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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.05.2023, RV/6100048/2023

Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der Zurückweisung iZm der Berechnung der Jahresfrist gem § 295 Abs 4 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag.Dr. Thomas Leitner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Sendlhofer & Partner Steuerberatungs GmbH & Co KG, Dorfwerfen 26, 5452 Pfarrwerfen, über die Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Antrag gem § 295 Abs 4 BAO auf Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 (beide ergangen am ) zu Recht:

I. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am wurde von der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin beim Finanzamt Österreich (im Folgenden: "belangte Behörde") ein auf § 295 Abs 4 BAO gestützter Antrag auf Aufhebung der folgenden Bescheide eingebracht:

  1. Einkommensteuerbescheid 2003 vom ;

  2. Einkommensteuerbescheid 2004 vom .

Begründend wurde dabei ausgeführt, dass die betreffenden Bescheide auf die als Feststellungsbescheide für die Jahre 2003 und 2004 gedachten, zur StNr ***StNr1*** (***GmbH & Co KG1***) ergangenen Erledigungen des Finanzamts Klagenfurt (jeweils vom ) gestützt gewesen seien. Die gegen diese Dokumente am eingebrachte Beschwerde sei vom als unzulässig zurückgewiesen worden, da "die vom Finanzamt erlassenen Erledigungen als Nichtbescheide zu qualifizieren" seien.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag als unzulässig (verspätet) zurückgewiesen. Dies zusammengefasst mit der Begründung, dass die Zurückweisung der Beschwerde vom bereits mit , erfolgt sei. Zwar enthalte diese Erledigung keinen Hinweis auf die Zustellfiktion iSd § 101 Abs 3 BAO, allerdings sei diese dem Finanzamt als Partei des Beschwerdeverfahrens gem § 265 Abs 5 BAO zugestellt worden. Es liege aus diesem Grund bereits ein wirksam ergangener Beschluss vor (Verweis auf , mwN), der mit Zustellung an das Finanzamt Klagenfurt in formeller Rechtskraft erwachsen sei. Die in § 295 Abs 4 BAO vorgesehene Jahresfrist habe bereits zu diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen. Der in dem die Zustellfiktion des § 101 Abs 3 BAO ergänzt wurde, stelle lediglich eine Ergänzung zum bestehenden Beschluss vom dar.

Am wurde gegen den vorgenannten Bescheid rechtzeitig Beschwerde eingebracht und im Wesentlichen vorgebracht, dass die Erledigung des , der Rsp des VwGH zufolge - da mangels eines entsprechenden Hinweises die Zustellwirkung iSd § 101 Abs 3 BAO gegenüber den Gesellschaftern, denen Einkünfte zugerechnet werden sollen, nicht eingetreten sei - im Hinblick auf das durch die Einheitlichkeit der Feststellung geprägte Wesen eines Bescheides nach § 188 BAO keine Rechtswirksamkeit erlangt habe. Es habe daher erst der am ergangene Beschluss des BFG den Fristenlauf gem § 295 Abs 4 BAO in Gang setzen können.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde die Beschwerde unter Verweis auf die im angefochtenen Zurückweisungsbescheid angeführte Begründung als unbegründet abgewiesen.

Am wurde von der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin daraufhin ein Vorlageantrag eingebracht, wobei auf die in der Beschwerde angeführte Begründung verwiesen wurde.

Am erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und beantragte die belangte Behörde dabei die Abweisung der Beschwerde.

Mit Schreiben vom zog die beschwerdeführende Partei die im Vorlageantrag gestellten Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Entscheidung durch den Senat zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

An die ***GmbH & Co KG1*** (im Folgenden nur "GmbH & Co KG"), an der sich mehrere Personen als atypisch stille Gesellschafter beteiligt haben, erging am zur GZ RV/4100211/2012 eine Erledigung des BFG, deren Spruch zufolge eine Beschwerde der GmbH & Co KG gegen die - mit an die GmbH & Co KG gerichteten Bescheiden vorgenommene - einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2003 bis 2005 mangels Bescheidqualität der angefochtenen Bescheide als unzulässig zurückgewiesen werde (§ 260 Abs 1 lit a BAO). Wie sich aus der aktenkundigen Kopie dieser Erledigung ergibt, enthält diese keinen Hinweis im Sinne des § 101 Abs 3 zweiter Satz BAO.

Am erging an die GmbH & Co KG sowie an die ***GmbH & Co KG1*** und stille Gesellschafter und an die ***GmbH1*** als geschäftsführende Komplementärin neuerlich eine Erledigung des BFG zur GZ RV/4100211/2012, mit der die Beschwerde der GmbH & Co KG gegen die - mit an die GmbH & Co KG gerichteten Bescheiden vorgenommene - einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2003 bis 2005 mangels Bescheidqualität als unzulässig zurückgewiesen wurde (§ 260 Abs 1 lit a BAO). Dabei wurde im Spruch der Erledigung (Spruchpunkt III.) wie folgt ausgeführt: "Dieser Beschluss wirkt gegen alle Beteiligten, denen Einkünfte zugerechnet werden (§ 191 Abs. 3 BAO). Gemäß § 101 Abs. 3 BAO gilt mit der Zustellung einer Ausfertigung dieses Beschlusses an eine nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person die Zustellung als an alle Beteiligten als vollzogen."

Am wurde im Namen der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde ein auf § 295 Abs 4 BAO gestützter Antrag auf Aufhebung der an die Beschwerdeführerin ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2003 und 2004, jeweils vom 19. November2009, eingebracht.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den jeweiligen aktenkundigen Unterlagen und können diese somit gem § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Rechtzeitigkeit des gestellten Antrags

§ 295 Abs 4 BAO lautet auszugsweise wie folgt:

"(4) Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt

  1. eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder

  2. eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,

gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben oder insoweit abzuändern, als sie sich auf das Dokument stützen. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. (...)"

Der VfGH hatte mit Erkenntnis vom , G 159/2019, den letzten Satz des § 295 Abs 4 BAO idF BGBl I 2013/14 ("Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach §304 maßgeblichen Frist zu stellen.") als verfassungswidrig aufgehoben. Begründend hatte der VfGH dabei unter anderem ausgeführt, der Gesetzgeber habe durch Anknüpfen an die Rechtskraft des abgeleiteten Bescheides - ebenso wie durch Anknüpfen an den Eintritt der Verjährung - in unsachlicher Weise nicht berücksichtigt, dass das Antragsrecht seine rechtserhebliche Bedeutung im Zeitpunkt der Zurückweisung der Beschwerde betreffend die als Grundlagenbescheid intendierte Enunziation erlangt.

Mit der daraufhin mit BGBl I 2021/3 eingeführten Antragsbefristung ("Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen.") sollte den Gesetzesmaterialien zufolge den Ausführungen des VfGH, wonach das Antragsrecht seine rechtserhebliche Bedeutung im Zeitpunkt der Zurückweisung der Beschwerde erlangt, Rechnung getragen werden (IA 1109/A XXVII. GP. 32; AB 492 BlgNR XXVII. GP 19).

Unter Rechtskraft iSd § 295 Abs 4 BAO ist in diesem Zusammenhang die formelle Rechtskraft zu verstehen (vgl Ritz, Aufhebung von Nichtbescheiden abgeleiteter Bescheide, AFS 2021, 2 4). Ein Bescheid ist formell rechtskräftig, wenn er durch ordentliche Rechtsmittel (Beschwerde) nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (vgl zB , mwN). Hingegen hindert insbesondere die Möglichkeit einer Revision an den VwGH den Eintritt der Unanfechtbarkeit nicht (vgl zB ; Ritz, Formelle Rechtskraft in Abgabenvorschriften, taxlex 2015, 204 205 mwN).

Grundbedingung für den Eintritt der Unanfechtbarkeit ist die Bekanntgabe der Erledigung nach § 97 BAO. So gilt etwa ein Bescheid erst dann als "erlassen", wenn er einmal nach außen in Erscheinung getreten ist (zB durch Zustellung an eine der im Verfahren beteiligten Parteien). Er kann allerdings nur jenen Parteien gegenüber in formeller Rechtskraft erwachsen, denen er zugestellt worden ist (, VwSlg 2728 A/1952; , 90/07/0118). Die formelle Rechtskraft kann folglich gegenüber einer Partei gegeben sein, während diese gegenüber einer anderen Partei aber (noch) nicht vorliegt (Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 581). Der Eintritt der formellen Rechtskraft ist somit bei einem Mehrparteienverfahren stets für jede Partei gesondert zu beurteilen und tritt die formelle Rechtskraft eines Bescheides, der im Mehrparteienverfahren existent geworden ist, nicht gegenüber einer im Verfahren übergangenen Partei ein (vgl zB ). Einer übergangenen Partei, der eine Erledigung weder schriftlich zugestellt noch mündlich verkündet wurde, kann daher nicht der Eintritt der Rechtskraft entgegengehalten werden (vgl ; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 581 f; vgl zum Ganzen auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Stand , rdb.at Rz 7 mwN).

Obwohl im Verwaltungs- und im Abgabenverfahren somit nicht von einer "Einheitlichkeit der formellen Rechtskraft" ausgegangen werden kann, ist in den gesetzlichen Regelungen regelmäßig, dh sofern sich nicht aus der konkreten Vorschrift anderes ergibt (vgl dazu zB ), mit einer "rechtskräftigen Erledigung" eine Erledigung gemeint, die allen Parteien gegenüber in formeller Rechtskraft erwachsen ist, dh von keiner Partei mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln bekämpft werden kann (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Stand , rdb.at Rz 7 und die dort angeführten Nachweise der Rsp des VwGH).

Entgegen der von der belangten Behörde im gegenständlichen Beschwerdefall vertretenen Ansicht kann vor diesem Hintergrund nicht bereits dann von einer "Rechtskraft der Zurückweisung" iSd § 295 Abs 4 BAO ausgegangen werden, wenn die Rechtskraft der Zurückweisung (nur) gegenüber der Amtspartei eingetreten wäre (siehe dazu aber sogleich im Folgenden).

Darüber hinaus sind in diesem Zusammenhang aber auch die von der beschwerdeführenden Partei zu Recht ins Treffen geführten Besonderheiten der einheitlichen und gesonderten Feststellung iSd § 188 BAO zu beachten:

Gemäß § 191 Abs 1 lit c BAO ergeht ein (Nicht)Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind. Nach § 191 Abs 3 zweiter Satz BAO wirken Feststellungsbescheide im Sinne des § 188 BAO gegen alle, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw nicht zugerechnet werden.

Erledigungen werden gemäß § 97 Abs 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie nach ihrem Inhalt bestimmt sind. Damit ein (Nicht)Feststellungsbescheid die ihm nach § 191 Abs 3 zweiter Satz BAO zukommende Wirkung entfalten kann, muss er den betreffenden Personen nach § 97 Abs 1 BAO zugestellt sein oder als zugestellt gelten. § 101 Abs 3 BAO erlaubt eine vereinfachte Zustellung an eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder an eine Personengemeinschaft durch Zustellung an eine nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person (vgl ). Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.

Die Wirksamkeit eines Feststellungsbescheides tritt nur beim kumulativen Vorliegen folgender Voraussetzungen ein (vgl , Rn 16):

1. der Bescheid muss in seinem Spruch seinen Adressaten gesetzmäßig bezeichnen (§ 191 Abs 1 lit c bzw § 191 Abs 2 BAO iVm § 93 Abs 2 BAO),

2. der Bescheid muss seinem Adressaten (im Wege eines Vertreters nach § 81 BAO) zugestellt sein und

3. der Bescheid muss allen Personen, denen (gemeinschaftliche) Einkünfte zugerechnet werden, kraft Zustellfiktion als zugestellt gelten (§ 97 Abs 1 BAO iVm § 101 Abs 3 und 4 BAO).

Das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen würde dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewinnfeststellungsverfahrens widersprechen und steht der Wirksamkeit einer behördlichen Erledigung als Bescheid entgegen (, Rn 17).

Entfaltet ein Feststellungsbescheid im Sinne des § 188 BAO - bzw im Ergebnis eine als Feststellungsbescheid iSd § 188 BAO intendierte Enunziation - gegenüber einer Person, der gegenüber die einheitliche und gesonderte Feststellung wirken soll, keine Wirkung, so findet nach der stRsp des VwGH eine einheitliche und gesonderte Feststellung insgesamt nicht statt. Entspricht es doch dem Wesen einer EINHEITLICHEN Feststellung von Einkünften, dass sie gegenüber ALLEN an der Feststellung Beteiligten wirkt, wie sich dies auch aus § 191 Abs 3 lit b BAO ergibt, wonach einheitliche Feststellungsbescheide gegen alle wirken, denen gemeinschaftliche Einkünfte zufließen (; , 82/14/0165, 83/14/0238). Ist die Erledigung nicht für alle Gesellschafter, gegenüber denen über die Einkünfte einheitlich abgesprochen werden soll, wirksam geworden, entfaltet Sie daher im Hinblick auf das durch die Einheitlichkeit der Feststellung geprägte Wesen eines Bescheides nach § 188 BAO keine Rechtswirkungen (vgl ; , 99/15/0051). Die Einheitlichkeit ist mit anderen Worten Wesensmerkmal des Feststellungsbescheides nach § 188 BAO (vgl zB ; , Ra 2019/13/0095). Die Verletzung des Grundsatzes der Einheitlichkeit bewirkt somit nicht bloß die Rechtswidrigkeit der Erledigung nach § 188 BAO, sondern deren Unwirksamkeit (, Rn 18).

Nach der stRsp des VwGH gelten dieselben Grundsätze auch für die Zurückweisung einer gegen einen (als Feststellungsbescheid iSd § 188 BAO intendierten) Nichtbescheid gerichteten Bescheidbeschwerde (vgl zB ; , Ra 2019/15/0072; , Ra 2018/15/0059, mwN). Folglich hat auch eine mit Beschluss des BFG ausgesprochene Zurückweisung einer gegen den Nichtbescheid gerichteten Beschwerde einheitlich gegenüber allen Beteiligten des Feststellungsverfahrens (somit nicht nur gegenüber dem Beschwerdeführer) zu erfolgen (vgl dazu auch Ritz, VwGH: Einheitlichkeit bei Beschlüssen über die Zurückweisung einer Beschwerde im Feststellungsverfahren, ZSS 2020, 142). Enthält der im Feststellungsverfahren ergangene Zurückweisungsbeschluss des BFG (bzw die als solcher intendierte Enunziation) hingegen keinen Hinweis auf die Rechtsfolge des § 101 Abs 3 zweiter Satz BAO und tritt somit die Zustellwirkung im Sinne des § 101 Abs 3 zweiter Satz BAO nicht ein, erlangt die - als Beschluss intendierte - Erledigung des BFG im Hinblick auf das durch die Einheitlichkeit der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO geprägte Wesen eines Bescheides nach § 188 BAO keine Rechtswirksamkeit (vgl zB ; , Ra 2021/13/0124; , Ra 2019/15/0072).

Das Bundesfinanzgericht wollte mit seiner Erledigung vom die Beschwerde der ***GmbH & Co KG1*** betreffend die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO als unzulässig zurückweisen und damit mit Rechtskraftwirkung für alle am Feststellungsverfahren Beteiligten aussprechen, dass die vor ihm bekämpften Feststellungsbescheide nicht wirksam geworden waren. Dennoch hat das Bundesfinanzgericht seine im Rahmen von Feststellungsverfahren ergangene Erledigung nur an die ***GmbH & Co KG1*** und nicht an alle Gesellschafter adressiert und zugestellt. Mangels eines Hinweises in der betreffenden Erledigung ist die Zustellwirkung im Sinne des § 101 Abs 3 zweiter Satz BAO gegenüber den Gesellschaftern, denen Einkünfte zugerechnet werden sollen, nicht eingetreten. Damit ist die Erledigung aber wegen Verletzung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO unwirksam. Daran ändert der Rsp des VwGH zufolge auch die erfolgte Zustellung der Erledigung an die Amtspartei nichts (vgl ; , Ra 2021/13/0124).

Rechtskraft im Sinne des § 295 Abs 4 BAO konnte vor diesem Hintergrund erst der am ergangene Zurückweisungsbeschluss des BFG erlangen. Somit wurde aber der am eingebrachte Antrag jedenfalls innerhalb der in § 295 Abs 4 BAO normierten Jahresfrist gestellt und ist dieser folglich - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht - nicht als verspätet zu qualifizieren.

3.2. Sache des Beschwerdeverfahrens

Gemäß § 279 Abs 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Die Abänderungsbefugnis nach § 279 Abs 1 BAO ("nach jeder Richtung") ist durch die Sache begrenzt. "Sache" ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs erster Instanz gebildet hat.

Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung. Liegt der in erster Instanz angenommene Zurückweisungsgrund (hier: Verspätung) nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht den Zurückweisungsbescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die Behörde über den Antrag unter Abstandnahme von dem zunächst gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden hat (; , Ro 2017/15/0046, mwN).

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das erkennende Verwaltungsgericht der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung angeführten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der zufolge ein im Feststellungsverfahren ergangener Zurückweisungsbeschluss des BFG (bzw die als solcher intendierte Enunziation), der keinen Hinweis auf die Rechtsfolge des § 101 Abs 3 zweiter Satz BAO enthält, im Hinblick auf das durch die Einheitlichkeit der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO geprägte Wesen eines Bescheides nach § 188 BAO keine Rechtswirksamkeit entfaltet.

Die von der belangten Behörde ins Treffen geführte Aussage des VwGH (, mwN), der zufolge es für die Wirksamkeit eines (der schriftlichen Ausfertigung vorbehaltenen) Erkenntnisses genüge, wenn dieses einer Verfahrenspartei eines Mehrparteienverfahrens, wie etwa der vor dem Bundesfinanzgericht belangten Behörde, zugestellt worden ist, steht dazu nicht im Widerspruch. So ist in diesem Zusammenhang insbesondere zu berücksichtigen, dass die von der belangten Behörde zitierten Ausführungen des VwGH zu § 26 Abs 2 VwGG erfolgt sind (vgl ).

§ 26 Abs 2 VwGG lautet: "Ist das Erkenntnis bereits einer anderen Partei zugestellt worden, kann die Revision bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Revisionswerber von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat." Gemäß § 26 Abs 5 VwGG gilt dies sinngemäß für die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte.

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erhebung einer Revision gegen einen nicht gegenüber dem Revisionswerber ergangenen Erkenntnis/Beschluss ist, dass dieser geeignet ist, materielle subjektiv-öffentliche Rechte des Revisionswerbers als Partei zu verletzen, und durch Zustellung an eine andere Verfahrenspartei rechtliche Existenz erlangt hat (vgl zB ). Erfolgt die Zustellung des Erkenntnisses/Beschlusses des BFG an die Amtspartei, liegen die Voraussetzungen des § 26 Abs 2 VwGG für die Erhebung der Revision durch eine andere Verfahrenspartei grundsätzlich vor. In der von der belangten Behörde zitierten Judikatur hat der VwGH im Ergebnis ausschließlich Aussagen zu der für die Anwendbarkeit des § 26 Abs 2 VwGG maßgeblichen Frage der wirksamen Zustellung einer Erledigung an eine andere Partei getätigt - nicht aber zu der davon zu unterscheidenden Frage, ob überhaupt ein wirksamer Rechtsakt vorliegt (vgl dazu zB ).

Im öffentlichen Recht wird die entscheidende Grenze zwischen normativ wirksamem Rechtsakt und rechtlich unwirksamem Akt vom Fehlerkalkül gezogen. Während ein wesentlicher Fehler zur absoluten Nichtigkeit führt und damit bewirkt, dass ein Bescheid überhaupt nicht vorliegt und als solcher daher auch nicht überprüft werden kann, führen alle unterhalb dieser Grenze gelegenen Fehler im Rahmen des Fehlerkalküls zur Existenz eines rechtswidrigen Bescheides ( mwN). Dieser Prüfungsmaßstab ist mangels einer ausdrücklichen Regelung durch Auslegung (hier: der im Beschwerdefall anzuwendenden BAO) zu gewinnen (vgl ).

Wie im Rahmen der oa rechtlichen Erwägungen ausgeführt wurde, bewirkt die Verletzung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Rsp des VwGH zufolge nicht bloß die Rechtswidrigkeit der Erledigung nach § 188 BAO, sondern deren Unwirksamkeit (vgl insbesondere , Rn 18), maW deren absolute Nichtigkeit. Eine absolut nichtige Erledigung vermag allerdings auch dann keine Wirksamkeit zu entfalten, wenn sie einer Verfahrenspartei (hier: der Amtspartei) zugestellt wird. Gegenteiliges kann der von der belangten Behörde zitierten Judikatur nicht entnommen werden und erweist sich die für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutsame Rechtsprechung des VwGH daher als einheitlich.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 101 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 81 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 101 Abs. 3 und 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 3 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise























ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100048.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at