Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 02.06.2023, RV/7100086/2013

Umsatzsteuerbescheide nach Vollbeendigung einer KG durch Vermögensübernahme nach § 142 UGB

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache XY-, betreffend Beschwerden vom , eingebracht von STB, gegen die Bescheide des FA Wien YYY betreffend Wiederaufnahmen der Verfahren (§ 303 BAO) über die Umsatzsteuer 2007 bis 2009 sowie betreffend Sachbescheide Umsatzsteuer 2007 bis 2009, alle vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

Diese Beschwerden, eingebracht im Namen der KG von der ehemaligen steuerlichen Vertretung, werden gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Die XY- KG (in Folge als KG bezeichnet) und die XY- GmbH (in Folge als GmbH bezeichnet) wurden Außenprüfung unterzogen (KG: Prüfungsjahre 2008-2009, GmbH: Prüfungsjahre 2010-2011). Die KG baute auf Großbaustellen insbesondere vorgefertigte Fenster ein (Renovierungsarbeiten an bereits besteheden Bauten). Die KG hatte nur eine beschränkte Anzahl von Arbeitnehmern angemeldet (2007: 5 Dienstnehmer, 2008: 7 Dienstnehmer, 2009: 8 Dienstnehmer) (vgl. BP-Bericht).

Eingangsrechnungen an die KG von mehreren Subunternehmern (Konkurseröffnungen, Löschungen wegen Vermögenslosigkeit, widersprüchliche bzw. auffällige Rechnungen, nicht genügend Personal zum Verleih, Sozialbetrugsfirmen, etc.) über Arbeitskräfteüberlassungen wurden seitens der Betriebsprüfung nicht anerkannt. Verfahren wurden gemäß § 303 BAO vom FA wiederaufgenommen und neue Sachbescheide erlassen.

Die Feststellungen führten laut BP-Bericht hinsichtlich der Umsatzsteuer zu keinen Änderungen bei den Zahllasten im Prüfungszeitraum (Bauleistungen ohne USt-Ausweis, § 19 Abs. 1 a UStG), aber zu Kennzahländerungen.

Hinsichtlich der Bescheide über die Wiederaufnahmen der Verfahren (§ 303 BAO) der Umsatzsteuer 2007 bis 2009 und hinsichtlich der Sachbescheide die über Umsatzsteuer 2007 bis 2009, alle datierend mit , wurden vom FA als Bescheidadressaten jeweils die KG angeführt und die gegenständlichen Bescheide des FA wurden jeweils an die KG z.H. der steuerlichen Vertretung adressiert.

Die ehemalige steuerliche Vertretung brachte in Folge Beschwerden gegen die obenstehenden Bescheide ein. Als Steuerpflichtiger wird die KG, mit der konkreten St.Nr. der KG, vertreten durch die steuerliche Vertretung, in der Beschwerdeschrift angeführt.

2010 erfolgte eine Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB durch die GmbH. Bei der GmbH wurden seitens des Finanzamtes (FA) ähnliche Feststellungen getroffen. Über die GmbH wurde zwischenzeitlich der Konkurs eröffnet.

§ 93 BAO lautet:

(1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.

(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

(3) Der Bescheid hat ferner zu enthalten

a) eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;

b) eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner, daß das Rechtsmittel begründet werden muß und daß ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 254).

(4) Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder keine Angabe über die Rechtsmittelfrist oder erklärt er zu Unrecht ein Rechtsmittel für unzulässig, so wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt.

(5) Ist in dem Bescheid eine kürzere oder längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der gesetzlichen oder der angegebenen längeren Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig erhoben.

(6) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Abgabenbehörde, bei welcher das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel richtig eingebracht, wenn es bei der Abgabenbehörde, die den Bescheid ausgefertigt hat, oder bei der angegebenen Abgabenbehörde eingebracht wurde.

Gemäß § 19 BAO Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

Mit Schreiben aus 09/2010 gab die steuerliche Vertretung in Bezug auf die KG dem FA bekannt, dass die GmbH den Betrieb der KG weiterführt und übermittelte dem Finanzamt den Einbringungsvertrag. Die steuerliche Vertretung führte an, dass die KG durch die Einbringung aus dem Firmenbuch gelöscht werden wird. Weiters wies die steuerliche Vertretung darauf hin, dass diese auch mit der Vertretung der GmbH beauftragt wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ) bedeutet die bloße Löschung und Auflösung einer Personengesellschaft des Handelsrechts noch nicht deren Vollbeendigung, weshalb die Gesellschaft auch im Abgabenverfahren ihre Angelegenheiten betreffend die Parteifähigkeit beibehält, solange nicht eine Abwicklung ihrer Rechtsverhältnisse u.a. zum Abgabengläubiger erfolgt ist.

Allerdings trifft dies nicht zu, wenn die Personengesellschaft beendet wird und, wie etwa im Fall des § 142 UGB, ein Gesamtrechtsnachfolger vorhanden ist. Eine Geschäftsübernahme gemäß § 142 UGB (sog. Anwachsung) bewirkt die Vollbeendigung der Personengesellschaft, deren Geschäft durch den übernehmenden Gesellschafter ohne Liquidation fortgeführt wird (z.B. ; ; ).

Die XY- KG wurde mit Gesellschaftsvertrag im Jahr 2003 gegründet. Als unbeschränkt haftender Gesellschafter war Herr Gesellschafter1 und als Kommanditist war Herr Gesellschafter1 im Firmenbuch eingetragen. Im Jahr 2010 erfolgte eine Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB durch die XY- GmbH mit derselben Geschäftsanschrift in Wien (vgl. Firmenbuchauszüge der KG und der GmbH). Mit Eintragung aus 10/2010 wurde die KG im Firmenbuch gelöscht.

Infolge der Vereinigung aller Anteile an der Kommanditgesellschaft in der Hand der übernehmenden GmbH ist die Kommanditgesellschaft untergegangen und das gesamte Vermögen auf die GmbH nach § 142 UGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen.

Die Bescheide über Wiederaufnahmen der Verfahren (§ 303 BAO) betreffend Umsatzsteur 2007 bis 2009 sowie die Sachbescheide über die Umsatzsteuer 2007 bis, alle datierend mit , hätten somit an die GmbH als Gesamtrechtnachfolger zugestellt werden müssen (vgl. , zur Adressierung der Umsatzsteuerbescheide an den Rechtsnachfolger).

Das Finanzamt erließ aber die gegenständlichen Bescheide an die KG z.H. der steuerlichen Vertretung. In Anbetracht der Rechtslage konnten die Erledigungen des Finanzamtes weder gegenüber dieser nicht mehr existenten KG, noch gegenüber der GmbH als Rechtsnachfolger Rechtswirkungen entfalten (vgl. z.B. ). Den an ein nicht mehr bestehendes Rechtsgebilde gerichteten angefochtenen Erledigungen kommt somit keine Bescheidqualität zu.

Gem. § 246 Abs 1 BAO ist zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist. Partei im Beschwerdeverfahren ist gemäß § 78 (BAO) neben dem Abgabepflichtigen (§ 77 BAO) auch jeder, der eine Beschwerde einbringt.

Die ehemalige steuerliche Vertretung brachte in Folge Beschwerden gegen diese Bescheide im Namen der KG, unter Anführung der konkreten St.Nr. der KG ein. Die untergegangenen KG konnte die ehemalige steuerliche Vertretung nicht (mehr) zur Einbringung einer Beschwerde gegen die gegenständlichen Bescheide bevollmächtigen. Bei einem nicht mehr existente Abgabepflichtige gibt es bereits aus diesem Grunde keine aufrechte Aktivlegitimation mehr.

Die ehemalige steuerliche Vertretung mag zwar aufgrund der unrichtigen Bescheidadressierung durch das FA quasi veranlasst worden sein, die Beschwerde im Namen der vertretenen KG einzubringen. Dies ändert nichts daran, dass Anbringen von nicht legitimierten Personen zurückzuweisen sind. Ein Vertreter kann immer nur als Vertreter jener Person angesehen werden, für die er nach außen hin auftritt. Vertritt er dabei irrtümlich (oder bewusst) eine Person, der im Abgabenverfahren keine Parteistellung zukommt, so wird dieser Legitimationsmangel nicht dadurch zu einem behebbaren Formgebrechen, dass derselbe Vertreter auch zur Vertretung der Partei selbst befugt gewesen wäre. Es liegt kein undeutlicher Inhalt der Erklärung, sondern ein Mangel vor, der das Verwaltungsgericht zur Zurückweisung verpflichtet (vgl. , )

Die Beschwerden sind daher zurückzuweisen, da die ehemalige Vertreterin im Namen und im Auftrag der nicht mehr existenten Kommanditgesellschaft aufgetreten ist. Der Vertreterin mangelt es an der von ihr in der Beschwerde behaupteten Auftraggeberin. Die Kommanditgesellschaft existierte weder zivil- noch abgabenrechtlich nicht mehr, weshalb sie eine Vollmacht nicht (mehr) erteilt haben konnte. Die angefochtenen Bescheide haben mangels unrichtiger Adressierung keine Bescheidqualität erlangt.

Die Zurückweisung der Beschwerde hat sich an jene ehemalige Steuerberatungskanzlei zu richten, die konkret die gegenständlichen Beschwerden im Namen der KG eingebracht hat.

Die Beschwerdeschrift wurde 2012 von einer STB mit der Adresse AdrSTB, eingebracht. In einem Schreiben dieser Wirtschaftsprüfung GmbH aus 09/2010 in Bezug auf die vertretene KG wird auf die mit "neu" bezeichnete Firmenbuchnummer FNSTB der Wirtschaftsprüfung GmbH hingewiesen (ident mit der FB-Nr. auf der Beschwerdeschrift der Wirtschaftsprüfung GmbH). Bei dieser laut Firmenbuch im Jahr 2010 neu eingetragenen Wirtschaftsprüfung GmbH wurde 2022 der Firmenwortlaut auf FirmennameNeu geändert.

Im Falle der Umsatzsteuer ist die GmbH als Gesamtrechtsnachfolger zu betrachten. Dies ändert aber nichts an der Tatsache der unkorrekten Adressierung der Bescheide durch das FA (mangelnde Bescheidqualität). Dieser Beschluss des BFG wird zusätzlich an die Masseverwalterin im Konkursverfahren der GmbH als RNF der KG zugestellt.

Von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 274 Abs. 5 iVm Abs. 3 BAO abgesehen.

Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Solche Rechtsfragen liegen in der vorliegenden Sache nicht vor. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Es ist ständige Judikatur des VwGH, dass bei einer Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB eine Vollbeendigung der Personengesellschaft bewirkt wird und ein Gesamtrechtsnachfolger vorhanden ist (Verlust der Parteifähigkeit).

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG kommt einer Rechtsfrage unter anderem dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen (vgl. oder ).

Einer Rechtsfrage kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. für viele ; ; ; ; ). Eine einzelfallbezogene Beurteilung, wie in der vorliegenden Sache, ist somit im Allgemeinen nicht revisibel, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. oder ).

Der bloße Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem (der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu Grunde liegenden) vergleichbaren Sachverhalt (zu einer bestimmten Rechtsnorm) fehlt, begründet noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, soweit das Verwaltungsgericht dabei von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (vgl. oder ). Genügte nämlich für die Zulässigkeit einer Revision bereits das Fehlen höchstgerichtlicher Entscheidung zu einem vergleichbaren Sachverhalt, wäre der Verwaltungsgerichtshof in vielen Fällen zur Entscheidung berufen, obgleich in Wahrheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern nur die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfragen aufgeworfen werden (vgl. unter Hinweis auf die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu § 502 ZPO, etwa ; oder ).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 142 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
§ 93 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100086.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at