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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.06.2023, RV/5100851/2021

Keine persönliche und sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Pölzleithner Wirtschaftstreuhand KG Steuerberatungsgesellschaft, Stadtplatz 22, 4690 Schwanenstadt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Abweisung einer Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Schriftsatz von beantragte der Beschwerdeführer eine Nachsicht und führte aus, auf seinem Abgabenkonto hafte ein Rückstand i.H.v. € 26.187,08 aus einem Rechtsmittelverfahren aus dem Jahr 2012 aus. Es habe sich um ein Veräußerungsgeschäft, bei dem er wirtschaftlich keinen Gewinn erzielt habe, gehandelt. Die Kosten seien - für ihn nicht nachvollziehbar - steuerlich nicht anerkannt worden. Er habe keinen wirtschaftlichen Vorteil daraus erzielt. Nach Rücksprache mit dem zuständigen Richter habe er sich entschlossen, die Bescheidbeschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 aus verwaltungsökonomischen Gründen zurückzuziehen. Er erfülle somit die sachliche Unbilligkeit, da er den Sachverhalt im Vertrauen auf eine andere Rechtsmeinung realisiert habe. In Zusammenhang mit der persönlichen Unbilligkeit führte er aus, er verfüge über keinen nennenswerten Vermögenswert, die Geschäftsanteile seien de facto nichts wert, er verfüge noch über einen Hausstand sowie einen wertlosen gebrauchten Pkw. Seit sei er in Alterspension, die Pension benötige er zur Zahlung von Miete sowie Lebenshaltungskosten. Zudem weise er darauf hin, dass er sämtliche Abgaben korrekt und fristgerecht beim Finanzamt gemeldet und bezahlt habe.

2. Am wies das Finanzamt den Antrag auf Bewilligung einer Nachsicht i.H.v. € 25.716,41 ab. Nach Anführung der Rechtslage führte das Finanzamt aus, aufgrund der im Ansuchen bzw. in der Vorsprache geschilderten wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers (kaum werthaltiges Vermögen, weitere Verbindlichkeiten in Höhe von ca. € 68.000,00) würde sich die wirtschaftliche Lage durch eine Nachsicht der Steuern nur unwesentlich entspannen, diese gingen allerdings eindeutig zu Lasten des Abgabengläubigers, da mit den übrigen Gläubigern längerfristige Zahlungsvereinbarungen bestünden. Dass aus dem Veräußerungsgeschäft kein Gewinn bzw. wirtschaftlicher Vorteil erzielt worden sei, sei Gegenstand eines umfangreichen Rechtsmittelverfahrens gewesen, in dem die Einkunftsart, jedoch nicht die grundsätzliche Steuerpflicht strittig gewesen sei. Das Rechtsmittel sei zurückgezogen worden, da sich ansonsten die Steuernachforderung weiter erhöht hätte. Dass Veräußerungsgeschäfte oft lediglich buchhalterische und nicht faktische Gewinne auslösten und diese steuerpflichtig seien, sei die allgemeine Auswirkung der Gesetzeslage bzw. des Einkommensteuergesetzes und keine atypische vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Belastungswirkung.

3. In der Beschwerde vom brachte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers vor, im konkreten Fall sei sachliche Unbilligkeit gegeben. Im Vertrauen auf Treu und Glauben des Einkommensteuergesetzes, dass bei keinem Gewinn keine Einkommensteuerpflicht gegeben sei, habe der Beschwerdeführer das Veräußerungsgeschäft durchgeführt. Dies besage auch das objektive Nettoprinzip. Im vorliegenden Fall liege die Besteuerung eines Scheingewinnes vor, woraus sich bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis ergebe. Somit sei es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff gekommen. Diese im Einzelfall geschuldete Unbilligkeit könne nunmehr durch Nachsicht saniert und behoben werden. Es werde nochmals auf das bisherige steuerliche Verhalten des Beschwerdeführers hingewiesen.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung wies das Finanzamt darauf hin, bereits im Abweisungsbescheid sei ausführlich darauf eingegangen worden, dass die Versteuerung eines buchhalterischen Gewinnes keine atypische, vom Gesetzgeber nicht gewollte steuerliche Belastungswirkung darstelle.

5. Im Vorlageantrag vom wiederholte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers die in der Beschwerde ausgeführten Vorbringen.

6. Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Am hafteten auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers € 26.187,08 aus. Diese setzten sich zusammen aus der Einkommensteuer 2012 i.H.v. € 23.533,31, Anspruchszinsen 2012 i.H.v. € 461,07, Aussetzungszinsen 2019 i.H.v. € 1.722,03 sowie einem ersten Säumniszuschlag 2019 von € 470,67 (siehe Abfrage des Rückstandes auf dem Abgabenkonto zum ). Der Säumniszuschlag 2019 war zu diesem Zeitpunkt noch nicht, alle anderen Abgaben waren bereits fällig (siehe Abfrage des Abgabenkontos).

Die Aussetzungszinsen entstanden aufgrund des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung der Einkommensteuer 2012 und der Anspruchszinsen 2012 (siehe Bescheid über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung vom ).

Der erste Säumniszuschlag wurde aufgrund der verspäteten Entrichtung der Einkommensteuer 2012 festgesetzt (siehe Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages vom ).

2. Im Zuge des Erörterungsgespräches am im Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesfinanzgericht betreffend die Einkommensteuer 2012 nahm der Beschwerdeführer die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 vom zurück, da die Beschwerdevorentscheidung den Gesamtbetrag der Einkünfte erhöht hatte und eine weitere Erhöhung durch das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes zu erwarten war.

Aus dem Verkauf einer Maschine hat der Beschwerdeführer im Jahr 2012 einen Verkaufspreis i.H.v. € 64.000,00 erzielt.

Für die Ablöse des Eigentumsvorbehaltes der kreditfinanzierenden Bank hinsichtlich der Maschine erfolgte im Jahr 2011 eine Zahlung i.H.v. € 25.000,00. Die Zahlung i.H.v. € 67.500,00 tätigte der Beschwerdeführer im Jahr 2012 aufgrund einer Bürgschaft aus einer Kreditfinanzierung der Maschine durch die ***1*** GmbH, an der er beteiligt war und die die Maschine ursprünglich angeschafft hatte. Der Betrag von € 13.000,00 an den Masseverwalter als Abschlagszahlung für den unberechtigten Verkauf der Maschine und der Verzicht auf Entgelte als Masseforderung i.H.v. € 4.310,00 wurden erst im Jahr 2013 bezahlt (siehe Niederschrift über die Erörterung vom ).

3. Neben den Verbindlichkeiten des Finanzamtes hat der Beschwerdeführer keine Schulden, ausgenommen folgende Girokontorahmen bei seinen Hausbanken: Girokonto I (Rahmen) € 1.600,00 und Girokonto II (Rahmen) € 1.500,00 (siehe Mail des Steuerberaters vom ).

4. Der Beschwerdeführer tilgt seine Abgabenschuld mit € 100,00 monatlich (siehe Abgabenkonto des Beschwerdeführers).

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aufgrund der in Klammer angeführten, aktenkundigen Unterlagen und ist nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Vorauszuschicken ist, dass das Finanzamt nicht über den gesamten vom Beschwerdeführer beantragten Nachsichtsbetrag abgesprochen hat. Die Nachsicht ist stets abgabenbezogen (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 236 Anm 4).

Für das Bundesfinanzgericht ist aufgrund der Rückstandsaufgliederung erkennbar, dass das Finanzamt die Bewilligung der Nachsicht hinsichtlich der Einkommensteuer 2012 i.H.v. € 23.533,31, der Anspruchszinsen 2012 i.H.v. € 461,07 und der Aussetzungszinsen 2019 i.H.v. € 1.722,03, insgesamt somit € 25.716,41, abgewiesen hat. Über den ersten Säumniszuschlag 2019 i.H.v. € 470,67 hat es somit (noch) nicht abgesprochen.

Auch wenn der Säumniszuschlag zum Antragszeitpunkt noch nicht fällig war, die Gewährung einer Nachsicht iSd § 236 BAO die Fälligkeit der Abgabe aber voraussetzt, so war der Säumniszuschlag jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers am bereits fällig. Über eine Abgabennachsicht ist auf Grund der bei der Bescheiderlassung gegebenen Sach- und Rechtslage abzusprechen (). Das Finanzamt hätte somit auch über die beantragte Nachsicht des Säumniszuschlages 2019 absprechen müssen.

Das Bundesfinanzgericht ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO). Die Änderungsbefugnis nach jeder Richtung ist durch die "Sache" begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides gebildet hat, sohin die (Nicht)Gewährung einer Nachsicht im Sinne des § 236 BAO für den im Spruch angeführten Betrag. Das Bundesfinanzgericht ist somit nicht berechtigt, über den im Spruch genannten Betrag hinauszugehen, und kann daher nicht über die (Nicht)Gewährung einer Nachsicht betreffend den ersten Säumniszuschlag 2019 absprechen. Das Finanzamt wird daher über den Antrag auf Nachsicht hinsichtlich des ersten Säumniszuschlages 2019 noch absprechen müssen.

2. Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach Abs.2 leg cit findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

3. Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach Lage des Falles kann eine persönliche oder eine sachliche sein und ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für das in § 236 BAO vorgesehene Ermessen.

Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers. Sie besteht bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen (; ). Eine solche Unbilligkeit wird stets gegeben sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet (zB ; ; ). Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur jedoch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte (zB ; ; ; ). Es bedarf keiner Existenzgefährdung; es genügt, wenn die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, zB wenn die Abgabenschuld nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten entrichtet werden könnte (zB ; ; , AW 2005/17/0061; ). Für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend (zB ; ; ; ).

Können Zahlungserleichterungen Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, so bedarf es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () keiner Abgabennachsicht, wobei nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2006/13/0103, selbst eine Tilgungszeit von rd. 23 Jahren noch keine persönliche Unbilligkeit zu begründen vermag.

Eine sachliche Unbilligkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnis muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. etwa ). Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist ().

Eine Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO setzt die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung voraus. Diese kann grundsätzlich nicht damit begründet werden, dass die Abgabenfestsetzung zu Unrecht erfolgt ist. Vielmehr muss die behauptete Unbilligkeit in Umständen liegen, die die Entrichtung der Abgabe selbst betreffen. Im Nachsichtsverfahren können daher nicht Einwände nachgeholt werden, die im Festsetzungsverfahren geltend zu machen gewesen wären (vgl. ). Eine Nachsicht dient nämlich nicht dazu, Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen und unterlassene Rechtsbehelfe nachzuholen oder "Versäumnisse" im Abgabenfestsetzungsverfahren zu sanieren (vgl. ; ), da dies im Ergebnis auf eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft hinauslaufen würde ().

3. Im Nachsichtsverfahren ist es Sache des Nachsichtswerbers, im Sinne der ihn treffenden Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann ().

4. Die Nachsicht von Nebengebühren setzt eine entsprechende Antragstellung und eine eigenständige Beurteilung voraus; somit umfasst die Nachsicht einer Abgabe nicht zwingend die Nachsicht der darauf entfallenden Nebenansprüche (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 236 Anm 22).

5. Eine persönliche Unbilligkeit wird vom Beschwerdeführer weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag behauptet. Im Antrag auf Nachsicht bringt er hinsichtlich der persönlichen Unbilligkeit vor, er verfüge über eine Pension, die er zur Zahlung von Miete und Lebenshaltungskosten benötige, ansonsten verfüge er über keinen nennenswerten Vermögenswert. Die Zahlung des aushaftenden Rückstandes gefährde seine Existenz, vor allem, wenn es zu einer Erkrankung käme.

Der Beschwerdeführer hat laut seinen Angaben neben den Abgabenschuldigkeiten zwar mittlerweile keine weiteren Verbindlichkeiten mehr. Dass die Abstattung der Abgabenschuldigkeiten mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden ist, die außergewöhnlich sind, wird in gegenständlichen Nachsichtsverfahren aber nicht behauptet. Zudem wird die Abgabenschuld vom Beschwerdeführer in Teilbeträgen entrichtet. Könnten aber Zahlungserleichterungen Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, so bedarf es keiner Abgabennachsicht.

Auch von der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Existenzgefährdung, insbesondere für den Fall einer Erkrankung, ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht auszugehen. Er hat im Nachsichtsantrag eine Existenzgefährdung lediglich behauptet, jedoch nicht nachgewiesen; im Nachsichtsverfahren liegt das Schwergewicht sowohl der Behauptungs- als auch der Beweislast aber beim Nachsichtswerber. Eine konkrete Erkrankung des Beschwerdeführers, in deren Fall "insbesondere" eine Existenzgefährdung gegeben sein würde, wird zudem nicht vorgebracht.

Eine persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt somit nicht vor.

6. Die Vorbringen des Beschwerdeführers und seines steuerlichen Vertreters hinsichtlich der Einkommensteuer 2012 vermögen auch eine sachliche Unbilligkeit iSd § 236 BAO nicht zu begründen.

Der Beschwerdeführer hat im Rechtmittelverfahren betreffend die Einkommensteuer 2012 die Beschwerde zurückgezogen. Einwendungen hinsichtlich der Höhe der Einkünfte wären in diesem Verfahren geltend zu machen gewesen und können im Nachsichtsverfahren nicht mehr nachgeholt werden.

Hinzuweisen ist dennoch darauf, dass der Beschwerdeführer 2012 eine Maschine verkauft hat, die seiner Arbeitgeberin gehörte. Deren Anschaffungskosten können ihm nicht zugerechnet werden. Die Bürgschaftszahlungen i.H.v. € 67.500,00 für den Kredit zur Anschaffung der Maschine sowie die - zudem bereits im Jahr 2011 abgeflossenen - Zahlung i.H.v. € 25.000,00 für die Ablöse des Eigentumsvorbehaltes hängen mit der Stellung des Beschwerdeführers als Gesellschafter der ***1*** GmbH zusammen und stellen nachträgliche Einlagen in diese Gesellschaft dar. Auch wenn der Beschwerdeführer subjektiv das Gefühl hat, diese Zahlungen für die Anschaffung der Maschine oder für die Abstattung des aushaftenden Kredites getätigt zu haben, stellen diese beim Beschwerdeführer keine Aufwendungen aus dem Verkauf der Maschine dar und können bei der Berechnung des Veräußerungsgewinnes nicht berücksichtigt werden; bei einer Bürgschaft verpflichtet sich nämlich der Bürge, die fremde Schuld zu übernehmen, falls der Hauptschuldner die vereinbarte Leistung nicht erbringt.

Die Zahlung i.H.v. € 13.000,00 an den Masseverwalter als Abschlagszahlung für den unberechtigten Verkauf der Maschine sowie der Verzicht auf Entgelte als Masseforderung i.H.v. € 4.310,00 stellen zwar Werbungskosten im Zusammenhang mit dem Verkauf der Maschine dar, da diese Zahlungen beim Beschwerdeführer aber erst im Jahr 2013 abflossen, wirkten sie sich auch erst in diesem Jahr aus. Kommt es aufgrund des Zufluss-Abfluss-Prinzips zu zeitlichen Verschiebungen von Einnahmen oder Ausgaben, so ist dies dem Prinzip der Periodenbesteuerung geschuldet, welches zu einem vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnis führt und von diesem auch gewollt ist. Zudem sind diese Konsequenzen nur eine Folge der jeden Abgabepflichtigen in dieser Situation treffenden Rechtslage. Vor diesem Hintergrund ist auch das objektive Netto-Prinzip - entgegen dem Vorbringen des steuerlichen Vertreters in der Beschwerde - im vorliegenden Fall nicht beeinträchtigt, da die anzuerkennenden Werbungskosten bei der Berechnung des Veräußerungsgewinnes im vom Gesetz vorgegebenen Rahmen gewürdigt wurden. Ob der Beschwerdeführer allerdings die Werbungskosten im Jahr des Abflusses der Zahlungen geltend gemacht hat, ist nicht Gegenstand des hier anhängigen Nachsichtsverfahrens.

Durch die Zahlungen des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit dem Verkauf der Maschine ist es insgesamt somit nicht zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Beschwerdeführer gekommen. Auch das Vorbringen des rechtlichen Vertreters in der Beschwerde, durch den Verkauf der Maschine liege ein Scheingewinn vor, kann nicht nachvollzogen werden. Dem Beschwerdeführer war offenbar nicht klar, aus welcher Verpflichtung heraus er Zahlungen getätigt hatte. Dasselbe trifft auch auf den - somit nicht berechtigten - Einwand des steuerlichen Vertreters in der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe im Vertrauen auf Treu und Glauben des Einkommensteuergesetzes, dass bei keinem Gewinn keine Einkommensteuerpflicht gegeben sei, das Rechtsgeschäft durchgeführt, zu. Dass er eine entsprechende Auskunft von der zuständigen Behörde hinsichtlich der steuerlichen Behandlung des Verkaufes der Maschine erhalten habe, behauptet der Beschwerdeführer nicht.

Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass dem Beschwerdeführer durch die Zurücknahme der Beschwerde im Rechtsmittelverfahren zur Einkommensteuer 2012 eine Erhöhung der Nachforderung durch die Beschwerdevorentscheidung und eine weitere durch das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes erspart geblieben ist und er somit im Ergebnis besser gestellt ist als andere Normunterworfene in der gleichen Situation.

7. Hinsichtlich der Nebenansprüche zur Einkommensteuer 2012, den Anspruchszinsen 2012 und den Aussetzungszinsen 2019, hat der Beschwerdeführer keine Angaben gemacht, warum eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung der Abgaben vorliegen sollte.

Hingewiesen wird darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Nachsicht von Aussetzungszinsen schon wiederholt ausgesprochen hat, dass deren Einhebung nicht sachlich unbillig erscheint (vgl. etwa , mwH), zumal es der Abgabepflichtige in der Hand hat, die Entstehung der Aussetzungszinsen jederzeit durch Entrichtung der ausgesetzten Abgaben zu verhindern (zB , mwH). Tut er das nicht und konsumiert er den Zahlungsaufschub, lukriert er dadurch auch einen entsprechenden Zinsengewinn. Besteht die Abgabenvorschreibung zu Unrecht, fallen ohnehin keine Aussetzungszinsen an. Allein die lange Dauer eines Beschwerdeverfahrens kann auch keine Nachsicht von Aussetzungszinsen rechtfertigen.

Betreffend die Nachsicht von Anspruchszinsen ist anzuführen, dass gemäß § 205 Abs. 1 BAO Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen sind. Den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (311 BlgNR 21.GP, 196) ist zu entnehmen, dass der Zweck der Anspruchszinsen darin liegt, die (möglichen) Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile auszugleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzungen (nicht der Einreichung der Erklärungen) ergeben. Ansprüche auf Anspruchszinsen sollen unabhängig von einem allfälligen Verschulden des Abgabepflichtigen oder der Abgabenbehörde an einer erst nach dem 1. Oktober des Folgejahres erfolgenden Abgabenfestsetzung entstehen. Anspruchszinsen im Sinne des § 205 BAO sind daher weder Sanktion noch Druckmittel oder Strafe, sondern laufzeitabhängige Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung. Anspruchszinsen sind eine objektive Rechtsfolge, um (mögliche) Zinsvorteile oder Zinsnachteile auszugleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben (vgl. Ritz/Koran, BAO7 § 205 Tz 2). Die Bestimmung berücksichtigt sohin nicht die Gründe, aus welchen im Einzelfall Differenzbeträge an Einkommensteuer, die sich aus Abgabenbescheiden ergeben, nicht bis 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres festgesetzt bzw. durch Anzahlungen im Sinne des § 205 Abs. 3 BAO entrichtet wurden. Insbesondere kommt es auch nicht auf ein Verschulden des Abgabepflichtigen oder des Finanzamtes am Entstehen zinsenrelevanter Nachforderungen an. Damit hat der Gesetzgeber aber zu erkennen gegeben, dass er die Ursachen, die zur Abgabenfestsetzung nach dem im § 205 BAO genannten Zeitpunkt geführt haben, im Anwendungsbereich dieser Bestimmung grundsätzlich als unmaßgeblich erachtet hat (; keine sachliche Unbilligkeit der Einhebung von Anspruchszinsen, wenn die Abgabenbescheide nicht innerhalb der Frist des § 311 BAO erlassen wurden; vgl. auch Ritz/Koran, BAO7, § 205 Tz 3).

8. Erweist sich nach dem Gesagten das zur Unbilligkeit erstattete Beschwerdevorbringen als nicht stichhaltig, bleibt für eine Ermessensübung kein Raum und braucht auf die dazu in der Beschwerde angeführten Vorbringen nicht mehr eingegangen werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100851.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at