Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.05.2023, RV/7101328/2023

Sachentscheidung nur über die vom Spruchinhalt umfasste Änderung gemäß § 295a BAO zulässig

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) reichte am seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 elektronisch ein und beantragte für seine Kinder, die in Griechenland leben und für die er Unterhaltszahlungen leistet, den Unterhaltsabsetzbetrag und den vollen Familienbonus Plus für beide Kinder.

Am wurde ein elektronischer Vorhalt versendet, da von der GnbH eine Werkvertragsmitteilung gem. § 109a über € 15.966,95 übermittelt wurde. Dieser Vorhalt wurde am elektronisch beantwortet.

Am wurden weitere Unterlagen (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung und Fahrtenbuch für 2021) übermittelt. Auf Grund der Zuständigkeitsänderung wurde der Akt in die betriebliche Veranlagung abgetreten.

In dem am erlassenen Einkommensteuerbescheid 2019 wurde der Unterhaltsabsetzbetrag mit Indexierung für 2 Kinder (€ 694,68) berücksichtigt. Der Familienbonus Plus für die beiden Kinder konnte nicht berücksichtigt werden, da für die Kinder kein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt wurde. Der Bescheid wurde über FinanzOnline zugestellt.

Zu diesem Bescheid erging eine händischen Bescheidbegründung, welche am in die Databox des Bf. zugestellt wurde.

Innerhalb der gesetzlichen Beschwerdefrist von einem Monat ab Zustellung des Bescheides wurde keine Beschwerde erhoben. Somit erwuchs dieser Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 vom in Rechtskraft.

Aufgrund des Urteils des Europäische Gerichtshofes vom , C-328/20, in dem entschieden wurde, dass die Indexierung des Familienbonus Plus, des Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrages, des Unterhaltsabsetzbetrages sowie des Kindermehrbetrages nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist, wurde das Einkommensteuergesetz angepasst und eine gesetzliche Grundlage für Nachzahlungen geschaffen, wenn aufgrund der Indexierung geringere Absetzbeträge berücksichtigt worden sind (§ 124b Z 410 lit. a EStG idF BGBl. I Nr. 138/2022).

Da bei der Veranlagung der indexierte Unterhaltsabsetzbetrag für 2 Kinder berücksichtigt wurde, wurde am der Einkommensteuerbescheid 2019 gem. § 295a BAO von Amts wegen dahingehend abgeändert, dass der Unterhaltsabsetzbetrag für die beiden Kinder in voller Höhe (ohne Indexierung) berücksichtigt wurde.

Gegen diesen Bescheid brachte der Bf. am fristgerecht eine Beschwerde ein und begründe diese wie folgt:

"Mit dem angefochtenen Bescheid wurde mir für das Kalenderjahr 2019 eine Lohnsteuernachzahlung in Höhe von € 4.015,- vorgeschrieben. Bei der Berechnung der Beträge blieb jedoch der Familienbonus Plus meiner Söhne unberücksichtigt, obwohl die Voraussetzungen einer Differenzzahlung dem Grunde nach bestehen. So wurde auch der Unterhaltsabsetzbetrag gewährt."

Der Bf. beantrage die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Erlassung eines neuen Bescheides, mit dem seinem Beschwerdevorbringen Rechnung getragen werde.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Abänderung auf Grund des erfolgte, in welchem die ab geltende Indexierung des Unterhaltsabsetzbetrages für Kinder die sich ständig in einem anderen EU-Mitgliedsstaat aufhalten als unionsrechtswidrig festgestellt wurde. Daher wurde am der Einkommensteuerbescheid 2019 vom gemäß § 295a BAO hinsichtlich des Unterhaltsabsetzbetrages insoweit abgeändert. Das Wort im § 295a BAO insoweit hat verfahrensrechtlich zur Folge, dass der erlassene Bescheid nur hinsichtlich der Abänderung erfolgreich anfechtbar ist. Da sich aber Ihr Beschwerdebegehren auf den Familienbonus Plus bezieht - und diesbezüglich auch kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO erkennbar ist - war Ihre Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Am brachte der Bf. gegen die Beschwerdevorentscheidung vom einen "Antrag zur Vorlage zur Entscheidung der Bescheidbeschwerde an das Bundesfinanzgericht" ein und beantragte die Berücksichtigung des Familienbonus Plus.

Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der Sachverhalt ergibt sich aus den im Zuge der Vorlage übermittelten Aktenteilen wie oben dargestellt.

Unbestritten ist, dass der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 vom in Rechtskraft erwachsen ist und dass aufgrund der Gesetzesänderung wegen des Urteils des Europäische Gerichtshofes vom , C-328/20 vom Finanzamt eine Änderung des Einkommensteuerbescheides gemäß § 295a BAO betreffend des Unterhaltsabsetzbetrages durchgeführt wurde.

In seiner Beschwerde gegen den Bescheid gemäß § 295a BAO, mit dem der Einkommensteuerbescheid 2019 abgeändert wurde, beantragte der Bf. die Berücksichtigung des Familienbonus Plus.

Gesetzliche Grundlagen mit Erläuterungen

§ 279 BAO lautet:

(1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
[BGBl I 2013/14]

Kommt eine Formalentscheidung nach den §§ 85 Abs. 2, 86a Abs. 1, 256 Abs. 3, 260 oder 261 BAO nicht in Betracht und wird der angefochtene Bescheid auch nicht unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben (§ 278 Abs. 1 BAO) ist stets eine meritorische Beschwerdeerledigung (Entscheidung "in der Sache selbst") vorzunehmen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 279 Tz 4).

Als Sachentscheidungen kommen entweder eine (ersatzlose) Aufhebung des angefochtenen Bescheides, eine Abänderung des angefochtenen Bescheides oder eine Abweisung der Beschwerde (was einer im Spruch übereinstimmenden Entscheidung im angefochtenen Bescheid gleichkommt) in Betracht.

Die Änderungsbefugnis ("nach jeder Richtung") ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 279 Tz 10 mit den dort angeführten Judikaturnachweisen).

Die Sache des bekämpften Bescheides bildet den äußersten Rahmen für die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes. Mit deren Überschreitung würde das Verwaltungsgericht eine von ihm nach Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch nehmen. ().

§ 295a Abs. 1 BAO lautet:

"Ein Bescheid kann auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat."

§ 295a BAO ist ein Verfahrenstitel zur Durchbrechung der (materiellen) Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden. Tritt ein solches Ereignis vor Bescheiderlassung ein, so ist es im Bescheid zu berücksichtigen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 295a Tz 5).

§ 295a BAO ist eine rein verfahrensrechtliche Bestimmung. Sie nimmt keinen Einfluss auf den Tatbestand materieller Abgabengesetze. Es ist den materiellen Abgabengesetzen zu entnehmen, ob einem nachträglich eingetretenen Ereignis abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit zukommt (vgl die hg Erkenntnisse vom , 2007/15/0259, vom , 2006/15/0151, VwSlg. 8405/F, und vom , 2007/13/0084).

Eine Abänderung gemäß § 295a BAO ist nur eingeschränkt zulässig ("insoweit ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat"). Dies deckt sich mit der für Berichtigungen gemäß § 293 BAO geltenden Rechtslage. Ein nach § 295a BAO abgeänderter Bescheid tritt nicht an die Stelle des zu ändernden Bescheides. Der Abänderungsbescheid ist auch nur hinsichtlich der Abänderung aus dem rückwirkenden Ereignis anfechtbar (Ritz/Koran, BAO7, § 295a Tz 42 mwN).

Dies entspricht der für Berichtigungen (zB gem § 293) geltenden Rechtslage (vgl Ritz, SWK 2003, S 882). Der abändernde Bescheid ist kein an die Stelle eines Bescheides tretender Bescheid iSd § 251 und § 253 (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 3, § 295a Anm 10).

Im vorliegenden Fall wäre der Bescheid vom somit nur hinsichtlich der Änderung betreffend des Unterhaltsabsetzbetrages anfechtbar.

Der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid vom , welcher bereits in Rechtskraft erwachsen ist, kann somit nicht mehr angefochten werden. Alle Einwände betreffend den Familienbonus Plus, die gegen den ursprünglichen Bescheid vorgebracht werden, können in diesem Verfahren gegen den Bescheid gemäß § 295a BAO nicht mehr berücksichtigt werden.

Es war somit Spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor, weshalb die Revision nicht zu zulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 293 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101328.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at