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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.06.2023, RV/7103640/2019

Rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 295a BAO?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Rudolf Wanke über die Beschwerde der Mag. ***1*** ***2***-***3***, ***4***, ***5***, vertreten durch PKF Österreicher & Partner GmbH % Co KG Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung, 1010 Wien, Hegelgasse 8, vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamts Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf, nunmehr Finanzamt Österreich, 1030 Wien, Marxergasse 4, vom , mit welchem der Antrag gemäß § 295a BAO vom auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2011 vom abgewiesen wurde, Steuernummer ***6***, zu Recht erkannt.

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Inhaltsverzeichnis

[...]

Verfahrensgang

Antrag vom

Mit Schreiben ihrer steuerlichen Vertretung vom stellte die Beschwerdeführerin (Bf) Mag. ***1*** ***2***-***3*** "Antrag auf Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2011 aufgrund rückwirkender Ereignisse gem. § 295a BAO" und führte dazu aus:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Namens und im Auftrag unserer Mandantin beantragen wir die Bescheidänderung aufgrund von rückwirkender Ereignisse gem. § 295a BAO des Einkommensteuerbescheides 2011 und dürfen den Sachverhalt wie folgt darlegen:

Unsere Mandantin war an der ***7*** ***8*** Unternehmensbeteiligungen GmbH & Co ***11*** KG (kurz ***11*** KG genannt) - St.Nr.: ***9*** - beteiligt. Im Jahr 2011 wurde die darunterliegende stille Beteiligung an der ***10*** AG veräußert. Als anteiliger Veräußerungsgewinn wurde ein Betrag in Höhe von EUR 70.788,36 angesetzt (sonstige Einkünfte - § 31 ESTG Besteuerung mit dem Hälftesteuersatz). Dieser Betrag wurde uns von der ***11*** KG bekannt gegeben und bereits im Vorhalteverfahren der Finanzbehörde gegenüber offengelegt (das Schreiben finden Sie in der Anlage).

Am wurde amtswegig eine Bescheidänderung gem. §295 (1) BAO zu Einkommensteuerbescheid 2006 () vorgenommen. Die Bescheidänderung beruht auf dem Feststellungsbescheid 2006 der ***11*** KG, die negative Ergebnistangente wurde von EUR 85.492,41 auf EUR 15.195,50 abgeändert. Unsere Mandantin hat darauf hin eine Einkommensteuernachzahlung geleistet.

Am kam es, aufgrund unseres Hinweises, zur amtswegigen Änderung der Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 (gem. § 295 (1) BAO). Die Ergebnistangenten wurden korrigiert, da diese in den ursprünglichen Bescheiden nicht berücksichtigt wurden.

Wir haben uns die Berechnungen des Veräußerungsgewinnes 2011 von der ***11*** KG angefordert. Die ***11*** KG hat im Jahr 2013 Beschwerde gegen die niedrige Verlustzuweisung 2006 eingelegt. Das BFG hat bestätigt, dass der bekämpfte Bescheid als sog. Nichtbescheid keine Rechtskraftwirkung entfaltet hat. Dies nur für Sie zur Information.

Der Ausgang dieses Verfahrens ist jedoch unerheblich für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns 2011, da sich die Anschaffungskosten (Entwicklung des Kapitalkontos) der KG-Beteiligung unserer Mandantin ausschließlich auf die tatsächlich steuerlich berücksichtigten Ergebnistangenten beziehen kann.

Aufgrund der Bescheidänderungen 2006, 2008 und 2009 (Änderungen der Ergebnistangenten, welche durch die Feststellungsbescheide im FinanzOnline ersichtlich sind und darauf basierend in den Veranlagungen unserer Mandantin berücksichtigt wurden) besteht die Notwendigkeit die steuerlichen Anschaffungskosten der Beteiligung anzupassen. Daraus resultiert eine Änderung des zu versteuernden Veräußerungsgewinnes unserer Mandantin im Jahr 2011.

Aufgrund der rückwirkenden Ereignisse ergibt sich folgende Berechnung des Veräußerungsgewinnes im Jahr 2011:

Gem. § 207 (2) iVm § 208 (1) lit e BAO beginnt die Verjährungsfrist (5 Jahre) in den Fällen des Eintritts eines rückwirkenden Ereignisses im Sinne des § 295a BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem das Ereignis eingetreten ist.

Fristbeginn ist somit der aufgrund der rückwirkenden Bescheidänderung, welche eine abgabenrechtliche Wirkung hatte, da es aufgrund der Reduzierung der negativen Ergebnistangente zu einer rückwirkenden Minderung des Veräußerungsgewinnes im Jahr 2011 gekommen ist.

Im Abschnitt 12/8/12. BAO-E unter Punkt . wird genau dieser Sachverhalt - Erlösminderung bei Veräußerungsgeschäften des § 31 EStG 1988 - als Beispiel eines rückwirkenden Ereignisses angeführt, unseres Erachtens muss das korrespondierend auch für die rückwirkende Änderung der Anschaffungskosten Anwendung finden. Demzufolge ergibt sich für den Fristverlauf nicht als Beginn das Bescheiddatum 2011 vom , sondern ist als Beginn der heranzuziehen.

Daher beantragen wir, innerhalb offener Frist, die Bescheidänderung 2011 gem. § 295a BAO und somit die Festsetzung eines Veräußerungsgewinnes gern. § 31 EStG in Höhe von EUR 18.328,15.

Beigefügt war folgendes Schreiben der ***7*** vom an die Bf betreffend "Veräußerungsgewinn ***10***":

Sehr geehrte Frau Mag. ***2***-***3***,

wie bereits angekündigt erhalten Sie hiermit Informationen zur steuerlichen Betrachtung der Beteiligungsveräußerung. Bitte beachten Sie, dass wir Ihnen die folgende Stellungnahme als allgemeinen Überblick zur Verfügung stellen -konkrete Auswirkungen bezogen auf Ihre individuelle Einkommenssituation besprechen Sie bitte direkt mit Ihrem Steuerberater.

Sie haben sich im Jahr 2006 über einen Treuhänder, der ***7*** ***8*** Unternehmensbeteiligungen GmbH, an der ***7*** ***8*** Unternehmensbeteiligungen GmbH &C Co ***11*** KG (in Folge genannt "***11*** KG) mittels Geldeinlage als Kommanditist beteiligt.

Die ***11*** KG hat die Geldeinlagen dafür verwendet, eine atypisch stille Beteiligung an der ***10*** einzugehen. Auf Grund der Mitunternehmerstellung der ***11*** KG an der ***10*** &C atypisch Still erzielte die ***11*** KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Ihnen von der ***11*** KG zugewiesene Ergebnistangente stellte auf Grund Ihrer Mitunternehmerstellung ebenfalls Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar.

Die ***11*** KG hat ihre atypisch stille Beteiligung mit Einbringungsstichtag in die ***10*** AG eingebracht. Als Gegenleistung für die Einbringung der Kommanditanteile hat die ***11*** KG Anteile an der ***10*** AG erhalten. Diese Anteile wurden mit verkauft. Bei der Veräußerung der ***10*** Anteile wurde ein Escrow vereinbart. Wenn die Bedingungen des Escrows erfüllt werden, fließt daher noch ein Kaufpreis zu. Insofern es zu keinen Verzögerungen kommt, sollte ein etwaiger Escrow Kaufpreis im Jahr 2012 bezahlt werden.

Ab dem Einbringungsstichtag hat die die ***11*** KG keine Mitunternehmerstellung mehr inne. Sie ist rein vermögensverwaltend tätig. Für steuerliche Zwecke ist die vermögensverwaltende Personengesellschaft transparent. Steuerlich wird das Vermögen direkt dem Investor zugerechnet, da er die Disposition über das Vermögen hat. Der Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung der ***10*** Anteile ist daher direkt Ihnen zuzurechnen. Ein Veräußerungsgewinn, der durch Erfüllung der Escrow-Bedingungen erzielt wird, ist in der Steuererklärung des Zuflussjahres (voraussichtlich 2012) zu berücksichtigen.

Bei der ***11*** KG sind im Jahr 2011 noch nachträgliche Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der atypisch stillen Beteiligung angefallen. Aus diesem Grund erhalten Sie noch im Veranlagungsjahr 2011 eine Ergebnistangente von der ***11*** KG zugewiesen. Dabei handelt es sich um nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

1) Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung der Anteile an der ***10*** AG

Der Ihrem Anteil entsprechende Veräußerungsgewinn beträgt voraussichtlich EUR 70.788,37.

Der genaue Betrag wird Ihnen Anfang 2012 noch gesondert bekanntgegeben. Bitte geben Sie den Ihnen mitgeteilten Veräußerungsgewinn in Ihrer Einkommensteuererklärung 2011 (Formular E1) bei den "sonstigen Einkünften" in der Rubrik "Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen (§31, Hälftesteuersatz)" ein.

Der Veräußerungsgewinn unterliegt gem. §37 Abs. 1 EStG der Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes.

2) Ergebnistangente von der ***11*** KG

Die Ihnen zugewiesene Ergebnistangente beträgt voraussichtlich EUR -40,81.

Der genaue Betrag wird Ihnen Anfang 2012 noch gesondert bekanntgegeben. Bitte geben Sie die Ihnen mitgeteilte Ergebnistangente, wie in den Vorjahren, mit der Steuernummer ***12*** im Formular E11, Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Beilage zur Einkommensteuererklärung 2011) an. Die entsprechende Finanzamtsnummer lautet 05 (FA Wien 6/7/15).

Abweisungsbescheid vom

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag gemäß § 295a BAO vom auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2011 vom ab und führte dazu aus:

Sachverhalt:

Im Jahr 2006 haben Sie sich an der ***7*** ***8*** Unternehmensbet. GmbH & Co ***11*** KG (in Folge ***11*** KG) als Kommanditistin beteiligt. Die Geldeinlage wurde dazu verwendet, eine atypisch stille Beteiligung an der ***10*** AG einzugehen. Mit Einbringungsstichtag hat die ***11*** KG die atypisch stille Beteiligung in die ***10*** AG eingebracht. Als Gegenleistung hat die ***11*** KG Anteile an der ***10*** AG erhalten.

Die Anteile wurden mit verkauft. Der daraus resultierende Veräußerungsgewinn wurde mit € 70.788,37 erklärt und mit ESt-Bescheid 2011 vom entsprechend festgesetzt.

Bei der ***10*** AG & atypisch Stille wurde für die Jahre 2005 bis 2009 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Im Zuge dieser Prüfung wurden im Juli 2013 die Feststellungsverfahren wieder aufgenommen und neue Feststellungsbescheide mit geänderten Verlust- bzw. Gewinnzuweisungen, unter anderem an die ***11*** KG, erlassen. In weiterer Folge wurden Ihnen aufgrund der Änderungen gemäß § 295 BAO bezüglich der Feststellungsbescheide der ***11*** KG geänderte Ergebnisse zugewiesen.

Gegen die Feststellungsbescheide der ***10*** AG & atypisch Stille wurde am Beschwerde erhoben. Diese Beschwerde wies das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom , RV/2100002/2014 als unzulässig zurück mit der Begründung, den erlassenen Feststellungsbescheiden komme aufgrund fehlerhafter Bescheidadressierung keine Bescheidqualität zu.

Am wurden neuerlich Feststellungsbescheide betreffend die ehemals Beteiligten der ***10*** AG & atypisch Stille ausgefertigt. Die Höhe der Ergebniszuweisungen entsprach den Erledigungen vom Juli 2013, die als Nichtbescheide qualifiziert wurden. Gegen die neuerlich erlassenen Feststellungsbescheide ist ein Beschwerdeverfahren offen.

Betreffend das Jahr 2006 wurde am an die ***11*** KG ein gemäß § 295 BAO geänderter Feststellungsbescheid erlassen. Der Ihnen zugewiesene Verlust von ursprünglich € 85.492,41 wurde auf € 15.195,50 geändert. Am erfolgte die entsprechende Änderung Ihres Einkommensteuerbescheides.

Betreffend der Jahre 2008 und 2009 wurde Ihnen mit gemäß § 295 BAO geänderten Feststellungsbescheiden der ***11*** KG vom für 2008 ein Verlust von € 7.082,75 und für 2009 ein Verlust von € 4.667,99 zugewiesen. Die entsprechenden Änderungen Ihrer Einkommensteuerbescheide erfolgten am . Die ursprünglich zugewiesenen Verluste von € 180,86 für 2008 und € 34,48 für 2009 fanden in Ihren ursprünglichen Einkommensteuerbescheiden keine Berücksichtigung.

Zur besseren Übersicht werden die ursprünglich zugewiesenen Verluste/Gewinne aus der ***11*** KG und die Verluste, die sich aufgrund der bei der ***10*** AG und atypisch Stille durchgeführten Betriebsprüfung ergeben haben, dargestellt:

Mit Ihrer gegenständlichen Eingabe begehren Sie, den Einkommensteuerbescheid 2011 vom gemäß § 295a BAO abzuändern, da sich die geänderten Verlustzuweisungen auf die Berechnung des 2011 erzielten Veräußerungsgewinnes auswirken. Als rückwirkende Ereignisse werden die Änderungen der Ergebnistangenten betreffend der Jahre 2006, 2008 und 2009 angeführt, aufgrund derer es zu geänderten Einkommensteuerveranlagungen kam.

Rechtliche Beurteilung;

Gemäß § 295a Abs 1 BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

§ 295a BAO erfasst abgabenrelevante Sachverhalte, die nach Entstehung der Steuerschuld eintreten, jedoch Bestand und Umfang der Abgabenschuld an der Wurzel ihrer Entstehung berühren. Der abgabenrelevante Sachverhalt muss sich in die Vergangenheit in der Weise auswirken, dass anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhaltes nunmehr ein veränderter Sachverhalt der Besteuerung zu Grunde zu legen ist. Dabei müssen materielle Abgabenvorschriften normieren, dass einem Ereignis rückwirkend Bedeutung zukommt ().

Die an die ***11*** KG erlassenen Feststellungsbescheide (Feststellungsbescheid 2006 vom , Feststellungsbescheid 2008 vom , Feststellungsbescheid 2009 vom ) stellen nach Ansicht der Abgabenbehörde keine rückwirkenden Ereignisse dar.

Bei den Feststellungsbescheiden handelt es sich um Grundlagenbescheide. Durch die Erlassung von Grundlagenbescheiden ändert sich aber nicht der dem abgeleiteten Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt, wie dies § 295a BAO fordert. Dies deshalb nicht, weil dem Grundlagenbescheid keine konstitutive Wirkung zukommt und dieser den Sachverhalt daher gar nicht ändern kann (vgl. BFG RV/6100313/2018 vom ).

Der Umstand, dass Sie als Kommanditistin der ***11*** KG negative Einkünfte aus der mittelbaren Beteiligung an der ***10*** AG & atypisch Stille erzielt haben, hat durch die Feststellungsbescheide an die ***11*** KG keine Änderung erfahren. Vielmehr wurden mit diesen Bescheiden die Einkünfte mit jener Höhe festgestellt, wie sie nach Ansicht der Abgabenbehörde tatsächlich in diesen Jahren erzielt wurden. Der Sachverhalt, welcher der behördlichen Rechtsansicht zugrunde liegt, hat keine Änderung erfahren. Vielmehr wurde der vorliegende unveränderte Sachverhalt durch die Betriebsprüfung bei der ***10*** AG & atypisch Stille derart rechtlich gewürdigt, dass die überproportionalen Verlustzuweisungen an die neu eingetretenen Stillen steuerlich nicht anzuerkennen wären. Die Verluste wären nur entsprechend der Beteiligungsquoten zuzurechnen.

Mangels Vorliegen von rückwirkenden Ereignissen war Ihr Antrag somit abzuweisen.

Beschwerde vom

Mit Schreiben ihrer steuerlichen Vertretung vom erhob die Bf Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom , der ihr am zugestellt worden sei, und beantragte die Festsetzung eines Veräußerungsgewinns gemäß § 31 EStG in Höhe von € 18.328,15.

Als Begründung dürfen wir auf unser Ansuchen vom verweisen und nochmals ausführen, dass unserer Ansicht nach durch die Erlösminderung des Veräußerungsgeschäftes sehr wohl ein rückwirkendes Ereignis eingetreten ist, das entsprechend zu berücksichtigen ist.

Beschwerdevorentscheidung vom

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab:

Die Beschwerde enthält keinerlei neues Vorbringen, weshalb seitens der Abgabenbehörde zur Gänze auf die Ausführungen im Abweisungsbescheid verwiesen wird.

Vorlageantrag vom

Mit Schreiben der steuerlichen Vertretung vom stellte die Bf Vorlageantrag ohne neue inhaltliche Ausführungen.

Vorlage

Das Finanzamt legte mit Bericht vom die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte unter anderem aus:

Bezughabende Normen

§ 295a BAO

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin war an der ***7*** ***8*** Unternehmensbet. Im Jahr 2011 wurde die darunterliegende stille Beteiligung an der ***10*** AG veräußert. As anteiliger Veräußerungsgewinn wurde ein Betrag in Höhe von € 70.788,36 angesetzt. Aufgrund einer Betriebsprüfung für die Jahre 2005 bis 2009 bei der ***10*** AG kam es bei der Beschwerdeführerin zu geänderten Verlustzuweisungen und gemäß § 295 Abs 1 BAO abgeänderten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2006, 2008 und 2009. Da die geänderten Verlustzuweisungen zu einem geringeren Veräußerungsgewinn im Jahr 2011 führen, wurde der Antrag gestellt den Einkommensteuerbescheid gemäß § 295a BAO abzuändern und den Veräußerungsgewinn in Höhe von € 18.328,15 zu berücksichtigen.

Beweismittel:

vorgelegte Aktenteile

Stellungnahme:

Eine Änderung gemäß § 295a BAO setzt ein Ereignis voraus, das den dem Bescheid zugrundegelegten Sachverhalt verändert und dadurch abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat. Da es im vorliegenden Fall nach Ansicht der Abgabenbehörde zu keiner Änderung im Sachverhalt, sondern lediglich zu einer anderen rechtlichen Beurteilung kam, sind die Voraussetzungen für die Abänderung gemäß § 295a BAO nicht gegeben. Es wird auf die Begründung des Bescheides über die Abweisung des Antrages gemäß § 295a BAO verwiesen und beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Mit wies das Bundesfinanzgericht eine Beschwerde gegen vermeintliche Einkünftefeststellungsbescheide für die Jahre 2005 bis 2010 vom 22. und mangels Bescheidqualität der intendierten Erledigungen als unzulässig zurück.

Erkenntnis

Mit Erkenntnis hob das Bundesfinanzgericht auf Grund einer Beschwerde der ***7*** ***8*** Unternehmensbeteiligungen GmbH & Co ***11*** KG in Liquidation den Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO für 2006 (Änderung gem. § 295 Abs. 1 BAO) vom gemäß § 279 BAO auf.

Das Finanzamt teilte diesbezüglich im gegenständlichen Verfahren am mit, dass eine Anpassung gemäß § 295 Abs. 1 BAO vorgenommen werde, die auch Auswirkungen auf den Veräußerungsgewinn 2011 habe. Details hierzu wurden nicht bekannt gegeben.

Abgabeninformationssystem

Aus dem Abgabeninformationssystem der Bundesfinanzverwaltung ergibt sich:

Einkommensteuer 2006

Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut Einkommensteuerbescheid 2006 vom : -85.550,59 € (E106b 001 05-***14***: -85.550,59).

Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut storniertem Einkommensteuerbescheid 2006 vom : -85.492,41 (E106b 001 05-***14***: -85.550,59, Änderung auf -85.492,41).

Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut storniertem Einkommensteuerbescheid 2006 vom : -15.195,50 € (E106b 001 05-***14***: -85.550,59, Änderung auf -15.195,50).

Einkommensteuer 2007

Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut Einkommensteuerbescheid 2007 vom : -6.288,52 (E106b 001 05-***14***: 6,46, Änderung auf -6.288,52).

Einkommensteuer 2008

Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut Einkommensteuerbescheid 2008 vom : -7.082,75 (E106b 001 05-***14***: ---, Änderung auf -7.082,75).

Einkommensteuer 2009

Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut Einkommensteuerbescheid 2009 vom : -4.667,99 (E106b 001 05-***14***: ---, Änderung auf -4.667,99).

Einkommensteuer 2010

Einkünfte aus Gewerbebetrieb betreffen nicht die Steuernummer 05-***14***.

Einkommensteuer 2011

Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut Einkommensteuerbescheid 2011 vom : -31.753,43 € (betreffen nicht die Steuernummer 05-***14***).

Sonstige Einkünfte (Einkünfte aus Veräußerung von Beteiligungen): 70.788,37 € (erklärungsgemäß).

Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut Einkommensteuerbescheid 2011 vom : -31.750,30 € (betreffen nicht die Steuernummer 05-***14***).

Sonstige Einkünfte (Einkünfte aus Veräußerung von Beteiligungen): 70.788,37 € (erklärungsgemäß).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Aus dem Antrag vom ergibt sich, dass sich der von der Bf im Jahr 2011 zu versteuernde Veräußerungsgewinn entgegen dem Einkommensteuerbescheid 2011 dadurch geändert haben soll, dass sich auf Grund von auf Feststellungsbescheide zurückgehenden Änderungen der Einkommensteuerbescheide 2006, 2008 und 2009 die steuerlichen Anschaffungskosten geändert hätten. Insbesondere sei im Einkommensteuerbescheid 2006 vom die negative Ergebnistangente von 85.492,41 € auf 15.195,50 € (Differenz: 70.296,91) abgeändert worden. Der Veräußerungsgewinn von bisher 70.788,36 sei auf 18.328,15 (Differenz: 52.460,21) zu reduzieren:

Laut dem angefochtenen Abweisungsbescheid gab es folgende Verlustzuweisungen:

Wie sich aus dem Abgabeninformationssystem ergibt, gehört seit der Einkommensteuerbescheid 2006 vom (Einkünfte aus Gewerbebetrieb -15.195,50 €) nicht mehr dem Rechtsbestand an und seit nicht mehr der Einkommensteuerbescheid 2006 vom (Einkünfte aus Gewerbebetrieb -85.492,41), sondern wiederum der Einkommensteuerbescheid 2006 vom (Einkünfte aus Gewerbebetrieb -85.550,59 €).

Rechtsgrundlagen

§ 31 EStG 1988 lautete in der Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 BGBl. I Nr. 111/2010 (gemäß § 124b Z 185 lit. b EStG 1988 anzuwenden für Veräußerungen vor dem ):

§ 31. (1) Zu den sonstigen Einkünften gehören die Einkünfte aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens einem Prozent beteiligt war. Eine solche Beteiligung liegt auch dann vor, wenn der Veräußerer mittelbar, zum Beispiel durch Treuhänder oder durch eine Körperschaft, beteiligt war. Hat der Veräußerer Anteile unentgeltlich erworben, tritt die Steuerpflicht auch dann ein, wenn der Veräußerer zwar nicht selbst, aber der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens einem Prozent beteiligt war.

(2) Als Veräußerung gelten auch

1. der Untergang von Anteilen auf Grund der Auflösung (Liquidation) oder Beendigung einer Körperschaft für sämtliche Beteiligte unabhängig vom Ausmaß ihrer Beteiligung und

2. Umstände, die zum Verlust des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich eines Anteiles im Sinne des Abs. 1 führen.

Bei Wegzug

- in einen Staat der Europäischen Union oder

- in einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, sofern eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe mit der Republik Österreich besteht,

ist auf Grund eines in der Steuererklärung gestellten Antrages über die durch den Wegzug entstandene Steuerschuld im Abgabenbescheid nur abzusprechen, die Steuerschuld jedoch bis zur tatsächlichen Veräußerung der Beteiligung nicht festzusetzen. Als Wegzug gelten alle Umstände im Sinne des ersten Satzes. Ein späterer Wegzug

- in einen Staat, der nicht der Europäischen Union angehört oder

- in einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe mit der Republik Österreich nicht besteht,

gilt als Veräußerung. Die Veräußerung gilt als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung. Zwischen Wegzug und Veräußerung eingetretene Wertminderungen sind höchstens im Umfang der Bemessungsgrundlage bei Wegzug zu berücksichtigen, soweit diese nicht in einem anderen Staat berücksichtigt werden. § 205 der Bundesabgabenordnung ist nicht anzuwenden.

(3) Als Einkünfte sind der Unterschiedsbetrag zwischen

- dem Veräußerungserlös (Abs. 1) oder

- dem Abwicklungsguthaben (Abs. 2 Z 1) oder

- dem gemeinen Wert der Anteile (Abs. 2 Z 2)

einerseits und den Anschaffungskosten sowie den Werbungskosten andererseits anzusetzen. Im Falle des Eintritts in das Besteuerungsrecht der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten gilt der gemeine Wert als Anschaffungskosten. Erfolgt in den Fällen nicht festgesetzter Steuerschuld im Sinne des Abs. 2 Z 2 oder auf Grund einer Umgründung im Sinne des Umgründungssteuergesetzes ein Wiedereintritt in das Besteuerungsrecht der Republik Österreich sind die Anschaffungskosten vor Wegzug maßgeblich. Die spätere Veräußerung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung. Weist der Steuerpflichtige nach, dass Wertsteigerungen im EU/EWR-Raum eingetreten sind, sind diese vom Veräußerungserlös abzuziehen.

(4) Die Einkommensteuer, die auf die Veräußerung von Beteiligungen entfällt, wird im Ausmaß der sonst entstehenden Doppelbelastung dieser Einkünfte auf Antrag ermäßigt oder erlassen, wenn der Steuerpflichtige den veräußerten Anteil an der Körperschaft innerhalb der letzten drei Jahre vor der Veräußerung erworben und infolge des Erwerbes Erbschafts- oder Schenkungssteuer oder Stiftungseingangssteuer entrichtet hat.

(5) Verluste aus der Veräußerung von Beteiligungen sind nur mit Überschüssen aus anderen Beteiligungsveräußerungen ausgleichsfähig (§ 2 Abs. 2).

(6) Die Abs. 1 bis 5 nicht anzuwenden, soweit die veräußerte Beteiligung zu einem Betriebsvermögen gehört oder wenn es sich um ein Spekulationsgeschäft (§ 30) handelt.

(7) Bei Tauschvorgängen im Sinne des § 6 Z 14 ist der gemeine Wert der hingegebenen Anteile anzusetzen. Für Freianteile auf Grund einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gilt § 6 Z 15.

§ 295 BAO lautet:

§ 295. (1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

(2) Ist ein Bescheid von einem Abgaben-, Meß-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid abzuleiten, so gilt Abs. 1 sinngemäß.

(2a) Ist ein Bescheid von einem Bescheid gemäß § 48 Abs. 2 oder 4 abzuleiten, ist er ungeachtet des Eintritts der Rechtskraft oder der Verjährung im Fall der nachträglichen Erlassung oder Aufhebung des Bescheides von Amts wegen aufzuheben oder insoweit abzuändern, als der Bescheid sich auf den Spruch des abgeleiteten Bescheides auswirkt.

(3) Ein Bescheid ist ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, auch ansonsten zu ändern oder aufzuheben, wenn der Spruch dieses Bescheides anders hätte lauten müssen oder dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen. Mit der Änderung oder Aufhebung des Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des anderen Bescheides oder der nachträglich erlassene andere Bescheid rechtskräftig geworden ist.

(4) Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt

- eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder

- eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,

gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben oder insoweit abzuändern, als sie sich auf das Dokument stützen. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird. Der Antrag hat folgendes zu enthalten:

1. die Bezeichnung des Bescheides, der abgeändert oder aufgehoben werden soll;

2. die Bezeichnung des Bescheides oder Beschlusses, mit dem die Bescheidbeschwerde im Feststellungsverfahren zurückgewiesen wurde;

3. die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrages erforderlich sind.

(5) Die Entscheidung über Aufhebungen und Änderungen nach den Abs. 1 bis 4 steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des aufzuhebenden bzw. zu ändernden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.

§ 295a BAO lautet:

§ 295a. (1) Ein Bescheid kann auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

(2) Die Entscheidung über die Abänderung steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des abzuändernden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.

Streitpunkt

Strittig ist ausschließlich, ob Änderungen von Einkommensteuerbescheiden der Vorjahre, die ihrerseits auf Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO zurückgehen, bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns im Jahr 2011 im Wege einer Änderung des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheids 2011 gemäß § 295a BAO zu berücksichtigen sind, wobei im Übrigen zwischenzeitig die Änderung der Ergebniszuweisung 2006 von -85.550,59 € (danach -85.492,41 €) auf -15,195,50 € wieder rückgängig gemacht wurde.

Ereignisse im Sinne des § 295a BAO

Ereignisse im Sinne des § 295a BAO sind sachverhaltsändernde tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich - aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften - eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt (vgl. ; ; ; ).

§ 295a BAO erfasst abgabenrelevante Sachverhalte, die nach Entstehung der Steuerschuld eintreten, jedoch Bestand und Umfang der Abgabenschuld an der Wurzel ihrer Entstehung berühren. Der abgabenrelevante Sachverhalt muss sich in die Vergangenheit in der Weise auswirken, dass anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhaltes nunmehr ein veränderter Sachverhalt der Besteuerung zu Grunde zu legen ist (vgl. Beiser in Tanzer, Die BAO im 21. Jahrhundert, 151, mit einem Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH zur vergleichbaren Bestimmung des § 175 Abs. 1 Z. 2 AO). Dabei müssen materielle Abgabenvorschriften normieren, dass einem Ereignis rückwirkend Bedeutung zukommt (vgl. ; ; ; ).

Es ist eine Frage des Inhalts bzw. der Auslegung der materiell-rechtlichen Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung (bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruchs) zukommt (vgl. ; ; ; ; ).

§ 295a BAO dient nicht zur Nachholung unterlassener Rechtsbehelfe gegen eine rechtskräftige Erledigung (vgl. ; ).

Unter "rückwirkenden Ereignissen" sind Ereignisse oder sachverhaltsändernde, tatsächliche oder rechtliche Vorgänge bzw. Umstände gemeint, von denen sich eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt. Gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Entscheidungen sind i. d. R. keine Ereignisse im vorgenannten Sinne, es sei denn, dass eine Entscheidung Tatbestandselement ist (vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I 3. A. § 295a BAO, Anm. 2).

§ 295 Abs. 3 BAO normiert, dass ein Bescheid ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, zu ändern oder aufzuheben ist, wenn der Spruch dieses Bescheides anders hätte lauten müssen oder dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis unter anderem ausgeführt:

Das Finanzamt hat die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom betreffend Einkommensteuer 1996 als rückwirkendes Ereignis im Sinn des § 295a BAO qualifiziert, weil darin ein positives Ergebnis ausgewiesen werde und damit der im Einkommensteuerbescheid 1998 vom berücksichtigte Verlustabzug von Amts wegen zu versagen sei.

Ereignisse im Sinne des § 295a BAO sind sachverhaltsändernde tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich - aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften - eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0219); gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Entscheidungen sind in der Regel keine Ereignisse im vorgenannten Sinn, es sei denn, dass eine Entscheidung Tatbestandselement ist, die die Abänderung oder Aufhebung einer solchen Entscheidung zum Gegenstand hat oder gegebenenfalls ein (anderes) Tatbestandselement ändert (vgl. Ellinger u.a., BAO Kommentar, Anmerkung 13 zu § 295a).

§ 295a BAO erfasst somit abgabenrelevante Sachverhalte, die nach Entstehung der Steuerschuld eintreten, jedoch Bestand und Umfang der Abgabenschuld an der Wurzel ihrer Entstehung berühren. Der abgabenrelevante Sachverhalt muss sich in die Vergangenheit in der Weise auswirken, dass anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhaltes nunmehr ein veränderter Sachverhalt der Besteuerung zu Grunde zu legen ist (vgl. Beiser in Tanzer, Die BAO im 21. Jahrhundert, 151, mit einem Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH zur vergleichbaren Bestimmung des § 175 Abs. 1 Z. 2 AO). Dabei müssen materielle Abgabenvorschriften normieren, dass einem Ereignis rückwirkend Bedeutung zukommt (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis 2006/15/0219).

Der für die Einkommensteuerfestsetzung des Jahres 1998 u. a. maßgebliche Umstand, ob der Beschwerdeführer im Jahr 1996 insgesamt einen (abziehbaren) Verlust erzielt hatte, hat durch die Berufungsentscheidung vom keine Änderung erfahren. Vielmehr wurden in diesem Bescheid der Einkommensteuerfestsetzung 1996 lediglich (offenbar) erstmalig Einkünfte in jener Höhe zu Grunde gelegt, wie sie der Beschwerdeführer - der behördlichen Sachverhaltsannahme nach - tatsächlich in diesem Jahr erzielt hatte.

Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Höhe des Verlustes nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit rechtskraftfähiger Wirkung im Einkommensteuerbescheid des Verlustjahres festgesetzt wird und der diesbezügliche Ausspruch auf ein späteres Verlustabzugsverfahren derart einwirkt, dass der Verlustausspruch für den nachfolgenden Verlustvortrag betragsmäßig verbindlich wird (vgl. mit weiteren Hinweisen in jüngster Zeit das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0026), bietet die Bundesabgabenordnung ein geeignetes Instrumentarium in der Bestimmung des § 295 Abs. 3. Danach sind Abgabenbescheide ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, zu ändern, wenn der Spruch dieser Bescheide anders hätte lauten müssen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen (vgl. dazu auch Reiter, § 295a BAO, 120ff, wonach die §§ 295 und 295a BAO zueinander in keinem Konkurrenzverhältnis stehen, weil Grundlagenbescheide und grundlagenähnliche Bescheide den der Abgabenfestsetzung zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht ändern).

Die belangte Behörde hat daher, indem sie die Erlassung der Berufungsentscheidung vom als rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO qualifiziert hat, die Rechtslage verkannt.

Auch in einer anderen Konstellation (in Bezug auf § 17 EStG 1988) hat der VwGH § 295 Abs. 3 BAO für anwendbar erachtet ().

Das Erkenntnis ist auch auf den gegenständlichen Fall anwendbar.

Durch die Erlassung von Grundlagenbescheiden ändert sich nicht der dem abgeleiteten Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt, wie dies § 295a BAO fordert. Dies deshalb nicht, weil dem Grundlagenbescheid keine konstitutive Wirkung zukommt und dieser den Sachverhalt daher gar nicht ändern kann.

Der verfahrensgegenständliche Antrag stützt sich darauf, dass ein- und derselbe Sachverhalt durch Bescheide der Finanzverwaltung rechtlich unterschiedlich gewürdigt worden sei.

Wenn dem so ist und dies Auswirkungen auf den abzuändernden Bescheid hat, ist gegebenenfalls nach § 295 Abs. 3 BAO und nicht nach § 295a BAO vorzugehen.

Keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher nicht als mit Rechtswidrigkeit (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG) behaftet, die gegen ihn gerichtete Beschwerde ist gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Revisionsnichtzulassung

Eine Revision ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn ein Erkenntnis von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Die Revision ist daher nicht zuzulassen.

Bemerkt wird, dass gemäß § 34 Abs. 1a VwGG der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 31 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 295 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103640.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at