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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.06.2023, RV/7300035/2022

keine Wiedereinsetzung, da trotz Covid19 Infektion und familiären Ausnahmezustand Dispositionsfähigkeit gegeben war

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag.Dr. Wolfgang Pagitsch in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Lerchenfelder Straße 120/2/28, 1180 Wien, wegen eines Finanzvergehen nach § 15 Abs. 1 Z 1 Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz (WiEReG) über deren Beschwerde vom gegen den Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom betreffend des Antrages vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Geschäftszahl ***Zahl1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Beschuldigten, ihres Verteidigers Dr. Thomas Krankl, der Amtsbeauftragten Marika Schneider sowie der Schriftführerin Christina Seper zu Recht erkannt:

I.) Die Beschwerde wird gem. § 161 Abs. 1 FinStrG als unbegründet abgewiesen.

II.) Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Strafverfügung des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom wurde die Beschwerdeführerin für ein Finanzvergehen nach § 15 Abs. 1 Z 1 WiEReG für schuldig befunden, da sie als ehemalige Geschäftsführerin bzw. Abwicklerin der ***Firma1***, vorsätzlich eine Meldepflichtverletzung gem. § 5 WiEReG begangen habe, nämlich dadurch, dass eine unrichtige oder unvollständige Meldung (§ 5) abgegeben und dadurch die wirtschaftlichen Eigentümer nicht offenlegt worden seien. Sie wurde deswegen gem. § 15 Abs. 1 WiEReG zu einer Geldstrafe von € 25.000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 42 Tage) verurteilt. Die Kosten des Strafverfahrens wurden mit € 500,00 bestimmt.

Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung des Einspruchs gegen die oa. Strafverfügung. Als Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass sie Mutter und Alleinerzieherin von vier Kindern sei und mit diesen in einem Haushalt lebe. Sie habe fast zeitgleich mit der Strafverfügung für sich selbst und für ihre Kinder COVID-19 Absonderungsbescheide erhalten. Der Haushalt der Familie sei daher bis Ende Jänner 2022 komplett blockiert und quasi in einem medizinischen Ausnahmezustand gewesen. Sie sei daher weder gesundheitlich noch psychisch in der Lage gewesen, sich um den Einspruch zu kümmern und sei die Strafverfügung aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes noch dazu verlegt worden. Sie sei erst Ende Januar, Anfang Februar 2022 wieder in der Lage gewesen, sich dem normalen Alltagsgeschehen zu widmen und habe sie die Strafverfügung am wieder aufgefunden. Die Monatsfrist gem. § 167 FinStrG sei daher eingehalten worden. Sie habe durch die Versäumung der Einspruchsfrist einen erheblichen Rechtsnachteil erlitten und treffe ihr an der Nichterhebung eines fristgerechten Einspruchs kein Verschulden. Das Verlegen der Strafverfügung, welche während ihrer COVID-19 Infektion zugestellt worden sei und die anschließende Versäumung des Einspruchs, stelle höchstens einen minderen Grad des Versehens dar.

Gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag holte die Beschwerdeführerin die versäumte Handlung nach, indem sie einen Einspruch gegen die Strafverfügung vom erhob. Als Beweis legte die Beschwerdeführerin sämtliche Absonderungsbescheide der Gesundheitsbehörde vor und bot ihre Einvernahme an.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass nur eine die Dispositionsfähigkeit völlig ausschließende Krankheit einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darstelle. Eine solche Handlungsunfähigkeit habe die Antragstellerin aber nicht nachgewiesen. Trotz ihrer Erkrankung und Absonderung wäre es bspw. möglich gewesen zu telefonieren und einen Vertreter zu bevollmächtigen. Auch die Möglichkeit zur Einbringung eines Faxes oder Briefes durch Familie oder Freunde wäre nicht unmöglich gewesen, da gerade beim Rechtsbehelf des Einspruchs keine allzu hohen inhaltlichen Anforderungen gestellt werden würden.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am fristgerecht Beschwerde und begründete diese zusammenfassend damit, dass der Abweisungsbescheid rechtswidrig ergangen sei, da die Beschwerdeführerin nachgewiesen habe, dass sie aufgrund der COVID-19 Infektionen und den Absonderungsbescheiden mehrere Wochen hinweg komplett psychisch als auch physisch blockiert und nicht imstande war eine entsprechende Einspruchshandlung zu setzen. Zudem sei die Begründung der belangten Behörde nicht nachvollziehbar und die Lage der Beschwerdeführerin komplett verharmlost worden. Wenn man in einer derartigen Situation, wie es die Beschwerdeführerin damals gewesen sei, tatsächlich die Prioritäten auf die gesundheitliche Genesung und Versorgung der Familie und sich selbst ausrichtet, entspreche dies einer nicht gegebenen Dispositionsfähigkeit der Beschwerdeführerin und habe auch keine Möglichkeit bestanden irgendwelche Freunde mit der Aufgabe von Briefen oder Telefaxen zu beauftragen. Es werde daher eine mündliche Verhandlung beantragt mit dem Begehren der Beschwerde Folge zu geben und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde samt wesentlicher Aktenteile dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Beschwerde abzuweisen. Als Begründung führte diese mit Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes noch einmal aus, dass gegenständlich ein Wiedereinsetzungsgrund nicht vorliege, da bei Quarantänen-Pflichten der Fristversäumung durch andere geeignete Dispositionen, nämlich der Möglichkeit der Beauftragung eines Vertreters (zB per Telefon, Email) entgegengewirkt werden hätte können.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung gab die Beschwerdeführerin zusammenfassend an, dass sie am mehrere behördliche Postsendungen und Pakete entgegengenommen habe und deren Empfang mit ihrer Unterschrift bestätigt habe. Sie habe die Postsendungen nicht geöffnet, sondern seien diese in einen Postkorb in der Garage abgelegt worden, um keine Bakterien in das Haus hineinzutragen. Aufgrund von Corona-Infektionen in ihrer Familie habe sie sich voll auf die Versorgung ihrer Familie fokussiert und habe die erhaltene Post für sie keine Priorität gehabt. Sie habe große Angst gehabt und sei körperlich als auch psychisch total angeschlagen gewesen. Um die eingelangte Post habe sich daher keiner gekümmert und habe sie auch niemanden damit beauftragt diese durchzusehen, da die Gesundheit ihrer Familie einfach wichtiger gewesen sei. Die Besonderheit mit der Zwischenlagerung in der Garage habe nur während der Zeit ihrer Absonderung bestanden. Bezüglich des Haushaltes hätten alle zusammengeholfen und seien notwendige Besorgungen von ihrer Mutter durchgeführt worden. Ihr sei es erst Ende Jänner 2022 wieder gesundheitlich bessergegangen, dies deshalb, da es wegen einer leichten Lungenentzündung länger gedauert habe. Sie habe Medikamente erhalten und sei im ständigen telefonischen Kontakt mit der Hausärztin gewesen. Medizinische Befunde hinsichtlich ihrer behaupteten Dispositionsunfähigkeit gebe es aber nicht. Weiters sei es möglich, dass sie nach ihrer ersten Absonderung das Haus verlassen habe. Ca. 3 bis 4 Wochen nach der ersten Absonderung habe sie die im Postkorb in der Garage befindliche Post nach und nach durchgesehen. Als sie die Strafverfügung gelesen habe, sei sie entsetzt gewesen und habe noch am gleichen Tag ihren Steuerberater angerufen. Da dieser aber wegen eines Schuldenrückstandes ihres Ex-Mannes nichts gemacht habe, habe sie ca. 14 Tage später ihren Rechtsanwalt damit beauftragt. Wann genau sie den Steuerberater angerufen habe, habe sie aber nicht mehr in Erinnerung.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Festgestellter Sachverhalt

Die alleinerziehende Beschwerdeführerin lebte im streitgegenständlichen Zeitraum mit ihren vier Kindern ***Name1*** (21), ***Name2*** (20), ***Name3*** (9) und ***Name4*** (4) an der Adresse ***Adr1***.

Die Beschwerdeführerin war aufgrund des Verdachts einer COVID-19 Erkrankung vom bis längstens und aufgrund einer möglichen Ansteckung mit dieser Erkrankung vom bis abgesondert.

Die Tochter ***Name2*** war aufgrund einer möglichen Ansteckung mit COVID-19 vom bis abgesondert. Die Tochter ***Name4*** war aufgrund des Verdachts einer COVID-19 Erkrankung vom bis und aufgrund einer möglichen Ansteckung mit dieser Erkrankung vom bis abgesondert. Die Tochter ***Name3*** war aufgrund des Verdachts einer COVID-19 Erkrankung vom bis längstens und aufgrund einer möglichen Ansteckung mit dieser Erkrankung vom bis und vom bis abgesondert. Die Tochter ***Name1*** war aufgrund des Verdachts einer COVID-19 Erkrankung vom bis und aufgrund einer möglichen Ansteckung mit dieser Erkrankung vom bis abgesondert.

In diesen Zeiträumen durften die betroffenen Personen die Wohnung - ausgenommen für PCR-Testungen - nicht verlassen. Die Beschwerdeführerin war aufgrund dieser Umstände gesundheitlich und psychisch in einem schlechten Zustand und in großer Sorge um ihre Familie. Ihr Gesundheitszustand verbesserte sich erst wieder ab Mitte Jänner 2022. Eine Dispositionsunfähigkeit lag während der Rechtsmittelfrist aber nicht vor.

Am erhielt die Beschwerdeführerin ein Schriftstück von der belangten Behörde und bestätigte dessen Übernahme. Dieses wurde - wie auch die anderen erhaltenen Postsendungen während ihrer Absonderungszeit - ungeöffnet in einem Postkorb in der Garage abgelegt. Erst nach ihrer Absonderung holte die Beschwerdeführerin die gesammelte Post aus der Garage und öffnete diese nach und nach, so auch die Strafverfügung vom .

Beweiswürdigung

Die Absonderungen der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder zu den oben angeführten Zeiträumen ist unstrittig und ist durch die vorgelegten Absonderungsbescheide belegt.

Die persönliche Übernahme der Strafverfügung am hat die Beschwerdeführerin durch ihre Unterschrift bestätigt und dies in der mündlichen Verhandlung noch einmal bejaht. Dass die Strafverfügung ungelesen in der Garage verwahrt wurde, hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung ebenso glaubhaft dargelegt. Die ursprüngliche Version in der Beschwerde, die Strafverfügung sei von ihr verlegt worden, hat sich daher als unrichtig herausgestellt.

Was die behauptete Dispositionsunfähigkeit der Beschwerdeführerin betrifft, so wird darauf hingewiesen, dass aus einer Erkrankung als solche noch nicht auf die völlige Dispostionsunfähigkeit geschlossen werden kann (). Sie zählt nur, wenn sie plötzlich und in einem Maß auftritt, dass die Partei nicht mehr in der Lage ist, nach den Umständen des Falles zu handeln. Dies ist dann der Fall, wenn eine Person nicht im Stande ist, ihre als notwendig erkannten Handlungen fristgerecht vorzunehmen (; ) Selbst eine (bloße) Bettlägerigkeit hindert eine Person nicht, um Verlängerung einer Frist anzusuchen oder jemanden damit zu beauftragen ().

Zudem ist die Handlungsunfähigkeit nicht aus der subjektiven Einschätzung der Erkrankten, sondern aus der medizinischen Einschätzung abzuleiten () bspw. anhand medizinischer Befunde und hievon abgeleiteter ärztlicher Schlussfolgerungen.

Streitgegenständlich ist es für das Gericht durchaus verständlich und nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der Corona-Infektionen und Absonderungen in ihrer Familie in großer Angst und Sorge war und dass Wohl der Familie oberste Priorität hatte. Für das Gericht ist es auch glaubhaft, dass sich die Beschwerdeführerin in einer extrem schwierigen Situation befand und gesundheitlich und psychisch angeschlagen war. Dass aber eine die Dispositionsfähigkeit völlig ausschließende Krankheit nicht vorlag (), ergibt sich für das Gericht alleine schon aus den eigenen Aussagen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung. In dieser gab sie ua. glaubhaft an, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum die wichtigsten Angelegenheiten im Haushalt mit Hilfe ihrer Kinder erledigt habe, sie sich soweit es ihre Kräfte zuließen um ihre Familie gekümmert und diese gepflegt habe, sie am die Strafverfügung selbst vom Postboten übernommen habe, sie später die gesammelte Post selbst durchgesehen habe, sie mit ihrer Hausärztin ständig im telefonischen Kontakt gewesen sei, sie ihre Mutter mit den notwendigsten Besorgungen (zB Einkauf) beauftragt und sie nach ihrer ersten Absonderung das Haus sogar verlassen habe. Zudem konnte sie keine medizinischen Befunde hinsichtlich einer möglichen Dispositionsunfähigkeit vorlegen.

Wann genau die Beschwerdeführerin die Strafverfügung geöffnet und gelesen hat, lies sich nicht mehr genau feststellen, spielt aber im Ergebnis keine Rolle.

Rechtliche Erwägungen

Gem. § 167 Abs. 1 FinStrG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten eines anhängigen oder abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass dem Beschuldigten oder dem Nebenbeteiligten ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gem. § 167 Abs. 2 erster Satz FinStrG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen Monatsfrist nach Aufhören des Hindernisses bei der Finanzstrafbehörde oder beim Bundesfinanzgericht gestellt werden, je nachdem, ob die Frist bei der Finanzstrafbehörde oder beim Bundesfinanzgericht wahrzunehmen war oder dort die Verhandlung stattfinden sollte.

Gem. § 167 Abs. 3 FinStrG hat im Fall der Versäumung einer Frist der Antragsteller die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die zitierte Vorschrift des § 167 FinStrG entspricht inhaltlich den Bestimmungen des § 46 VwGG, § 71 AVG und § 308 BAO. Die für die Auslegung dieser Vorschrift in der Rechtsprechung des VwGH entwickelten Grundsätze können daher auch hier zur Anwendung kommen (vgl. ; ).

Weiters ist das Vorliegen der Wiedereinsetzungsgründe nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptung des Wiedereinsetzungswerbers im Wiedereinsetzungsantrag gedeckt wird ().

Entsprechend der Judikatur des VwGH kommt als ein "Ereignis", das zur Versäumnis geführt hat, jedes Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt in Betracht. Eine Hinderung kann demnach ebenso durch eine alltägliche Erkrankung wie durch eine Naturkatastrophe und durch eine eigene menschliche Unzulänglichkeit (Vergessen, Versehen, Irrtum etc.) ebenso wie durch Gewalteinwendungen von außen begründet sein (vgl. ; ; ).

Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand genügt das Vorliegen entweder eines unvorhergesehenen oder eines unabwendbaren Ereignisses.

"Unabwendbar" ist ein Ereignis, wenn sein Eintritt (auch bei Vorhersehbarkeit des Ereignisses) objektiv von einem Durchschnittsmenschen mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindert werden kann, "unvorhergesehen" hingegen dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl. ; ).

In der Regel kann eine Krankheit nicht als Wiedereinsetzungsgrund gewertet werden. Ein solcher liegt bei einer Erkrankung, auch einer psychischen Erkrankung, nur dann vor, wenn sie einen Zustand der Dispositionsunfähigkeit zur Folge hat und so plötzlich und so schwer auftritt, dass der Erkrankte nicht mehr in der Lage ist, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen zu treffen (). Nur eine die Dispositionsfähigkeit völlig ausschließende Krankheit stellt einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund dar ().

Eine krankheitsbedingte Säumnis erfüllt die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daher nur dann, wenn die Krankheit zu einer Dispositionsunfähigkeit des Betroffenen geführt hat oder die Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt hat, dass das Unterbleiben der fristwahrenden Handlung in einem milderen Licht - nämlich als bloß minderer Grad des Versehens - zu beurteilen ist (, mwN). Für die Wiedereinsetzung reicht es nicht aus, wenn die Partei gehindert war, die fristwahrende Handlung selbst zu setzen. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt nur vor, wenn die Partei auch gehindert war, der Fristversäumung durch andere geeignete Dispositionen - im Besonderen durch Beauftragung eines Vertreters - entgegen zu wirken () bzw. ihr auch insofern nur ein leicht fahrlässiges Fehlverhalten vorgeworfen werden könnte (vgl. ). Selbst eine Dauerkrankheit rechtfertigt idR eine Wiedereinsetzung nicht, weil ein dauernd Kranker für den Fall seiner Handlungsunfähigkeit entsprechende Vorsorge zu treffen hat (, 0019).

Wie oben festgestellt, lag im gegenständlichen Fall eine Dispositionsunfähigkeit der Beschwerdeführerin während der Rechtsmittelfrist zur Erhebung eines Einspruches gegen die Strafverfügung vom nicht vor. Es kann aber auch nicht erkannt werden, dass die Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt gewesen sei, dass das Unterbleiben der fristwahrenden Handlung als bloß minderer Grad des Versehens zu beurteilen wäre. So geht aus den Aussagen der Beschwerdeführerin hervor, dass sie die Übernahme des streitgegenständlichen behördlichen Schriftstückes zwar bestätigt hat, dieses aber ungeöffnet in der Garage abgelegt wurde. Ein Öffnen und Lesen des Schriftstückes wäre ihr aber nach Ansicht des Gerichtes trotz des schlechten Gesundheitszustandes und der psychischen Belastung jedenfalls (innerhalb der Rechtsmittelfrist) möglich und zumutbar gewesen. So hat sie - wie oben festgestellt - und von der Beschwerdeführerin angegeben im streitgegenständlichen Zeitraum eine Vielzahl von Handlungen durchgeführt.

Nach Ansicht des Gerichtes liegt daher der wahre Grund für die Versäumung der Einspruchsfrist darin, dass sich die Beschwerdeführerin um die einlangende Post einfach nicht gekümmert hat, da dies - wie sie selbst aussagte - aufgrund der prekären Lage für sie keine Priorität hatte. Wenn aber die Beschwerdeführerin behördliche Schriftstücke - wie gegenständlich ein eingeschriebenes Schriftstück der belangten Behörde - zwar übernimmt, dieses aber nicht öffnet, liegt jedenfalls ein auffallend sorgloses Verhalten vor.

Gem. § 167 Abs. 1 letzter Satz FinStrG steht ein Verschulden, welches über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegen. Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des VwGH leichte Fahrlässigkeit im Sinn von § 1332 ABGB zu verstehen, die dann vorliegt, wenn dem Wiedereinsetzungswerber ein Fehler unterlaufen ist, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Von einem minderen Grad des Versehens kann nach der Rspr. des VwGH bspw. nicht mehr gesprochen werden, wenn der Wiedereinsetzungswerber die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (), ein zugestelltes Poststück nach Kenntnisnahme des bloß äußeren Erscheinungsbildes ungeöffnet liegenlässt (), ein Schriftstück nicht gehörig auf seinen Inhalt prüft und dieses blind unterschreibt () oder eine Verfügung nur flüchtig liest oder den Akt nur flüchtig kontrolliert (, 0167).

Da das Straferkenntnis an die Beschwerdeführerin persönlich gerichtet war und sie deren Übernahme selbst bestätigte, geht es jedenfalls über einen minderen Grad des Versehens hinaus, wenn die Beschwerdeführerin das Schriftstück nicht öffnet und liest. Dies wäre ihr aber - wie oben ausgeführt - möglich und zumutbar gewesen und hätte sie in weitere Folge entsprechende Dispositionen treffen bspw. telefonisch einen Vertreter mit der Erhebung des Einspruches beauftragen können.

Das Unterbleiben der fristwahrenden Handlung, nämlich das Erheben eines Einspruches, kann daher im gegenständlichen Fall nicht als bloß minderer Grad des Versehens beurteilt werden (). Da im Ergebnis kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund vorliegt, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Frage, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Fristversäumnis geführt hat, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes und stellt daher regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (). Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7300035.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at