Säumnisbeschwerde und ausländischer Vertreter
Entscheidungstext
Beschluss
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***ausländischer_Vertreter***, ***Adresse***, über die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei vom wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Österreich betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zur Steuernummer ***Bf1_Str.Nr.*** beschlossen:
I. Das Säumnisbeschwerdeverfahren wird eingestellt.
II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Sachverhalt
Am langte beim Bundesfinanzgericht eine Faxnachricht ein, aus der zwar ersichtlich war, dass sie im Zusammenhang mit einer Säumnisbeschwerde steht, die jedoch unleserlich war. Nachdem ein leserlicher Schriftsatz vorgelegt wurde, wurde der beschwerdeführenden Partei aufgetragen, den Mangel der fehlenden Unterschrift zu beheben. Eingebracht wurde die Säumnisbeschwerde für die Beschwerdeführerin von "***ausländischer_Vertreter***", einem in der Schweiz registrierten Unternehmen.
Gleichzeitig wurde der beschwerdeführenden Partei mitgeteilt, dass von der ***ausländischer_Vertreter*** von November 2021 bis Februar 2023 beim Bundesfinanzgericht mehr als 40 Eingaben (in der Regel Säumnisbeschwerden) per Fax eingebracht wurden und in der Finanzdokumentation des Bundesministeriums für Finanzen sind seit Jänner 2021 etwa 12 Entscheidungen hinsichtlich Säumnisbeschwerden von Beschwerdeführern, die von der ***ausländischer_Vertreter*** vertreten wurden, ersichtlich sind.
Die gegenständliche Säumnisbeschwerde langte beim Bundesfinanzgericht - mängelfrei - am ein. Ergänzend wurde der beschwerdeführenden Partei mitgeteilt, dass die Anzahl der zwischen November 2021 bis Februar 2023 eingebrachten Säumnisbeschwerden richtig wäre; die Anzahl der tatsächlichen Verfahren wäre jedoch nicht um eine Vielzahl höher, zumal der überwiegende Teil der eingebrachten Anträge in das (gerichtliche) Säumnisverfahren gehe.
Mit der Weiterleitung der Säumnisbeschwerde an das Finanzamt Österreich wurde die Abgabenbehörde auch beauftragt, zu erheben, wie oft die ***ausländischer_Vertreter*** seit dem Jahr 2021 beim Finanzamt Österreich als Parteienvertreter für unterschiedliche Klienten eingeschritten ist .
Am langten vom Finanzamt auf elektronischem Weg beim Bundesfinanzgericht 10 Beilagen (PDF bzw Word-Dokumente) ein - unter anderem ein mit datierter Einkommensteuerbescheid 2019, in dem der Vertreter der Beschwerdeführerin als Zustellbevollmächtigter angeführt ist. Ein weiteres, fünf seitiges PDF-Dokument enthält eine Sammlung von weitergeleiteten E-Mails. In einem dieser E-Mails findet sich die Aussage, dass die Finanzverwaltung die Frage, wie oft jemand als Parteienvertreter eingeschritten ist, nicht beantworten kann.
Mit Beschluss vom hat das Bundesfinanzgericht die Beschwerdeführerin davon in Kenntnis gesetzt, dass das Finanzamt Österreich unter anderem einen Einkommensteuerbescheid 2019, welcher dem Vertreter der Beschwerdeführerin zugestellt wurde, vorgelegt hat. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin bekannt gegeben, dass beabsichtigt ist, das Säumnisbeschwerdeverfahren einzustellen und die Beschwerdeführerin die Möglichkeit hat, dazu binnen vierzehn Tagen ab Zustellung (nachweislich am ) Stellung zu nehmen. Eine solche Stellungnahme wurde nicht abgegeben.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die im Akt des Bundesfinanzgerichts aufliegenden Unterlagen und Eingaben.
Rechtsgrundlagen
§ 2 EIRAG (BGBl I 27/2000) lautet:
2. Teil
Freier Dienstleistungsverkehr
Vorübergehende Tätigkeit
§ 2. Europäische Rechtsanwälte dürfen, soweit sie Dienstleistungen im Sinn des Art. 50 EGV erbringen, in Österreich vorübergehend rechtsanwaltliche Tätigkeiten wie ein in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragener Rechtsanwalt erbringen, wobei sie jedoch den sich aus den Bestimmungen dieses Teils ergebenden Beschränkungen unterliegen (dienstleistende europäische Rechtsanwälte).
§ 4 EIRAG lautet:
Rechte und Pflichten
§4.(1)Bei Ausübung einer Tätigkeit, die mit der Vertretung oder Verteidigung eines Mandanten im Bereich der Rechtspflege oder vor Behörden zusammenhängt, haben dienstleistende europäische Rechtsanwälte die Stellung eines in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalts, insbesondere dessen Rechte und Pflichten, soweit diese nicht die Zugehörigkeit zu einer Rechtsanwaltskammer oder den Kanzleisitz betreffen. Vor dem erstmaligen Einschreiten im Sprengel einer Rechtsanwaltskammer haben sie die jeweils zuständige Rechtsanwaltskammer (§7 Abs.1) schriftlich zu verständigen.
(2)Bei der Ausübung sonstiger rechtsanwaltlicher Tätigkeiten haben dienstleistende europäische Rechtsanwälte die in Österreich geltenden Regeln für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft soweit einzuhalten, als sie von ihnen als dienstleistende Rechtsanwälte beachtet werden können, und nur insoweit, als ihre Einhaltung objektiv gerechtfertigt ist, um eine ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeit des Rechtsanwalts sowie die Beachtung der Würde des Berufes und der Unvereinbarkeiten zu gewährleisten.
§ 84 BAO lautet:
§ 84.(1) Die Abgabenbehörde hat solche Personen (Personengesellschaften) als Bevollmächtigte abzulehnen, die die Vertretung anderer geschäftsmäßig, wenn auch unentgeltlich betreiben, ohne hiezu befugt zu sein. Gleichzeitig ist der Vollmachtgeber von der Ablehnung in Kenntnis zu setzen.
(2) Das von einer abgelehnten Person (Personengesellschaft) in Sachen des Vollmachtgebers nach der Ablehnung schriftlich oder mündlich Vorgebrachte ist ohne abgabenrechtliche Wirkung.
§ 269 BAO lautet auszugsweise:
§ 269. (1) Im Beschwerdeverfahren haben die Verwaltungsgerichte die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind. Dies gilt nicht für:
a) § 245 Abs. 3 (Verlängerung der Beschwerdefrist),
b) §§ 262 und 263 (Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung),
c) §§ 278 Abs. 3 und 279 Abs. 3 (Bindung an die für den aufhebenden Beschluss bzw. für das Erkenntnis maßgebliche Rechtsanschauung).
§ 284 BAO lautet:
21. Säumnisbeschwerde
§ 284. (1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.
(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.
(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.
(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.
(5) Das Verwaltungsgericht kann sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Abgabenbehörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Abgabenbehörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst.
(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.
(7) Sinngemäß sind anzuwenden:
a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),
b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),
c) § 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),
d) § 266 (Vorlage der Akten),
e) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),
f) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),
g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),
h) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses).
Rechtliche Erwägungen
Vertretungsbefugnis:
Gemäß § 2 EIRAG dürfen Europäische Rechtsanwälte (zB Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die berechtigt sind, als Rechtsanwältin etwa unter der Bezeichnung "Rechtsanwalt" in Deutschland tätig zu sein), soweit sie Dienstleistungen erbringen, vorübergehend rechtsanwaltliche Tätigkeiten erbringen. Der vorübergehende Charakter einer Dienstleistung ist anhand einer Einzelfallbeurteilung zu treffen. Sofern begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Österreich nicht nur eine vorübergehende Tätigkeit erbracht wird, ist die Dauer, Häufigkeit, regelmäßige Wiederkehr und Kontinuität der Tätigkeit festzustellen. So kann das Finanzamt etwa bei den übrigen Dienststellen nachfragen, ob die ***ausländischer_Vertreter*** bei diesen Klienten vertritt; auch andere Ermittlungsmöglichkeiten - etwa das Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung - stehen dafür zur Verfügung (vgl ).
Gemäß § 84 BAO hat die Abgabenbehörde solche Personen (Personengesellschaften) als Bevollmächtigte abzulehnen, die die Vertretung anderer geschäftsmäßig, wenn auch unentgeltlich betreiben, ohne hiezu befugt zu sein. Gemäß § 269 Abs 1 BAO ist § 84 BAO auch von den Verwaltungsgerichten zu beachten (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 84 Tz 10; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 84 BAO Anm 14).
Im Säumnisbeschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht ist § 284 Abs 7 lit f BAO zufolge § 269 BAO sinngemäß anzuwenden.
Das Verwaltungsverfahren und das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bilden in Bezug auf § 84 BAO keine Einheit. Eine allfällige Ablehnung durch das Verwaltungsgericht wirkt nicht für bei der Abgabenbehörde anhängige oder künftige Verfahren (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 84 BAO Anm 14).
Die dem unbefugten Vertreter gegenüber ausgesprochene bescheidmäßige bzw beschlussmäßige Ablehnung bewirkt den Ausschluss des unbefugten Vertreters vom derzeitigen und allen späteren Abgabenverfahren des Abgabepflichtigen, der von der Ablehnung in Kenntnis gesetzt wurde. Das vor der Ablehnung Vorgebrachte hat rechtliche Wirkung, während die nach Wirksamwerden des Ablehnungsbescheides vom Abgelehnten gestellten Anträge und Eingaben als nicht eingebracht gelten. Ein Ablehnungsbescheid entfaltet seine Wirksamkeit dem § 254 BAO zufolge bereits mit seiner Zustellung ().
Nachdem die österreichische Finanzverwaltung nicht bekannt geben kann, wie oft ein Parteienvertreter gegenüber der Finanzverwaltung eingeschritten ist oder beispielsweise - wohl unter Berücksichtigung einer Geldvollmacht - sein Bankkonto gegenüber der Finanzverwaltung für seine Klienten angegeben hat, kann dem Vorbringen des ausländischen Parteienvertreters, dass er lediglich gelegentlich im Inland tätig geworden ist, nicht wirksam entgegengetreten werden. Im Rahmen einer Einzelfallbeurteilung kommt eine Ablehnung nach § 84 BAO iVm § 269 BAO durch das Bundesfinanzgericht daher nicht in Betracht.
Säumnisbeschwerde:
Gemäß § 284 Abs 2 letzter Satz BAO ist das Säumnisbeschwerdeverfahren einzustellen, wenn der Bescheid erlassen wurde. Ein Bescheid gehört (erst) mit seiner Erlassung dem Rechtsbestand an. Gemäß § 97 Abs 1 BAO werden Erledigungen (der Abgabenbehörden) dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind ().
Der Bescheid (hier: Einkommensteuerbescheid datiert mit ) wurde am der Beschwerdeführerin bzw. ihrem Zustellbevollmächtigten zugestellt. Mit Beschluss vom wurde der Beschwerdeführerin unter Einräumung einer Möglichkeit zur Stellungnahme mitgeteilt, dass das Finanzamt eine Abschrift des zugestellten Bescheides dem Bundesfinanzgericht vorgelegt hatte und die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens beabsichtigt ist.
Da der Bescheid erlassen wurde, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, weil sich die Rechtsfolge der Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens unmittelbar aus § 284 Abs. 2 BAO ergibt und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RS.7100009.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at