundessozialamtes (Sozialministeriumservice) erstellten Gutachten gegeben ist. Die Tätigkeit der Behörden hat sich daher im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig, vollständig und nicht einander widersprechend anzusehen sind (z.B. VwGFI , 2010/16/0261 mit Flinweis auf , und ; Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8 Rz 29).

Der Sachverständige hat seine im Gutachten getroffenen Feststellungen ausreichend begründet und auch die von der Bf. vorgelegten Befunde und Unterlagen berücksichtigt.

Bei dieser Sach- und Beweislage erweist sich das ärztliche Sachverständigengutachten als vollständig, schlüssig und nachvollziehbar, weshalb die Behörde an dieses Gutachten gebunden ist.

Da Sie zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit (3/2007) das 21. Lebensjahr bereits vollendet hatten, besteht mangels Vorliegens der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen kein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe.

Die Erledigung der Beschwerde erfolgt daher spruchgemäß."

Der Erwachsenenvertreter der Bf brachte am folgenden Vorlageantrag ein:

"Ergänzend wird vorgebracht, dass sich aus den übermittelten Unterlagen, insbesondere aus der Beurteilung des Bundessozialamtes It. Begutachtung vom ergibt, dass jedenfalls eine intellektuelle Beeinträchtigung mittleren Grades vorliegt, die Höhe der MDE wurde diesbezüglich mit 50 % beurteilt.

Es handelt sich diesbezüglich um eine zwingend angeborene psychische Beeinträchtigung, sodass bereits daraus zwingend eine entsprechende Schlussfolgerung zu ziehen ist, dass die fehlende Erwerbsunfähigkeit von Geburt an vorlag.

Es wird sohin neuerlich der Antrag gestellt, es möge der erhobenen Beschwerde Folge gegeben werden und erhöhteFamilienbeihilfe im gesetzlich zustehenden Ausmaß zuerkannt werden."

Mit Vorlagebericht vom legte das FA die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) vor und ersuchte um Abweisung der Beschwerde, da die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfenbezug nicht vorliegen würden.

Das BFG ersuchte den Erwachsenenvertreter mit Schreiben vom , bezugnehmend auf das arbeitsmedizinische Gutachten der MA 15 vom , den darin genannten Befund über die klinisch-psychologische Untersuchung der Dip.Psychologin Mag. G. vom vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom teilte der Erwachsenenvertreter mit, dass der vom BFG angeforderte Befund nicht mehr aufliege. Dem Vertreter sei er nicht vorgelegen und eine Kontaktaufnahme sowohl mit Mag. G. als auch Dr. F. habe ergeben, dass er auch dort nicht mehr aufliege.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Sachverhalt

Allgemeine Feststellungen:

Die Bf ist am tt.mm.1981 geboren und vollendete am tt.mm.2002 das 21. Lebensjahr.

Die Bf hat einen Erwachsenenvertreter.

Sie besuchte die Volksschule und die Sonderschule. Eine Lehre als Tischlerin wurde abgebrochen.

Die Bf wohnt alleine in einer Gemeindewohnung und wird von Sozialarbeitern vom Verein MIK (Mobile Individuelle Krankenpflege) unterstützt.

Gutachten des Sozialministeriumservice vom :

Der Bf wurde im Gutachten vom auf Grund der vorgelegten Befunde eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab März 2007 bescheinigt.

Eine Bestätigung einer Erwerbsunfähigkeit vor diesem Datum konnte zufolge des Gutachtens aus den vorgelegten Befunden nicht begründet werden. Insbesondere lag dem Gutachter kein entsprechender Befund aus dem Jahr 2003 vor. Ein solcher konnte auch nach Aufforderung durch das BFG von der Bf nicht vorgelegt werden.

Das Gutachten ist schlüssig, vollständig und nachvollziehbar.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt beruht auf den von der Bf vorgelegten Befunden, den im Zuge des vorliegenden Verfahrens erstellten Gutachten des Sozialministeriumservice vom , sowie dem vom BFG durchgeführten Ermittlungsverfahren.

Das BFG gelangt aus den nachstehend angeführten Gründen zum Ergebnis, dass die in den Gutachten übereinstimmend getroffenen Feststellungen, wonach bei der Bf. eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit erst ab März 2007 vorliegt, mit größter Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entspricht.

Auf die Art der Leiden und deren Ausmaß wurde ausführlich eingegangen.

Von der Bf wurden keine Befunde vorgelegt, aus denen der Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21./25. Lebensjahr abgeleitet hätte werden können.

Im vorgelegten innerfachärztlichen Gutachten des Bundessozialamtes (Anm.: Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses) vom Juli 2007, stellte die untersuchende Ärztin Dr. H. fest, dass die Bf an einer intellektuellen Beeinträchtigung mittleren Grades leidet. Der Behinderungsgrad wurde mit 50 % festgestellt.

Dem Arbeitsmedizinischen Fachgutachten vom , erstellt von Dr. E. F., BBRZ Österreich, ist zu entnehmen, dass die die Bf seit der Kindheit an einem angeborenen Herzfehler leidet. Es bestehe Übergewicht und Bluthochdruck.

Sie zeige eine starke psychosomatische Anfälligkeit, die angegebenen Symptome würden nicht in Korrelation mit den erhobenen Befunden stehen. Ergometrisch sei eine eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit (70% des Sollwertes) festgestellt worden. Es wären noch (leichte körperliche Arbeiten möglich, aber aufgrund der deutlich unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungsfähigkeit sowie reduzierter emotionalen Belastbarkeit bestehe keine Arbeitsfähigkeit am ersten Arbeitsmarkt. Zur hierortigen Untersuchungen sei die Klientin immer in Begleitung ihrer Oma erschienen (wegen Angst, dass es ihr schlecht gehen werde).

Inwieweit eine Teilqualifizierung möglich sei, sollte in einer entsprechenden Untersuchung beurteilt werden (im Rahmen von bestimmten Projekten); dabei sollte die Vorliebe zu Tieren und zum Schreiben ausgenützt werden.

Aus arbeitsmedizinischer Sicht bestehe weder Arbeits- noch Kursfähigkeit.

Es liege auf Grund der derzeitigen Befundlage aus arbeitsmedizinischer Sicht unbefristet weder Arbeits-, noch Kursfähigkeit vor.

Die Befunde sind bei der Begutachtung im Sozialministeriumservice vom in die Beurteilung eingeflossen und stehen nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung.

Der Gutachter Dr. A.B. konnte aus den vorgelegten Befunden keine Schlüsse ziehen, dass die Erwerbsunfähigkeit bei der Bf bereits vor 2007 eingetreten ist. Insbesondere verwies der Gutachter darauf, dass kein entsprechender Befund aus dem Jahr 2003 vorliege (Anm.: Klinisch-psychologische Untersuchung am 27. März 20023, Dipl.Psychologin Mag. G.).

Dieser Befund konnte auch im Verfahren vor dem BFG nicht vorgelegt werden, sodass eine weitere Untersuchung beim Sozialministeriumservice mangels Vorlage weiterer Befunde entbehrlich war.

Die Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten, dass eine weiter zurückreichende Bestätigung von Erwerbsunfähigkeit auf Grund fehlender Befundvorlage nicht möglich war, sind daher einleuchtend und überzeugend.

Ein Arzt kann die Beeinträchtigung durch eine Erkrankung bzw. Behinderung naturgemäß nur zum Zeitpunkt der Untersuchung mit Sicherheit feststellen und eine Einschätzung über Zeiträume, die bereits mehrere Jahre zurückliegen, in den meisten Fällen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in aller Regel nur bei Vorliegen von relevanten Befunden vornehmen.
Auf die diesbezügliche Mitwirkungspflicht der Bf (siehe unten rechtliche Beurteilung) wird hingewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 2 Abs 1 lit. c FLAG 1967 besteht Anspruch für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Nach § 6 Abs 2 lit. d FLAG 1967 steht einem volljährigen Kind die Familienbeihilfe zu, wenn es wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (wegen einer erheblichen Behinderung voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist).

Nach § 6 Abs 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 und 3).

§ 8 Abs 4 FLAG 1967 legt fest, in welchem Ausmaß sich die Familienbeihilfe bei einem erheblich behinderten Kind erhöht.

Gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundes-amtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr: Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behindertenein-stellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Gutachten:

Allgemeines:

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. z.B. ; ).

Erhöhte Familienbeihilfe:

Bescheinigung des Sozialministeriumservice:

Nach den Bestimmungen des § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens) nachzuweisen (vgl z.B. ; ; ; ).

Das ärztliche Zeugnis betreffend das Vorliegen einer Behinderung iSd FLAG 1967 hat Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten (vgl. ; ; ).

Das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren durch ein ärztliches Gutachten (vgl. dazu , und , sowie ) hat sich im Fall, dass ein volljähriger Antragsteller die erhöhte Familienbeihilfe beantragt, darauf zu erstrecken, ob die Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist (vgl. etwa ).

Anwendung der Richtsatzverordnung:

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behindertenein-stellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Feststellung, in welchem Ausmaß eine Behinderung gegeben ist bzw. wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist:

Die Aufgabe des Arztes als Gutachter bzw. fachkundiger Berater des Gerichtes oder sonstiger Auftraggeber besteht darin, entsprechend den ihm vom Auftraggeber gestellten Beweisfragen medizinische Befunde zu erheben und diese unter Berücksichtigung der sonstigen ihm zugänglich gemachten Informationen auf der Basis medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlichen Erfahrungswissens zu bewerten, um so dem "Auftraggeber" (hier: FA) eine Entscheidung der rechtlich erheblichen Fragen zu ermöglichen.

Demgemäß werden bei der Feststellung, ab welchem Zeitpunkt ein bestimmter Grad der Behinderung bzw. ab wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, von den sachverständigen Ärzten des Sozialministeriumservice neben der Anamnese, den Untersuchungsergebnissen und dem ärztlichen Erfahrungswissen die von den Antragstellern vorgelegten Befunde herangezogen.

Bei der Einschätzung dürfen andere als behinderungskausale Gründe (wie z.B. mangelnde oder nicht spezifische Ausbildung, die Arbeitsplatzsituation, Arbeitsunwilligkeit, oÄ) wie eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (etwa durch Folgeschäden) nach Vollendung des 21. Lebensjahres) für die Beurteilung nicht herangezogen werden (vgl ).

Mitwirkungspflicht bei Begünstigungsvorschriften:

Nach der Judikatur des VwGH besteht bei Begünstigungsvorschriften und in Fällen, in denen die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind, eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Eine Mitwirkungspflicht ist gerade in den Fällen wichtig und unerlässlich, in denen der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe wegen Erwerbsunfähigkeit von Personen gestellt wird, die erheblich älter als 21 bzw. 25 Jahre alt sind.

Die Vorlage von "alten" und relevanten Unterlagen (Befunden, Bestätigung über Spitalsaufenthalte oder Therapien etc.) seitens des Antragstellers ist gerade dann wichtig bzw. unerlässlich, wenn ein Sachverständiger (weit rückwirkend) den Zeitpunkt festzusetzen hat, seit wann ein bestimmter Behinderungsgrad vorliegt oder wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist.

Der Antragsteller hat auch die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. ; ).

Gelingt ihm dies nicht, etwa wenn relevante Befunde fehlen oder vom Antragsteller, warum auch immer, nicht vorgelegt werden (können), können die vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen und liegt die Ursache auch darin, dass Erkrankungen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, häufig einen schleichenden Verlauf nehmen oder sich mit zunehmendem Alter verschlechtern.

Diese Auffassung vertritt auch Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8, II. Erhebliche Behinderung [Rz 10 - 35]. Es sei wohl nicht zu bestreiten, dass die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind, wenn Sachverhalte zu beurteilen sind, die teilweise Jahrzehnte zurückliegen. Auch der Sachverständige könne aufgrund seines medizinischen Fachwissens ohne Probleme nur den aktuellen Gesundheitszustand des Erkrankten beurteilen. Hierauf komme es aber nur dann an, wenn der derzeitige Behinderungsgrad zu beurteilen sei oder die Feststellung, ob eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, zeitnah zum relevanten Zeitpunkt erfolgen könne. Der Sachverständige könne in den übrigen Fällen nur aufgrund von Indizien, insbesondere anhand von vorliegenden Befunden, Rückschlüsse darauf ziehen, zu welchem Zeitpunkt eine erhebliche Behinderung eingetreten ist. Somit werde es primär an den Beschwerdeführern, allenfalls vertreten durch ihre Sachwalter, liegen, den behaupteten Sachverhalt, nämlich ihre bereits vor der Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, klar und ohne Möglichkeit eines Zweifels nachzuweisen (Verweis auf die Entscheidungen des ; , RV/0687-W/05).

Für die im Jahr 1981 geborene Bf sind diese Ausführungen uneingeschränkt anwendbar.

Bindung der Abgabenbehörde und des Bundesfinanzgerichtes an die Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice, wenn diese schlüssig sind:

Ein Gutachten ist

•vollständig, wenn es die von der Behörde oder dem Gericht gestellten Fragen beantwortet (sofern diese zulässig waren)

•nachvollziehbar, wenn das Gutachten von der Beihilfenstelle und vom Gericht verstanden werden kann und diese die Gedankengänge des Gutachters, die vom Befund zum Gutachten führten, prüfen und beurteilen kann und

•schlüssig, wenn es nach der Prüfung auf Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit immer noch überzeugend und widerspruchsfrei erscheint

Die Gutachten unterliegen, wie alle anderen Beweismittel, der freien behördlichen bzw. richterlichen Beweiswürdigung.

Das FA und das BFG sind an die Gutachten des SMS gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob diese vollständig, nachvollziehbar und schlüssig sind und im Fall mehrerer Gutachten oder einer Gutachtensergänzung nicht einander widersprechen (vgl. ; ; Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310). Erforderlichenfalls ist für deren Ergänzung zu sorgen (; ; ). Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ua.).

Die Beihilfenbehörden, und auch das Gericht, haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (vgl. ).

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe:

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht (vgl FLAG Kommentar, Csaszar/Lenneis/Wanke, § 8, Rz 5 ). Das bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen. Besteht also keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr einge-tretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, stehen sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (FLAG Kommentar, Csaszar/Lenneis/Wanke, § 8, Rz 21). (vgl. ; ; ).

Antrag auf Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag durch erwachsene Personen:

Beantragt eine erwachsene Person die Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag, so hat sich das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren durch ein ärztliches Gutachten (vgl dazu , und , sowie ) darauf zu erstrecken, ob eine Antragstellerin/ein Antragsteller wegen einer vor Vollendung seines 21. Lebensjahres (oder - für den Beschwerdefall nicht relevant - während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl etwa ).

Erwerbsunfähigkeit:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine zu einer solchen Erwerbsunfähigkeit führende geistige oder körperliche Behinderung Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 2 Abs 1 lit. c FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt.

Eine Intelligenzminderung (Mangel an intellektuellen Fähigkeiten), die zweifelsfrei seit Geburt besteht oder durch andere Umstände verursacht wird, bedeutet für sich allein noch nicht, dass eine Person niemals imstande war, einer für sie adäquaten Arbeit nachzugehen oder dass eine Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr bestanden hat.

Zusammenfassend wird nochmals festgestellt, dass das BFG die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zufolge der vorstehenden Ausführungen als vollständig, nachvollziehbar und schlüssig erachtet.

Im ggstdl. Fall besteht keine vor dem 21. Lebensjahr (eine spätere Berufsausbildung liegt nicht vor) eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Daher steht weder der Grundbetrag noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung die erhöhte Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, ob und ab wann eine "dauernde Erwerbsunfähigkeit" gegeben ist, handelt es sich um eine Tatfrage und ist das BFG an die vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten gebunden, sofern diese schlüssig sind. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at