Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.06.2023, RV/7100506/2023

COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung - Änderung des Bescheides 2019 gemäß § 295a BAO nach Bekanntwerden des tatsächlichen Betriebsergebnisses im Zuge der Veranlagung des Folgejahres 2020

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/7100506/2023-RS1
wie RV/7102950/2022-RS1
Bedenkt man, dass auch der Antrag auf einen Verlustrücktrag bei bereits erfolgter Veranlagung als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO gilt, ist analog davon auszugehen, dass bei einer überhöhten COVID-19-Rücklage eine Korrektur auf den im Folgejahr tatsächlich angefallenen Verlust erforderlich sein wird.
RV/7100506/2023-RS2
wie RV/7102950/2022-RS2
Es kann dem Gesetzesgeber nicht unterstellt werden, er habe einen finanziellen und steuerlichen Anreiz für die Geltendmachung einer überhöhten COVID-19-Rücklage schaffen wollen. Die Kürzung dahingehend, dass sie nur den negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte umfasst, ist auch in Hinblick auf die betragsmäßige Höhe korrekt, da somit einerseits die in § 124b Z 355 EStG 1988 ausdrücklich beabsichtigten Liquiditätseffekte gewahrt bleiben und andererseits ein Anreiz für die Angabe einer zu hohen COVID-19-Rücklage vermieden wird (vgl. dazu die Erläuterungen RV 87 BlgNR XXVII. GP, S 8).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019 und 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Angefochtenen Bescheide

Der Beschwerdeführer erbringt Dienstleistungen in der automatisierten Datenverarbeitung und Informationstechnik und erzielte daraus in den Jahren 2019 und 2020 Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Nachdem der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid 2019 am erlassen worden war, beantragte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom die Berücksichtigung einer Covid-19 Rücklage in Höhe von 22.392,34 Euro.

Mit gemäß § 295a BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2019 vom wurde diesem Begehren Rechnung getragen und die Covid-19 Rücklage antragsgemäß berücksichtigt.

In dem nunmehr angefochtenen gemäß § 295a BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2019 vom wurde die Berücksichtigung der Covid-19 Rücklage mit der Begründung rückgängig gemacht, vom Beschwerdeführer sei 2020 ein Gewinn erwirtschaftet worden, weshalb die Bildung einer Covid-19 Rücklage nicht möglich sei.

Im Einkommensteuerbescheid 2020 vom wurde die vom Beschwerdeführer in seiner Einkommensteuererklärung vorgenommene Hinzurechnung der aufgrund seines Antrages vom zunächst im Einkommenssteuerbescheid 2019 vom gebildeten Covid-19 Rücklage abgelehnt. In der Begründung wurde ausgeführt, im Einkommensteuerbescheid 2020 dürfe keine Hinzurechnung erfolgen, weil der Einkommensteuerbescheid 2019 im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Bildung einer Covid-19 Rücklage gemäß § 295a BAO abzuändern gewesen sei.

2. Beschwerde vom

In der gegen die Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020 rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Vorgangsweise der belangten Behörde mit der Begründung, die Rücklage sei entsprechend der Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 3 lit. a COVlD-19-Verlustberücksichtigungsverordnung gebildet worden.

Die betrieblichen Einkünfte (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) hätten 2019 74.641,15 Euro betragen, womit die gebildete Rücklage dem in der Verordnung normierten Prozentsatz von 30% entspreche. Abgesehen von der ebenfalls erfüllten Voraussetzung, dass die Vorauszahlungen für 2020 Null betragen hätten, sei kein weiterer Nachweis für die Rücklagenbildung erforderlich gewesen. Laut § 2 COVID-19 Verlustberücksichtigungsverordnung müsse die in der Veranlagung 2019 gebildete COVI D-19 Rücklage in der Veranlagung 2020 zur Gänze hinzugerechnet werden. In den Begleitmaterialen zur Verordnung werde dies ausdrücklich bekräftigt:

Die Bedingungen der COVID-19 Verlustberücksichtigungsverordnung zur Bildung der Rücklage seien erfüllt worden, weil in der Verordnung lediglich von voraussichtlichen Verlusten die Rede sei. Es finde sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Höhe des späteren, tatsächlich eingetretenen Verlustes/Gewinnes für die Bildung der COVID-19 Rücklage entscheidend sei, oder dass, die Rücklage rückwirkend gelöscht oder in ihrer Höhe abgeändert werden müsse, wenn der tatsächlich eingetretene Verlust/Gewinn sich vom voraussichtlichen Verlust unterscheide.

Der Beschwerdeführer beantrage daher, den Einkommenssteuerbescheid 2019 vom dahingehend zu ändern, dass die COVID-19 Rücklage in der ursprünglichen Höhe von 22.392,34 Euro wie zuvor berücksichtigt werde. Gleichzeitig beantrage er, den Einkommenssteuerbescheid 2020 vom so zu ändern, dass die COVID-19 Rücklage in identer Höhe hinzugerechnet werde.

3. Beschwerdevorentscheidungen

Mit den Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020 als unbegründet abgewiesen. In der gesondert übermittelten Begründung wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Vorbringens des Beschwerdeführers angeführt, die Korrektur sei im Sinne der Aussagen in der dem Beschwerdeführer bekannt gegebenen Rz 3920 der Einkommensteuer-Richtlinien des BMF (EStR) erfolgt, in welcher ausgeführt werde: "Ergibt sich in Folge der Hinzurechnung der COVID-19-Rücklage ein positiver Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte, wurde die COVID-19-Rücklage zu hoch gebildet und es ist eine Korrektur vorzunehmen: Im Jahr der Bildung der COVID-19-Rücklage ist diese dahingehend zu kürzen, dass sie nur den negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte umfasst. Die Korrektur ist im Wege des § 295a BAO vorzunehmen. Sollten die betraglichen Voraussetzungen bloß geringfügig sein, bestehen keine Bedenken, von der Korrektur abzusehen."

Der der Regelung des § 124b Z 355 lit. a EStG 1988 zugrundeliegende Gedanke sei die Schaffung einer Möglichkeit zum Verlustrücktrag des Jahres 2020 in das Jahr 2019 als steuerliche Unterstützung iZm COVID-19 gewesen. Sofern noch kein tatsächlich rücktragsfähiger Verlust 2020 veranlagt worden sei, sollte ein geschätzter Verlust als Rücklage im Jahr 2019 eingebucht werden können. Die genauere Ausgestaltung sei einer Verordnung des BMF überlassen worden, welches die Vorgangsweise in der COVID-19 Verordnung geregelt habe.

Wenn 2020 tatsächlich kein Verlust eintrete, sei die Rücklage im Jahr der Bildung wieder zu korrigieren, da ansonsten Steuerpflichtige mit einer solchen Rücklage im Ergebnis steuerlich bessergestellt seien als Steuerpflichtige, die die Veranlagung 2020 abwarten und den Verlustrücktrag in "korrekter" Höhe beantragen würden (vgl. Mayr/Tumpel, Verlustrücktrag und COVID19-VerlustberücksichtigungsVO, RdW 2020, 862). Weiters orientiere sich die Formulierung in Rz 3920 EStR an der Textierung des § 124b Z 355 EStG 1988. Diese Bestimmung lasse nur die Berücksichtigung von Verlusten, nicht aber die Verschiebung von Gewinnen zu (vgl. Aumayr/Franke, Highlights aus dem EStR-Wartungserlass 2021, RdW 2021, 368).

Im Jahr 2020 sei tatsächlich kein Verlust erzielt worden (Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv 1.836,30 Euro) und die betraglichen Auswirkungen seien auch nicht geringfügig, sodass von einer Korrektur hätte abgesehen werden können (steuerliche Differenz von über 4.700 Euro). Es sei folglich die im Jahr 2019 gebildete Rücklage rückwirkend zu korrigieren und dementsprechend auch keine Zurechnung im Jahr 2020 vorzunehmen gewesen.

4. Vorlageantrag vom

Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag wandte der Beschwerdeführer ein, die Bedingungen der COVID-19 Verlustberücksichtigungsverordnung zur Bildung der Rücklage seien erfüllt worden. In der Verordnung sei lediglich von voraussichtlichen Verlusten die Rede.

Es finde sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Höhe des späteren, tatsächlich eingetretenen Verlustes/Gewinnes für die Bildung der COVID-19 Rücklage entscheidend sei, oder die Rücklage rückwirkend gelöscht oder in ihrer Höhe abgeändert werden müsse, wenn der tatsächlich eingetretene Verlust/Gewinn sich vom voraussichtlichen Verlust unterscheide.

Die Beschwerdevorentscheidung sei im Wesentlichen mit den Vorgaben der Einkommenssteuer-Richtlinie begründet worden. Diese internen Vorgaben der Finanzverwaltung würden jedoch nicht der tatsächlichen oben dargestellten Rechtlage entsprechen und überschritten im Zuge des erwünschten Ergebnisses die Grenzen der Auslegung der zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen.

Der Beschwerdeführer beantrage daher, den Einkommenssteuerbescheid 2019 vom dahingehend zu ändern, dass die COVID-19 Rücklage in der ursprünglichen Höhe von 22.392,34 Euro wie zuvor berücksichtigt werde. Gleichzeitig beantrage er, den Einkommenssteuerbescheid 2020 vom so zu ändern, dass die COVID-19 Rücklage in identer Höhe hinzugerechnet werde.

5. Beschwerdevorlage

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte im Vorlagebericht vom unter Verweis auf die Rechtsmeinung der Finanzverwaltung und die in der Beschwerdevorentscheidung zitierte Literaturmeinung die Abweisung der Beschwerde.

1. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer erbringt Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik. In seiner Einkommensteuererklärung für 2019 erklärte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 74.641,15 Euro, die dem Einkommensteuerbescheid 2019 vom auch zugrunde gelegt wurden.

Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung einer Covid-19 Rücklage in Höhe von 22.392,34 Euro, was 30% des erklärten Gewinnes aus Gewerbetrieb entspricht.

Die belangte Behörde berücksichtigte in dem gemäß § 295a BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2019 vom die Covid-19 Rücklage antragsgemäß.

In der bei der belangten Behörde am eingelangten Einkommensteuererklärung für 2020 erklärte der Beschwerdeführer Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1.836,30 Euro und begehrte die Hinzurechnung der in der Veranlagung 2019 abgezogenen COVID-19-Rücklage in Höhe von 22.392,34 Euro.

Die belangte Behörde änderte aufgrund dessen den Einkommensteuerbescheid 2019 am gemäß § 295a BAO und machte die Berücksichtigung der Covid-19 Rücklage mit der Begründung rückgängig, dass vom Beschwerdeführer 2020 ein Gewinn erwirtschaftet worden sei.

Im Einkommensteuerbescheid 2020 vom wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärungsgemäß festgesetzte, von der Hinzurechnung der zunächst im Einkommenssteuerbescheid 2019 vom gebildeten Covid-19 Rücklage aber Abstand genommen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen und ist nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die mit dem Konjunkturstärkungsgesetz 2020, BGBl. I Nr. 96/2020, eingefügte Bestimmung des § 124b Z 355 EStG 1988 idF COVID-19-Steuermaßnahmengesetz, BGBl. I Nr. 3/2021, normiert:

"a) Verluste aus Einkünften gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte im Rahmen der Veranlagung 2020 nicht ausgeglichen werden, können im Rahmen der Veranlagung 2019 bis zu einem Betrag von 5 000 000 Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte vor Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen abgezogen werden (Verlustrücktrag). Soweit ein Abzug im Rahmen der Veranlagung 2019 nicht möglich ist, kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen der Veranlagung 2018 erfolgen. Dabei gilt:

- Die Verluste müssen durch ordnungsmäßige Buchführung oder bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 ermitteln, durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, ermittelt worden sein.

- Der Verlustrücktrag erfolgt auf Antrag. Wurde das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, gilt der Antrag als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO.

- Soweit Verluste aus der Veranlagung 2020 nicht rückgetragen werden, können sie nach Maßgabe des § 18 Abs. 6 in Folgejahren abgezogen werden (Verlustabzug).

Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, im Wege einer Verordnung festzulegen, dass eine Verlustberücksichtigung bereits vor Durchführung der Veranlagung 2020 erfolgen kann, um bei den Steuerpflichtigen früher positive Liquiditätseffekte herbeizuführen. Dabei sind auch die Voraussetzungen für die Verlustberücksichtigung im Rahmen der Veranlagung 2018 näher festzulegen.

b) Endet im Kalenderjahr 2020 ein abweichendes Wirtschaftsjahr, besteht das Wahlrecht, den Verlust aus der Veranlagung 2020 oder aus der Veranlagung 2021 rückzutragen. Wird der Verlust aus der Veranlagung 2021 rückgetragen, beziehen sich die Regelungen der lit. a auf die Kalenderjahre 2021, 2020 und 2019."

Den Erläuterungen der Regierungsvorlage (287 der Beilagen XXVII. GP) ist in Tz 12 dazu Folgendes zu entnehmen:

"Um die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Krise durch eine Ergebnisglättung steuerlich weiter abzufedern, soll zeitlich befristet die Möglichkeit eines Verlustrücktrags nach deutschem Vorbild vorgesehen werden. Der Verlustrücktrag soll dabei grundsätzlich unter denselben Voraussetzungen möglich sein wie der Verlustvortrag: Er soll für negative betriebliche Einkünfte zustehen, die ordnungsgemäß ermittelt worden sind. Da er dem als Sonderausgabe konzipierten Verlustvortrag vorgeht, muss er auf Ebene des Gesamtbetrags der Einkünfte ermittelt werden.

Im Rahmen der Veranlagung des Jahres 2020 ist der höchstens für einen Verlustrücktrag in Frage kommende Betrag zu ermitteln, wobei ein Deckel in Höhe von fünf Millionen Euro vorgesehen werden soll. Dieser Betrag kann sodann mit den Einkünften des Jahres 2019 ausgeglichen werden. Dazu ist eine Antragstellung, bezogen auf die Veranlagung 2019, notwendig. Kann der Verlustrücktrag nicht vollständig im Jahr 2019 genützt werden, soll auch für die Veranlagung 2018 ein Antrag ermöglicht werden, wobei bestimmte, noch durch eine Verordnung festzulegende Einschränkungen gelten sollen. Um den Verlustrücktrag auch in bereits rechtskräftig veranlagten Fällen sicherzustellen, soll eine Teilrechtskraftdurchbrechung im Wege eines rückwirkenden Ereignisses gemäß § 295a BAO vorgesehen werden.

Um möglichst rasch die Liquidität verlustträchtiger Unternehmen zu stärken, soll eine Möglichkeit geschaffen werden, bereits vor Abschluss der Veranlagung des Jahres 2020 einen Verlustrücktrag in den Vorjahren zu berücksichtigen und damit die Rückzahlung bereits geleisteter Einkommen- und Körperschaftsteuer(vorauszahlungen) zu ermöglichen. Die genauere technische Ausgestaltung (wie etwa durch die Bildung von Rücklagen in den Vorjahren) soll durch eine Verordnung erfolgen, um eine möglichst einfache und verwaltungseffiziente Lösung sicherzustellen."

In der auf Grund der Bestimmung des § 124b Z 355 EStG 1988 erlassene Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Verlustberücksichtigung 2019 und 2018 (COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung), BGBl II 405/2020, wird - soweit im gegenständlichen Fall von Interesse - normiert:

"1. Abschnitt
COVID-19-Rücklage

§ 1. (1) Zur Schaffung von positiven Liquiditätseffekten vor Durchführung der Veranlagung 2020 können voraussichtliche betriebliche Verluste 2020 bereits im Rahmen der Veranlagung 2019 bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte durch einen besonderen Abzugsposten (COVID-19-Rücklage) berücksichtigt werden. Dabei gilt:

1. Die Bildung der COVID-19-Rücklage setzt voraus, dass der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2019 positiv und im Jahr 2020 voraussichtlich negativ ist. Als Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte gilt der Saldo der nach dem Tarif zu versteuernden Gewinne und Verluste (§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988) aus Wirtschaftsjahren, die im jeweiligen Kalenderjahr enden.

2. Die COVID-19-Rücklage kürzt den Gesamtbetrag der Einkünfte 2019. Sie lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.

3. Für die Ermittlung der Höhe der COVID-19-Rücklage gilt:

a) Sie beträgt ohne weiteren Nachweis bis zu 30% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, wenn die Vorauszahlungen Null betragen oder nur in Höhe der Mindeststeuer gemäß § 24a KStG 1988 festgesetzt wurden.

(2) Der Abzug und die Hinzurechnung (§ 2) der COVID-19-Rücklage hat beim selben Steuerpflichtigen zu erfolgen. Bei Gesellschaften, deren Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, wird die COVID-19-Rücklage nicht im Rahmen des Feststellungsverfahrens (§ 188 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 1961/194), sondern im Rahmen der Veranlagung der Mitunternehmer berücksichtigt.

§ 2. Die bei der Veranlagung 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage ist im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen. Dieser lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.

§ 4. Die Bildung einer COVID-19-Rücklage erfolgt auf Antrag. Der Antrag kann ab unter Verwendung des dafür vorgesehenen amtlichen Formulars gestellt werden. Wurde das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, gilt der Antrag als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO.

3. Abschnitt
Verlustrücktrag

§ 6. Die nach Hinzurechnung der COVID-19-Rücklage verbleibenden Verluste des Jahres 2020 können nach Maßgabe der § 124b Z 355 EStG 1988 sowie § 26c Z 76 KStG 1988 in das Jahr 2019 rückgetragen werden. Die erfolgte Berücksichtigung der COVID-19-Rücklage bleibt dadurch unberührt.

§ 7. Wird durch den bei der Veranlagung 2019 zu berücksichtigenden Verlustrücktrag aus dem Jahr 2020 der Höchstbetrag nicht ausgeschöpft, kann insoweit eine Berücksichtigung des Verlustrücktrages im Rahmen der Veranlagung 2018 beantragt werden. Dabei gilt:

1. Als Verlustrücktrag kann im Jahr 2018 höchstens ein Betrag von zwei Millionen Euro nach Maßgabe der § 124b Z 355 EStG 1988 sowie § 26c Z 76 KStG 1988 abgezogen werden.

2. Soweit Verluste aus der Veranlagung 2020 weder bei der Veranlagung 2019 noch bei der Veranlagung 2018 berücksichtigt werden, können sie nach Maßgabe des § 18 Abs. 6 ab dem Veranlagungszeitraum 2021 abgezogen werden (Verlustabzug).

Wird bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr das Wahlrecht ausgeübt, den Verlust aus der Veranlagung 2021 rückzutragen (§ 124b Z 355 lit. b), sind die vorstehenden Bestimmungen, soweit sie das Jahr 2020, 2019 und 2018 betreffen, auf das Jahr 2021, 2020 und 2019 zu beziehen.

…"

Gemäß § 295a Abs. 1 BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

Die in § 1 Abs. 1 der COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung normierten Voraussetzungen für die Bildung der Rücklage für das Jahr 2019 lagen - wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt - anlässlich seiner Antragstellung vor. Die Rücklage konnte daher gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 der COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung ohne weiteren Nachweis mit 30 % des Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, somit in Höhe von 22.392,34 Euro gebildet werden.

Sollten nach Hinzurechnung der COVID-19-Rücklage im Jahr 2020 weitere betriebliche Verluste verbleiben, hätte gemäß § 124b Z 355 EStG 1988 ein verbleibender Verlust in voller Höhe in das Jahr 2019 rückgetragen werden können. Die erfolgte COVID-19-Rücklage bleibt dadurch nach § 6 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung unberührt.

Die Verlustberücksichtigungsverordnung enthält damit eine Art "automatische Korrektur": Sollte sich nach der Hinzurechnung der Rücklage im Jahr 2020 noch ein Verlust ergeben, kann dieser Verlust rückgetragen werden.

In die umgekehrte Richtung fehlt der Verordnung allerdings eine solche "automatische Korrektur": Wird - wie im gegenständlichen Fall - 2020 kein Verlust erzielt, dann wären zwar die Einkünfte 2020 nach Hinzurechnung zu versteuern, der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2019 unter Einbeziehung der gebildeten Rücklage würde sich jedoch nicht ändern. Daraus könnten sich Progressionsvorteile ergeben. Wenn aber auf Grund der Verlustberücksichtigungsverordnung eine COVID-19-Rücklage im Jahr 2019 eingestellt wird, obwohl sich 2020 gar kein Verlust ergibt, stellt sich die Frage, ob eine solche überhöhte COVID-19-Rücklage gesetzlich gedeckt ist.

Die Verordnungsermächtigung in § 124b Z 355 EStG 1988 bemächtigt den BMF lediglich, "im Wege einer Verordnung festzulegen, dass eine Verlustberücksichtigung im Rahmen der Veranlagung 2019 sowie 2018 bereits vor Durchführung der Veranlagung 2020 erfolgen kann" , also die Verlustberücksichtigung zeitlich vor Durchführung der Veranlagung 2020 vorzuziehen. Problematisch scheint diesbezüglich insbesondere die pauschale Bildung der COVID-19-Rücklage in Höhe von 30% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, weil diese der Höhe nach keinerlei konkreten Bezug zum (endgültigen) Verlust 2020 aufweist. Eine Korrektur einer überhöhten COVID-19-Rücklage ist daher schon deshalb geboten, weil ansonsten Steuerpflichtige mit einer solchen Rücklage im Ergebnis steuerlich bessergestellt sein könnten, als Steuerpflichtige, die die Veranlagung 2020 abwarten und den Verlustrücktrag in tatsächlicher Höhe beantragen. Der mögliche Progressionseffekt zeigt sich in der Einkommensteuer vor allem - wie im gegenständlichen Fall - bei eher niedrigeren Gewinnen (vgl. Mayr/Tumpel in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 124b Z 355 Rz 19).

Der Verordnungsermächtigung in § 124b Z 355 EStG 1988 ist lediglich die Befugnis des Verordnungsgebers zu entnehmen, die Voraussetzungen für eine vorgezogene Verlustberücksichtigung im Jahr 2019 festzulegen. Der gesetzlichen Bestimmung kann aber keinesfalls eine Ermächtigung des Verordnungsgebers entnommen werden, der zufolge eine Berücksichtigung von 2020 gar nicht entstandenen Verlusten im Jahr 2019 möglich sein sollte. Es kann dem Gesetzesgeber auch im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzestext, der lediglich einen Verlustrücktrag eines tatsächlich 2020 entstandenen Verlust in das Jahr 2019 ermöglicht, nicht unterstellt werden, er habe einen finanziellen und steuerlichen Anreiz für die Geltendmachung einer überhöhten COVID-19-Rücklage schaffen wollen. Desgleichen kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Verordnungsgeber über die gesetzlichen Grenzen hinwegsetzen und die Möglichkeit schaffen wollte, im Jahr 2019 einen 2020 gar nicht entstandenen Verlust in Abzug bringen zu können. Die Anpassung der COVID-19-Rücklage an den tatsächlich negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2020 ändert nichts an den in § 124b Z 355 EStG 1988 ausdrücklich beabsichtigten Liquiditätseffekten und vermeidet andererseits einen Anreiz für die Angabe einer zu hohen COVID-19-Rücklage (vgl. und ).

Eine Abänderung eines Bescheides gemäß § 295a BAO ist für jene Fälle vorgesehen, in denen abgabenrelevante Umstände rückwirkend erfasst werden müssen, weil sie den Sachverhalt, der einem Bescheid zugrunde gelegt wurde, ändern. Es kann somit ein ursprünglich richtiger Bescheid abgeändert werden. Dieser ursprüngliche Bescheid erging aufgrund eines richtig festgestellten Sachverhaltes, der durch ein Ereignis, das auf den Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld zurückwirkt, geändert wird. Der zunächst rechtmäßige Bescheid wird durch den Eintritt des Ereignisses iSd § 295a BAO rechtwidrig (vgl. ).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ereignisse im Sinne des § 295a BAO sachverhaltsändernde tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich - aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften - eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt (vgl. mit Hinweis auf ). § 295a BAO kann nur im Falle von sich nachträglich ereignenden Umständen ein Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von Erledigungen sein (vgl. ).

Es ist eine Frage des Inhaltes bzw. der Auslegung der (materiellrechtlichen) Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung (bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruchs) zukommt (vgl. z.B. ; , 2006/15/0085; , 2008/15/0065; , Ra 2018/16/0109).

Tritt ein derartiges Ereignis vor Bescheiderlassung ein, so ist es im Bescheid zu berücksichtigen. § 295a BAO ist anwendbar, wenn ein solches Ereignis nachträglich (nach Erlassung des Bescheides) eintritt (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 295a Tz 4 f). Anhand der materiellen Abgabengesetze ist zu prüfen, ob ein Anwendungsfall der § 295a BAO vorliegen kann.

In Anbetracht dessen, dass gemäß § 4 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung der Antrag auf einen Verlustrücktrag bei bereits erfolgter Veranlagung als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO gilt, ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes analog davon auszugehen, dass die Feststellung einer im Hinblick auf das tatsächliche Betriebsergebnis des Jahres 2020 überhöhten COVID-19-Rücklage ebenfalls ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO darstellt (vgl. bspw. ).

Aus der Einkommensteuererklärung für 2020 ergibt sich, dass die betrieblichen Einkünfte 2020 - entgegen der ursprünglichen Annahme eines voraussichtlichen Verlustes - 2020 nicht negativ waren. Dieses Ereignis hat insofern abgabenrechtliche Wirkung auf den Einkommensteuerbescheid 2019, als die COVID-19-Rücklage - mangels eines Verlustes in 2020 - nicht hätte gebildet werden dürfen. Die Ermittlung der betrieblichen Einkünfte des Jahres 2020 stellt daher insofern einen sachverhaltsändernden Sachverhalt dar, als sich - im Gegensatz zur ursprünglichen Sachverhaltsannahme - kein Verlust ergab. Der Tatbestand des § 124b Z 355 EStG 1988 ist damit nicht (mehr) erfüllt.

Die dahingehende Kürzung der COVID-19-Rücklage, dass sie nur den negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte umfasst, bewirkt, dass einerseits die in § 124b Z 355 EStG 1988 ausdrücklich beabsichtigten Liquiditätseffekte gewahrt bleiben und andererseits ein Anreiz für die Angabe einer den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechenden COVID-19-Rücklage vermieden wird (siehe dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 287 der Beilagen XXVII. GP, Tz 12).

Das dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende nachträgliche Ereignis iSd § 295a BAO liegt dementsprechend in der Ermittlung und steuerlichen Erklärung der betrieblichen Einkünfte des Jahres 2020.

Die Abänderung gemäß § 295a BAO liegt im Ermessen. Es ist dabei der grundsätzliche Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu berücksichtigen. Die Abänderung könnte lediglich bei Geringfügigkeit der (insbesondere abgabenrechtlichen) Auswirkungen unterbleiben (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 295 Tz 38 ff).

Im Hinblick auf das Ausmaß der erforderlichen Änderung (Auflösung der 2019 gebildeten Rücklage in Höhe von 22.392,34 Euro und die steuerlichen Auswirkungen (festgesetzte Einkommensteuer laut ursprünglichem Einkommensteuerbescheid 2019 und Festsetzung laut gegenständlichem Erkenntnis) war die Abänderung unter Bedachtnahme auf den Vorrang der Rechtsrichtigkeit vor der Rechtsbeständigkeit geboten. Besondere Billigkeitsgründe, welche der Abänderung im gegenständlichen Fall entgegenstünden, wurden nicht vorgebracht.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage, ob es sich um ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO handelt, wenn im Jahr 2019 eine COVID-19-Rücklage gebildet wird und in der Folge die betrieblichen Einkünfte im Veranlagungsjahr 2020 tatsächlich positiv sind, liegt bislang noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, weshalb die Revision zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 124b Z 355 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020
§ 4 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020
Verweise





Ritz/Koran, BAO7, § 295a Tz 4 f
Ritz/Koran, BAO7, § 295 Tz 38 ff


ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100506.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at