Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.06.2023, RV/7100359/2023

Familienbonus Plus für ständig in einem Mitgliedstaat der EU aufhältige Kinder, für die Familienbeihilfe bezogen wird.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der beschwerdegegenständliche im Spruch näher bezeichnete Bescheid wurde begründet wie folgt:

"Trotz Aufforderung haben wir nicht alle Unterlagen erhalten. Daher konnten wir nur die nachgewiesenen Aufwendungen berücksichtigen."

In der im Spruch näher bezeichneten Beschwerde führte der Beschwerdeführer (Bf.) aus er habe den Familienbonus vergessen (für Kind geb. 2017, in der Folge Kind 5).

Die stattgebende Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wurde begründet wie folgt:

"Es wurde der ganze Familienbonus Plus für Kind 5 (jüngstes Kind des Bf.) berücksichtigt."

Der Bf. stellte einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) und beantragte für Kind 5 den ganzen Familienbonus (Anmerkung: wie bereits im Zuge der BVE anerkannt) und für seine weiteren 4 Kinder jeweils den halben Familienbonus Plus sowie für diese 4 nicht in seinem Haushalt lebenden Kinder den Unterhaltsabsetzbetrag.

Im Bericht zur Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlagebericht) vom führte das Finanzamt (FA) aus wie folgt:

"Sachverhalt: Der Beschwerdeführer legte seiner Einkommensteuererklärung 2021 keine Beilage L1k bei, obwohl sein Dienstgeber Familienbonus Plus (FaBo Plus) berücksichtigt hatte. Ein entsprechender Vorhalt vom blieb unbeantwortet. In Folge wurde der FaBo Plus im Einkommensteuerbescheid 2021 vom nicht berücksichtigt.

Am brachte der Bf. eine Beschwerde ein, welcher ein L1k für das Kind 5 beigelegt wurde. Diese Beschwerde wurde am mit Stattgabe erledigt.

Am wurde ein Vorlageantrag eingebracht, in dem nunmehr zusätzlich ein halber Familienbonus Plus auch für die 4 Kinder aus einer früheren Ehe geltend gemacht wird.

Stellungnahme: Ein Familienbonus Plus kann für alle Kinder wie beantragt gewährt werden, mit Ausnahme von ***1***. Wie aus dem beiliegenden FABIAN (Anmerkung: Datenbank) Auszug ersichtlich, wurden die Familienbeihilfenzahlungen für dieses Kind mit 04/2021 eingestellt. Ab diesem Monat steht für dieses Kind kein FaBo Plus mehr zu."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Gericht bezieht sich mangels widerstreitender Sachverhaltselemente auf das wiedergegebene verwaltungsbehördliche Geschehen.

Der festgestellte Sachverhalt ergab sich aus den vom Finanzamt elektronisch übermittelten Aktenteilen. Laut ZMR- Abfrage durch das Bundesfinanzgericht sind die Kinder im Beschwerdezeitraum (sowie bis dato) in Österreich wohnhaft gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Steuersätze und Steuerabsetzbeträge

§ 33 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 (BGBl. Nr. 400/1988 idF BGBl. I Nr. 135/2022; (im Geltungsbereich vom bis ; in der Folge: idgF [in der im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung])

§ 33 (1) EStG 1988 idgF: Die Einkommensteuer beträgt jährlich
für die ersten 11 000 Euro 0%
für Einkommensteile über 11 000 Euro bis 18 000 Euro 20%
für Einkommensteile über 18 000 Euro bis 31 000 Euro 35%
für Einkommensteile über 31 000 Euro bis 60 000 Euro 42%
für Einkommensteile über 60 000 Euro bis 90 000 Euro 48%
für Einkommensteile über 90 000 Euro 50%

Für Einkommensteile über eine Million Euro beträgt der Steuersatz in den Kalenderjahren 2016 bis 2025 55%.

§ 33 (2) EStG 1988 idgF: Von dem sich nach Abs. 1 ergebenden Betrag sind Absetzbeträge in folgender Reihenfolge abzuziehen:
1. Der Familienbonus Plus gemäß Abs. 3a; der Familienbonus Plus ist insoweit nicht abzuziehen, als er jene Steuer übersteigt, die auf das gemäß Abs. 1 zu versteuernde Einkommen entfällt.

2. Die Absetzbeträge nach Abs. 4 bis 6.

Gem. § 33 (3) EStG 1988 idgF: Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

§ 33 (3a) EStG 1988 idgF: Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

Z 1. Der Familienbonus Plus beträgt

a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,

b) nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.

§ 33 (3a) Z 3 EStG 1988 idgF: Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.

c) Die Aufteilung des Familienbonus Plus gemäß lit. a und b ist bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.

§ 33 (4) Z 3 EStG 1988 idgF:
Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, steht ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn
das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.

Leisten sie für mehr als ein nicht haushaltszugehöriges Kind den gesetzlichen Unterhalt, so steht für das zweite Kind ein Absetzbetrag von 43,80 Euro und für jedes weitere Kind ein Absetzbetrag von jeweils 58,40 Euro monatlich zu. Erfüllen mehrere Personen in Bezug auf ein Kind die Voraussetzungen für den Unterhaltsabsetzbetrag, so steht der Absetzbetrag nur einmal zu.

§ 33 (8) EStG 1988 idgF: Ergibt sich nach Abs. 1 und 2 eine Einkommensteuer unter null, ist insoweit der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zu erstatten.

Der Familienbonus Plus reduziert die Einkommensteuer höchstens auf null (§ 33 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 idgF, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Bernold/Mertens/Kufner/Ruhdorfer-Grasl, Verlag Österreich, Ausgabe 2021/2022, Seite 654).

Gem. § 33 Abs. 8 EStG 1988 ist der Alleinverdienerabsetzbetrag bei mind. einem Kind gem. § 106 Abs. 1 EStG 1988 gutzuschreiben, wenn infolge niedriger Einkünfte eine entsprechende Steuerleistung nicht vorliegt. Die Gutschrift erfolgt im Veranlagungsverfahren. Der Kinderabsetzbetrag bleibt bei der Berechnung der Steuer außer Ansatz. (Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Bernold/Mertens/Kufner/Ruhdorfer-Grasl, Verlag Österreich, Ausgabe 2021/2022, Seite 640 L 789). (§ 33 Abs. 8 Z 1 EStG 1988).

Ad Familienbonus Plus:

Wie bereits in der o.a. BVE wird für das jüngste Kind des Bf. (Kind 5) der Familienbonus Plus iHv € 1.500,00 gewährt.

Wie grundsätzlich vom Bf. und auch vom Finanzamt (FA) weiters beantragt, wird jeweils die Hälfte des Familienbonus Plus (§ 33 Abs. 3a Z. 3 lit b; Höhe des Familienbonus Plus siehe o.a. § 33 Abs. 3a Z. 1 lit. a und lit b; s. auch Antrag des FA in Bericht zur Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht) auch für 4 Kinder aus einer früheren Ehe jeweils in der altersentsprechenden Höhe für das jeweilige Kind im Sinne des o.a. § 33 Abs. 3a Z. 1 lit. a und lit b gewährt, wobei die Hälfte des Familienbonus Plus für das Kind ***1*** geb. im Jahr ***2*** nur für 4 Monate im Beschwerdejahr (Jänner 2021 bis April 2021) zusteht. Laut Familienbeihilfendatenbank des Finanzamtes bestand der Anspruch auf Familienbeihilfe für das Kind ***1*** bis April 2021. Demgemäß sind ab dem Folgemonat Mai 2021 auch die gesetzlichen Voraussetzungen für den Familienbonus Plus für dieses Kind nicht mehr erfüllt.

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt wird, dass dem Bf. der o.a. Bericht des FA zur Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlagebericht) vom Finanzamt zur Kenntnis gebracht wurde.

Ad Unterhaltsabsetzbetrag:

Weiters ist für die nicht haushaltszugehörigen Kinder der Unterhaltsabsetzbetrag grundsätzlich antragsgemäß anzuerkennen (vgl. beiliegendes Einkommensteuer [ESt]-Berechnungsblatt; o.a. o.a. § 33 (4) Z 3 EStG 1988 idgF; s. auch o.a. Vorlagebericht des FA).

Insgesamt ist daher -im Sinne des Antrages des Finanzamtes (s. o.a. Vorlagebericht) - spruchgemäß zu entscheiden (vgl. o.a. § 33 (3a); § 33 (3a) Z 1 iVm § 33 (3a) Z 3 lit a und lit b FLAG 1967 idgF; § 33 (4) Z 3 EStG 1988 idgF).

Zu Spruchpunkt II. (Nichtzulassen der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da das gegenständliche Erkenntnis der Gesetzeslage sowie der hL und hRspr folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage liegt nicht vor.

Beilagen: 1) ESt-Berechnungsblatt für 2021
2) Berechnung Familienbonus plus

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100359.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at