Keine Wiederaufnahme des Verfahrens iSd § 303 BAO, wenn die neuen Tatsachen keinen im Spruch anders lautenden Bescheid nach sich ziehen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, Adr.Bf., vertreten durch ***2***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes ***3*** vom betreffend Wiederaufnahme der Bescheide im Hinblick auf die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 sowie die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017
I.
zu Recht erkannt:
Der Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
II.
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 wird gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos erklärt.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Gemäß § 101 Abs. 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind (§ 191 Abs. 1 lit. a und c BAO), einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Feststellungserklärung für das Jahr 2013 wurde am eingereicht und enthält neben dem Verlust in Höhe von -12.003,27 € eine Beilage E6a, aus der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgeschlüsselt nach den vorgegebenen Kennzahlen sowie Vorräte hervorgehen.
Die Feststellungserklärung für das Jahr 2014 wurde am eingereicht und enthält neben dem Verlust in Höhe von -11.052,77 € eine Beilage E6a, aus der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgeschlüsselt nach den vorgegebenen Kennzahlen sowie Vorräte hervorgehen.
Die Feststellungserklärung für das Jahr 2015 wurde am eingereicht und enthält neben dem Verlust in Höhe von -12.766,83 € eine Beilage E6a, aus der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgeschlüsselt nach den vorgegebenen Kennzahlen hervorgehen.
Die Feststellungserklärung für das Jahr 2016 wurde am eingereicht und enthält neben dem Verlust in Höhe von -13.949,82 € eine Beilage E6a, aus der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgeschlüsselt nach den vorgegebenen Kennzahlen hervorgehen.
Die Feststellungserklärung für das Jahr 2017 wurde am eingereicht und enthält neben dem Verlust in Höhe von -10.618,10 € eine Beilage E6a, aus der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgeschlüsselt nach den vorgegebenen Kennzahlen hervorgehen.
Nach erfolgter Betriebsprüfung gemäß § 150 BAO für die Jahre 2013 bis 2017 wurde am ein Betriebsprüfungsbericht erstellt, aus dem Folgendes hervorgeht:
Feststellungen
Tz.1
Allgemeines
Die Beteiligten der Beschwerdeführerin seien:
***4*** als unbeschränkt haftender Gesellschafter und ***2*** als Kommanditist.
Die Umsatz- und Gewinnermittlung der letzten Jahre:
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Jahr | Erlöse | Verlust | Anteil ***4*** | Anteil ***2*** |
2013 | 320,00 | -12.003,27 | -1.053,27 | -10.950,00 |
2014 | 235,00 | -11.052,77 | -2,77 | -11.050,00 |
2015 | 210,00 | -12.766,83 | -1,83 | -12.765,00 |
2016 | 0,00 | -13.949,82 | -4,82 | -13.945,00 |
2017 | 0,00 | -10.618,10 | -3,10 | -10.615,00 |
Insgesamt seien seit 2007 lediglich Verluste erklärt worden, ausgenommen im Jahr 2010.
Der Gesellschafter/Geschäftsführer der ***4***, ***5***, sei am verstorben. Von ***2*** sei eine Vollmacht vom vorgelegt worden, dass er als Bevollmächtigter in sämtlichen unternehmerischen, gerichtlichen und behördlichen Belangen ohne Einschränkung und Befristung den Gesellschafter/Geschäftsführer vertrete und alle in diesem Zusammenhang erforderlichen und zweckmäßigen Handlungen setzen dürfe. Bis zum Jahr 2010 seien die Erklärungen über FinanzOnline eingebracht worden und es seien deutliche Gewinne erklärt worden. Ab dem Jahr 2011 seien die Erklärungen in Papierform abgegeben worden, die Unterschrift darauf schaue ähnlich aus wie die von ***5*** auf den Unterlagen für das Handelsgericht, sei aber auch nach seinem Tod gleichbleibend. Es liege der Verdacht nahe, dass ***2*** die Unterschrift von ***5*** nachgemacht habe.
Die Verluste der Gesellschaft würden sich in erster Linie aus Beratungsleistungen, die von ***2*** erbracht würden, der Abschreibung vom Lager der AfA der Geräte (die nicht mehr in Verwendung seien) und Forderungsabschreibungen zusammen setzen.
Die Miniumsätze in den Jahren 2013 bis 2015 würden aus Verkäufen von lagerndem Verpackungsmaterial resultieren.
Aus Sicht der Finanzverwaltung nehme das Unternehmen nicht am wirtschaftlichen Verkehr teil und werde nur deswegen am Leben erhalten, damit ***2*** die Verluste bei seiner Einkommensteuererklärung in Ansatz bringen könne und somit jedes Jahr Steuergutschriften erhalte.
Aus diesem Grunde würden die Verluste gemäß der Liebhabereiverordnung nicht anerkannt und die Steuernummer gelöscht werden.
Tz. 2
Verluste E6
Wie bereits unter Tz. 1 angeführt würden die Verluste nicht anerkannt werden
Dies ergebe folgende Korrekturen:
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2013 | 12.003,27 |
2014 | 11.052,77 |
2015 | 12.766,83 |
2016 | 13.949,82 |
2017 | 10.618,10 |
Prüfungsabschluss
Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO
Hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume seien Feststellungen getroffen worden, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO erforderlich machen würden. Die Kenntnis der in den bezeichneten Feststellung bzw. in der gesonderten Begründung angeführten Wiederaufnahmetatbestände (gemäß § 303 Abs. 1 lit.a bis c BAO) würden allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens im Spruch anders lautende Bescheide herbeigeführt haben.
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Abgabenart | Zeitraum | Feststellung |
Feststellungsverfahren | 2013 | Tz.2 |
Feststellungsverfahren | 2014 | Tz.2 |
Feststellungsverfahren | 2015 | Tz.2 |
Feststellungsverfahren | 2016 | Tz.2 |
Feststellungsverfahren | 2017 | Tz.2 |
Die Wiederaufnahme erfolge unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung. Im vorliegenden Fall könnten die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig angesehen werden. Bei der iSd § 20 BAO vorgenommenen Interessenabwägung wäre dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen gewesen.
Mit Bescheiden betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens im Hinblick auf die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2013 bis 2017 vom wurden die jeweiligen Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder aufgenommen und unter anderem wie folgt begründet:
Die Wiederaufnahme des Verfahrens sei gemäß § 303 Abs. 1 BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung erfolgt, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien. Daraus sei auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme sei unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt worden. Im vorliegenden Fall überwiege das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen könnten auch nicht als geringfügig angesehen werden.
Mit Bescheiden vom betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2013 bis 2017 wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb jeweils mit 0,00 € festgesetzt. Bei der Veranlagung der beteiligten Steuerpflichtigen ***4*** und ***2*** seien ebenfalls jeweils Einkünfte in Höhe von 0,00 € zu berücksichtigen.
Begründet wurde wie folgt:
Die Veranlagung sei unter Zugrundelegung der abgabenbehördlichen Prüfung erfolgt, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien.
Mit Schreiben vom wurde gegen die oben angeführten Bescheide Beschwerde eingebracht unter anderem wie folgt:
B.
Begründung
I.
Wiederaufnahme
Die Wiederaufnahme der Gewinnfeststellung 2013 bis 2017 sei im BP-Bericht vom mit den ebendort unter Tz. 2 getroffenen Feststellungen begründet worden. Nur: Tz. 2 der BP-Berichts erschöpfe sich darin, die "Korrekturen" des zuvor in Tz. 1 Gesagten in Zahlenform festzuhalten. Das greife zu kurz. Dazu im Einzelnen:
1.
Die Wiederaufnahme unter dem Neuerungstatbestand (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO) setze neu hervorgekommenen Tatsachen und/oder Beweise voraus. Doch gerade daran hapere es in Tz. 2 grundlegend.
2.
Diese Herangehensweise verfehle den Maßstab des BFG grundlegend. Dazu sei auf das Erkenntnis verwiesen.
II.
Gewinnfeststellung 2013 bis 2017
Die neu erlassenen F-Bescheide (§ 188 BAO) seien schon wegen der Fehlerhaftigkeit im Vorfeld bei der Wiederaufnahme nach der Judikatur des VwGH mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.
C.
Beschwerdeantrag
Es werde der Antrag gestellt, das Finanzamt möge der Beschwerde mittels BVE vollinhaltlich stattgeben und die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufheben.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden gegen die Feststellungsbescheide 2013 bis 2017 als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheidbegründung vom wurde unter anderem wie folgt argumentiert:
Sachverhalt:
Bei der Beschwerdeführerin seien die ***4*** und ***2*** (atypisch stiller Gesellschafter) Beteiligte. Seit dem Jahr 2007 seien außer dem Jahr 2010 nur Verluste erklärt worden.
Die Verluste würden sich aus Beratungsleistungen, die angeblich von ***2*** - dem atypisch stillen Gesellschafter - erbracht worden wären, der Abschreibung von vom Lager und Geräten, die nicht mehr in Verwendung seien und Forderungsabschreibungen zusammen setzen.
In den Jahren 2013, 2014 und 2015 seien Erträge jährlich in Höhe von 210,00 € bis maximal 320,00 € erzielt worden. Diese würden von Verkäufen von lagerndem Verpackungsmaterial stammen.
Aufgrund dieser Ausführungen wäre die Betriebsprüfung der Ansicht gewesen, dass das Unternehmen nicht mehr am wirtschaftlichen Verkehr teilnehme und aus anderen Gründen steuerlich noch aufrecht erhalten werde.
Unter "Rechtliche Würdigung" werden allgemeine Ausführungen zu § 1 Abs. 1 LVO angeführt.
Zusammenfassung:
Bei der Beschwerdeführerin gehe die Behörde grundsätzlich von einer Betätigung nach § 1 Abs. 1 LVO aus, da seit 2007 (außer im Jahr 2010) Verluste erwirtschaftet worden wären und die gemäß § 2 LVO angeordnete Kriterienprüfung für § 1 Abs. 1 LVO-Betätigungen nicht positiv ausfalle und keine derartigen Vorkehrungen oder Änderungen durch die Beteiligten durchgeführt worden wären, würden die Verluste nicht anerkannt und die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Mit Schreiben vom wurde im Hinblick auf die Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Feststellungsbescheide der Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das BFG gestellt unter anderem wie folgt:
Festzuhalten bleibe: Das Finanzamt hätte mit BVE vorerst nur in der Sache selbst abgesprochen, über die (vorgelagerte) Wiederaufnahme hingegen nicht.
Eine ausführliche Begründung werde noch nachgereicht.
Es werde beantragt, der Beschwerde vollinhaltlich statt zu geben und die Bescheide ersatzlos aufzuheben.
Mit Vorlagebericht vom wurde die obige Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und unter anderem wie folgt ausgeführt:
Sachverhalt:
Im Zuge einer Außenprüfung gemäß § 147 BAO betreffend die Feststellungsbescheide für die Jahre 2013 bis 2017 sei festgestellt worden, dass es sich bei der Tätigkeit der Gesellschaft um eine Tätigkeit iSd § 1 Abs. 1 LVO handle und daher seien die geltend gemachten Verluste im Zuge der Betriebsprüfung nicht anerkannt worden.
Beweismittel
Es werde auf die beiliegenden Unterlagen und Bescheide verwiesen.
Stellungnahme
Da keine neuerlichen Ausführungen im Vorlageantrag vom Beschwerdeführer hervorgebracht worden wären, werde auf die Beschwerdevorentscheidung vom bzw. verwiesen.
Vorgelegt wurde der Betriebsprüfungs0bericht vom .
Am wurde folgender Ergänzungsvorhalt an die Amtspartei abgefertigt:
"1.
Die gegenständliche Beschwerde umfasst neben den Feststellungsbescheiden für die Jahre 2013 bis 2017 auch die diesbezüglichen Wiederaufnahmebescheide.
Im Vorlagebericht vom werden lediglich die Sachbescheide angeführt.
Sie werden aufgefordert, die angesprochenen Wiederaufnahmebescheide einzureichen.
2.
Unklar ist, ob die Wiederaufnahmebescheide rechtskräftig geworden sind oder die diesbezügliche Beschwerde ebenfalls dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt werden wird.
Der Wiederaufnahmebescheid und der neue Sachbescheid sind zwei Bescheide, die jeder für sich einer Bescheidbeschwerde zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können (siehe dazu Ritz, BAO6, § 307 Tz 7). Auch hinsichtlich ihrer Behebbarkeit sind sie getrennt zu beurteilen.
Sind beide Bescheide mit Bescheidbeschwerde angefochten, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden ( 87/14/0038; 2001/15/0004; 2009/15/0170; , Ra 2019/13/0091).
Sollte die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide bereits erledigt worden sein, wären einzureichen: Beschwerdevorentscheidungen, allenfalls Vorlageanträge.
Sollte die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide noch nicht erledigt worden sein, werden Sie hiermit iSd § 281a BAO verständigt, dass Beschwerdevorentscheidungen zu erlassen sind.
Sollten diesen Beschwerdevorentscheidungen Vorlageanträge folgen, wären diese allenfalls dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Nehmen Sie dazu Stellung!"
Mit Schreiben der Amtspartei vom wurden die beschwerdegegenständlichen Wiederaufnahmebescheide sowie die Beschwerdevorentscheidung zu den Wiederaufnahmebescheiden vom übersendet.
Diese Beschwerdevorentscheidung vom lautet wie folgt:
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel im Zuge der Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO aus Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen, sodass es darauf ankomme, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen sei, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können.
Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln beziehe sich damit auf den Wissensstand aufgrund der Abgabenerklärungen und ihre Beilagen des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend sei, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt gewesen wären ().
Im Rahmen der Prüfungshandlungen seien Tatsachen zu den in Tz. 1 und Tz. 2 angeführten Sachverhalten neu hervorgekommen.
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO sei eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und b und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden seien und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einem im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt haben würde.
Tatsachen iSd § 303 BAO seien ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebrachten geführt haben würden, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften ().
Im vorliegenden Fall wäre für die Ermessensübung entscheidend, dass anlässlich der Prüfung Feststellungen von erheblichem Ausmaß getroffen worden wären. Angesichts der Unrichtigkeit der bestehenden Abgabenbescheide seien berechtigte Interessen der Abgabepflichtigen, die in der Lage sein würden, diese Ermessensübung aufgrund von Billigkeitsüberlegungen zu beeinflussen, nur schwer denkbar. Das vor allem im Hinblick auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Daher würde bei der Vornahme der Wiederaufnahme dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit, der auf die Herstellung der Rechtsrichtigkeit und Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuern gerichtet sei, gegenüber dem Prinzip der Billigkeit, das insbesondere die Partei in ihrem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Bescheides stützen solle, der Vorrang einzuräumen sein.
Im Zuge der Betriebsprüfung sei gemäß § 303 Abs. 1 BAO einen Wiederaufnahme der Jahre 2013 bis 2017 erfolgt, da die in den Tz. 1 und Tz. 2 angeführten Sachverhalte aus den Abgabenerklärungen der Veranlagungsjahre nicht hervorgekommen wären.
Wie im Bericht dargestellt werde auf die Tz. 2 in der Begründung der Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO verwiesen. Die Tz. 2 des Berichtes verweise wiederum auf die Tz. 1 des Berichtes, in der ausgeführt werde, dass die geringen Erlöse aus dem Verkauf von noch aufliegendem Verpackungsmaterial stammen würden. Am sei von ***2*** der Behörde mitgeteilt worden, dass die ursprüngliche Verkaufsware (Pflege- und Kosmetikartikel) eine beschränkte Haltbarkeit aufweisen würden und diese deshalb nicht mehr zum Verkauf zur Verfügung stünden oder bereits nach dem Verkauf des Geschäftslokales in den Jahren 2009 und 2010 ebenfalls verkauft worden wären. Diese Tatsachen seien erst im Zuge der Betriebsprüfung bekannt geworden und würden daher eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO für die Jahre 2013 bis 2017 rechtfertigen. Die Verweiskette von Tz. 2 auf Tz. 1 des Berichtes sei somit ebenfalls geschlossen.
Mit Schreiben vom wurde ein Vorlageantrag im Hinblick auf die gegenständlichen Wiederaufnahmebescheide eingereicht und unter anderem wie folgt ausgeführt:
2.2.
Der BP-Bericht vom enthalte keine tauglichen Wiederaufnahmegründe in Form neuer Tatsachen und/oder Beweise. Dem Finanzamt wären sowohl die Verluste, als auch die Höhe der Einnahmen aus den Erstverfahren bekannt gewesen und damit auch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin seit 2007 mit einer Ausnahme (2010) stets und ausnahmslos Verluste erklärt hätte.
2.2.
Die Tz. 2 besagten BP-Berichtes erschöpfe sich in der Beurkundung, dass hier die bisher erklärten "Verluste nicht anerkannt würden. Das sei weder das eine (Beweis), noch das andere (Tatsachenkonstatierung), sondern bereits rechtliche Schlussfolgerung, die als solche für Zwecke der Verfahrenswiederaufnahme von vornherein völlig ungeeignet sei.
2.3.
Dasselbe gelte auch für die unmittelbar herangehende Tz. 1: Auch sie enthalte im Sachverhaltsbereich rein gar nichts, das zu einer betragsmäßigen Veränderung der erklärten Besteuerungsgrundlagen geführt haben würde, will heißen: Es seien weder Einnahmen - allenfalls auf dem Schätzungsweg - hinzugerechnet, noch Aufwendungen gekürzt worden, sondern lapidar festgestellt worden, dass die der Höhe nach unverändert gebliebenen Verluste steuerlich nicht (nicht mehr) anerkannt werden würden. Kurzum: Die Prüferin (und mit ihr das Finanzamt als Ganzes) hätte die Verfahrenswiederaufnahme mangels jeglicher Neuerung im Tatsachenbereich zu Unrecht verfügt. Das Ergebnis ihrer Arbeit erschöpfe sich in einer rein rechtlichen Beurteilung des als solchen unverändert gebliebenen Sachverhaltes.
2.4.
Selbst wenn man davon ausgehen könne - was man aber nicht könne - dass Neuerungen im Tatsachenbereich doch vorliegen würden, sei ihnen die vom Gesetz geforderte Eignung, einen "im Spruch anders lautenden Bescheid" zu ermöglichen, gänzlich abzusprechen. Signifikant dafür sei das tragende Argument der Prüferin am Ende der Tz. 1 auf Seite 1 unten/2 oben. Es laute:
"Aus Sicht der Finanzverwaltung nimmt dieses Unternehmen nicht am wirtschaftlichen Verkehr teil und wird nur deswegen am Leben erhalten, damit ***2*** die Verluste bei seiner ESt-Erklärung in Ansatz bringen kann und somit jedes Jahr Steuergutschriften erhält."
Die "Sicht der Finanzverwaltung" sei weder Beweis noch Tatsache, sondern - je nach Sichtweise - entweder Mutmaßung/Spekulation oder Schlussfolgerung aus nicht festgestellten Neuerungen im Tatsachenbereich. Es bleibe dabei: Die Verfahrenswiederaufnahme hätte richtigerweise erst gar nicht verfügt werden dürfen und jedenfalls in der BVE vom vom Tisch gebracht werden müssen.
Mit Schreiben vom wurde folgender Ergänzungsvorhalt an die Amtspartei abgefertigt:
"1.
In den gegenständlichen Bescheiden betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens wird auf eine im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung aufgenommene Niederschrift verwiesen.
Laut Betriebsprüfungsbericht wurde am eine Schlussbesprechung abgehalten.
Sie werden nun aufgefordert, diese Niederschrift einzureichen.
2.
Aus den Abgabendatenbanken ist zu entnehmen, dass am ein Ergänzungsvorhalt die Jahre 2013 bis 2017 betreffend abgefertigt worden ist.
Reichen Sie diesen samt Antwortschreiben ein.
3.
Welche Ermittlungsschritte wurden im Zuge der Betriebsprüfung durchgeführt und zu welchen Beweisergebnissen haben diese geführt? Reichen Sie sämtliche Unterlagen dazu ein.
4.
Aus der Tz 1 des Betriebsprüfungsberichtes vom ist zu entnehmen, wie sich die Ausgaben und die Einnahmen der Beschwerdeführerin zusammensetzen. Eine Kriterienprüfung - auf die in der Begründung zu den Beschwerdevorentscheidungen die gegenständlichen Feststellungbescheide betreffend Bezug genommen wird - wurde nicht dokumentiert.
Lediglich aus der Zusammensetzung der jährlichen Ausgaben und Einnahmen kann nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht auf das Vorliegen einer Liebhabereitätigkeit geschlossen werden.
Nehmen Sie dazu Stellung!"
Der obige Ergänzungsvorhalt wurde nicht beantwortet.
Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung durch die Beschwerdeführerin zurückgezogen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Dem Erkenntnis zugrunde liegender Sachverhalt
Strittig ist zunächst, ob die Wiederaufnahme die Feststellungsbescheide betreffend zurecht erfolgt ist, insbesondere ob die von der Amtspartei angeführten Wiederaufnahmegründe geeignet waren, im Spruch anderslautende Bescheide herbeizuführen.
Nach Aktenlage ergibt sich ein Wissensstand des Finanzamtes im Zeitpunkt der Erlassung der wiederaufzunehmenden Feststellungsbescheide wie folgt: Aus den eingereichten Erklärungen ergibt sich nicht nur ein jährlicher Verlust, sondern es sind aus der Beilage E6a auch die Einnahmen und Ausgaben nach den angeführten Kennzahlen untergliedert ersichtlich.
Aus dem Betriebsprüfungsbericht geht hervor, dass von der Amtspartei aus der Zusammensetzung der Einnahmen und Ausgaben auf eine Nichtteilnahme am wirtschaftlichen Verkehr geschlossen wurde.
In der Beschwerdevorentscheidung betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens vom wurde ausgeführt, dass die Tatsachen, dass die geringen Erlöse aus dem Verkauf von Verpackungsmaterial stammen würden und dass die ursprüngliche Verkaufsware eine beschränkte Haltbarkeit aufweisen würde und deshalb nicht mehr zum Verkauf zur Verfügung stehen würden oder bereits nach dem Verkauf des Geschäftslokales in den Jahren 2009 und 2010 verkauft worden wären, aus den Abgabenerklärungen nicht zu entnehmen waren.
Aus der Zusammensetzung der Erlöse und der Information, dass die Waren nur eingeschränkt haltbar gewesen wären, kann nicht auf eine Nichtteilnahme am wirtschaftlichen Verkehr und das Vorliegen einer Liebhabereitätigkeit geschlossen werden.
Wie das Finanzamt selbst in der Beschwerdevorentscheidung betreffend die Feststellungsbescheide vom dargelegt hat, handelt es sich um eine Tätigkeit iSd § 1 Abs. 1 LVO, für die allenfalls eine Kriterienprüfung iSd § 2 Abs. 1 Z 1 bis 6 LVO vorzunehmen ist.
Dass eine solche Kriterienprüfung auch durchgeführt wurde, lässt sich aus dem vorgelegten Akteninhalt nicht ableiten.
Ein diesbezüglicher Ergänzungsvorhalt vom blieb unbeantwortet.
Eine Eignung der angeführten neuen Tatsachen, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen, ist nicht gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Wiederaufnahmebescheide
§ 303 Abs. 1 BAO lautet wie folgt:
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a)
der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder
b)
Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c)
der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen. Wesentlich sind die entscheidenden Sachverhaltselemente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat (; , Ra 2017/15/0063).
Tatsachen iSd § 303 BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente sind keine derartigen Tatsachen (siehe etwa ).
Für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens ist zu beurteilen, ob die Abgabenbehörde die Wiederaufnahme des Verfahrens ausreichend begründet hat, indem sie jene (als Wiederaufnahmegründe tauglichen) Umstände, die als Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind und die Abgabenbehörde im wiederaufgenommenen Verfahren zu einem anderslautenden Bescheid veranlasst haben, dem Abgabepflichtigen bekannt gegeben hat (siehe etwa , ).
Der genannte Wiederaufnahmegrund ist zu prüfen, zu würdigen und gegebenenfalls sind Ergänzungen vorzunehmen.
Es ist nicht Sache des Abgabepflichtigen, das Nichtvorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nachzuweisen, sondern Aufgabe der Abgabenbehörde, die von ihr verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind ().
Wiederaufnahmegründe sind nur entscheidungswesentliche Sachverhaltselemente (; , 96/14/0176). Das sind solche, die im neuen Sachbescheid zu berücksichtigen und somit seinen Spruch zu beeinflussen geeignet sind (Ritz, BAO7 § 303, Rz 43).
Wie oben festgestellt führen die in Tz. 1 und 2 des BP-Berichtes angeführten neuen Tatsachen nicht zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid.
Aus der Zusammensetzung der Erlöse und der Information, dass die Waren nur eingeschränkt haltbar gewesen wären, kann nicht auf eine Nichtteilnahme am wirtschaftlichen Verkehr geschlossen werden.
Es war daher davon auszugehen, dass die in Tz. 1 und 2 des Betriebsprüfungsberichtes angeführten Tatsachen alleine nicht geeignet waren, eine Änderung der ursprünglichen Feststellungsbescheide herbeizuführen weshalb die Wiederaufnahmebescheide ersatzlos aufzuheben waren.
Feststellungsbescheide
§ 261 Abs. 2 BAO sieht Folgendes vor:
Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1) entsprochen, so ist eine gegen den den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid (§ 299 Abs. 2 bzw. § 300 Abs. 3) oder eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs. 1) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.
Da der Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide stattgegeben wurde, war die Beschwerde gegen die Feststellungsbescheide als gegenstandslos zu erklären.
1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Ob nach einer Kriterienprüfung von Liebhaberei iSd § 1 Abs. 1 LVO auszugehen ist, war im Rahmen freier Beweiswürdigung bezogen auf das konkret vorliegende tatsächliche Geschehen zu beantworten. Die Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist folglich nicht zu erwarten, eine Revision nicht zuzulassen.
Eine Gegenstandloserklärung ist in § 261 Abs. 2 BAO zwingend vorgesehen, die Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu erwarten, eine Revision auch diesbezüglich nicht zuzulassen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993 § 2 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993 § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 261 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100040.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at