Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 21.07.2023, RV/7101150/2016

Einstellung mangels Rechtspersönlichkeit einer nach durchgeführter Liquidation gelöschten und vermögenslosen GmbH

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101150/2016-RS1
Das Vorliegen eines Abwicklungsbedarfs und damit die Parteifähigkeit der gelöschten GmbH ist zu verneinen, wenn das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht weder direkt noch indirekt ein abwickelbares Aktivvermögen der gelöschten GmbH betrifft. Diese Rechtsprechung ist zufolge einer rezenten höchstgerichtlichen Entscheidung auf den Fall einer nach durchgeführter Liquidation erfolgten Löschung einer vermögenslosen GmbH im Firmenbuch übertragbar (vgl. ).

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Mag.Dr. Katrin Allram in der Beschwerdesache ***GmbH in Liqu***, ***Bf1-Adr***, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Gebühren 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, den Beschluss:

I. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Gebühr für das beschwerdegegenständliche Rechtsgeschäft in Höhe von Euro 130.208,69 fest.

Dagegen brachte die Beschwerdeführerin (Bf.) nach Fristverlängerung mit Eingabe vom eine Beschwerde ein.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.

Mit Schreiben vom stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Vorlagebericht und Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

In der außerordentlichen Generalversammlung vom wurde die Auflösung und Liquidation der Bf. beschlossen.

Am ***Tag***. März 2022 erfolgte die Löschung der Bf. infolge beendeter Liquidation im Firmenbuch.

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die gegenständliche Beschwerdesache mit Stichtag der GA 1017 zur Entscheidung zugeteilt.

Am fand ein Erörterungstermin zu den unter den GZ RV/7101150/2016 und RV/7101151/2016 protokollierten Verfahren statt. Die Bf. nahm betreffend beide Beschwerdeverfahren die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung zurück und zog den Vorlageantrag im Verfahren zur GZ RV/7101151/2016 zurück.

Mit Beschluss vom erklärte das Bundesfinanzgericht den Vorlageantrag für gegenstandslos und stellte das Verfahren zur GZ RV/7101151/2016 ein.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

In der außerordentlichen Generalversammlung vom wurde die Auflösung und Liquidation der Bf. beschlossen. Der Gläubigeraufruf erfolgte am ***Tag***. Juli 2021 im Amtsblatt Nr. ***Zahl*** der Wiener Zeitung.

Mit Beschluss vom wurde der Bericht des Liquidators über die Beendigung der Liquidation genehmigend zur Kenntnis genommen und dem Liquidator für seine Tätigkeit die Entlastung erteilt.

Mit Eingabe vom wurde unter Anschluss des Gesellschafterbeschlusses vom , des Belegblattes der Wiener Zeitung und der Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 160 Abs. 3 BAO die Löschung der Bf. infolge beendeter Liquidation beantragt.

Am ***Tag***. März 2022 führte das Landesgericht ***Ort*** die Löschung im Firmenbuch durch.

Im Erörterungstermin vor dem Bundesfinanzgericht am zog die Bf. den Vorlageantrag im Verfahren zur GZ RV/7101151/2016 zurück. Mit Beschluss vom , zugestellt am , erklärte das Bundesfinanzgericht den Vorlageantrag für gegenstandslos und stellte das Verfahren zur GZ RV/7101151/2016 ein. Der diesbezügliche Abgabenbetrag in Höhe von Euro 116.424,63 wurde entrichtet. Mit dem Beschluss vom wurde darüber entschieden, sodass eine Rückzahlung dieses Betrages ausscheidet.

Der Saldo des Abgabenkontos der Bf. beträgt Euro 0,00, wobei ein Betrag in Höhe von Euro 130.208,69 ausgesetzt ist. Der ausgesetzte Betrag betrifft die streitgegenständliche Gebührenschuld.

Es sind keine Anträge und Beschwerden der Bf. offen, aufgrund derer es zu einem Abgabenguthaben kommen könnte. Die Bf. verfügt über keine Vermögenswerte.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, auf Firmenbuchabfragen, auf Abfragen des Abgabenkontos sowie auf die im Erörterungstermin gemachten Angaben.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Einstellung)

Die Löschung einer GmbH im Firmenbuch hat bloß deklarativen Charakter. Eine GmbH besteht auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch fort, solange ein Vermögen vorhanden ist und Rechtsbeziehungen zu Gläubigern oder Schuldnern bestehen. Die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft besteht solange fort, als noch Abwicklungsbedarf vorhanden ist, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind (vgl. ).

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2014/13/0035, ausgeführt hat, ist ein solcher Abwicklungsbedarf nicht gegeben, wenn die Abgabenfestsetzung zu keinem Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft führen kann.

Das Vorliegen eines Abwicklungsbedarfs und damit die Parteifähigkeit der gelöschten GmbH ist folglich zu verneinen, wenn das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht weder direkt noch indirekt ein abwickelbares Aktivvermögen der gelöschten GmbH betrifft. Diese Rechtsprechung ist zufolge einer rezenten höchstgerichtlichen Entscheidung auf den Fall einer nach durchgeführter Liquidation erfolgten Löschung einer vermögenslosen GmbH im Firmenbuch übertragbar (vgl. ).

Die Bf. wurde am ***Tag***. März 2022 infolge beendeter Liquidation im Firmenbuch gelöscht. Am Abgabenkonto der Bf. ist ein Betrag in Höhe von Euro 130.208,69 ausgesetzt, sodass selbst im Fall einer vollumfänglichen Stattgabe kein Guthaben auf dem Abgabenkonto der Bf. entstehen würde. Da die Bf. sohin über kein abwickelbares Aktivvermögen verfügt, ist von einer Vollbeendigung der Bf. auszugehen. Die Parteifähigkeit der Bf. ist demnach erloschen.

Aufgrund fehlender Rechtspersönlichkeit der Bf. war das beim Bundesfinanzgericht anhängige Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 278 Abs. 1 lit. b BAO mit Beschluss einzustellen (vgl. dazu die Ausführungen zu § 33 Abs. 1 VwGG in ).

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist bei der Lösung der streitgegenständlichen Rechtsfrage der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt (vgl. ). Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 278 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101150.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at